526
I
verweigerten sie thatsächlich jeden Verkehr mit dem Lande. Gegen die Bemannung des österreichischen Schiffes haben sie sich hingegen sehr freundlich benommen. Derwisch Pascha fand Hindernisse, seine Truppen zu landen, da die Albanesen wissen, daß er mü der Durchführung der Ueber- gabe betraut ist.
Ragusa. 8. Nov Die Albanesen erklären jetzt, sie würden Dul- cigno um keinen Preis an Montenegro, wohl aber an Oesterreich übergeben.
Asien.
Die englische Regierung soll sich nunmehr endgültig dahin entschieden haben, Kandahar bleibend auszugeben. Voraussichtlich werden sich die engli schen Tru ppen bis in d a r Pischin-Thal zurückziehen. _
Tagesordnung
-es K. Amtsgerichts Ealw in der öffentlichen Gerichtssitzung
I. am Donnerstag, den 11. November 1880, Vormittags 9 Uhr:
1) Beweis-Einzug in der Rechtssache zwischen Friedrich Kopp, Bauern in Egenhausen OA. Nagold, Kl. und Friedrich Greule in Brcitevberg, Bekl. Forderung aus Bürgschaft detr.
Rechtssache zwischen:
2) Gebrüder Schwarz in Nürnberg, Kl. und Dorothea Ficsel, Bauers Wiltwe in Sim- mozheim, Bekl. Schadensersatz betr.
3) Gebrüder Schwarz in Nürnberg, Kl. und Jakob Mohr, Schreiner in Simmozheim, Bekl. Schadensersatz betr.
II. am Freitag, den 12. November 1880, Vormittags 9 Uhr:
1) Eidesabnahme in der Rechtssache zwischen Rosa Sophie Hornung u. Gen. in Stuttgart, Kl. und Philipp Fiesel. Glaser in Liebenzell, Bekl. Ansprüche aus unehelicher Schwängerung betr.
Rechtssache zwischen:
2) E. Heinrich Henle, Lederhandlung in Stuttgart, Kl. und Christ. Widmaier, Sattler in Ealw, Bekl. Forderung aus Wechsel betr.
3) Salomon Werthcimer, Glashandlung in Breiten, Kl. und Friedrich Wilhelm, Glaser in Calw, Bekl. Waarenforderung betr.
4) Adolf Frankel in Stuttgart, Kl. und VH. Döring in Calw, Bekl. Wechselfor- derung betr.
Tages-Zteuigkeiten.
— Vom obern Enzthal, 8. Nov. Der langjährige OilSvorstand von Höfen, Hr. Holzhändler Eduard Leo, wird durch Gesundheitsrücksichten bestimmt, Stärkung und Erholung suchend in den nächsten Tagen nach Stuttgart übersiedeln. Seine Gemeinde verliert an ihm einen umsichtigen, für ihr Wohl stets besorgten und erfolgreich thärigen Ortsvorstand; im Amtsversammlungsausschufse nützte er dem ganzen Bezirk in allen entscheidenden Fragen durch feine reichen Kenntnisse und Erfahrungen, wofür ihm auch die Anerkennung der höheren Behörden zu Theil wurde; als tüchtiger, besonnener, mit allen Verhältnissen des Handels und Verkehrs vertrauter Geschäftsmann wirkte er als Mitglied der Handelskammer in Calw. Ein wohlmeinender, zuverlässiger Rathgeber für seine Kemeinde- ongehörigen. wie seine vielen Bekannten, ein Freund treu und bieder, ein angenehmer Gesellschafter, ein Ehrenmann in jeder Beziehung verläßt mit Hrn. Leo unfern Bezirk, in welchem dem Scheidenden um aller dieser ausgezeichneten Eigenschaften willen stets ein gutes, ehrendes Andenken gesichert bleibt.
— Stuttgart, 6. Nov. (Schöffengericht.) Heute wurden fünf Fälle von Milchfälschungen an einem Tag verhandelt. Zwei Händler von Eltingen, OA. Leonberg, einer von Grunbach. OA. Schorndorf, einer von Winlerbach, OA. Schorndorf, und eine hiesige Frau, welche ein Viktuo- liengefchäft betreibt, wurden zur Verantwortung gezogen. In sämmtlichen Fällen wurde bei den vom hiesigen Stadtpolizeiamt vorgenommenen Milchvisitationen schlechte Milch getroffen und von dem Sachverständigen konsta- tirt, daß die Milch mit 10—30o/g Wasser verdünnt war; dafür, daß die Händler gewußt haben, daß die Milch so gefälscht war, ergaben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, indem dieselben behaupteten, sie haben nicht Wasser zugesetzt, da» könne nur von den Leuten geschehen sein. denen sie die Milch abgekauft haben. In einem Fall wurden auch vier dieser Leute gehört, welche natürlich von einem Wosserzusatz ihrerseits gleichfalls nichts wissen wollten. Unter solchen Umständen wurden die fünf Beschuldigten nur wegen fahrlässigen Verkaufs von schlechter Milch mit je 20 Mark bestraft. indem angenommen wurde, es sei ihre Obliegenheit gewesen, vor dem Ankauf und Verkauf von Milch sich über die Beschaffenheit derselben
zu vergewissern, und es falle ihnen sonach in dieser Beziehung der Verkauf der schlechten Milch zur Schuld. — Hieraus können die Milchhändler und Händlerinnen entnehmen, daß man auf sie ein wachsames Auge hat.
