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lisch« Manufakturwaaren gelegten Zölle und über die Lohnsätze der Arbeiter in diesen Ländern. — Die Aufmerksamkeit der Zollbehörden in Boston ist auf die Thatsache gelenkt worden, daß am 15 ds. Mts. 1771 Kisten mit Gewehren an Bord de« Dampfers Iowa nach Liverpool verschifft wurden Der Inhalt der Kisten war als Eisenwaaren deklarirt.
Toges-Reuigkeiten.
Stuttgart, 23. Dez. Das gestrige Konzert für die Verunglückten des Wiener Ringtheater» hatte die Räume des Königsbausaales vollständig gefüllt. Den Saal hat Seine Majestät der König unentgeltlich dem Konnte überlaffen und auch die damit verbundenen Kosten übernommen. Das Programm bot für jeden Geschmack etwas, Musik, Gesang und Deklamation wechselten in bunter Reihenfolge und zuletzt trat noch die beliebte Tiroler Gesellschaft Rainer auf, welche auch nicht dahinten bleiben wollte, wo es sich darum handelte, für die Landsleute einzutreten. Großen Erfolg hatte Frau Wahlmann mit ihrer klassischen Diktion der Schiller- schen Caffandra: es ist ein Genuß, diese Verse voll Schwung und Wohlklang aus solchem Munde sprechen zu hören. Unter den gesanglichen Aufführungen verdient der Vortrog von Abertffchen Liedern durch Frau Honf- stängl und vor allem das vierstimmige „Ich bin geliebt" aus Schumanns spanischem Liederspiel (die Damen Hanistängl und Hieser, die Herren Schütky und Link) ehrende Erwähnung, die Instrumentalmusik war am besten durch die Haydn'schen Variationen über die östsrr. Nationalhymne vertreten. — Es scheint, daß für den wohlthätigen Zweck, welchen das Konzert verfolgt, in Wien wie in der ganzen civilisirten Welt Geld genug eingeht, so daß nicht nur jede augenblickliche Nolh durchaus beseitigt, sondern auch für die fernere Zukunft der Betroffenen in liberalster Weise gesorgt werden kann. Die zu Waisen gewordenen Kinder sind sämmtlich angenommen, jedem unbemittelten derselben kann von dem Comitö eine schöne Summe auf den Lebensweg für die Erziehung und Aussteuer mitgegcben werden. Es ist ein schöner Zug, daß sich bei einem solchen Unglück Europa sofort in der Hilfeleistung eins fühlt; vergessen wir aber darüber unsere eigenen Armen und Nothleidenden nicht, die eine Hi fe häufig noch nöthiger brauchen, deren Armuth aber, weil sie nicht unter dem Eindruck einer entsetzlichen Katastrophe an unsere Thüre pocht, leicht zu kurz kommen und die Herzen und Hände weniger offen finden könnte.
— Am nächsten Samstag trifft Circus Corty in Stuttgart ein und wird dessen erste Vorstellung schon am 1. Januar stattfinden.
Leonberg, 24. Dez. Heute ist vor dem Schöffengericht ein Milchverwässerungsprozeß verhandelt worden 3 Weilim- dorfer Frauen wurden zu 3, 2 und 1 Woche Gefängniß verurtheilt. Dis Weilimdorfer haben Milchhändlern von Feuerbach Milch geliefert, die in Stuttgart als verfälscht gefunden wurde, woraus der Polizeikomwisfär sich nach Weil im Dorf begab und dort dis Milch untersuchte. Wenn die Milch an der Quelle schon verfälscht wird, so muß sie, bis sie nach Feuerbach und Stuttgart kommt, vollends ihre Kraft verlieren.
Ludwigs bürg, 25. Dez. In den hi sigen militärischen Kreisen wurde das Christfest in schöner und würdiger Weife gefeiert Die Offiziere des Feldartillerieregiments hielten letzten Donnerstag in ihrem Kassino eine Weihnachtsfeier mit Gabenverloosung, wobei Stabstrompeter Schober mit seiner gut geschulten Strcichkapelle ein Konzert mit vortrefflich zusammengestelltem Programm meisterhaft durchführte. — Beim Trainbataillon wurde gestern Abend für jeden Mann 1 »16 als Christgeschenk verabreicht und es wurden hiefür allerlei nützliche Gegenstände gekauft, die unter die Mannschaft zur Verloosung kamen. Außerdem erhielt jeder Mann ein Schnitzlaibchen, einen weißen Kuchen u. s. w. Der Verloosung ging eins sinnige Ansprache an die Mannschaften von Seiten des Kompagniechess voraus, wobei an die Christbäume im Feindesland von 1871 und an diejenigen im elterlichen Hause erinnert wurde. Bei jeder Kompagnie war ein schön dekorirter Christbaum aufgestellt. Abends ward; j.dem Soldaten ein besseres Abendessen mit Bier vorgesetzt. Auch bei den Ulanen, der Infanterie und den Soldaten der übrigen Waffengattungen waren ähnliche Christfeierlichkeilen veranstaltet
Marbach, 24 Dez. Resultat der Abg.-Wahl. O F.R. Weiz
säcker. bish. Abg. 1217 Stimmen; Domänenpächter Stockmayer mit 2009 St. gewählt.
