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Oesterreich-Ungarn.

In Graz ist ein einsamer unglücklicher Mann gestorben, der öster­reichische Feldzeugmeister v. Benedek, dessen Name in der Geschichte mit der verlorenen Schlacht von Königsgrätz (3. Juli 1866) verbunden ist. Dieser eine Tag hat Österreich eine seiner größten und tapfersten Armeen vernichtet, die Oberherrschaft Preußens in Deutschland entschieden und den 1000jährigen Verband Oesterreichs mit Deutschland zerrissen. Alle diese Schatten fielen auf den unglücklichen Mann. der gedehmüthigt und ge­brochen 14 Jahre nach seinem Sturz die Augen geschloffen hat. Nach Jahren erst wurde es offenbar, daß Benedek. der ein tüchtiger Corpsführer war. sich lange geweigert hatte, den Oberbefehl über die ganze Nordarmee gegen Preußen zu übernehmen und daß er zuletzt nur einem gemessenen Befehle des Kaisers gehorchte. Sein genialer Gegner Moltke wurde einst mit wenigen Worten sein edelster Vertheidiger.

Frankreich.

Paris, 26. April. Der Feldzug des Generals Logerot in Tunis sieht bisher einem Spaziergang ähnlicher als einem Kriege. Logerot ist gestern ohne jeden Widerstand in Kef eingerückt. Deßgleichen scheint Las Expeditionskorps im Norden auf keine ernstlichen Hindernisse zu stoßen. Die Insel Tabarka ist besetzt worden, ohne daß man einen Gegner traf, und nach den letzten Nachrichten ist zu vermuthen, daß dar auf dem Fest­lands gelegene Fort in die Hände der Franzosen gefallen ist, ohne daß dieselben irgend welche Verluste erlitten. Dagegen hat der General Nilter. welcher im Zentrum die Krumirberge erklettert, härtere Arbeit ge­funden. Seine Zuaven und Turkos haben den Berg Djebel Haddedah krstürmt und die Krumirs, welche denselben vertheidigten, wurden in das Thal Oued-Djenan zurückgeworfen. Die Franzosen hatten nach dem of­fiziellen Bericht 2 Todle und etwa 15 Verwundete. Unter den tobten und verwundeten Krumirs, deren Zahl weit beträchtlicher sein soll, hat man Offiziere und Soldaten der regulären tunesischen Armee gefunden.

Da es beschlossene Sache ist, Tunis unter Frankreichs Vor­mundschaft zu stellen, so wird ein Theil des Expeditionskorps bis Tunis gehen und die Stadt besetzen. Von einer eigentlichen Annexion ist noch nicht die Rede, doch soll das Land der Krumir mit den Grenzdistrckten. weil die Völkerschaften sonst nicht zu bändigen seien, zu Frankreich ge­schlagen werden. Eine offene Einverleibung von Tunis ist noch nicht im Werke, weil man befürchtet, daß England sonst Ansprüche auf Egypten machen könnte.

Der Bey hat einen energischen Protest gegen die Einnahme von Kef erlassen eine solche Invasion mitten im Frieden sei eine völkerrechtswidrige Handlung und unter gesitteten Völkern nicht üblich.

England

London, 28. April. Die Regierung hat sich entschlossen, eine Bill zur'ung der Eidesfrage selber einzubringen. Bradlaugh wird mitt­lerweile von der weiteren Verfolgung seines Anspruches auf die EideSab- legung adstehen.

Italien.

Rom. 26. April. In Bologna gelang es den Sicherheitsbehörden nach langen Bemühungen in einem Keller die geheime Druckerei eines Komitee der .revolutionären Liga" zu entdecken. Außer der Druckerpresse und den betr. Requisiten wurden inter.ssante Papiere und auch 7 eiserne Bomben, von denen 4 bereits explosionsbereit hergerichtet waren, mit Beschlag be­legt. Ein gewisser Bolli, welcher Mitglied des Komitee sein soll und Internationalist ist, wurde in Haft genommen.

Rußland.

Petersburg, 27. April. Der Zustand der Kaiserin soll, wie man aus-guter Quelle vernimmt, infolge der beständigen Angst, die ihr die Drohungen der Nihilisten verursachen, sich verschlimmert haben. Die nervöse Ueberreizung an der sie leidet, habe, so verlautet, in den letzten Tagen einen beängstigenden Charakter angenommen. Der Kaiser weilt nur ihretwegen in Gatschina und kam auch deßhalb zu den Osterseierlich- keiten nicht nach Petersburg, was sehr bemerkt wurde, da zum ersten Male der Zar dabei fehlte.

