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eine Kompagnie des kgl, Geniekorps in Experimenten mit Ballon» unter­richten zu lassen.

Türkei.

Konstantinopel. 9. Sept. Riza Pascha lelegrophirte am 7. Sept. an die Pforte, er treffe Anstalten, noch an demselben Tage mit 4 Bataillonen nach Dulcigno abzugehsn, um die Uebergabe der Platzes vorzubereiten.

Ragusa, 9. Sept. .Zu dem bereits versammelten Geschwader stießen vergangene Nacht noch eine russische Korvette und ein russischer Klipper.

Bulgarien

Die Auswanderung der türkischen Familien aus Bulgarien soll in auffallender Weise zunehmen. In den letzten Wochen sind über 600 tür­kische Auswanderer in Kustendje eing «troffen; sie erklärten, daß sie sich au» Bulgarien flüchten müssen, um der Mißhandlung seitens der Bulgaren zu entgehen Die Verwaltung soll sich in Bulgarien in einem kläglichen Zu­stande befinden. Von den 1(0 Beamten des Richterstandes haben kaum drei oder vier das Recht studirt, und die Verwaltungsbeamten sind mei­stens gewesene Handlungsgehilfen. Schullehrer und Handwerker. _

Tagesordnung

des K. Amtsgerichts Calw in den öffentlichen Verhandlungen

I. am Dienstag, den 14. September 1880, Vormittags 9 Uhr,

Beweisaufnahme in der Rechtssache zwischen:

Louise Schmid, led. Dicnstmagd von Liebenzell, z. Zt. in Stuttgart, Kln. und Christoph Crgezingee, Obergartner in Stuttgart, Bekl. Anerkennung von Eigenthum betr.

II. am Mittwoch, den 1b. September 1880, Vormittags 8 Uhr,

Strafsache gegen: .

1) Caspar Braun, Wundarzt und Geburtshelfer in Alchengstett, wegen verleumderischer

Beleidigung.

2) Georg Adam Rentschler auf Rchmühlc, Gde. Aichelberg, wegen eines Vergehens

_gegen 88- 147 Z. 1 u. 33 der deutscben Gewerbeordnung. _

Tages-Neuigkeiten.

(Eingesendet).

Böhmisches -Quintett.

Das gestern etwas zu spät durch Plakate angekündigte Concert der Familie Schmiedel aus Böhmen, die von 4 Uhr an im Dreiß'schen Saale spielte, hat verdientermaßen großen und allgemeinen Beifall gefunden. Tis zahlreichen Nummern , theils Jvstruwentalquiniette, theils Gesangstücke mit Instrumentalbegleitung (Lieder, Opernarien und-Duette, Strauß'sche Walzer mit Text, Schnadahüpsrln rc.) wurden sämmtlich fein, präci» und zum Theil geradezu reizend vocgetragen. Die Familie, welche aus 3 Damen und 2 Herrn besteht und sich durch überaus anständiges Aufireten sehr vortheilhaft von andern wandernden Gesellschaften unterscheidet, wird heute, Monlag, Abend 8 Uhr nochmals beiDreiß concertiren und verdient recht zahlreichen Besuch. Der Bierfall ist ebenfalls so günstig als möglich, denn der Dreiß'sche Stoff ist seit längerer Zeit (und hoffentlich auch fernerhin) wirklich vorzüglich. Wer also zu einem trefflichen Ohrenschmaus einen guten Schluck liebt, wird heute Abend nichts Besseres lhun können als zu Dreiß gehen.

Calw, 13 Sept. Die Tage der Cinquartnung rücken rasch heran und Alles rüstet sich, um es den Gästen so bequem und gut al» möglich zu machen Um die vielen Anfragen, welche Truppengattungen hiehec und in die Umgegend kommen, mit einemmal zu beantworten, geben wir au» denManöve:-Bestimmungen der 26 (l. württ.) Division nachstehen­den Auszug. Am 15. Sept. kommt nach Calw 1) von Merklingen her

der Regimentsstab und das tl. Bataillon, von Weiffach und Flacht her

das Füsilier-Bataillon des 12t. Inf.-Reg. 2) von Wiernsheim her der Regimenksstab, von Weissach her die 2te und von Heimsheim her die 4te Eskadron des Dragoner-Reg. Königin Olga Nr. 25. 3) vo» Friolzheim

her die 5te Batterie des Feldartillsrie-Reg. Nr. 29. Nach Gechiugen

kommt von Herrenberg her der Stab der 5l. Infanterie-Brigade, der Regimentsstab, das I. Bataillon und 2 Komp, des II. Bataillons des

