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Rom. 22. Dez. Bei Berathung des Budget« de« Auswärtigen im Senat erklärte Mancini auf Befragen: Er habe gelegentlich über die besonderen Abmachungen betr. Tunis in Paris reklamirt. Italien enthielt sich jede« Aktes. der eine direkte oder indirekte Anerkennung des Bardovertrage« enthielt. England nahm nach einigen Vorbehalten eine Haltung an, welche die stillschweigende Annahme de« Vertrag« vermuthen lasten konnte. Es wäre unschwer gewesen, mit Roustan zu verhandeln, wenn er nur Minister des BeyS gewesen. Bei seiner doppelten Eigenschaft als Minister des Bey» und als Vertreter Frankreichs war dies unmöglich. — Die Verhandlungen wegen der Italiener in Sfax dauern fort. Die Veröffentlichung der betreffenden Dokumente sei unzweckmäßig, da Frankreich erklärte, daß es demnächst Vorschläge in der Tunisfrage machen werde. Italien werde die Vorschläge prüfen, jedenfalls würde man dis Interessen Italiens prüfen. Was die Donaufrage betreffe, so stellte der Berliner Vertrag fest, daß ein Reglement betreffs der Schifffahrt zwischen Galatz und dem Eisernen Thor von der europäischen Donaukommisston verfaßt werde Das Reglement müsse auch bestimmen, wer es auszusühren habe.
Tages-Neuigkeiten.
Herrenalb, 21. Dez Heute Morgen um 5 Uhr brach hier bei heftigem Sturmwind eine gefährliche Feuersbrunst aus. Das Gasthaus zur Sonne ist theilweise, die anstoßende „Krone" ganz, deren Nachbarhaus gegen Westen ebenfalls total niedergebrannt.
Ulm. 19 Dez. Da hier in letzterer Zeit mehrere falsche Zweimarkstücke in Umlauf kamen, wurden von unserer Polizei Nachforschungen nach dem Verbreiter dieser Geldstücke angestellt und ist es gelungen, am Sonntag den 11. d. einen der Thal Verdächtigen in der Person des wegen Diebstahls schon bestraften verheirathelen Bierbrauers und Taglöhners Würz hier festzunehmen. Bei der bei demselben vorgenommenen Hausdurchsuchung fand sich unter einem Kasten ein im Gusse mißlungenes Zweimarkstück, sowie im Keller Reste von Gyps vor. Nach der Festnahme des W. kam der Polizei zur Kenntniß. daß von der Ehefrau desselben harte Gegenstände in den Abtritt geworfen worden seien. Darauf hin erfolgte die Festnahme der Frau, sowie die Leerung des Abtrittes. wobei sich mehrere Formen von GypS zum Abguß von Ein- und Zweimarkstücken vorfanden.
Ravensburg, 20. Dez Verflossenen Sonntag hielt Direktor Gaucher aus Stuttgart im Hotel Friedet dahier im Auftrag des württ. Obstbauvereins einen Vortrag über die Pflege der Spalierbäume, zu welchem sich äußerst viele Zuhörer von Nah und Fern einfanden. Der geehrte Redner verstand es, die Zuhörer durch seine trefflichen, sachverständigen Ausführungen über Anpflanzung. Schnitt und Pflege, Düngung der Zwerg- und Spalierbäume, sowie die Mittel zur Abhaltung schädlicher Insekten und die Bekämpfung des Blüthenstechers zu fesseln. Bei der nun sich entwickelnden Debatte lernten wir Herrn Gaucher nicht nur als gewandten Redner, sondern insbesondere auch als Meister seines Faches kennen. Insbesondere hob er hervor, daß die Anpflanzung des Spalier- baums sich auch für den kleinen Mann gut eigne, da sie bei wenig Platz- erforderniß stets gute Zinsen trage. Zum Schluffe wurde Gaucher ausgefordert, nächstes Frühjahr hier einen Vortrag zu halten über Schnitt unv Pflege der Hochstämme. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß dem Vortrag am Vormittag im Garten von Privatier Ritller, der sich um Obstbaumzucht in hiesiger Gegend ebenfalls schon sehr verdient gemach! hak, eine praktische Demonstration vocausging. Der württ. Obstbauoerein hat sich aber durch sein Entgegenkommen, rn unserem obstreichen Thale gewiß viele Freunde und Mitglieder erworben
Ravensburg, 21. Dez. Von den Gebrüdern Spohn hiec wurde dem Stadtschultheißsnamle eine Summe von 20.000 vIL zur Erbauung eines neuen Stadtlheaters überwiesen, unter der Bedingung, daß dasselbe mindestens nach Verfluß von 15 Jahren gebaut werde. Wird nach dieser Zeit das Theater nicht erbaut, so tällt die Summe incl. Zinsen an die Stifter zurück. Auch von anderer Seite sind schon über 2000 zu diesem Zwecke gespendet worden.