Wein Sb erg, 22. Dez. Im Lause dieser Woche sind sämmtliche Landtagskandidaten hieraufgetreten. Zuerst erschien, wie schon berichtet, Kaufmann Rettich von Wüstenroth; ihm folgte am letzten Dienstag Kunstmüller Uefsinger von Weißlensburg und gestern Abend. gerade noch vor Thorschluß, Reg.-Rath Rath von Cannstatt. Ueffinger erklärte, daß ihn die Noth, in der sich gegenwärtig die Landwirthe befinden, bewogen, dem Zuspruch seiner Freunde zu folgen und sich um ein Mandat zu bewerben. Er kenne die Lage des Volkes am besten, da er selber Grundbesitzer sei und Geschäftsmann; er habe selber sein Geschäft gegründet und emporgebracht; auch als Ausschußmitglied des landwirth- schaftl. Vereins habe er sich hervorgethan. Obgleich geborener Badener, sei er doch nunmehr ein treuer, begeisterter Württemberger. Durch zahlreiche Geschäftsreisen, die ihn in verschiedene deutsche und außerdeutsche Länder geführt, sei er zur Ueberzsugung gekommen, daß kein Land sich einer so trefflichen und sorgsamen Verwaltung zu erfreuen habe als Württemberg. Der gepriesene „Musterstaat" Baden sei damit nicht zu vergleichen. Falls er nun in die Kammer gewählt werde, so werde er allerdings als Neuling sich erst über dieses und jenes belehren lassen muffen und als einzelner auch nicht viel ausrichien können. Doch werde er, soweit die Kammer überhaupt noch einen Einstuß hierauf habe, auf möglichste Herabsetzung der Steuer- und Militärlasten hinwirken, ferner auf gerechtere Vertheilung der Steuern; insbesondere dürfe eine etwaige Besteuerung des Weins an der Kelter nicht den W.ingärtner treffen In Beantwortung einiger Anfragen erklärte er weiter, daß er für energische Maßregeln gegen arbeitsscheue Vaganten sei, ferner für größere Sparsamkeit im Eisenbahnwesen. Es sollten nicht mehr aus Kosten der Steuerzahler unnöthige Nacht- und Schnellzüge eingerichtet werd-n. Endlich erklärte er noch zum großen Erstaunen der Anwesenden, daß er nicht blos für Ausschließung der Privi- legirten aus der zweiten Kammer, sondern auch für Aufhebung der ersten Kammer sei. — In Folge mangelhafter Bekanntmachung war die Ues- fingsr'sche Versammlung sehr schwach besucht; UM so zahlreicher war die Zuhörerschaft, welche Tags darauf um Hrn. Ra th sich schaarte, Der geräumige Rathhaursaal reichte kaum hin, dis Menge zu fassen. Nur auf dringende Aufforderung hin. die aus dem Bezirke an ihn gelangt, erklärte Hr. Rath, Habs er sich zu dieser Kandidatur entschlossen, und nachdem er sich vergewissert, daß der frühere verdiente Abgeordnete des Bezirks kein Mandat mehr annehme. Daß er ein „Streber" sei. werde man ihm nicht vorwerskn können, da er seine jetzige Stellung schon erreicht habe, ehe er das Mandat für Riedlingen angenommen und auch künftighin keine Beförderung mehr wünsche oder erwarte. Dagegen habe er in seiner bisherigen AmtSthätigkeit reiche Gelegenheit gehabt, die Interessen von Gewerbe. Handel und Landwirthschaft zu studiren und mit allen Kreisen der Bevölkerung in Berührung zu kommen. So Habs er insbesondere in Beziehung auf das zu erwartende Kulturgesetz schon viele praktische Erfahrungen gemacht, die er bei der Berathung hierüber verwerthen könnte, ebenso in Betreff einiger andern kleinen Gesetzervorlagen. Wenn es sich dann um die Neuorganisation des Departements des Innern handeln werde, so werde er auch da in der Lage sein, heilsame Vorschläge machen zu können, z. B. für Erweiterung der Selbstständigkeit der Gemeinden. Die Ledens- längiichkeit der Ortsvorsteher wolle er nicht antasten, solange dieselben noch zugleich staatliche und polizeiliche Funktionen zu erfüllen haben. Den Hausirhandel wolle er nicht unterdrücken, nur das mir Betteln verbundene Hausiren solle verhindert werden durch sorgfältige Prüfung der betreff. Individuen. Dis Privilegirtsn wünsche auch er in die erste Kammer; doch werde eins Verfassungsänderung nicht so leicht vor sich gehen. Zum Schluß empfahl noch Herr Sladtschuilheiß Seufferheid die Kandidatur Raths; es sei doch besser, einen gebildeten Mann als Abgeordneten zu haben, als einen Mann, der einseitig die Interessen eines Standes vertrete.
