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schirdener Gegner des von mehreren Vorrednern vertheidigten Systems, wonach die Staats­schuld mit neuen Schulden getilgt werden soll, und stellt mit Hartenstein, v> Hofacker und Ramm den Antrag: Art. 1. anzunehmen mit dem Beisatze, daß mindestens die Hälfte de» aus Ueberschüssen jeweils erwachsenden Rcstvcrniöaens zur Tilgung der Gesammtschuld ver- wei d-t werde. Lutz und v. Rümelin unterstützen diesen Antrag, während Mayer hauptsächlich gegen die von Mohl vorgeschlagene Erhöhung aller Steuern um lO°/ spricht. Nachdem v. Äcnner es noch einmal sür notdwcndig erklärt, daß die Neaierung in der Tilgungssrage freie Hand habe, und die größte Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit dcS Fi­nanzministeriums bei der Schuldentilgung verspricht, wild der Antrag v. Schad'S auf einfache Annahme des Art. 1 ab gelehnt, und der Antrag v. Varnbüler'S mit 41 gegen 40 Stimmen angenommen.

Stuttgart, 24. Jan. (27. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Forts, der

Berathung de» Gesetzes, betr. die Staatsschuld, Art. 2 bestimmt, baß auf den künftig auSznstellenden Staatsschuldscheinen die Facsimile's der Unterschriften der Präsidenten bei­der Kammern der Landstände, die Originaluntcrschriften eines Mitglieds der ständischen EchutdcnverwaltungSbehörde, deö K. Kommissärs bei der StaatSschuldenzahtungökasse und eines Beamten der letzteren beizufügen sind. Angenommen. Nach Art. 3 soll nach dem Vorschläge der Komm, bei künftigen neuen Staatsanlehen für die Einschreibung auf Namen, für jede Umschreibung auf einen andern Namen und sür jede Ausbebung der

-Einschreibung bei Obligationen von 200 ^ eine Gebühr von 20 L, bei größeren Be­

trägen eine Gebühr von je 40 L zu Gunsten der Staatskasse erhoben weiden. Ange­nommen. Das ganze Gesetz wird mit 4 b gegen 34 Stimmen angenommen.

Die Kammer geht hieraus über zur Berathung der Art. 9, 10, 11, des Entw. des

inanzgcsetzes pro 1881/63. Art. 11 wird zuerst berathen und sagt, daß der durch das

inanzgesetz von 1879 bewilligte Kredit, soweit er nicht zur Deckung der Matrikulaibci- träge pro 1879/81 erforderlich ist, zur Deckung des Deficit« verwendet werden darf, das sich in den erwähnten Jahren im ordentlichen Dienst deö Staatshaushalts überhaupt er­geben wird. v. Nenner begründet den Art. damit, daß statt des gehofften Anlhcttö an den Zöllen vom 1. Okt. 1879 an bis jetzt das Ergebnitz 0 gewesen sei, worauf der Art. angenommen wird. Art. 10 bestimmt, daß die auf die-Etatjahre 1881/83 entfallenden Tilgungsraten der Eiseudahnschuld durch ein Staatsanlehen zu decken sind. Die Komm, beantragt, den Beschluß hierüber vorerst auSzuletzen, dagegen auszusprechen, daß die Titgungequoten der Elsenbahnjchuld pio 1881/83, .soweit sich nicht beim Abschlüsse deS Etats andere Dcckungsiniltel ergeben," durch Staatsanlehen gedeckt werden sollen. Mohl sagt, dich gebe ihm über alle Grenzen einer L u in penw ir th sch a f t hinaus, wofür er zur Ordnung gerufen wird. Der Komm,-Ant>ag wird angenommen._

TageS Neuigkeiten.