Grenadierregiments Königin Olga Nr. 119., ferner von Herrenberg und Kuppingen her der Reg -Stab und die 2te Erk. de« Ulanen.Reg. König Karl Nr. 19. und von Kayh her die 4te Batterie des Feld - Art.-Reg. Nr 29., nach Ostelsheim die andern 2 Komp, dieses Bataillons und >/r Eskadron Ulanen; nach Stamm heim von Kuppingen und Ober- jesingen her das ll. Bataillon der Ins.-Reg. Nr. 125. und i/z Eskadron Ulanen, nach A l t h e n gste t t. das zugleich Magazinort für sämmtliche in der Umgegend einquartirten Truppen ist, kommt von Gärtringen uni Rohrau her das Füsilier-Bataillon des Reg. Nr. 125 und von Oberst. ! singen her l/z Eskadron Ulanen, nach Möttlingen. Neuhengstett und Ottenbronn von Heimsheim und Perouse her das l. Bataillon de» Inf -Reg. Nr. 121., nach Simm ozheim von Friolzheim her 2 Komp des Füsil.-Bat. des Inf.-Reg. Nr. 122. und von Wiernsheim her dis I. Eskadron des Drag.-Reg. Königin Olga Nr. 25., sowie von Wimsheim her dis 6te Batterie des Felo-Art.-Reg. Nr. 29. Am 17. Sept ist Manöver der ganzen Division mit markirtem Feind zwischen Ostelsheim und Magstadt und Bivak. Am 18. Sept. Fetdmanöver der Division in 2 Abtheilungen gegen einander bei Magstaor. Dieser Tag wird der interessantere in unserer Nähe sein. Am 23. September rücken sämmtliche Truppen wieder in ihre Garnisonen ein.

Stuttgart, 9. Sept. Von Herrn Professor Dr. O. Jäger, j Vorstand der Stuttgarter Turnlebrerbildungsanftalt, (manchmal auch irr- f thümtich von Professor Dr. G. Jäger, Professor der Zoologie und Entdecker der Seelentheorie) war gemeldet worden, derselbe sei in »singen ^ von einem Landjäger verhaftet worden, der ihn im Verdacht unbefugten Herumstreichens hatte. Nach einer Einsendung des Herrn Professors im Stuttg. N. Tagbl." erfolgte in Bremelau nicht die Verhaftung selbst, sondern blos der Versuch zu einer solchen: das Mißverständlich klärte sitz i auf durch einen jungen Menschen, der den Herrn Professor kannte. Dem Landjäger sah die Fußbekleidung des Professors verdächtig aus; es war dieß »die alte gemeine Rismensandale"," welche derselbe nach ihrer Brauch- ! barkeit für Fußmärsche erproben wollte, und zwar auf einsamen Wegen. ! DieseWandersandale" scheint ihm eine billige Fußbekleidung für Aermere, ! ja selbst im Sommer für wanderlustige Gymnasisten und Studenten. ! Daraus, daß ihndas versessene Modevotk" möglicherweise au-lache, ! erklärt der Herr Professor sich nichts zu machen.

Stuttgart, 9. Sept. Gestern Nachmittag gegen 2 Uhr fanden Vorübergehende den ca. 45 Jahre alten verivitlwelen Goldarbeiter Heinrich Neu aus Pforzheim links von der neuen Weinsteige am Waldesranve er­hängt, und zwar in einer Lage, daß man zuerst glaubte, er stehe mir den Füßen auf dem Boden. Als Motiv wird Arbeitslosigkeit angegeben. I

Niedertch, OA. Urach. 8. Sept. Eine hiesige Familie ist in letzter Zeit schwer hrimgesucht woiden. Der Müller R. von hier machte im vorigen Jahr einen wesentlichen Aufwand auf Verd.sserung seines Mühl­werks. Als nun Alles nach Wunsch eingerichtet war und die Maschme in schönstem Betrieb stand, ergoß sich am 1. Juli d. I. zwischen Mezingen und Urach ein Wolkenbruch und schwellte die Erms so stark an, daß sie, Alles verheerend, das Thal herunter brauste und auch das Wehr des hiesigen Müllers schonungslos durchriß, was einen Schaden von Tausen­den von Mark verursachte. Vor 14 Tagen sodann fiel dessen Frau eine Höhe von ca. 20 Fuß herab und soll seither leidend sein. Vorgestern Abend endlich vermißte dieselbe Familie ihr ^/zjähriges, hoffnungsvolles Söhnlein, und gestern früh fand man es am untern Wehr in der Erms ertrunken. Da» Bedauern mit dieser Familie ist hier allgemein.

