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Wort nahm und unter lebhafter Zustimmung des Hauser dar tiefste Bedauern ausdrückte, daß der Präsident einen solchen Entschluß fassen konnte. Graf Hohenwart konstatirt, daß der Ausdruck de» Bedauerns ein allgemeiner sei. Von allen Parteien einstimmig zu dem ehrenvollen Amte auf diesen Posten berufen. können wir den Grafen Caronini nur mit tiefstem Bedauern vom Amte des Präsidenten scheiden sehen, und ich bitte durch Erheben von den Sitzen diesem Gefühle Ausdruck zu geben. Graf Coronini» war von der Rechten und Linken zum Präsidenten gewählt worden, wurde aber, obwohl er der Versafsungsparlei angehörle, von dieser durch wiederholte heftige Angriffe zum Rücktritt gezwungen.
Rußland
St. Petersburg, 13. März. Als der Kaiser heute Nachmittag 2 Uhr au» der Mickaels-Marwze zum Wintervalais heimkehrte, wurde am Kalharinmkanal gegenüber dem Stallhofgebäude eine Bombe «ach dem Wagen geworfen. Der Kaiser blieb unverletzt. Als er ausstieg, zerschmetterte ihm eine zweite Bombe beide Beine, der Wagen wurde zertrümmert. Von der Begleitung wurden etwa zehn Personen theil« ge- lödtet. theils tödlich getroffen, unter diesen der Polizeimeister Worschitzky; mehrere Personen wurden leichter verwundet. Die Detonation war eine so starke, daß die-Fensterscheiben an dem gegenüber liegenden Stallhosgebäude zersprangen. Zuerst zur Stelle waren der Thronfolger und der Bruder des Kaisers Großfürst Michael Nikolaj-rvitsch. welche den schwer verwundeten Kaiser auf einen Schlitten trugen und zum Winterpalais fuhren. Die Kunde von dem schrecklichen Attentat durchlief die Stadt alsbald. Unzählige Menschen au« allen Schichten strömten nach dem Winterpalais, Kunde über den Zustand des geliebten Kaisers erwartend. Schon gegen 4 Uhr war der Kaffer, der nicht m-hr beim Bewuß'.sein war, verschieden, nachdem er kurz vo.her das h. Abendmahl genommen hatte. Bei der Nachricht von dem Tode des Herrschers wurde die Menge vom Schmerz tberwäitizt. Alles weinte. Von zwei soiort verhafteten Schuldigen wird ein-r als ein Zögling der Bergakademie bezeichnet.
St. Petersburg, 11. März. Der „Herold" meldet üb-r die Mordthat: Der Kaiser begab sich nach Beendigung der Wachtparade, der beizuwohnen er gewarnt worden war, in den Palast der Großiürsiin Katharina und blieb daselbst kurze Zeit zum Frühstück. Gegen 1^/4 Uhr verließ er den Palast, um sich nach Hause zu begeben und wählte den Weg entlag dem Kanal; als er etwa an der Mttie der Mauer des Parast- parks argekomnitn war. erfolgte eine starke Explosion, welche den Wagen -vrg beschädigte. Ter Kaffer stieg sofort aus dem Wagen, ein Offizier eilte herbei uns sagte: .Herr sind sie verwundet?" Der Kaiser antwortete mir großer Ruhe: „Gsi: sei Dank, nein, ich bin unverletzt; ängstige dich .nicht; aber ick mrß n-ch den Verwundeten sehen." Dieser lagen viele um- , Her, theils Sol.atr» ces kaiserlichen Geleite«, theils zufällig anwesende Civilpeisonen. Der Kaffer schritt erst auf einen schwer v-rwundeken Kosaken zu, ordnete Fürsorge sür denselben an und erblickte wenige Schritte von sich den Verbrecher, von der Menschenmenge umgeben. Ern Soldat des . Preobadjrnski-Garderegiments dielt den Mann fest und umklammerte dabei seine Arms, in deren einem der Verbrecher einen Dolch und in deren . anderem er einen Revolver hielt. Der Verbrecher ist ein junger Mann, blond, namens Nussakow. im Alter von 2t Jahren, er war rn den letzten zwei Jahren Zuhörer der Bergakademie. Der Kaiser trat mit großer Ruhe dicht an den Verbrecher heran, betrachtete ihn, besaht ihn abzusühren und begab sich zu Fuß auf den Heimweg; er hatte wenige Schrille ge- .rnacht, als plötzlich ein anderer junger Mann einen Gegenstand vor des Kaiser« Füße warf. Es erfolgte eine so furchtbare Explosion, daß alle Nächststehenden von deren Gewalt zu Boden geschleudert wurden und aut der andern Seile des Kanals Fensterscheiben sprangen. Der Knall wurde in der ganzen Stadt vernommen. Als der Dampf sich verzogen, erblickte man den Kaffer in seinem Blute am Boden liegend, um ihn herum eme