Calw, 27 Jan. Gestern Abend 7 Uhr starb hier der älteste Mann der Gemeinve: Johann Jakob Schwämmle, Schuhmacher meister. Der­selbe ist geboren den 26 November 1790 in Oberkollbach, somit über 90 Jahre alt geworden, er war vom Jahr 1820 an in Calw ansässig und verheirathet. Sein freundliches, dienstwillige» Wesen, sein offener, rechtlicher Sinn verschafften dem Verstorbenen bei der Einwohnerschaft Popularität und Achtung, er war von 1o52 Li« 186t Mitglied des Gemeinderaths, von 1863 an Schrannenmeister, eine lange Reihe von Jahren hindurch Gerichisdeisitzer und Felc-Unlergänger.

Stuttgart, 26. Jan Eins Pelition um Weiterverwendung im Staatsdienlle wurde bei den Stünden von 38 Bauführern der Cisenbahn- baukommission eingereicht. Mil der Vollendung der Hohenzollern-, Mur- thal- und Eäubaün erfuhr der Etsenbahnbau in Württemberg eine plötz­liche Reduktion, ohne daß die zahlreichen Bauführer eine andere Stellung sich hätten verschaffen können. Unter diesen befinden sich Lm'e, die 2026 Jahre dem Slaate gedient haben, Männer bl« zu 55 und > 5 Jah­ren; 30 vavon sind verheirothel. Im Aurlande finden derartige Arbeits­kräfte zur Zeit ebensowenig Anstellung, wie zu Haufe, und so sehen diese Technik-!, wenn die Entlassungen ihren Fortgang nehmen sollten, einer schlimmen Zukunst entgegen. Sie bitten nun um Weiierverwendung, die Erhaltung eines geschulten Stamme« tüchtiger Kräfte, und etw, Zuweisung cn andere Ministerien, Fortsetzung der durch die Eisenbahnbaukommission begonnenen Aufnahme des Landes und Herstellung von Höhenkuroenkarten, und ersuchen die Stände, auch ihrerseits hiezu vntzuwirken, Die Petition wird ba d zur Beralhung kommen und sie wird warme Ausnahme sicher finden.

S luttgarl, 26. Jan Der Bau einer neuen Jnsanterie-Kas-rne

ist für unsere Stadt in sichere Aussicht genommen und sind zu demselben au« Retchsmitteln 650,060 di-ponibel. Es steht nur noch die Ent­

scheidung über den Platz aus. In Aussicht ist genommen Terrain am Hasenberg bei Heslach und bei der Falk-rtstraße.

Slultgarl, 26. Jan. Bis heute sind dem Vernehmen nach bei der K, Telegrophendirekiion 22 Anmeldungen sür die Telephon-Einrichtung eingelaufen, Es stehen indeß noch einige weitere in Sicht und so darf man wohl hoffen, daß bis Schluß diese« Monats die geforderte Minimal- zahl wenigstens annähernd erreicht wird.

Magst adt, 24. Jan. Vorgestern wurden auf dem Jhinger Hof einem jungen Mann durch eine Futterschneidmaschine sämmtliche Finger an der linken Hand abgeschnitten.

Tettnang, 24. Jan. Auf einem der zahllosen Weiher in der Nähe der Stadt tummelten sich in winterlicher Lust ein jüngerer Knabe und ein Mädchen aus der wohlbekannten Fannie Rahm er auf dem Schäierhose, außerdem ein 13jähriger Knabe von derselben Domäne, Lange schon hatte ihr fröhliches Vergnügen gedauert, als' der letztere plötzlich auf eine bis jetzt nicht aufgeklärte Weise entbrach. Ein Schrei des Entsetzens entrang sich der Kehle der beiden andern, rathlos starrten sie sich an und wußten zunächst nichts Besseres zu lhun, als plötzlich um Hilfe zu rufen. Aber mit einem SLlage durchblitzte die Seele des Mädchens ein rettender Gedanke; ihr Auge fiel auf eine große, in der Nähe liegende Hopfenstange und im nächsten Moment war der Operationsplan entworfen. Rasch entschlossen schleppte es mit Hilfe de« Brüderchens die Stange herbei und legte sie platt auf die Eisfläche, also daß das freie Ende über die Bruchstrecke hin- reichte; sie selbst aber setzten sich mit dem ganzen Gewicht ihrer kleinen Persönlichkeiten auf das andere Ende. In dieser Weise wurde eine Hebel­vorrichtung geschaffen, die ausreichte, um das schwere Gewicht des Ertrin­kenden, der sich mit aller Kraft daran anklammerie, über dem Wasser zu halten, bis die hcißersehnle Hilfe kam und der Knabe au« seinem Wasirr- grabe gezogen wurde. Die kleine Heldin wurde zu ihrem Leidwesen durch den Schrecken und die Herzensangst so angegriffen, daß sie einige Tage lang dar Belt und Zimmer hüten mußte,

