— Rotten bürg, 31. Aug. Das Drama, welche» fich im Mai d. I. in hiesiger Stadt abgespielt hat und in welchem 4 blühende Kinder von der Hand der leiblichen Mutter, Sofie Ulmer, zum Opfer gefallen sind, hat in den letzten Tagen seinen Abschluß dadurch gefunden, daß. wie wir hören, die Thäterin für absolut unzurechnungsfähig erklärt und deßhalb die Untersuchung eingestellt worden ist. Wie wir vernehmen, finden gegenwärtig Verhandlungen bei dem Gemeinderath statt, um die Ulmer in der Irrenanstalt Schussenried, woselbst sie sich schon seit 2 Monaten zur Beobachtung ihres Geisteszustandes befindet, bis zu erfolgter gänzlicher Genesung derselben umerzubringen. Die unglückliche Frau ist nun nicht blos aller ihrer Kinder, sondern auch ihres Mannes beraubt, indem derselbe vor einigen Wochen nach Amerika ausgewandert ist.
— Sulz, 26. Aug Heute Mittag zwischen 12 und 1 Uhr ereignete sich hier ein schweres Unglück, dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen. Zum Zwecke eines neuen Hallerde-Baues wurde ein Probeschacht von ca. 20 Meter Tiefe getrieben, an dem drei Italiener arbeiteten. Wahrscheinlich in Folge einer Unvorsichtigkeit explodirten einige Dynamitpatronen. als einer der Arbeiter sich noch im Schachte befand. Derselbe wurde durch die in Folge der Explosion entstandene Stickluft getödtet. Ein zweiter Arbeiter wollte seinem Kameraden Hilfe leisten, erstickte aber gleichfalls.
— Kirchheim u. T, 31. Aug. H ute früh um 2 Uhr zog ein starkes Gewitter über unsere Stadt. Ein Dounerschlag war so stark, daß er alle Bewohner aufschreckte. Der Blitz halte ein hohes Haus mitten in der Stadt getroffen, glücklicherweise, ohne einen Brand zu veranlassen. Es ist interessant, den Weg dieses Blitzes zu verfolgen. Jedermann lief, um denselben zu sehen, auch ist das Haus phoiographirt worden. Der Wetterstrahl traf die Spitze des Giebels und theilte sich entzwei. Ein Thsil fuhr am Dach herab und warf viele Dachplatten herunter, um schließlich an's Nachbarhaus überzuspringen und dort noch einige Zerstörungen anzurichten. Der andere folgte in verschlungenen Linien den Drähten der Vergypsung, warf die Bekleidung herab, folgte einem Draht auf die andere Seile' des Hduses, sprang über auf den Klingelzugdroht, an diesem die Treppe hinaus und dort zur Wand hinaus in's Freie. Der Schaden ist nicht beträchtlich. Wenn er rcparirt wird, so wird ohne Zweifel das hohe Haus so nebenbei auch mit einem Blitzableiter versehen weroen.
— Aalen, 28. Aug. Gestern morgen kam der 6-jährige Knecht des Zieglers Möhrer von Wafferalfingen beim Einfahren in die Stadt in Folge Scheuwsrdens der Pferde so unglücklich unter die Räder seines schwerbeladenen Wagens, daß er bald darauf starb,
— Frankfurt, a. M, 27. Aug. In dem Zug der gestern Nachmiltag nach Köln abging, sollten verschiedene Koffer verladen werden. Als einige Eisenbahnbeamts einen besonders großen Koffer angriffen, bemerkte man, daß allen Ritzen des Gepäckstückes ein starker Qualm entströmte. Der Koffer wurde niedergestellt und schleunigst aufge,rissen Der plötzliche Luftzutritt machte, daß den Leuten die hellxn Flammen entgegen schlugen. Von dem Inhalte konnte nur einiges gerettet werden. Niemand konnte sich erklären, wie das Feuer entstanden sei. Der hinzugekommene Eigenthümer löste, indem er erklärte, er habe ein offenes Prquet Wochszündhölzchen in dem Koffer gehabt, das Räthsel. Wenn der Brand nicht gleich bemerkt worden wäre, so hätte leicht der Zug in Brand gerathen und großes Unglück « geschehen können. So manches Feuer in Elsenbahnzügen mag auf ähnliche Weise eutstanden sein.