Menge Verwundeter; auch der Verbrecher war, obwohl unverletzt, zu Boden gefallen; er wurde sofort von der wuthschnaubenden Menschenmenge umringt; nur den Bemühungen der Polizei gelang er, den Nichtswürdigen gegen dieselbe zu schützen. Der Kaiser wurde schwcroerwundet, besinnungslos in den schnell herbeigeeilttn Schlitten des Starthauplmanns Fedorow gelegt. Im Winterpalast wurde der Kaiser aurgekleidel, die Wunden erwiesen sich als schrecklich, da« eins Bein war bi« zur Höhe des Oberschenkel« zerschmettert, das anders bi« zur Hälfte des Schienbeins; der Unterleib war vollständig aufgerifsen; das Gesicht verletzt. Die Aerzle erklärten einstimmig, eine Amputation der Beine sei nicht ausführbar und Hoffnung überhaupt nicht mehr vorhanden. Er blieb nichts übrig, als die traurige Pflicht des Geistlichen, der den Sterbenden einsegnete. Um 3 Uhr 10 Min. senkte sich di« kaiserliche Fahne bi« zur Hälfte des Fahnenstockes herunter, zum Zeichen, daß der Herrscher uns Vater des Vaterlandes sich zu seinen Vätern versammelt habe. Gleichzeitig trat ein General vor die Menge und verkündigte das traurige Ereigniß. Um 5 Uhr schwor ein Theil der Gardetruppen Seiner Majestät Kaiser Alexander tll. den Eid der Treue. Heute Montag findet die Vereidigung der übrigen Truppen statt. — Seil 1866 sind 5 Attentate erfolglos auf Kaffer Alexander tl. gemacht worden. Erst dieses 6te gelang. Dis Blätter aller Länder sind voll Aeufferungen de« Abscheus über diesen ruchlosen politischen Mord.
S t. P e t e r s b ur g, 15 März. Gestern Nachmittag 1'^ Uhr verkündeten die Kanonen von der Peter-Paul-Festung den Augenblick der Thronbesteigung und der Eidesleistung. Der Platz vor dem Palair war von einer großen Menschenmenge angefüllr. Um 2>/z Uhr begaben sich der Kaiser und die Kaiserin durch die Volksmenge nach der Kasankathedrate, überall von lauten Zurufen begrüßt. _
Tagesordnung
des K. Amtsgerichts Calw in der öffentlichen Gerichtssitzung
I. am D 0 »nc rsta g, den 17. Marz 1881, Vormittags 8'/, ühr :
Rechtssache zwischen Seligmann LLwenstcin, Handelsmann in Rexingen, Klr. und Georg Schnaufer, Bauer in Simmozheim. Bekl., wegen Bürgschaslssordernng.
Beschlutzverkündiguiig in der Rechtssache zwischen
1) Eva Katharine Kalmbach von Oderkollwangm, Kirin. und ihrem Ehemann Friedrich Kalmbach, Kroncnwirth in Reuweiler, Bekl., Alimente bclr.
2) Tobias Bäuerle, Zimmermann in Atthengstett, Klr. und Johanne« Schmrd, Maurer in Holzbronn, Bekl., Ersatzforderung betr.
Vormittags 9 Uhr:
Peivatktagesache
1) de« Jakob Bohnenberger, KüsceS von Nnterreichcnbach, Privatklr. gegen Hein- rich Kusterer, Bauer von da, Angekl., wegen Beleidigung.
2) des Matthäus Grob, Dicnsiknechls von Obcrrcichcnbach, Privatklr. gegen Magdalena Mann von Stammbeim, Angekl., wegen Beleidigung.
3) dcSsclben Privatklr. gegen Michael Mann, Gde.-Rath in Stammheim, Angekl., wegen Beleidigung.
4) des Joh. Jakob Straile »on Atthengstett, Privatklr. gegen Dorothea Herzer von da, Angekl., wegen Beleidigung.
Vormittags 10 Uhr:
Strafsache gegen
b) Martin Bolz, led. WirthSsohn von Aichelberg wegen Diebstahls.
6) Michael Kämpf, Zimmermann in Slammhcim wegen Diebstahls und Unier- schlagung.