Mannheim, 21. Dez. Die Strafkammer sprach in ihrer
letzten Sitzung vorgestern in einem Falle studentischen Schläger- duellS die beiden Angeklagten frei. Obwohl die jüngste Rechtsprechung de« Reichsgerichts acceplirend, war der Gerichtshof der Ansicht, daß bet der in Heidelberg herrschenden Duellübung ein Duell mit „tödtlichen Waffen" nicht zu unterstellen sei. Dafür sprach auch die statistische Thatsache, daß in den letzten 15 Jahren unter 33.000 Fällen nur einer mit tödtlichem Ausgang vorkam und zudem unter abnormer Schädelbildung de« Verletzten. Von Interesse ist noch, daß der Gerichtshof die spezielle Bestimmung de« bad. Einführungsgesetzes für Studentenduelle (Haststrafe) nicht zur Anwendung brachte, als in Widerspruch stehend mit dem R.Str.G B.
Bremen, 21. Dez. Der Strandvogt der Insel Roem meldet der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger: Gestern wurden von dem dreimastigen Schooner „Ledita" (Kapitän Dose), mit Stückgütern von Hamburg nach Amerika bestimmt, der gestrandet war. eine Viertelmeile westlich vom Bollert bei Roem, durch das Rettungsboot Peter Krückazberg, (?) Station Roem, 14 Personen gerettet. Unter den Geretteten waren 9 Frauen, 3 Männer und 1 Knabe als Paffagiere; ertrunken ist Niemand. Das Boot war 17 Stunden unterwegs.
Petersburg, 21. Dez. Bezüglich des Dampfers „Jeanette" wird gemeldet: Drei Eingeborene des Weilers Eulon am Kap Barklay, 140 Werst nördlich vom Kap Bikoff, fanden am 14. Sept. ein großes Boot mit elf Personen des Dampfers „Jeanette", welcher Schiffbruch gelitten hatte. Die Regierung von Jakutsk ließ sofort den Schiffbrüchigen durch einen Arzt nnt Medikamenten Hilfe leisten, dieselben nach Jaketsch bringen und die übrige Mannschaft suchen. Der Ingenieur Melville des gescheiterten Dampfers meldet: Die „Jeanette" war am 23. Juni unter dem 77. Breitengrad vollständig von Eirmassen eingetcd lösten; die Schiffbrüchigen brachen in drei Boten nach der Mündung des Lena auf und werden durch heftige Stürme und Nebel getrennt. Das Boot Nr. 3 unter Melville erreichte am 29. Sept. die östliche Lenamündung, wo es durch Eisschollen sestgehalten wurde. Boot Nr. 1 landete an der nördlichen Lenamünoung, die Mannschaften halten theilweise die Gliedmaßen erfroren. Zur Unterstützung der Unglücklichen ist eine Expedition abgegangen. Von Boot Nr. 2 fehle» alle Nachrichten.
Bermifcktcs,
— Im Auslande liebt man es , von Paris als einer Muster st adt zu sprechen, mit breiten, luftigen Straßen, großen, gesunden Wohnungen. Für den deutschen Reisenden, der Paris auf einige Wochen besucht, macht vre Stadt auch thalsächlich diesen Eindruck, da er sich meistens nur in der Gegend der großen Boulevards und der Champs Elysöes bewegt, von der übrigen Stadt aber sehr wenig oder gar nichts kennen lernt. Ueberall aber, wohin die Pioniere HaußmantOs nicht vorgedri.ngen sind, sieht es traurig au«. Ganze Stadtviertel bestehen aus Gaffengewirre, und wenn man von den glänzenden Boulevards in diese Gegenden kommt, glaubt man sich m eine gaUz andere Welt versetzt. Mit der Eleganz schwindet aber auch die Reinlichkeit und mil dieser alle Bedingungen, die für die gesunde Entwicklung der Einwohner nöthig sind. Hier den Hebel anzusetzen, wäre vor allem nöthig. Gamdetla drohte, seine rebellischen Wähler „bis in ihre Höhlen" zu verfolgen. Wenn man die Wohnungen der Wähler von Belleville betrachtet, muß man zugeben. daß für viele derselben der Ausdruck treffend gewählt war. Der Abg Nadaud hat jetzt einen G c- setzentwurf eingedracht, der die Beaufsichtigung und ollmälige Abschaffung der gesundheilsgefährlichen Wohnungen nach einheitlichen Grundsätzen regeln soll, wobei er sicher gewisse Viertel von Paris vorzugsweise tm Auge hatte. Sein Entwurf, der allerdings noch viele Äenderungen erfahren wird, ist von der Oeffenllichkeit sehr günstig ausgenommen worden.
