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Aus Kiew sind telegraphische Nachrichten eingelangt, daß dort zwar die Ruhe wiederhergestellt sei, jedoch die Judenverfolgungen fort­fahren sich nach einer Anzahl benachbarter Orlschaften iortzupflanzen. Oesterreichischerseits sind mit Rücksicht auf die vielen nach Galizien über­tretenden Flüchtlinge und die Eventualität, daß die Exzesse auch auf österreich. Boden übertragen werden könnten. Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden.

Türkei

Konstantinopel, t8. Mai. Amtlicher Mittheilung zufolge er­gab die Untersuchung über die Ermordung des Sultans Abdul Aziz die Theilnahme Midhat Paschas Midhat flüchtete in das französische Konsulat zu Smyrnä, wo er nach den Ermittlungen der Polizei sich noch aufhält. Midhat wurde abgesetzt; Ali Pascha, sein Nachfolger begibt sich mit einer Gerichtskommission nach Smyrna, um Midhat zu verhören. Said Pascha telegraphirte an den Bey von Tunis: die Pforte protestire gegen den Ver­trag mit Frankreich und erkläre denselben für null u. nichtig. Ueber die Verhandlungen der türkisch-griechischen Grenzfrage verlautet aufs Bestimmteste, baldigste Verständigung sei zu erwarten.

Tagesordnung

des K. Amtsgerichts Calw z» der öffentlichen Verhandlung über F o r st st r a f s a ch e n.

I. am Dienstag, den 24. Mai 18^1, Nachmittags 2*/, Uhr.

b. Namen der beschädigten Wald-Eigenthü- mer bezw. Ort der That:

Privatwald des Matthäus Stahl in Wclten- schwann.

s. Namen der Angeklagten.

1) Jakob Burkhardt, Cchindelmacher von Oberreichenbach,

2) Iah. Georg Schrafft von da,

^ ObnkEch Taglöhner von Siaatswald Tyrolerwald. Revier Hirsau.

Nachmittags 3 Uhr:

4) Jakob Lutz, Maurer von Beinberg. Staatswald Steinberg, Revier Liebcnzell.

Nachmittag« 4 Uhr:

b) Gottlob Gros von Neuhengstett, Staatswald Ottenbronnerberg, Revier Hirsau.

6) Gchingcn^"''""^' Gechinger Gemeindewald.

7) Karl Diedold, Schuhmacher von Neu- ^ hengstctt,

8) Gottlob Talmon-Grvs von da,

9) Friedrich Roller von Deufringen,

40) Johannes Rollers Wittwe von da,

11 > Michael Ginader von Gechingen,

ll. am Mittwoch, den 25. Mai 1881, Nachmittags 3 Uhr:

4) Georg Hauser, Wagner von Oberkoll-;

Wangen,

2) dessen Sohn Martin,

3) Karl Denner von Ältburg und ;

4) dessen Bater Jakob Denner, Bürsten- StaalSwald Lützcnhardt, Revier Hirsau,

machcr von. I

L) Gottlob Talmon-Groß, Maurerssohn Staatswald Simmozheimcr Wald, Revier "" " " ' Liebenzell.

s Privatwald des Gottlieb Rentschler von Ottcnbronn.

Gechinger Gemeindewald.

l Oberkollwanger Gemeindewald.

Privatwald des Gottlieb Rentschler inOiten- bronn.

von Neuhengstett,

6) Gdc. Staatswald.

Marsenbach,

7) Karl Diebold, Schuhmacher von New Hengst ett,

8) Gottlob Talmon-Groß von da,

Nachmittags 4 Uhr:

9) Georg Waidmann, Zaincnmacher in Gült.rngen,

40) dessen Sohn Gottlieb, ^ Gechinger Gcmeindewald.

11) Georg Braun'S Sohn, 24 Jahre alt, von da.

Zur Beurkundung:

_ stv. Amtsrichter Deckingetz

Tages Neuigkeiten.