Vormittags 11 Uhr:
Strafsache gegen
7) Ulrich Burkhardt, Schindelmachee in Odcrreichenbach, wegen Diebstahls. ^
Nachmittags 3 Uhr:
Strafsache gegen
8) Gottlob Friedrich Straile, Schuhmacher von Atthengstett, wegen Betrugs.
Nachmittage 4 Uhr:
9) Privatklagesache des Christian Emmendörser, Viehhändler« in Liebenzell, Pri» vaiklr. gegen Christoph Ditlus, Schultheißen in Oberrcichenbach, Angekl., wegen Beleidigung.
10) Strafsache gegen Karvline Maier, Schneiders Ehefrau von Atthengstett, wegen Hausfriedensbruchs und Beleidigung.
II. am Freitag, den 18. März, Vormittags 8h', Uhr:
1) RechiSsache zwischen Joh. Adam r-oroßmann, Wagner in Altburg, Klr. und Jakob Friedrich Starzmann, Maurer daselbst, Bekl., Eigenthum betr.
Vormittag« 9 Uhr:
2) Michael Volle, Bauer und Wrrih in Wettenschwann, Klr. und Ulrich Göz, Schneider daselbst, Bekl., Abrechnungsforderung betr.
3) Margarethe Najchold, Stricker« Ehefrau m Calw, Klein, und ihrem Ehemann Friedrich Nascholo daselbst, Bekl., Alimente betr.
Nach einer halben Stunde trat Lambert in's Comploir. Soltau war nach der Börse gegangen.
„Herr Lambert," sagte der alte Kassirer Lorenz, „Madame Soltau will Sie sprechen"
„Mich?" fragte verwundert der Commis.
„Sie hat Auftrag gegeben, Sre sogleich zu ihr zu schicken, sobald Sie zurückkämen."
Gehorsam ließ sich der Commis bei der Gattin seiner Chefs melden. Er »rrv sogleich vorgelaffen. Henriette, in einer reizenden Toilette, trat ihm lächelnd entgegen.
„Mein Mann hat Sie dem jungen Mädchen nachgeschickt, das diesen Morgen in unserm Comptoir war?' fragte sie.
Der arme Commis gerieth in eine peinliche Verlegenheit; er war >er Meinung, die effeisüchtige Gattin suche ihn vuszusorschen. Der Genante, er könne den Samen eines unglücklichen Zenvürsmffe« zwischen die beiden Gatten säen. aber auch der Gedanke daran, daß Soltau die E-fe sucht seiner Frau auf Kosten der Ehre Sophe'r reqe gemacht, ließ ihn ztttein. ä)ie Inquisition kam ,ym so unerwariec. daß er außer Stande war, zu antworten.
Henriette begriff die Verlegenheit de» jungen Manne«.
„Indem Sie den Auftrag Ihres P inz'palS ausführten, sind Sie dem weinigen nachpekommen," fuhr sie fort. „Sophie Söller inierejsirt mich, und deshalb möchte ich ihre Wohnung kennen lernen. Mein Mann kommt heute spät nach Hause — er hat nur ausgetrageii, Ihre Nachricht in Empfang za nehmen."
Die Worte der Herrin vom Hause durfte er nicht bezweifeln.
„Madame, ich bedauere, Ihnen melden zu müssen, daß meine Bemühungen fruchtlos gewesen sind. Das junge Mädchen verschwand mir in dem Gewühls, und ich habe es, trotz aller Anstrengungen, nicht wieder erblicken können. Ich glaube die Bemerkung gemacht zu haben, daß Sophie Salier unerkannt bleiben will."
„Wo kam sie Ihnen au« den Augen?"
Der Commis, der in seinem Rechte zu sein glaubte, nahm keinen Anstand, die Lüg« auszusprechen:
„In dem Menscheugedränge in der Bergstraße. Sie muß dort in ein Haus gesHlüpft sein "
Dw junge Frau dankie und entließ den Commis, der nun an sei» Bureau zurückkehrte um noch eine Stunde zu alberte»
„Das ist seltsam!" flüsterte Henriette. „Ich muß klar sehen in der Sache, und möge er kosten, was es wolle."
In diesem Augenblicke trat die Kammerfrau »in.
„Was gibt es?"
„Draußen steht eine alte Frau, di-Madame Soltau zu sprechen verlangt"
„Vielleicht eine Bettlerin?" fragte Henriette, indem sie nach ihrer Börse griff-
„Jpre schlechte Kleidung spricht dajür; aber sie dringt beharrlich darauf, mit Ihnen zu sprechen."
(Fortsetzung folgt.)