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Anweisung de« Leiter« de» Kurse» (in Hohenheim Garteninspektor S chüle, In Weiusberg Oekonomieroth Mühlhäuser) in der Baumschule und den Baumgütern der betreffenden Lehranstalt entsprechende Arbeiten zu verrichten. um die Erziehung junger Obstbäume, die Veredlung, den Baumschnitt und die Pflege älterer Bäume praktisch zu erlernen.
Die Dauer de« Kursus ist auf zehn Wochen — 8 Wochen im Frühjahr und 2 Wochen im Sommer — festgesetzt.
Der Unterricht ist unentgeltlich, für Kost und Wohnung aber haben die Theilnehmer selbst zu sorgen Uebrigens werden die oben genannten Leiter der Kurse auf möglichst billige Unterbringung der Theilnehmer Bedacht nehmen.
Außerdem haben letztere ein Veredlungsmesser, ein Gartenmesser und «ine Baumsäge anzuschaffen, was am Ort de« Kurse« selbst geschehen kann.
Unbemittelten Theilnchmern kann ein Staatsbeitrag bis zu 50 vsL in Aussicht gestellt werden Das Gesuch um diesen Beitrag ist mit dem Zu- lassungSgesuch anzubringen und die Bedürftigkeit durch ein obrigkeitliches ^eugniß zu bescheinigen. Später eingebrachte Beitragrgesuche können nicht mehr berücksichtigt werden.
Für ihre Arbeit erhalten die Theilnehmer nach Ablauf der ersten 14 Tage eine tägliche Vergütung von 35 Pfennig.
Bedingungen der Zulassung sind: zurückgelegte« 17. Lebensjahr, ordentliche Schulbildung, gute« Prädikat, Uebung in ländlichen Arbeiten. Lorkenntnifse in der Obstbaumzucht begründen einen Vorzug.
Gesuche um Zulassung zu diesem Unterrichtskursus sind mit amtlichen Belegen versehen bis längstens 20. Februar d. I. an dar Sekretariat der K. Centraistelle sür die Landwirthschaft in Stuttgart einzusenden/
Den Aufnahmsgesuchen ist ferner ein Nachweis darüber beizufügen, ob Gemeinden, landwirthschaftliche Lereine oder andere Korporationen die Aufnahme des Bittstellers befürworten, sowie ob dieselben zu diesem Zweck einen Beitrag und in welcher Höhe in Aussicht gestellt haben.
Die Zutheilung zu dem Kursus in Hohenheim oder zu dem in Weinrberg behält sich die Centraistelle vor und wird hiebei die Entfernung zwischen dem Wohnort des Bittstellers und dem einen oder anderen Ort des Kurses maßgebend in Betracht gezogen.
Die Bezirke- und die Gemeindebehörden, sowie die landwirthschait- lichen Vereine werden auf diese Gelegenheit zur Heranbildung von Bezirks- und Gemeinde-Baumwärtern besonders aufmerksam gemacht mit dem Ersuchen , geeignete Persönlichkeiten zur B-l Heiligung an diesem Kursus zu veranlassen.
, Stuttgart 14. Januar 188!. _ Werner.
Politische Nachrichten
Deutsches Reich.
— Berlin. 20. Jan. Die hiesige Polizei verbot auf Grund der Sozialistengesetzes eine für heute ongesetzte Versammlung, auf deren Tagesordnung stand: Das Vorgehen Henrici's in der Judensrage und das Verhalten der Arbeiter dagegen.
— Berlin, 2t. Jan. Nach dem offiziellen Sitzungsbericht über die gestrige Sitzung de« Bundesraths wurde der Gesetzentwurf über die Erhebung von Reichsstempelabgaben und wegen Erhöhung der Brausteuer (sür Norddeutschland) in 1. Berathung angenommen.
— Nach der Frkf. Z. bestätigt e» sich, daß die Mehreinnahmen vu« Zöllen in den letzten Monaten kolossal sind.
Oesterreich-Ungar».
Wien, 20. Jan. Der Kaiser hat heute dir Deputation des Zentral- ourschufles der steirischen Landwirthschaftsgesellschast und hierauf die Deputation steirischer Bauern empfangen. Sprecher der letzteren war der Bauer Meiregger, der die ungünstigen wirthschaftl. Verhältnisse der Steiermark
und die Verschlimmerung der ersteren im Falle einer Mehrbelastung de« Landes darlegte. Hierauf bat der Bauer Hofer den Kaiser auf's Inständigste, die Nothlage Steiermark» nach Möglichkeit zu mildern. Der Kaiser anerkannte in seiner Erwiderung die Berechtigung dieser Klagen, bemerkte jedoch, daß eine Aenderung in der bereits festgesetzten Grundsteuersumme kaum möglich sei.