Es ist dies auch wohlgethan, denn es ist vom Uebel, wenn ein solche» allgemeine« und alltägliches Nahrungsmittel vor verwerflicher Gewinnsucht und vor Betrug nicht sicher ist.
— Stuttgart, 8. Nov. Wie wir hören, wird in der nächsten Sitzung der Gewsrbeabtheilung des Gemeinderath« die Frage der Besteuerung des Konsumvereins zur Verhandlung kommen.
— Stuttgart, 8. Nov. Ein hiesiger Kaufmannslehrling erhielt von seinem Prinzipal gestern 2760 -4L mit dem Aufträge, auf dem Postamt die entsprechenden Einzahlungen zu machen; derselbe hat sich mit diesem Geld flüchtig gemacht. Auf gemachte Anzeige des Beschädigten wurde der Flüchtige vom Stadtpolizeiamt nach allen Richtungen telegraphisch verfolgt, und nach einer heute früh vom Stadipolizeiamt Heilbronn hier eingelaufenen Nachricht dort im Besitz des Geldes festgenommen.
— Ludwigsburg, 7. Nov. Ein bedauerlicher Unglückrfall hat sich s heute hier zugetragen. Die zwei Lehrlinge des Bäckers L., der eine von hier, der andere von Benningen, hatten sich am letzten Markt Pistolen gekauft, um auf dem Wege nach Benningen, wohin sie sich der Kirchweih wegen heute begeben wollten, Raben schießen zu können. Während sich nun der eine in seiner Kammer anzog, spielte der andere, der 14jährige Sohn des hiesigen Wirthschastspächlers W., mit einer der Pistolen. Diese ging los und die Kugel dem Kameraden so unglücklich durch den Kopf, daß derselbe alsbald todt niederstürzte. Untersuchung ist eingeleitet. DaS ! Bedauern mit den Eltern der beiden Unglücklichen ist ein allgemeines.
— Eßlingen, 7. Nov. Ein gestern Abend aus dem Zuchthaus Ludwigsburg entwichener Gefangener Namens Schädler von Essendorf, OA. Saulga», etwa 45 Jahre alt, kam heute Morgen gegen 8 Uhr auf das Seeracher Schlößchen. um zu fechten, wurde aber von dem dortigen Verwalter Braun, weil er seine Kleidung als Zuchthausgefangener noch trug, als solcher erkannt und flüchtete sich deßhalb in den oberhalb gelegenen Wald „Kaltklinge". Es wurde nun alsbald der Anwalt von Krum- menacker in Kenntniß gesetzt, der nach dem Flüchtling streifen ließ. Letzterer wurde denn auch hinter einem eichenen Stumpen auf dem Boden liegend aufgefunden und zur Haft gebracht. Der Verhaftete sagt aus. daß Lr wegen Betrugs zu 4^ Jahren Zuchthaus verurtheilt sei und hieran 1 Jahr 9 Monate erstanden habe.
— Crailsheim, 6. Nov. Das entschiedene, für die Betroffenen freilich etwas hart wirkende Vorgehen der Steuerbehörde gegen eine Anzahl hiesiger Handelsleute hat hier eine ziemliche Aufregung hervorgerufen, zumal vielfach, auch von mit den hiesigen Verhältnissen vertrauten Personen behauptet wird, daß bei der Mehrzahl der Beschuldigten der Verdacht der Steuerdefraudation sich als nicht begründet erweisen dürste. Die Betroffenen beabsichtigen zunächst gegen die vorgenommene Haussuchung Beschwerde zu erheben.
— Durch Kartenspielen bringen die S ch w a b e n dem Deutschen Reiche
nicht viel Geld ein — oder spielen sie zu lange mit einer und derselben Karle? Während in Preußen der Kartenstempel jährlich und durchschnittlich 686,000. in Bayern 140,000, in Sachsen 87,000, in Baden 65,600 >
Mark einbringt, beträgt er in Württemberg nur 8500 M.
