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dar Projekt, einer Civil-Person dar Kriegsressort anzuvertrauen, habe Gam- betta vorläufig aufgegeben, bis die tunesische Angelegenheit beseitigt sei. Heute Abend haben mehrere der defignirten Politiker Rendezvous bei Gam- betta, Rue Saint Didier. Mit Undera unterhandelt er indirekt und verschwiegene Freunde dienen als Zwischenhändler. Ferry hatte heute Nachm, eine lange Konferenz mit Grösy. Unter den nach dem Palais Bourbon heute gekommenen Deputirten herrschte eine ziemlich beklommene Stimmung vor; denn sogar die obige Kombination erweckt wenig Vertrauen bezüglich ihrer Kohäsion.
Paris, 12. Nov. In dem G a m b e t t a's ch e n Kabinet dürsten zuUnterstaatssekretären bestimmt sein: Spuller: Aeußeres; De- velle: Inneres; Martinfeuille: Justiz; Blandin: Krieg. — Ein Duell mit Degen fand heute zwischen Cassagnac und dem Herzog von Monte- bello statt. Letzterer wurde leicht verwundet.
Italien.
Rom, 12. Nov. Spolverini, Unterstaatssekretär der Kongregation für außerordentliche Angelegenheiten, vormals der Münchener Nuntiatur attachirl, geht nach München, um die Geschäfts der Nuntiatur zu leiten, bis der neue Nuntius Dt Pietro aus Rio Janeiro eintrifft.
Rumänien
Bukarest, 7. Nov. Der König empfing heute die außerordentliche persische Gesandtschaft, welche die Glückwünsche des Schahs anläßlich der Erhebung Rumäniens zum Königreich überbrachte.
Belgrad, 8. Nov Die serbische Regierung bewilligte das Priv'- legium der Zollireiheit den hiesigen Gesandten, entzog dasselbe jedoch den Konsuln. Anlaß hiezu gaben Mißbräuche gewisser Konsuln in letzter Zeit. Der österreichische Konsul, Anger, genießt sä porsonsm auch weiterhin die Zollfreiheit.
Rußland.
Petersburg. 13. Nov. Der „Regierungs-Anzeiger" veröffentlicht einen kaiserlichen Befehl über die zukünftige Reorganisation der inneren Einrichtungen des russischen Reiches. Derselbe erinnert zunächst daran,, daß die verschiedenen, von 1859-1880 geschaffenen Reformen ihren Zweck nicht erfüllt haben, der in einer systematischen Reorganisation der gesamm- ten inneren Verwaltung des Reiches bestehe, es sei dringend nothwendig, mit einer solchen Reorganisation unverzüglich vorzugehen. Kürzlich seien mehrere Senatoren mit sehr ausgedehnten Vollmachten in verschiedene Provinzen entsandt worden, um daselbst eine Enquete über die bestehenden Einrichtungen vorzunehmen und Mißbräuche und Bedürfnisse kennen zu lernen. Diese Enquete sei gegenwärtig beendet. Die Negierung habe alle Angaben gesammelt, um eins Reform im Innern vorzunehmen. Die Zahl der Institutionen soll vermindert, unnöthige Formalitäten sollen abgeschafft und ein Dezentralisation, soweit es angeht, durchgeführt werden. Zunächst sei es nothwendig, ein Band zwischen der Verwaltung der Regierung und den Provinzialversammlungen zu schaffen und die Rech e, die Pflichten und die Verantwortlichkeit beider Theile genau sestzustellsn. Diese Nothwendigkeit bedinge eine vollständige Umgestaltung der bevorstehenden Provinzialverwaltung mit einer theilwsisen Verbesserung der Eemstwos und der Munizipalitäten. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern hat deßhalb der Kaiser die Einsetzung einer besonderen Kommission angeordnet unter dem Vorsitze des Staatssekretärs Kahlonow zur Ausarbeitung von Entwürfen für die lokale Verwaltung, unter Befolgung eines Programms, daß im Mtnisterkomite, unter Zuziehung von zwei Mitgliedern des Reichsrathes, von drei Senatoren, welche die Enquete in den Provinzen vorgenommen hatten und von Vertretern der Minister aufgestellt werden soll. Diese Entwürfe sollen die Reorganisation der Verwaltungen der Provinzen. der Land- und Stadt-Distrikte und der Bauerschafken umfassen, sodann soll diese Kommission die Aufschlüsse und Vorschläge, welche in den Berichten der oben erwähnten mit der Enquete betraut gewesenen Senatoren enthalten sind, sowie die Entscheidungen der zur Regelung der Angelegenheiten der Bauern eingesetzten Behörden und der Territorialversammlungen prüfen und zwar in Bezug auf diejenigen Fragen, welche die speziell bäuerlichen Einrichtungen betreffen. Endlich soll der Präsident der Kommission in Übereinstimmung mit dem Minister des Innern, Vertreter der Lokal
verwaltungen der Semstwos, der Munizipalitäten und aller kompetenten Personen, deren Mitwirkung er für nutzbringend hält, einberufen und von den Ministern die erforderlichen Akten und Ausschlüsse verlangen.