Der neueste nihilistische Drohbrief an den Czaren beginnt:Für

den Unmündigen (Ryssakoff) der Mündige (Kaiser), für das gemordete Weib (Perowskaja) Dein Weib. Auge um Auge, Zahn um Zahn."

Türkei.

Konstantinopel, 28. April. Dis Pforte hat eine Note an Frankreich gesandt, worin sie erklärt, daß die Regentschaft Tunis mit dem türkischen Reich nicht bloS durch religiöse Abhängigkeit, sondern auch nach politischer Oberhoheit verbunden sei. und daß der Sultan die Beobachtung der zwischen den Mächten und der Türkei bestehenden Verträge beanspruche.

Vom Sultan Abdul-Aziz erzählte man s. Z. der Welt, er habe seinen Lebensfaden mit einer Scheere zerschnitten. Dem ist nicht so. Der Sultan wurde mittelst Chloroform betäubt und getödtet und dann wurde ihm eine Armadcr geöffnet, um sagen zu können, er habe sich selber um- gebrackt. Der Attentäter war der frühere Kriegsminister Hussein Arni Pascha, der später auch ermordet wurde. Viele Mitschuldige sind jetzt ver­haftet worden. Es war eine Palast-Revolution, die von dem türkischen Scheich-ul-Jslam gebilligt worden war.

Tages dteuigkeiten.

Stuttgart, 28. April. Gestern früh ist an der Ecke der Berg- nnd Gymnastumsstraße ein vollgeladener Möbelwagen umgefallen. Es ist als ein großes Glück zu betrachten, daß sich im Moment des Sturzes, der mit seinem donnerätznlichen Knall eine fast erdbebenartige Wirkung aus die benachbarten Häuser machte, weder Passanten noch Kinder in der Nähe des Wagens befanden: sie hätten ihre Arglosigkeit schlechtweg mit dem Leben bezahlen müssen. Die Ursache des Unfalls lag offenbar in der total fehlerhaften Construktion des Wagens, dessen großes Obergewlcht nur auf einer schmalen Unterlage ruht, auf der er, insbesondere bei Wendungen, in ein allzu großes Schwanken gecathen mußte.

Her renaib, 26. April. Nach der gestern hier abgehaltenen Kontroll- versammlung geriethen in einer hiesigen Wirtschaft Reservisten und Land­wehrmänner von hier und einigen umliegenden Ortschaften in Streit mit einander, der in eine solche allgemeine Prügelei ausartete, daß endlich die Sturmglocken angezogen werden mußten. Dis dadurch herbeigerufenen Bürger räumten schließlich das Lokal. In demselben ist Alles demolirt.

Rottenburg, 27. April. Gestern Mittag zog von Nordwest her ein sehr schweres Gewitter über Stadt und Markung, das sich mit einem Platzregen, untermischt mit Hagelkörner, entleerte. Der Blitz schlug in den l/z Stunde von der Stadt entfernten, auf einem isolirten Bergkegel stehen­den sog. Heuberger Thurm, riß an dessen Nordwesiseite oben am Ein­fassungskranze ein ungefähr 4 Q-M. großes Stück heraus, dis Steine weithin schleudernd, zersprengte den Thurm, riß auch das Schloß an der Eingangsthüre weg und nahm seinen Weg in die Erde, nachdem ec den Thurm noch am Fuße an mehreren Stellen stark geschädigt. Der Thurm, von Lessen Höhe man eine prachtvolle Aussicht genießt, steht schon über 500 Jahre und ist noch niemals vom Blitze getroffen worden. Ein weiterer Schaden ist durch das Gewitter nicht entstanden.

Laupheim, 27. April. In Mietingen erschlug gestern der Blitz einen Knecht unv zwei Pferde, welche gerade mit Pflügen eines Ackers beschäftigt waren, und betäubte einen in der Nähe befindlichen, mit dem gleichen Geschäft betrauten weiteren Knecht. Das Pferd des letzteren wurde von der Gewalt des Blitzes zu Boden geworfen, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Ein voraurgehnder Blitzstrahl zertrümmerte den Blitz­ableiter eines etwa 100O Fuß von dem Acker entfernten Ziegelstadtts.

Schönthal, 26. April. Heute schlug der Blitz in die auf dem Kreuzberg befindliche neuere Kapelle im Kirchhof. Wegen der beträchtlich... Höhe konnten die drei auf dem Platze befindlichen Feuerspritzen wenig leisten, und die oberste Kuppel (auf der Laterne) brannte ab. Weiter nach unten konnte das Feuer bei der massiven Bauart nicht dringen, und so blieb das Innere mit den Freskogemälden fast unversehrt.