— Wiesbaden. 30. Aug. In Nachstehendem das Resultat des Wettstreites deutscher Männergesang-Vsreine. I. Abtheilung (8 Vereine): 1. Preis: (Vase u. 800 Mk.) Lchrer-Verein Frankfurt; 2. Preis: (Medaille u. 500 Mk.( Liedeikranz Regensburg; 3. Preis: (Pokal und Medaille) Längerkr°is Eöln; 4. Preis: (Medaille) Mannergesangverein Bonn; 1 Belobung: Liedertasel Mannheim; 2. Belobung: Liederkranz Mainz, ll. A b t h e i l u n g (7 Vereine); 1. Preis (silber-vergoldeke Schale u. 800 Mk) Maria Aachen; 2 Preis (Medaille u. 500 Mk.) Singverein Nürnberg; 3. Preis (1 silberner Pokal u Medaille) Liedertafel Mainz; 4. Preis (1 Medaille) Liedertafel Würzburg. UI. Abtheilung (7
folgenden Tage war ich um dieselbe Stunde wieder in dem Parke Leise schlich ich mich zu der Eremitage und lauschte durch eins der goldgelben Fenster. Meine Ahnung barte mich nicht getäuscht — die Schöne saß wieder aus der Bank und las im Telemaque."
„War sie allein?"
„Nein." Ihr gegenüber saß die bejahrte Frau und schlief. Heute war die Leserin einfach in Weiß gekleidet, und da sie den Hut neben sich gelegt, konnte ich den Kopf, deutlich beobachten Das gelbe Licht, das das Fenster erschuf, hatte einen Heiligenschein um das Madonnenhaupt gezogen."
„Dermont, ich erlasse Ihnen die Beschreibung — fahren Sie fort."
„Trotzdem mir das Herz gewaltig pochte, hielt ich es dennoch für einen Raub an mir selbst, wenn ich das Anichauen dieses überirdischen Tableaus unterbrechen wollte. Tausend Gedanken durchkreuzten meinen brennenden Kopf, und ich war selbst eitel genug zu glauben, daß die Leserin meinetwegen ihren Platz heule wieder gewählt habe. Einer Dame wie ihr, sagte ich mir, kann es sicher nicht an einem Garten fehlen, in dem sie, ohne sich der Störung auszusetzen. sich der Lcctüre des Telemaque hingeben kann. Warum wählt sie diese Eremitage, die jeder Spaziergänger betreten kann?"
, „So hätte auch ich philosophirt!" meinte lächelnd der Graf. „Und haben Sie sich getäuscht?"
„Urtheilen Sie. Nach .zehn Minuten erwachte die Schläferin, die Leserin setzte ihren Hut auf. erhob sich, und ließ zu meinem Erstaunen das Buch, auf der Bank zurück "
„Glauben Sie. daß man Ihre Anwesenheit bemerkt hat?"
„Nein, denn ich näherte mich sehr leise, und so lange ich lauschte, hat diss Leserin keinen Blick von dem Buche abgewendel. Trotzdem aber nahm ich an, daß sie von einer Absicht geleitet ward, und in dieser Voraussetz-
Vereine) '. 1. Preis (Medaille u. 1000 Mk) Männergesangverein Hannover'; 2 Preis (Medaille u. 500 Mk.) Männergesangverein Graz; 3: Preis (Medaille u. Trinkhorn) Männergesangverein Mainz; 4. Preis (Medaille) Sleeb'scher Männerchor Frankfurt. IV. Abthelung (6 Vereine): (Engerer Wettstreit der mit dem 1. u. 2 Preis gekrönten Vereine.) i. Preis große goldene Medaille (Geschenk des Kaisers) und 1800 Mk.: Männergesangverein Hannover; 2 Preis 1 Goldene Medaille (Geschenk des Fürsten von Hoheiuollern) und 1200 Mk Männergesangverein Graz
Schnee im August. Man schreibt uns aus Arbon. 29. August: Bei dem kühlen Wetter, das seit vorgestern eingetreten ist, haben die höchsten Spitzen der Tyroler und Graudündtener Berge sich mit einer frischen Schneedecke bekleidet. Auch die Säntisgruppe, deren Schneeselder in diesem heißen Sommer auf ein Minimum reduzirt waren, zeigte heute bei dem sich aufklärenden Himmel sich vollständig neu beschneit. In Folge der gewaltigen Regengüsse, die gestern fielen, ist der Wasserstand des Bodensees wieder ansehnlich gestiegen, nachdem derselbe im Laufe des Sommers bis zu 6 Fnß unter den normalen Wofferstand gefallen war und den letzteren überhaupt seit Monaten nie erreicht hatte.
(Erdöl in der Schweiz.) Hr. CH. Gardner, leitender Ingenieur einer der größten Petroleumgesellschasten in Pennsylvanien, welcher zur Besichtigung der neuentdeckten Petroleumquellen in Hannover nach Europa kam, hat, wie derselbe dem Berner Bund schreibt, weit wichtigere (?) Erdölschichten bei Dardagny im Kanlon Genf entdeckt. Nach den zahlreichen Theerdurchsickeruagen, die man dort antrifft, und der Mächtigkeit des iwprägnirten Gesteins zu schließen, müsse man dort in verhältnißmäßig geringer Tiefe auf ein bedeutendes Petroleumlager stoßen. -(Schon früher hat man in Dardagny eine Steinkohlenschichte aufgedeckt.)