Tages-Neu igkeiten.
Calw, 13. Nov. Der Kirchengesangverein erfreute am letzten Freitag Abend eine ungemein zahlreiche, mit gespannter Aufmerksamketl folgende Zuhörerschaft, durch die Aufführung eines diesmal zur Abwechslung weltlichen Concerts, gegeben im Thudium'schen Saal. Ließ schon die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit des ausgestellten Programms einen genußreichen Abend erwarten, so wurden diese Erwartungen durch die durchaus gelungene Ausführung der einzelnen Theile derselben noch wesentlich überboten. Rauschender Beifall wurde deßhalb den Mitwirkenden zu Theil. Die Leistungen im Gesang, sowohl in den Soloparthieen als den Vorträgen im Chor, waren wiederum so vortrefflich, daß wir uns wohl auf die früher hierüber ausgesprochene Anerkennung werden beschränken dürfen, die instrumentalen Leistungen des Abend» müssen aber geradezu als wirklich meisterhafte bezeichnet werden. vor Allem das entzückende Ensemblespiel der beiden Damen Frau Professor Hertter und Fräulein Isenberg auf dem Klavier, Vorträge wie sie hier vordem wohl noch kaum werden gehört worden sein. Erfreulich war es diesmal auch jüngere, sich noch erschließende Kräfte an der Klavierbegleitung zu unserer in so bekannter Weise meisterhaft geführten Flöte und Violine betheiligt zu sehen, welchen die wohlverdiente Anerkennung nicht versagt werden darf.
Wenn wir aus diesen so schönen genußreichen Abend zurüäblicken, fühlen wir uns gedrungen, sowohl der verehrlichen Direktion als Allen Witwirkenden hiemit unsern geziemenden Dank auszusprechen.
— In voriger Nummer ds. Blattes wurde am Eingang der Tages- Neuigkeiten, betr. die Verfügung S. Maj. d. Königs, eine Zeile übersehen beizufügen und soll es heißen:
Neuffer, Sekondelieutenant von der Landwehr-Infanterie des 1. Bataillons (Calw) 1. Landwehr-Regiments Nr. 119,
Pfeifer. Sekondelieutenant von der Landwehr-Infanterie des 1. Bataillons (Calw) 1. Landwehr-Regiments Nr. 119, zu Premierlieutenants.
— S. K. Majestät haben die erledigte Pfarrei Gechingen, Del. Calw.
Hrn. Pfarrer Barth in Deufringen übertragen. ^..
Stuttgart, 11. Nov. (L i e d e r k r a n z.) - Gestern Abend wü?de vom Stuttgarter Liederkranz aus Anlaß des 25jährigen Ehejubiläums seines Ehrenmiiglieds Oberbaurarhs Dc. v. Leins, Erbauers der Liederhalle, demselben ein Ständchen umer Leitung des Musikdirektors Prof. W. Speidel gebracht. Der Vorstand Postralh Cleß zählte in seiner Anrede die Verdienste des Jubilars für die Gesellschaft auf und brachte ein Hoch auf denselben aus. Oberbaurath v. Leins war sehr erfreut über diese Aufmerksamkeit und dankte in bewegten Worten.
Ludwigsburg, 11. Nov. Die Orgelfabrik W a l ä e r und Cie. hat dieser Tage den Auftrag erhalten, für die Stadt Riga ein Orgelwerk zu erbauen, welches an Größe alle bisher erbauten Orgelwerke übertreffen soll Das größte Werk, das bis jetzt aus genannrkr Fabrik hervorgegangen, ist die große Orgel in der Münsterkirche in Ulm, mit luO klingenden Stimmen.