Wiesbaden, 29. April Von dem k. Palais weht seit heute früh 10 Uhr die purpurne preußische Königsstandarte; genau zur angegebenen Zeit ist der Kaiser rüstig und von bestem Aussehen hier eingetroffen.

Berlin, 20. Apnl. In den letzten Tagen ist ein vegetarianisch'S Speisehau» eröffnet worden, in welchem ausschließlich Pflanzenkost und

V rmögen erhalten wollte, da sie die einzige Tochter war. Edmund Dudley ward in dem Augenblicke ergriffen, als er sich nach Deutschland einschiffen wollte. Man brachte ihn in das Criminalgefängniß, und machte ihm den P-ozeß. Nach einem Jahre verschwand der Angeklagte, gegen den keine Beweise aufzubringen waren, auf eine unerklärliche Weise aus dem Ge­fängnisse. Alle Bemühungen, ihn aufzufinden, blieben vergeblich, und das Untersuchungsverfahren mußte ruhen. Da auch die junge Lady aus dem Hause ihres Onkels verschwunden war. hatte man ollen Grund zu der Annahme, daß die beiden Liebenden zusammen die Flucht ergriffen hätten. Da» große Vermögen des Lords ward von dem Staate verwaltet. Die Aufforderungen an die Erbin blieben erfolglos. Im Jahre 1847 starb der Consul Brougham, der Bruder des Vergistelen, in Kopenhagen, wohin er sich aus Deutschland zurückgezogen hatte. Sein Vermögen, das aus fünfmalhundertlausend Mark bestand, hatte er der Tochter eine» gewissen Edmund Kolbert vermacht, der ihm in Berlin bei einer Feuersbrunst das Leben gerettet. Der Consul war aus Dankbarkeit der Pathe des jungen Mädchens geworden. Als Henriette Kolbert das Vermögen ihres verstor­benen Pathen in Kopenhagen erheben wollte, machte man ihr Schwierig­keiten. da ihr die Legilimationspapiere fehlten, und es ergab sich, daß sie eine uneheliche Tochter Kolbert's war. Es entspann sich ein Prozeß, der dadurch zu ihren Gunsten aasfiel, daß sie endlich den Trauschein ihrer Eltern brachte. Aus diesem Scheine nun ergab sich, daß die Mutter keine andere war, als jene Lady Jenny Brougham, die seit der Vergiftung ihre» Vaters verschwunden war. In Kopenhagen wußte man um das Verbrechen nicht, und zahlte ihr die Erbschaft aus. Wiederum vergingen einige Jahre, !

da schrieb der Advokat E. aus Hamburg der Kings-Bench in London, daß Edmund Kolbert wahrscheinlich Edmund Dudley sei, da er sich mit Jenny Brougham verheirathet habe. Dis Nachforschungen begannen von Neuem zunächst bei dem holsteinischen Prediger, der die Liebenden getraut und ihnen den Trauschein ausgestellt hatte. Der Pfarrer Lambert, der sich bei der Erhebung der Hsrzogthümer gegen Dänemark betheiligt, war seines Amtes entsetzt und verschwunden. Schon glaubte man dem vermeintlichen Verbrecher auf der Spur zu sein, als man durch den Globe erfuhr, Ed­mund Kolbert sei in Berlin gestorben, nachdem er seine Lebenspolice ver­kauft Habs. Auch Jenny war nicht mehr am Leben, man sandte ihren Todtensckein von Hamburg ein, wo sie in dürftigen Verhältnissen gestorben war. Wem gebührt nun das große Vermögen des vergifteten Lords? war die Frage. Die KinzS-Bench entschied für Confiscation, da Edmund und Jenny ungerechtfertigt gestorben seien. Da erschien zu Anfang des November ein Mann vor dem Tribunale, den das Gewissen trieb, sich als den Mörder des Lord Brougham zu bekennen. Er war der Kammerdiener des Verstorbenen gewesen, und hatte, in der Meinung, sein Herr werde ihm ein großes Legat für treu geleistete Dienste aussetzen, das Gift in die Karaffe geworfen. Er hatte die Ausführung der Verbrechens in dem Augenblicke gewählt, wo der Verdacht auf den verzweifelnden Liebhaber fallen mußte. Man ist neugierig, wer sich als dis Erbin des Vermögens legitimiren wird, da» jetzt aus mehr denn einer Million Pfund Ster­ling besieht."

(Fortsetzung folgt.)