Handel und Verkehr.
— Aus Paris wird geschrieben: Nachdem der Ausbruch der Rinderpest in mehreren deutschen, Oesterreich benachbarlen Ortschaften konstalirt, wurde die Einfuhr und Durchfuhr von Vieh. Fellm, frischen Fleischabfällen aus Deutschland, Oesterreich und Luxemburg zu Wasser und zu Land verboten. Od wir hiedurch wohl nicht einen ohnehin längst schon gerechtfertigten Fleischpreisabschlag zu gewärtigen haben?
„Sie Haffen von Moorhagcn?" fragte der Rath schnell.
„Bewahre, ich kenne ihn kaum. Ich Haffe nur das Junkerthum, dem der durch Geist emporgeschwungene Mann ein Parvenü ist, während die Herren „Von" unser Bürgergeld nicht verschmähen."
Der Rath warf einen Blick auf den Doktor, worin zu lesen war, daß er sich des Angeschuldigten wegen freue, dieser Ansicht auf die Spur gekommen zu sein, bevor er dum Träger derselben Einfluß aus die Untersuchung gestattet halte. Als Kreisphysikus konnte er durch seine Berichterstallung viel schaden und viel nützen.
Als der Wagen hielt, trat Fräulein Theodore den Herren todtenbleich entgegen. Sie hatte den Criminalrath erkannt und wußte, was sein Kommen zu bedeuten hatte.
Der Rath war nicht ganz fremd in den Verhältnissen, die zwischen Richard und Theodore obwalteten; er empfand die peinliche Sorge mit ihr und beeilte sich, ihre Spannung zu lösen.
„Mich treibt nur eine gewisse freundschaftliche Nothwendigkeit hieher, mein Fräulein," sagte er freundlich.
Theodore, ganz eingenommen von ihrer aus Wahrnehmungen gestützten Besorgniß, machte eine abwehrende Bewegung und flüsterte!
„Ich bin aus Alles gefaßt!"
Das frappirte den Criminalbeamten. Sie mußte also Erfahrungen gemacht haben, die das Schlimmste fürchten ließen.
„Was macht meine Patientin?" fragte der Doktor.
„Sie liegt unbeweglich, wie gestern Abendreferirte Theodore.
„Zeigte nicht die Wärme ihrer Haut und das leise Pulsiren ihrer Adern ihr Leben an, so würde ich sie für todt halten."
„Dann hat es keine Gefahr. Criminalrath, wenn Sie mit eintreten," meinte der Doktor und öffnete die Thür. „Uebrigens kennt die Dame Sie auch nicht."
„Doch, ich glaube ihr vorgestellt zu sein," warf der Rath ein.
Die Herren schlichen auf den Zehen in das Zimmer, wo Frau Poldine, steif ausgestreckt wie eine schöne Leiche, im elegantesten Nachtkostüm auf ihrem L 'ger ruhete. Der Raty tta: so, daß er nicht von der Kranken gesehen werden konnte, während der Doktor sich, unbekümmert um den letchenähnlichen Zustand, behaglich am Bette zurecht setzte und den Puls Leopoldinens sondirte.
„Ganz normal." murmelte ec, „mall aber gleichmäßig; Nervenaffek- tation, sonst nichts; Matligkeitsschlaf, aber keine Bewußtlos: Mt."
„Der Schlaf scheint mir nur sonderbar tief," flüsterte Dora ängstlich.
Ach, sie hatte in der Nacht Gott unaufhörlich angerusen, nur dieses Leben zu retten, um das furchtbare Geschick, Richard als Mörder belastet zu wissen, abgewendet zu sehen.
„Reizbare Konstitution," murmelte der Doktor wieder. „Aber freilich!" er zuckte vielsagend die Schultern. Er lehnte sich über das bleiche Gesicht der jungen Frau und prüfte ho.rchend den Athem. „Guten Morgen, gnädige Frau." rief er in ihr Gesicht hinein.
Leopoldine rührte kein Glied und zuckte nicht mit der Wimper. Der Arzt runzelte die Stirn und schüttelte mit dem Kopfe Theodore faltete krampfhaft ihre Hände. Leopoldine mußte todt sein, daß sie diesen lauten Ruf nicht gehört hatte. , (Forts, folgt.)