Neuhengstett, 17. Mar. Am letzten Sonntag fand in der hiesi­gen Gemeinde eine seltene und erhebende Feier statt: die Einweih­ung des von Herrn Generalkonsul von Georgii- Georgenau der Gemeinde gestifteten Denkmals und Ob st baumgarten s. Der durch seine milden Stiftungen wohl- bekannte edle Menschenfreund hatte nämlich im vorigen Sommer den Ge­danken gefaßt, einen Streifen öde liegenden Landes längs der von Neu- hcngstett nach Möttlingeu führenden Straße zu einem Baumgut umzu- schaffen und einen Denkstein darauf zu errichten, einerseits um bei dem

Mangel an Verdienst Gelegenheit zur Arbeit zu geben und der armen Gemeinde eine Gabe darzubieten, deren Ertrag den Armen zugute kommen sollte, andererseits um in der Waldenser-Gemeinde das Andenken an die durch Noth und Trübsal, wie durch Glaubensmuth und Ausdauer gleich ausgezeichneten Vorfahren aufzufrischen und lebendig zu erhalten. Herr Schultheiß Lauxmann von Möttlingen, welchem die Leitung der Sache von dem hohen Stifter anvertraut war, kaufte noch einige Grundstücke dazu, so daß die ganze Gartenfläche jetzt etwas über 3 Morgen groß ist. Unter seiner Aufsicht legte I. P. Charrter, Bauer hier, den Garten an, die Löcher wurden schon im vorigen Herbst ausgehoben und mit besse­rem Boden gefüllt. Die Bäume, ca. 200 lauter schöne Exemplare, theils Apfelbäume, theils (und zwar die Mehrzahl) Birnbäume wurden aus der Schweiz und aus dem Inland bezogen und in diesem Frühjahr sehr sorg­fältig gesetzt. Die ganze Anlage wurde mit einem Rothtannenzaun um­schlossen und überdies mit Schranken umgeben. Auf der Höhe aber zwischen Georgen»» und Neuhengstett sollte das Denkmal errichtet werden und zwar nach tem Wunsche des Stifters ein Kranitblock unbehauen, wie ihn die Natur biete. Ein solcher, von gewaltiger Größe, in pyramidaler Form und mir sehr schöner Fläche auf der Luftseite fand sich oberhalb Hirsau in der Nähe des Bahndamms und wurde mit unsäglicher Mühe und be­deutendem Kostenaufwand auf die Höhe geschafft und dort auf ein festes Fundament gestellt. In Wafferalfingen wurden 2 sehr schöne Tafeln ge­gossen, deren eine die Widmung enthält, nach Georgenau schauend, die andere Namen, Wappen und Wahlspruch der Waldenser, nach Neuhengstett gerichtet. Am letzten Sonntag Nachmittags 2 Uhr fand nun, wie oben gesagt, die Einweihung dieses Denkmals und Gartens statt, unter Anwesen­heit des Stifters, sowie eines Sohnes und zweier Enkeltöchter desselben, unter der freundlichen Mitwirkung der beiden Herren Oberamtmann Flax­land und Dekan Berg von Calw, besucht von einer großen Menschen­menge aus der hiesigen und den Nachbargemeinden und begünstigt vom herrlichsten Frühlingswetter. Nach einem gemeinschaftlichen Choralgesang der ganzen Versammlung bestieg der Stifter den Rednerstuhl und legte der Gemeinde Neuhengstett in warmen, von patriotischem Geist erfüllten Worten die Fürsorge des württemb, Fürstenhauses für die vertriebenen Waldenser insbesondere, wie überhaupt für das Volk ans Herz und brachte ein Hoch auf Seine Majestät den König au«, betonte aber auch die Pflicht der Treue, wie sie von jeher im Schwarzwild zu Hause gewesen sei, der Ar­beit und Genügsamkeit und ließ seine Rede in ein Hoch auf die Gemeinde Neuhengstett ousklmgen. Nachdem er sodann die Stiftungsurkunde verlesen und dem Vorstand der Gemeinde, Herrn Schultheiß Ayasse, übergeben hatte, dankte dieser in körnigen, von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worten dem hohen Stifter für die der Gemeinde erwiesene Wohl- that und brachte ein Hoch auf ihn aus. Nach einem wohlgelungenen Hymnus, welchen der Gesangverein und die Jugend Neuhengftetts unter Leitung des Herrn Schullehrer Wurster vorlrugen, hielt Pfarrer Schnapper die Einweihungsrede, in welcher er im Namen seiner Ge­meinde den herzlichen Dank ausdrückte, von welchem sie erfüllt sei gegen Gott und den edlen Stifter, wie gegen alle, welche an dem Werke ge­arbeitet haben; er legte aber auch der Gemeinde die Pflichten ans Herz, welche ihr aus di ser Stiftung erwachsen und erflehte zuletzt den Segen Gottes für dieselbe. Ein Schülerckor leitete über zu der Ansprache des Herrn Dekan Berg, welcher der Gemeinde zuries, sich durch den Denk­stein an ihre Vorfahren erinnern zu lassen und sich mit ihnen zu ver­gleichen, und durch den Garten sich ermuntern zu lassen zur Treue und Fruchtbarkeit in guten Werken. Ein Choralvers der ganzen Festversamm­lung schloß die schöne und erhebende Feier. Herr Generalkonsul v. Georgii lud einige anwohnenden Herren ein. ihn auf sein Gut zu be­gleiten, dort bracht« Hr. Oberamtmann Flaxland einen Toast aus auf den durch seine großen Stiftungen im weiteren und engeren Vaterland, sowie besonders im Bezirk Calw verdienten und edlen Herrn mit seiner ganzen Familie, worauf dieser in freundlichen Worten erwiederte. Ehre sei dem edlen und wohlwollenden Menschenfreund, der ein so offenes Auge für die Bedürfnisse des Volkes, ein so warmes Herz für die mancherlei Nöthen desselben und eine so mildthätige Hand zur Linderung und Heil-