Frankreich.
Paris, 20. Jan. Der Senat wählte mit 170 gegen 7 Stimmen Lson Say wieder zum Präsidenten. In der Deputirtenkammer wurde Gambetta mit 262 von 376 Stimmen wieder zum Präsidenten gewählt. 69 Stimmzettel waren ungültig.
Süd-Amerika.
Lima ist in den Händen der Chilenen. So lauten die neuesten Nachrichten, nachdem ein Telegramm aus Buenos - Apres die Einnahme Chorillo« durch die Chilenen gemeldet hatte und gleichzeitig auch der Fall von Callao (der Hafenstadt der einige Stunden vom Meere entfernt liegenden peruanischen Hauptstadt Li m a) berichtet wird. Ob mit diesem Ereignisse der unselige, auch dem Handel Deutschlands so große Wunden schlagende Krieg zu Ende sein wird, läßt sich noch nicht ermessen, Pierola. der gegenwärtige Machthaber von Peru, droht, ganz seinem Vorleben und seiner Sinnesnchtung entsprechend, daß er sich über die Anden zu der alten Jncastadt Cuzco zurückziehen «nd von dort den kleinen Krieg en werde._
^ Tages Neuigkeiten.
Calw, 22. Jan. In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag, wahrscheinlich vor Mitternacht ist in da« Postlokal in Teinach in einer beispiello« ircchen Weise eingebrochen worden. Das Postlokal befindet sich bekanntlich rechts von der unter dem Badhotel durchgehenden Durchfahrt und hat der Einbrecher gerade in dieser Durchfahrt einen Riegel der nur 13 cm dicken Wand in einer Höhe von 40 cm und Breite von 45 cm eingeschlagen, so daß gerade hinreichend Raum zum Durchschlüpfen war. Die Schalterkasse fand der Einbrecher leer, und die Hauptkusse, in der sich ein Geldbrief mit 800 befand, widerstand allen Ausbruchsversuchen. Vermißt wurde Morgens nur eine Controleuhr im Werth von ca, 25 <R> und ein Rock. Das Amtsgericht war gestern Mittag sofort zu den nöthigen Erhebungen zur Stelle. Fast gleichzeitig, wie es scheint, ist im Rathhause eingrbrochen und sind dort 4 Schlüssel weggenommen worden. Man darf wohl der Hoffnung leben, daß es der umsichligen Thätigkeit des Gerichte« gelingen wird, den oder die Thäter zu entdecken und zur verdienten Strafe zu zieherz».
— Stuttgart. 22. Jan. Das Befinden des Herrn OberbaurathKlv. Abel ist ein befriedigendes. Derselbe ist fieberfrei und hat auch nicht mehr an Schlaflosigkeit zu leiden.
— Pforzheim, 20. Jan. Seit nahezu 14 Tagen wird ein Einwohner von Tiesenbronn vermißt, odne daß bis jetzt eine Spur von ihm entdeckt werden konnte. Der Vermißte ist der 54 Jahre alte verheirathete Taglöhner und Holzmachec Ludwig Hofmann, der zuletzt am 7. d. M. in dem Walde nächst der neuen Würmthalstraße unweit Tiesenbronn gesehen wurde, als er mit Holzmachen beschäftigt war. Man vermuthet, daß er in berauschtem Zustande Abends nochmals in den Wald ging, um sein Beil zu holen, dabei aber vom Wege abkam und in eine Kluft fiel, wo er erfroren und mit Schnee bedeckt ist.
Der bekannte amerikanische Hungerdoktor Tann er hat, noch etwa« angegriffen von seiner bekannten Wette Erholung in dem milden Klima von Nizza gesucht. Leider war e» ihm nicht auch gegönnt, die nöthige Ruhe zu finden; denn, von der unerträglichen Neugier seiner zahlreich hier lebenden Landsleute geplagt, mußte er dreimal in einer Woche das Logis wechseln und sich endlich entschließen, da man ihn immer wieder auffand,
Feuilleton.
Das Geheimbuch.
Von A. v, W.
(Fortsetzung.)
V.