München, 24. Januar. In der letzten Zeit verschwanden hier ge­gen vierzig werthvolle (meistens Hühnel-)Hunde. ohne daß eine Spur der­selben gesunden werden konnte; ein Gleiche« geschah mit einem Hunde des Rechnungrrathes F, Bei den sofort angestelllen Recherchen fand man das werlhvolle Thi-r schon zum Verspeisen hergerichtet in der Behausung eines Einwohners zu Schwabing, Da dis Untersuchung ergab, daß der zum Hundsdiebstahl abgerichlete Knabe derselben dar Thier nach Hause gelockt halte, wurde der Vater wegen Hehlerei mit neun Monaten Gesängniß bestrast.

In den fürstlich Lippe-Lchaumburgischen Wäldern zu D ar- da in Ungarn wurde vor einiger Zeit ein Thier erlegt, welches man anfänglich für einen sehr starken Fuchs hielt. Eine genauere Untersuchung der interessanten Jagdbeule, welche in W>en von hervorragenden Zoologen und erfahrenen Jägern vorgenommen wurde, ergab indeß. daß man e» mit einem Bastard von Wolf und Fuchs zu lhun habe. Das Thier hatte im Ganzen die Gestalt eines sehr starken Fuchse«, jedoch die Farbe eines Wolfes Insbesondere hatten auch die Ohren Fachrsorm und WoisS- sarbe. Die Rurhe war so kurz wie beim Wolf Das Thier wurde sorg­fältig ausgestopft und vom Maler Canon für den Kronprinzen abgebildel.

Paris, 25. Jan. Die hsotes cko Mpolöon Ul., welche die frühere Kaiserin C u gen ie herautgeben will, bestehen in einem Tagebuche, welches Napoleon während seiner Regierungszeit geführt hat. Er macht mehrere starke Bände aus, welche 1870 aus Leu Tuilerien milgenommen wurden. Ein früherer kaiserlicher Minister hilft bei der Herausgabe.

Unterhalb der Brücke von Argenieuil bei Paris zog man kürzlich die Leiche eines Unbekannten aus der Seme, der an einem Stricke eme Reiselasche mit 360,000 Francs am Halse lrug. Dieser Betrag sollte laut letztwilliger Verfügung den Armen derjenigen Gemeinde übergeben werden auf deren Grund und Boden sein Leichnam aufgesunden würde.

London, 20. Jan. Vor dem Polizeigerichl de« Guildhall erschien in diesen Tagen Fräulein Jane Catshead. ein blühendes Mädchen von 30 Jahren, unter der Anklage, sich im Zustande sinnloser Trunkenheit auf der Straße gezeigt, dort allerlei Unfug begangen und sich den Polizisten, welche sie abführen wollten, thällich wioersetzl zu haben. Die zarte Miß halte dabei einen solchen Kraftaufwand entw ckell, oaß die Männer der Sicherheit sie binden und in einem Karren auf das Polizeiamt führen mußten. Vor dem Richter war da« Fräulein sehr kleinlaut und bat dringend, man möge sie für dieses Mal nicht bestrafen, sie werde sich gewiß bessern. Der Richter fragte den Polizeianwalt, ob die Angeklagte schon Vordestrafungen erlitten habe. Die Listen wurden nachgeschlagen, und zur großen Heiterkeit aller

