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— Stuttgart, 28, Nov. Nach Wiederherstellung des Argen-DammeS wird der Bahnbelrieb auf der Bahn Kißlegg-Wangen am Donnerstag den 2. Dez. d. I. mit Zug 210 von Kißlegg aus für den gesammten Bahntransport nach Maßgabe des Fahrplans für die Winterperiode 1880/81 wieder ausgenommen.
— Von der Jagst. 28. Noo. Heute wird in Lorenzenzimmern der 13- jährige Schulknabe, der sich aus Furcht vor einer gar nicht angesetzten Strafe erhängte, beerdigt. Uebrigens hatte der Knabe auch vom Lehrer keine Strafe erhallen, sondern es war ihm nur am Ort der Thal sein Beginnen vorgehalten worden. Auch der Schultheiß hatte dem Knaben nicht direkt mit Arrest gedroht, sondern nur Dritten gegenüber gesagt, man könnte den Buben schon einsperren, aber das stehe nicht in seiner Beiug- niß. Leute aus dem Ort sollen dann dem Knaben, als er nach der Schule nach Haus ging, zugerufen haben, er gehöre in den Arrest. Als später der Schultheiß und der Octsanwalt lediglich zur Besichtigung der Straße an der Behausung des Knaben vorbeigingen, glaubte dieser, er werde ab- geholl, ging hin und erhängte sich.
— Ebingen. 28, Nov. Verwichene Nacht wurde eine brave Familie hier von großem Unglück betroffen. Um halb 2 Uhr durch einen gewaltigen Krach aus dem Schlafe aufgeschreckt, mußten die Leute, noch ehe sie sich recht anzukleiden vermochten, es ansehen. wie ihre an das Wohnhaus angebaute reichlich ungefüllte Scheuer zusammenbrach. Nur mit Noth und theilwriser Lebensgesayr konnte das Vieh aus dem Stalle entfernt, einige Stücke mußten förmlich aus den Trümmern hervorgeschafft werden, doch wurde keines erheblich verletzt. Das Wohnhaus wurde schwer beschädigt und mußte sofort geräumt werden. Heute am hl. Adventfest ist man thätig, das Haus abzuipcießen, und die Vorräthe an Früchten, Futter, Stroh rc., soweit möglich wegzuschaffen.
— In Schussenried bildet eine am letzten Donnerstag noch in letzter Stunde aufgehobene Vermählung das Tagesgespräch. Unmittelbar vor dem Gang zum Standesamt und zur kirchlichen Trauung gerieih nämlich der glückliche Bräutigam in einen Streit mit seiner Zukünftigen, in Folge dessen dieselbe das Verhältniß löste, sofort ihre Aussteuer auf einen Wagen laden ließ und ihrer Heimat zufuhr. Zum Abschied und zum dauernden Andenken an diese schöne Stunde verehrte dieselbe vorher noch dem dis ganze Sache mit großem Gleichmuth hinnehmsnden Verlassenen ein Cigarrenröhrchen!
— Aus der bayrischen Nh ein Pfalz, 28. Nov. Die k. KreisregUrung der Pfalz hat die Theilnahme von Werktagrschülern an Turnfesten und den damit verbundenen Aufzügen untersagt. Ten Anstoß zu dieser Verfügung gab wohl eine Beschwerde des Speyerer Presbyteriums (Vertretung der dortigen Protestant. Kirchengemeinde), welche darüber Klage führte, daß die Theilnahme von Wrrklagischülern an dererlet Festen zu mancherlei Ungehörigkeiten führe, namentlich auch zu unpassender Betheiligung an den regelmäßig daran sich anschließenden Kneipereien.
— Aus der Pfalz, 25. Nov. In Dürkheim drei Selbstmorde innerhalb 14 Tagen! Der erste. schreibt das „F. I ", ein armer Arbeiter, Faulhaber, erschoß sich, scheint es, zum Zeitvertreib; der zweite, ein wegen Wechselfälschung flüchtiger Weinhändler, erschoß sich aus Geldmangel; der dritte, Philipp Wagner, ein 22jähriger Obsthändler, erschoß sich aus Verzweiflung. Letzterer hatte die Wagner'sche Obsthandlung nach dem Tode seines Vaters, mit vielen Schulden belastet, übernommen, um seine Mutter und sieben unmündige Geschwister zu ernähren. Mit fast übermenschlicher Anstrengung arbeitete er ftüh und spät am Heben seines Geschäftes, strengte er sich als junger Mensch an, für neun Personen den Lebensunterhalt in unserer theuren Stadt zu erschwingen. Er erhielt Aufträge von Hamburg und Berlin, selbst vom Reich s kanz l er! Vor einigen Tagen hatte er eine Obstlieferung von 120 Körben sür den „Kaiserhof" zu Berlin erhalten. Schon sind sie in die Waggons verladen, da läßt ein hanherziger Gläubiger, ein erbarmungsloser Geschäftsagent. Lieferung, Möbel und Hausrath pfänden; eine aufgetriebene Geldsumme nimmt der GeschäftSagcnt hohnlächelnd für „alte" Schulden in Empfang. In Verzweiflung gebracht, beschließt Wagner zu sterben, nimmt in herz
zerreißenden Myrten brieflich Abschied von Mutter und Geschwistern, Freunden und Bekannten und schießt sich Nachts stehend auf einer Mauer am Herzogweiher die Kugel durch den Kopf. Der Körper fiel leblos in'S Wasser Heute begleitete die ganze Stadt seine Leiche zur letzten Ruhestätte.