.Verzeihung," sagte ruhig der Advokat, „es ist nicht meine Absicht, irgend einen Mikgenossen der Angeklagten aufsuchen zu wollen, um vielleicht dadurch seine Schuld zu verringern, die, leider muß ich es sagen, eklatant am Tage liegt; aber die Pflicht gebietet mir, zu forschen, wieweit ich seinen Angaben Glauben schenken kann."
.Sollte Herr Osbeck seinen eigenen Vertheidiger belügen?" warf Iiobert bühnend ein.
.Wenn auch nicht mit Vorsatz, mein Herr; aber das Unglück scheint seinen Geist so geschwächt zu haben, daß ich nur mit großer Vorsicht seine Aussagen aufnehmen darf. So behauptet der Gefangene beharrlich, Ansprüche auf die Hälfte Ihres Vermögens zu haben —"
Der Advokat unterbrach sich. und sah mit einem feinen Lächeln die Wittwe an. Madame Simoni, die darauf vorbereitet war, blieb ruhig.
„Und Sie, mein Herr, wollen diese Ansprüche gellend machen?'
„Nein, Madame, dazu bin ich nicht berufen. Ich müßte ein schlechter Advokat sein, wenn ich einen Criminalprozeß mit einer Erbschaftsangelegenheit vermischen wollte."
.Was ist in diesem Falle der Zweck Ihre» Besuchs?" fragte Robert.
„Kein anderer, als mich über den Geisteszustand de« Gefangenen zu insormiren. E« kommt Alle» darauf an, von welchem Gesichtspunkte ich bei meiner Vertheidigung ausgehe, die unstreitig eine der' schwierigsten Aufgaben für einen Recht-gelehrten ist. Thatsachen, die nicht nur ihre Wirkung aurgeübt, sondern auch durch Zeugen bewiesen sind, kann selbst Ler scharfsinnigste Jurist nicht hinwegdirputiren, und es würde ein arger Fehlgriff sein, wollte ich in diesem Sinne meinen Clienten zu »ertheidigen
suchen. Franz Osbeck ist nach meiner Ansicht für das Leben verloren; man wird ihn sicher zum Tode verurtheilen, wenn es mir nicht gelingt, ihm eine Stelle in der Irrenanstalt zu verschaffen. Meine Aufgabe ist, ihn so weit als möglich von der drohenden Strafe zu befreien, und wird er den Händen der Aerzte überliefert, so ist dies keine Strafe, sondern ein Loos. da« ihn auch dann betroffen haben würde, wenn er sich de« Vergehens nicht schuldig gemacht hätte."
Mutter und Sohn sahen sich mit bedeutsamen Blicken an. die dem aufmerksamen Advokaten nicht entgingen, obgleich er seine Uhr hervorgezogen und da« Zifferblatt derselben betrachtet hatte.
»Mein Herr," begann Robert, .Sie bestätigen eine Ansicht, die ich längst über Franz Osbeck gehegt habe. Seine Angriffe auf da« Vermögen und die Ehre meines seligen Later« sind zu extravagant, als daß sie ein gesunder Verstand erfunden und unternommen haben könnte. Wir haben bi» jetzt unterlassen, eine öffentliche Erklärung über ihn abzugeben, da wir Rücksicht auf den Verwandten nahmen; jetzt aber ist es unsere Pflicht, und wir verbinden un« gern mit Ihnen, um seinen Geisteszustand zu con- statiren."
„Dann ist Alle« erfüllt, was ich von Ihnen erwartete," sagte Juliu» Petri. „Sie üben eine traurige Pflicht, aber Sie retten dadurch einem Menschen da« Leben, der unter den obwaltenden Verhältnissen unser innigste« Mitleiden verdient. Der Jurist muß es ihm freilich versagen, da er mit kaltem Verstände zu prüfen und darzuthun hat, was seine Straflosigkeit herbeisühren kann. Gelingt e« mir, zu beweisen, Franz Osbeck hat schon früher Spuren von Geistesverwirrung gezeigt, so wird man auch nothge- drungen zugeben müssen, daß er seine politischen Vergehen in demselben Zustande verübt hat. zumal da sie das Gepräge eines tollen Uebermuthe« tragen. Wir beweisen ja nur die Wahrheit, Madame," wandte er sich zu der Wittwe; „und die Wahrheit darf man vor aller Welt bekennen. So betrachte ich Sie denn als die Zeugen drsien. was ich vor Gericht behaupten werde, und Sie, mein Herr, werden die Güte haben, der Vorladung de« Gericht« Folge zu leisten." (Fortsetzung folgt.)