Bus Nizza, 20. August, wird gemeldet: „Gestern um 7 Uhr 35 Min. Abends ist der von Nizza kommende Zug an den Ufern des Meeres ! zwischen Agay and Trayas entgleist. Dis Schienen wurden auf eine Länge von 5 m weggerifsen. Der Zug rieß aus einander; die Lokomotive mit 4 Wagen rollten auf Felsen hinunter von einer Höhe von 15 m Heizer und Maschinist wurden getödlet, zwei Damen und zwei Schaffner schwer und 6 Reisende leicht verwundet Der Verkehr ist wieder hergestellk."
Die Königin von England hat der Prinzessin Friedericke von Hannover. Gemahlin des Barons P a v e l - R a m m i n g e n , den berühmten Rebenstock im Hamplon - Court - Palast zur lebenslänglichen Nutznießung iL erwiesen. Dieser wunderbare alte Weinstock, ein schwarzer Hamburger, ist eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten des genannten Palastes. Er wurde in i7r,9 g-pflanzt, hat eine Länge von 90 Fuß und trägt im Durchschnitt 1500 Bündel Trauben. In 1874 gab er deren sogar 1750. Da jedrs Bündel dieser köstlichen schwarzen Trauben, nach dem Urtheil von Kennern, einen Werth von mindestens einer Guinee (21 Schillinge) hat, so ist mit dem königlichen Geschenk ein recht artiges Einkommen verknüpft. Der Weinstock grlt als der größte der Welt.
New-Dork, 30. Aug. Der jüngste Orkan an der südatlantischen Küste verursachte außerordentliche Ueberschwemmungen. Zehn Arbeiter von Portugal (Süd-Carolina) ertranken, da das Gebäude, rn welches sie sich geflüchtet, fortgeschwemmt wurde. Die Reisplantagen in der Umgegend von Savannah sind überschwemmt und viele Arbeiter ertrunken. Der Verlust an Eigenthum und Menschenleben ist bedeutend.
^ Handel und Verkehr
— Ludwigsburg, 30 Aug. Slädt. Obstertrag, geschätzt zu 3506
Sri., verkauft zu 4800 ; Ertr. des Schloßgartens, geschätzt zu 210 Sri.
Aepfei und 760 Sri. Birnen, verkauft zu 1300 -M.
— Hali, 30. Aug. Der Obstertrag der städtischen Anlagen und Baumgüter, geschätzt zu 1817 Sri., wurde heute zu 2058 -M verkauft. Unter dem Obst viel Tafelobst, besonders bei den Aepseln,
— (E r n t e b e r i ch t e) Im Strohgäu bürgert sich der Zucke r- rübendau mehr und mehr ein; man schätzt den Ertrag der Stationen Leonbsrg und Ditzingen auf ca 100 0: 0 Ztr. im Gesammtwerth von über
urig trat ich ihr an der Treppe der Eremitage keck entgegen. Ihr ganzes Gesicht flammte auf, als sie mich erblickte. Nachdem wir einige Schritte gegangen waren, fragte die Aeltere: „„Wo hast Du das Buch?"" — „„Mein Gott, ich habe es schon wieder vergessen!"" ries sie in einer grenzenlosen Verwirrung, und wollte zurückkehren, Sie können sich denken, daß ich ihr zuvor kam und den Telemaque mit einer Miene zurückbrackte, die durchaus meine Ansicht über die Vergeßlichkeit nicht verrieth. Wir sprachen von Fenelon, von der klassischen und von der modernen Literatur, und die unbekannte Schöne legte Ansichten an den Tag, die mich mit Erstaunen erfüllten. So hatte Mathilde nie gesprochen. Und dabei war sie sich so wenig der Macht ihrer Netze bewußt, daß sie nur schüchtern ihre geistreichen Behauptungen aufzustellen wagte. An der Fontaine nahm sie in derselben Weise Abschied, wie Tags zuvor. Ich ging nach der Hauptallee, und dort sah ich ihren Wagen wieder vorüberrollen. Wir grüßten wie das erste Mal. Mathilde war vergessen, aber um meine Ruhe war es geschehen. Die beiden folgenden Tage hatte fich regnerisches Wetter eingestellt; ich ging zur Eremitage, fand aber meine Schöne nicht. Es kam wieder gutes Wetter, aber die Leserin blieb aus. Ich bekenne, daß ich eine qualvolle Zeit durchlebte. Zu Fuß und zu Pferde durchstrich ich die Straßen und Promenaden, ich besuchte das Theater — nirgends fand ich eine Spur von meiner Unbekannten. Aus meinen Wanderungen trug ich ein Billet bei mir, das ich ihr zustecken wollte, im Falle ich sie an einem Orte wiederfinden sollte, wo ich mich ihr nur flüchtig nähern konnte. In diesem Billet bat ich sie um eine Unterredung in der Eremitage, aber leider ist e» mir noch nicht gelungen, das Papier an die Leserin zu befördern, deren Namen ich nicht einmal kenne."
(Fortsetzung folgt.)