Dann verschwand er in dem Sessionssaale der Geschwornen-Gerichts, Eine halbe Stunde war verflossen, als der Diener eintrat, und die Zeugen zum Erscheinen aufforderte. Robert zitterte, als er Helenen den Mantel abnahm. Das junge Mädchen war ungewöhnlich bleich, es schien, alt ob olles Blut aus Wangen und Lippen gewichen wäre; aber sie zitterte nicht, und in ihrem ganzen Wesen sprach sich die Festigkeit aus. die den Frauen in den kritischsten Momenten des Lebens eigen zu sein pflegt. Sie stand in dem einfachen schwarzen Kleide vor ihm, einen liefen, forschenden Blick auf ihn weisend.

Ihren Arm. Helene!" flüsterte ec,

Hier ist er!" sagle sie rasch und fest.

In dem Augenblicke, al« fl; die Schwelle des Sessionrsaalrr über­schritten. zuckte Helene heftig zusammen; sie bemerkte jetzt erst, daß sie ihren Schmuck, die weiße Rose, verloren halte. Sie sah noch einmal in das Vorzimmer zurück als sich da« Verlorne nicht zeigte, ging sie festen Schritts zu der Bank der Zeugen, die sich neben dem Platze des Ver- Iheidiger« befand Unter den Zuhörern aus den Gallerien erhob sich ein Flüstern der Bewunderung bei dem Erscheinen de« reizend schönen, bleichen Mädchen«, Robert konnte sich bei diesem Geräusche, da« er vollkommen begriff, eine» Gefühls des Stolze« und der Freude nicht erwehren er drückte den Arm seiner Geliebten fester an sich. Da fühlte er, daß sie sich auf ihn stützte.

Nachdem der Präsident erklärt, daß ihm beide Zeugen von Person bekannt seien, ermahnte er sie. gewissenhaft «uf die Fragm zu antworten,

die man ihnen Vorlegen würde. Der Advokat bat nun den Präsidenten, den Angeklagten vorführen zu lasten. Der Befehl dazu ward mit lauter Stimme erthellt. Gleich darauf ward eine Thür geöffnet, und Franz Os- beck, von zwei Gensd'armen geführt, trat ein Sem bleiche«, kummervolles Aussehen, das die Kerkerhaft noch erhöht hatte. erregte um so mehr die allgemeine Theilnahme der Versammlung, als Julius Petri in einer ergrei­fenden Rede den traurigen Geisteszustano des Angeklagten geschilvert hatte. Und in der That, Franz glich in diesem Augenblicke jenen armen Ge­schöpfen, denen Gott den vollen Gebrauch ihres Verstandes versagt hat. Bart und Haupthaar umflossen wirr das bleiche, feine Gesicht, in dem die Augen düster und unheimlich glühten Man sah ihm deutlich an, daß er sich Mühe gab, den kranken Körper aufrecht zu tragen, und daß ihn ein gewaltiges Leid zu Boden drückte. Wie ein Kind ließ er sich zu der Bank der Angeklagten führen. Stehend. ohne die geringste Bewegung. hörte er die Klage an, die nun mit lauter Stimme noch einmal verlesen wurde. Man beschuldigte ihn des offenen Aufruhrs. des thatsächlichen Kampfe« mit dem Schwerte »n der Hand gegen königliche Truppen, und de« beabsichtigten und zum Theil gUungenen Umsturzes der bestehenden Landesregierung, sowie endlich der Theilnahme an einem Complotte, da« sich zur Vertreibung der Landesherrn verschworen habe.

Sind Sie der Ihnen zur Last gelegten Verbrechen geständig?" fragte der Präsident nach der hergebrachten Form.

(Fortsetzung folgt.)