Strom von Thränen entrang sich ihren großen Augen.

Madame." flüsterte sie mit unterdrücktem Schluchzen,ich weiß, daß ich eine große Summe fordere; ober was ist sie für eine reiche Dame? Sie üben ein Werk der Wohlihätigkeit, wenn Sie mir die mühsame Arbeit abkauten. Ach, Madame," rief sie lauter, indem sie wie eine Betende die flachen Hände zusammenlegte und fast aus die Knies sankweisen Sie mich nicht ab, ich gehe der Verzweiflung entgegen, wenn ich mit leeren Händen Ihr Haus verlasse. Wäre es möglich, ich würde mich mit der Hälfte, selbst dem dritten Theile begnügen; aber es darf nicht ein Groschen an der geforderten Summe fehlen ich kann nicht anders!"

Sw zog ein weißes Tuch hervor, um die Thränen zu trocknen.

Die beiden Galten sahen in schmerzlicher Verwunderung ein­ander an.

Mein Kind," begann Josephine nach einer Pause,halten Sie mich nicht für geizig oder hartherzig; könnte ich frei über mein Vermögen schal­ten. ich würde nicht um eine Minute Ihre Sorge verlängern, auch wenn mich der Besitz dieses prachtvollen Kleides nicht reizte. O, mein Gott, Philipp, was kann ich thun?" flüsterte sie ihm zu.Unsere Grundsätze werden auf eine harte Probe gestellt. Die Empfehlung der Madame F. prooocirt meine Ehre, und dieses arme Kind meine Wohlihätigkeit."

Auch Philipp war gerührt.

Wer sind Sie. mein Kind?" fragte er die Weinende.Nennen Sie uns Ihren Namen und Ihre Wohnung."

Anna Bornstedtl" flüsterte sie.

Wie?"

Anna Barnstedt ich bewohne ein Stübchen in Nr. 12 der B.-Gaffe."

Bornstedt?" fragte er noch einmal, und sein Gesicht ward noch bleicher als es bisher gewesen war.

Aus Josephine's Augen blitzte ein Freudenstrahl. Um die Befangen­heit ihres Mannes zu enden, der bestürzt an das Fenster getreten war, wandte sie sich zu Anna:

Ich weise Sie nicht ab. Mademoiselle I Ein solcher Handel erfor­dert indeß Ueberlegung besuchen Sie mich morgen um diese Zeit wieder, und ich glaube Ihnen den Dienst leisten zu können, den Sie fordern."

Madame! Madame!" rief außer sich das junge Mädchen.Und Sie wollen den Preis zahlen?"

Wenn es mir irgend möglich ist!"

Lohne Ihnen Gott, daß ich nicht hoffnungslos von Ihnen scheide!*

Bringen Sie mir morgen Ihre Arbeit zurück"

Nein, behalten Sie das Kleid und prüfen Sie die Stickerei viel­leicht sind Sie geneigter, den Preis zu zahlen."

Anna küßte hastig die Hand der Madame Lindsor und verließ das Zimmer.

Gleich darauf sah sie Philipp, der immer noch an dem Fenster stand, über die Straße eiten. Wie beflügelte die Hoffnung die Schritte der armen Anna I Ihr leichter, armseliges Tuch flatterte im Winde, und ihre kleinen Füße schienen kaum den Boden zu berühren. Als der junge Mann sich wandte, stand Josephine ihm zur Seite.

(Fortsetzung folgt.)