— München, 6. Nov. Der Kassier eines der größten Etablissements ist flüchtig gegangen mit Hinterlassung eines Defizits von 45,000
— Frankfurt, 6. Nov. Ein übelberüchtigter Mensch aus Bromberg, so erzählen hiesige Blätter, der vom Nichtsthun lebt und den Sündenlohn Anderer vergeudet, machte mit einem Novizen, der 3000 bei sich führte, eine Studienreise vis Berlin nach Hamburg. Hier lernte er eine Dame kennen und wußte sie an sich zu fesseln, verschwand aber plötzlich unter Mitnahme eines werthvollen Brillanten. Gestern tauchte er wieder hier aus, begab sich in seine in der Leibnitzstraße gelegene Wohnung und war gerade mit dem Zusammenpacken seiner Fahrniß beschäftigt. als sich die Polizei bei ihm einstellte, den Ring zurückverlangte und seine Effekten saisirte. Dabei übersah sie, die Fenster zu schließen, denn der Vogel schwang sich auf die Fensterbank, rief Adieu und verschwand.
und nur zuweilen warf der Eine oder der Andere einen flüchtigen, aber grimmigen Blick auf Jörg's Hände oder Füße. denn auch diese waren durch starke Riemen mit einander verbunden, so daß der Arrestant nur abgemessene Schritte machen konnte. So passirte der Zug an der Schmiede vorbei.
Die Gesellen hätten dem langen Jörg wohl gerne einen kurzen Gruß zugerufen, oder ihm wenigstens durch Kopfnicken ihr Beileid bezeugt, aber dieser hatte sich abgewandt, und es schien, als sei eben jetzt eine Veränderung in ihm vorgegangen, die eine derartige Kundgebung nicht gestattete. Der trotzige Kopf hatte sich nämlich ein wenig abwärt« geneigt und die sonst hellblitzenden Augen suchten sich wie scheu unter der überhängenden Binde zu verbergen. Eine leichte Röthe stieg dabei in dem blutlosen Gesichle auf und spielte wie leises Wetterleuchten auf den krampfhaft zuckenden Wangen. Plötzlich aber raffte er sich zusammen; der Kopf erhob sich wieder so trotzig, wie zuvor, und die blitzenden Augen flogen schnell, aber doch etwas scheu, hinauf nach den Fenstern des Lindenwirths- hauses, da« der Schmiede gerade gegenüber lag. In demselben Augenblicke bewegte sich Etwas hinter den Blumen, die das Gesimse des offenen Fensters zierten; — es war. als sei Jemand rasch davongesprungcn; man wollte sogar behaupten, ein unterdrückier Schrei habe sich von dorther vernehmen lassen.
»Habt Ihr'« gesehen?" flüsterte der alte Schmied seinen Gesellen zu.
Der Altgeselle schien die Frage nicht gehört zu haben, der zweite Geselle aber warf dem Meister einen bedeutungsvollen Blick zu. Der Alte hielt diesen Blick fest, kniff dann da« linke Auge zu und ließ das
rechte über den Kopf des Lehrburschen nach dem Altgesellen Hinübergleiten.
Der Andere folgte diesem Blicke, und wieder begegneten sich dann die Männer in dem bedeutungsvollen Kopfnicken von vorher. Nun wandten sich die Beiden wieder dem Troff« zu.
Langsam und vorsichtig bewegte sich dieser die Straße hinunter.
Nur noch einmal machte der lange Jörg eine Bewegung, als wolle er zurück nach jenem Fenster schauen; aber er schien sich mit aller Gewalt zusammenzunehmen und drehte den Kopf, der sich schon halb umgewendet hatte, wieder kurz nach vornen. Das ganze Gesicht de« Menschen zuckte aber dabei und zitterte, und die breite Brust dehnte sich so gewaltsam, >
daß es schien, als habe er so eben eine große, schwere Arbeit verrichtet. Endlich war er mit seiner Begleitung in die Krümmung des Weges verschwunden. Und nun erblickten die Schmiede den Nachtrupp des Gefangenen, unter welchem ein knorriges Bäuerlein einen tobten Rehbock auf I einem Karren vor sich her schob. Ein großer Hund lief nebenher und l leckte den Schweiß von dem Bug des Thieres. Daneben schritt der Flur- l schütz, gravitätisch wie ein Pfau; er achtete e» heute unter seiner Würde, die nachschreiende Dorfjugend abzuhalten, oder auch nur einzuschüchlern — dafür war ja die Sache viel zu ernst. Hinter diesem Schwarme kamen einzelne Bauern und Bäuerinnen, die eine alte Frau umringten. Diese Frau weinte und schluchzte herzzerreißend: es war die Mutter des langen Jörg.
(Fortsetzung folgt.) ?