— Zu einer amüsanten Verhandlung ist es unlängst in Frankfurt a. M. auf dem Amtsgericht gekommen, vor dem eine Köchin als Klägerin gegen ihre Herrschaft erschien. Die Küchensee war plötzlich aus dem Dienst entlassen und waren ihr neben ihrem Lohn noch, wie es Vorschrift ist, Unterhaltungskosten für 14 Tage ä 70 ausbezahlt worden. Dieselbe klagte nun, daß 70 ^ zu wenig seien; mindestens erfordere die Sustev- tation einer Köchin täglich 1 ^ 70 Dann beanspruchte sie für die im Dienste zugebrachte Zeit neben ihrem festen Gehalt von monatlich 50 -/K auch noch für die Reinhaltung ihrer Toilette pro Monat 15 exira; denn ein« Köchin müsse, wie sie ausführt, eine Küchmtoilette tragen, in der sie sich auch den Gästen präsentiren könne. Sie wurde mit ihrer Klage natürlich abgewiesen. Große Heiterkeit erregte es, als der Durst der Köchin zur Sprache kam und von ihr zugegeben wurde, daß sie in einer Woche siebenundsiebzig Glas Bier getrunken habe. Auch hiefür hatte sie ihren Grund. Den ganzen Tag am Herde stehen, sagte sie. sei keine Kleinigkeit; die Gluth desselben erzeuge Trockenheit und Durst, sür dessen Stillung die Herrschaft aufzukommen habe. Der letzteren waren jedoch 77 Glas Bier in der Woche zu viel.
Ein steierischer Sodawasser-Fabrikant erkundigt sich bei der „N. Fr. Pr ' in Wien nach der gegenwärtigen Adresse des Dr. Tanner, welcher bekanntlich nächstens nach England kommen soll, um dort eine neue Fasten- vrvbe abzulegsn. Da Tanner die englischen Aerzte aufgefordert hat, ihm Persönlichkeiten nachzuweisen, welche geneigt wären, 40 Tage blos von geistigen Getränken zu leben, während er selbst innerhalb dieser Zeit sich wieder mit Wasser begnügen wolle, so ist der Steirer gesonnen, mit Tanner in die Hungerschranken zu treten. „Wollen Sie Herrn Dr. Tanner mittheilen," schreibt der Sodawasser-Fabrikant an genanntes Blatt, „daß ich mich bei Bier auf 45 Tage einlasse, wenn er einen Betrag aussetzt; ich bin 32 Jahre alt und Obersteirer." Hoffentlich wird Dr. Tanner diese Herausforderung auf Bier und Wasser berücksichtigen
Im Städtchen Schlockenwerth in Böhmen wurde einem Geschäftsmann die 6 Centner schwere Kasse gestohlen und auf einem Wagen davongefahren, was anderwärts auch schon geschehen ist; die eiserne Kaffe fand man, aber das Geld nicht.
Aus Nizza schreibt man der N. Fr. Pr.: Nizza vereint, wie immer, so auch Heuer, die vornehme Welt in seinen weit ausgedehnten reizenden Anlagen, wohin die Macht des Winters nicht zu dringen vermag. Heuer gesellt sich eine noch nicht dogewesene Erscheinung zu den hohen Gästen. Es ist niemand Geringerer als der Thronerbe von Japan, der Nizza auf einige Wochen besuchen wird. Prinz Higaschi-Fuschinio-No-Myr ist eben auf einer Reise um die Welt begriffen. Er ist 30 Jahre alt, spricht fließend französisch, ist unverheirathet und hat durchaus nicht vor, incognito zu bleiben, sondern' gedenkt Bälle und Essen zu geben.
London, 24. Nov. In Schottland tobt seit gestern wieder ein orkanartiger Sturm und man befürchtet, daß viele Schiffe untergegangen sind. Die Flüsse Tay, Clyde und Tweed sind übergetreten.