Weinsberg, 24. Dez. Das definitive Wahtergebniß ist folgendes : Wahlberechtigt 4672 , abgestimmt haben 2920. Stimmen erhielten: Rath 793, Rettich 1497, Uesfinger 620. Somit ist Kaufmann Rettich 8on. in Wüstenroth mit 1497 Stimmen gewählt.
Köln, 20. Dez. Seit einem Monat kommen bedeutende Getreide^
schieden diskret gegen meine Patientin betragen haben, so erlaube ich. kraft meines Amtes, daß Sie morgen früh als Großinquisitor Ihre Funktionen beginnen können. Glück auf!" Er lachte und fuhr davon.
Zerstreut und der neckischen Manier des Doktors sehr gewöhnt, Hörle der Criminalrath diese seltsame Abschiedsrede und ging tieffinnig in sein Zimmer. Hier begannen die Einflüsterungen des Mißtrauens und die Berechnungen oes Verdachtes ihr Spiel mit weit größerer Macht als Tags zuvor zu treiben. Zweifel .kamen überhaupt nicht mehr in seine Seele, konnten auch nicht, nach der speciell ausgesprochenen Beschuldigung der verwundeten Dame, aber es galt, vorgefaßte gute Meinungen zu bekämpfen, die sich mit Gewalt dagegen sträubten zu dieser Thal die Motive in. einem Uebermaße von Eigennutz zu suchen. Nach der oben gemachten Entdeckung blieb ihm als Beamten nichts weiter übrig, als von Moorhagen vor die Schranken zu fordern und damit seine Stellung in der Welt auf immer zu untergraben.
Es war ein schwerer Entschluß ! Die ganze männliche Liebenswürdigkeit des Nngeschuldigten, sein ehrenhaftes, chevalereskes Wesen und der unangetastete gute Ruf desselben stellten sich immerfort kampfbereit vor des Beamten Geiste auf, wenn er, müde der Unentschlossenheit, zu der Feder griff, um den Befehl zu von Moorhagen's Verhaftung zu ertheilen. Milten in dies Chaos von widerwilligen Gefühlen trat Herr Richard von Moorhagen selbst in's Zimmer, nachdem er vergeblich mehrere Male stark angepocht hatte.
Der Criminalrath stand jäh auf und maß den jungen Mann mit bedeutungsschwerem Ernste von Kopf bi» zu den Füßen, ohne ihn zu begrüßen.
Von Moorhagen wurde verlegen. Das Betragen war beleidigend und hätte jedenfalls seine Galle rege gemacht, wenn er sich nicht innerlich schuldig gefühlt hätte, die Grenze, welche sein Ehrenwort gezogen hatte, willkürlich erweitert zu haben, indem er seine Wohnung verließ.
„Ich hörte, Sie seien vom^Landhause meines Onkels zurück," sagte er befangen; „nennen Sie es einen kleinen Ueberrest von Neigung für Leopoldine, oder nennen Sie es, wie Sie wollen, aber mich trieb es her um zu erfahren: wie es mit ihr steht? Lebt sie? Wird sie bald genesen? Was sagte sie über ihren Unfall?"
„Sie lebt, sie wird genesen und was sie über ihren Unfall berichtet, wird Sie nicht erfreuen, mein Herr !" erwiederte der Rath kurz. Die Herbe seines Stimmeniones mußte von Moorhagen, der ihn sehr gut kannte, auf das Schlimmste vorbereiten, aber dennoch überlief der Schatten des Schreckens seine Züge, als derselbe dicht vor ihn hintretend, hwzufügte: „Frau von Moorhagen nennt Sie als ihren Mörder."
„Mich? Unmöglich! Unerhört! Mich? Mich?" rief der Edelmann aus oller Fassung gebracht. Einen Augenblick schien er hülflos, einen Augenblick wankte sein Männermuth. — „Nun ja, sie wird mich anschuldigen, man wird ihr glauben und mein vergiftete» Dasein ist ganz vernichtet. — O Weib, Weib, wie willst Du vor Gott bestehen!" schloß er mit ganz wiedergewonnener Haltung.
Der Criminalrath fühlte sich bewegt, die Kraft und Wärme des Ausdrucks bei den letzten Worten warf wieder allen Verdacht über den Hausen. Er stand stumm und unentschlossen. Von Moorhagen reichte ihm die Hand. (Forts, slgt.)