Tübingen, 10. Nov. Das Befinden des Hrn. Pros. vr. v. Bruns ist ein fortwährend günstiges, namentlich die Bewegungssähigkeit der gelähmten Seite hat sich erheblich gebessert, während das sonstige Befinden des verehrten Kranken bekanntlich von Anfang an ein durchaus normales war. Bei diesem Anlaß bemerken wir noch, jdaß die Leitung der chirurgischen Klinik, deren Vorstand Herr Pros. vr. Viktor v. Bruns ist, wie auch des klinischen Unterrichts, über die Zeit der Erkrankung des Elfteren dem Hrn. Prof. vr. Paul Bruns zun. übertragen wurde.
Rottweil, 8. Nov. Der 16 Jahre alte Sohn eines Professors in Cannstatt hat, ohne seinen Vater hievon zu unterrichten und ohne Neise- mittel eine Vergnügungsreise zu Fuß über Tübingen, Balingen und Kottweil nach Genua angelreten Sein Vater, der mit dem Reiseplan nicht einverstanden war, setzte die hiesige Polizei mit dem Gesuche um Rücksendung seines Sohnes im Falle der Betretung in Kenntniß. In der Thal traf
nicht in der Uniform gesehen, sie sollte ihn jetzt in seiner Pracht und Herrlichkeit bewundern. Und während er es so gut mit der armen Magd meinte, verschenkte sie sein Geld heimlich an einen Korporal, den sie kaum kannte.
„Schade, daß sie ein so hübsches Mädchen ist!" dachte Herr Czabo mit einer schmerzlichen Herzensbtklemmung, und dabei sah er im Geiste ihr reizendes Gesicht, ihre großen treuherzigen Augen, ihren blühenden Mund, ihren schlanken Hals, ihre schnseweise Schulter, ihre runden Arme und ihre kleinen Füße. „Das wird eine schöne Nacht werden, „fuhr er in seiner Meditation fort - - „ich sehe voraus, daß ich kein Auge schließe I Und diese schlaflose Nacht habe ich am Ende dem elenden Niklas zu danken, der entweder aus Eifersucht gelogen, oder in der Verblendung falsch gehört oder gesehen hat. Ein Mensch, der acht Gran Brechpulver auf eine Dosis gibt, iann auch in seiner Phantasie einen Korporal an dem Küchenfenster sehen. Nein, für so schlecht halte ich die hübsche Kathi nicht. Der wackere Lajos hat mich versichert — "
Ein Geräusch erschreckte den sinnenden Apotheker, daß er heftig zusammenfuhr. Das Geräusch kam aus der Küche. Herr Czabo zitterte, als ob er auf einer schlechten Thal ertappt würde.
Gleich darauf schimmerte Licht durch dis angelegte Küchenthür, und man hörte, wie Kathi den großen Küchenschrank verschloß.
„Sie ist noch wach." dachte Herr Czabo. „Alles schläft, ich kann ungestört mit ihr sprechen, und der Sache auf den Grund kommen. Seltsam, ich zittere in meinem eigenen Hause, vor meiner eigenen Köchin."
Der Commandant setzte seinen Federhut gerade, der ihm ein wenig in den Nacken gesunken war. zog die Schärpe zurecht und räusperte sich.
„Kathi. bist Du noch in der Küche?" rief er, und gab seiner Stimme so viel Festigkeit, als ihm möglich war.
»Ja, Herr Czabo!" antwortete die Hells, wohlklingende Stimme der Köchin.
Der Commandant öffnete die Tyür und trat aus die Schwelle.
Kathi stand in der Mitte der Küche; sie war noch völlig angekleidet und hielt in der rechten Hand die Küchenlampe. Der Schein derselben erhellte ihr reizendes Gesicht, so daß der Commandant die Thränen sehen konnte, die in den langen, schwarzen Wimpern perlten. Kathi sah den statt- lichen Commandanten der Schutzwehr verwundert an. Bei dem Anblicke der Thränen vergaß der alte Herr die Absicht, die ihn eigentlich zu der Küche geführt.
„Du.hast geweint, Mädchen," sagte er theilnehmend — „was ist geschehen !"
Die Köchin erschrack, und fuhr mit der kleinen Hand über die Augen.
„Es ist wohl möglich!" antwortete sie mit einem schmerzlichen Lächeln, wobei sich die Grübchen in ihren Wangen und die Perlenzähne zwischen den Purpurlippen zeigten. „Als ich vorhin so allein in der Kammer saß, dachte ich an meinen verstorbenen Vater."
„Allein in der Küchej?" fragte Herr Czabo betonend. Und zu gleicher Zeit zog er leise die Thür hinter sich an.
„Ja, Herr Czabo," antwortete sie unbefangen, „wer sollte wohl bet mir gewesen sein?" (Fortsetzung folgt.)