Melbourne, 28. Noo. Der Kapitän und 6 Mann der Besatzung des englischen Kriegsschiffes „Sandfly" wurden von Eingeborenen der Salomon-Jnseln ermorde».
Ein schwerer Unglücksfall hat sich in der Nacht auf den 24. d. in den Gewässern von Spezia ereignet. Bei einem um etwa 3 Uhr Morgens zwischen dem Dampfer Orligta der ital. Gesellschaft Florio und dem Dawpsec Oncle Josef der sranzös. Gesellschaft Valery erfolgten Zusammenstöße ging das letztere Schiss beinahe augenblicklich unter. Die Augenzeugen der Katastrophe, welche übrigens nicht zu sagen wissen, in welcher Art der Zusammenstoß erfolgte, erzählen herzzerreißende Szenen. Von den 300 Personen, welche sich an Bord des Oncle Josef befanden» sind ungefähr 200 untergegangen; blos 50 wurden gerettet, und über das Schicksal der übrigen 50 herrsch: noch Ungewißheit. Die stark beschädigte Ortigia be-
nach irgend einer Sache nach Hause schicken würde, so brächte er das rechte. Meine Tochter, die jung wie sie ist meine Wirthschast besorgt, kennt sein Wesen und versteht leicht, wonach ich ihn geschickt Habs; auch würde er nichts anderes als das rechte nehmen; nein, das thät er nicht. Sie sind noch immer die besten Freunde, aber sie ist immer noch ein ganz junges Ding, während er ait ist. der arme Bursch, und nicht mehr so behend und leicht wie früher. Jndeß müssen Sie nicht glauben, daß er faul ist, nein durchaus nicht; er ist seit acht Jahren jede Nacht mit mir auf Wache und ich hoffe. daß er noch manches Jahr mir erhalten bleiben wird, denn er wird sehr gepflegt, der gute Kamerad' und sorgfältig behandelt. Und nun. da Sie das Alles wissen, will ich Ihnen auch von jener Nacht erzählen, wo er lahm wurde. Ich will mich nur einmal uw- schauen. Herr, und dann bin ich gleich wieder bei Ihnen. Dauert keine zwei Minuten."
Mit diesen Worten stand er von seinem Stuhle auf. ging einige Schritte vorwärts, von wo aus er einen freien Blick auf das Meer hatte, betrachtete mit seinem Fernglase den Horizont, schaute hinauf nach den Felsen, und dann kam er zurück und setzte sich wieder auf seinen wackeligen Stuhl.
„ES ist Alles in Ordnung und so will ich mit meiner Erzählung fortfahren. Lege dich hin, Kamerad', und mach' dir'S bequem; sür eine Wett' steh' ich wohl nicht wieder auf. So ist'« recht."
Fennv nahm den Platz neben seinem Herrn ein, wie zuvor, und Roger» begann:
„Im Herbst, e« mögen jetzt fünf oder sech« Jahre her sein, hatte ich einst Dienst, «ein Abendbrot» war verzehrt und ich dachte gerade daran,
zu Bett zu gehen, als an meine Hausthür geklopft wird und herein tritt der Bootsmeister.
„Rogers," sagt er. „zieht wieder Eure Stiefel an. ich brauch' Euch. Sie'müssen wissen, daß ich sie ausgezogen halte, um meine Füße am Feuer zu wärmen, bevor ich zu Bett gehen wollt«. Nun ich zog sie fix wieder an und war schnell zum Ausgehen bereit, denn aus des Bootrmeisters Manieren schloß ich, daß was los sei"
„Paßt auf Eure Waffen und laßt Euern Hund heut' zu Haus'. Es darf sich nicht» rühren und sein Bellen kann Alles verderben. Schaut Euch scharf um und geht nach dem Boothaur so schnell Ihr könnt."
„Aha, aha Herr! sage ich und fort ist er.
„Ich lud meine Piüolen, steckte sie in meinen Gürtel, schnallte meinen Säbel um und lief die Treppe hinauf. um der Marie einen Kuß zu geben und ihr zu sagen, daß ich an den Strand beordert sei. Sie war früh zu Bett gegangen, denn sie war nicht wohl. Sie ist nicht kräftig, Herr, und war's nie. Nachdem ich ihr gesagt, daß sie ruhig schlafen und sich keine Sorgen machen solle wegen meiner, ging ich hinunter und an die Haurthür, um fortzugehen. Der Fenno wollte durchaus mit, aber er durfte ja nicht, und so schob ich ihn zurück, schloß die Thür hinter mir zu und ging direkt nach dem Boothaur mit Riesenschritten. Da fand ich dann schon die ganze Mannschaft beisammen und den Bootmeister so unruhig, al» ob er alle Nadeln der Welt unter seinen Sohlen hätte, und e» nicht abwarten könne, aufzubrechen.
(Fortsetzung folgt.)