Karlsruhe, 9. September. Das Badener Taubenschießen hat nun nach der ,B. L." doch statigesunden und ein Heer von mehr als 1000 großen und kleinen TauRn wurde erlegt. Einem etwaigen Versuch l einer Wiederholung im nächsten Jahre aber wiro sich hoffentlich § 360 ^ des Stra-ges-tzbuches rechtzeitig entgegeustellen und mit mehr Erfolg, als ! das diesmal leider der Fall war.

Auf der Mastviehausstellung zu Mannheim erhielt Gastgeber Kraft von Belzhag a) für eine Simmenthaler Katbin, gezüchtet von

recht gethan. ich war zu heftig gewesen. Nur eines wunderte mich und > betrübte mich zugleich: vor meiner Abreise hatte ich ihr iu einem kurzen Briefe den mir drohenden Verlust und die Absicht meiner Reise «nitge- theilt; ste hotte mir keine Antwort gegeben, kein Wort des Bedauerns, des Mitgefühls zugehen lassen. Doch auch dafür fand ich Gründe der Ent­schuldigung; sie hatte mich früher zurückerwartet. Gewiß fand ich sie mit offenen Armen, bereit, ihr Unrecht einzugestehen. Ich malte mir mährend der langen Reise die Freuds unseres Wiedersehens mit den leb- hafiesten Farben aus.

Es war früh am Morgen, als ich durch die noch einsamen Straßen Flensburgs meiner Wohnung zuschritt Müde und abgespannt von der Fahrt, beschloß Ich, noch einige Stunden zu ruhen. Ich erwachte erst gegen 1) Uhr.

Schnell kleide ich mich an. Mein erster Gang durch den sich noch dicht und grau über den Straßen ballenden Nebel führt mich der wohlbe­kannten Wohnung zu. Leise öffne ich die Hausthür. Tiefe Stille rings, als lägen die Bewohner noch in feste« Schlafe.

Doch nein! Drinnen höre ich jetzt deutlich leise Worte. Ich öffne die Thür; einen Schritt hinein thue ich. dann bleibe ich wie an­gewurzelt stehen, die erhobenen Arme sinken matt und kraftlos herab.

Aus dem Sopha, mit wirrem Haar, die weit geöffneten Augen vor sich hinstarrend, liegt ausgestreckt Angelika's Mutter, unverständliche Worte murmelnd. Vor ihr steht mit vor Weinen rothgeschwollsnen Augen Stine und ringt in hülfloser Angst die Hände. Von bös-r Ahnung erfüllt, trete ich hinzu.

Jene starrt mich lange an, endlich scheint ein Strahl de» Erkennen« die theilnahmlosen Augen zu durchleuchten. Bringst du sie wieder?

Nicht wahr, sie hat mich nicht verlassen?-Du hast sie milgebracht!!

-stammeln d>e beb-nden Lippea der alten, hülflosen Gestalt, die,

meine Hände krampfhaft umklammernd, vergebens sicb aufzurichten sucht.

,Laßt mich! Laßt mich! Ich muß ihr nach! Ich will sie schon «iedersindev ff

Der schwache Körper sank, erschöpft durch die erneuten Anstreng­ungen, sich zu erheben, in dis K ffen zurück und eine wohlthätige Ohnmacht verhüllte di- Sinne der armen Verzweifelnden. s

Mit Stine's Hülfe brachte ich die alte Frau endlich in's Bett, wo!

sie für kurze Zeit in einen unruhigen Schlummer versank.- i

In Angelika's Zimmer, w-lchss ich betrat, fand sich Alles in der! gewohnten Ordnung; noch lagen die Noten auf dem geöffneten Klavier, auf ihrem Nachlttschchen lag die fast beendete Stickerei; es schien, als müsse die Bewohnerin jeden Moment zurückkehren.

Ich konnte mir nicht erklären, was vorgesallen. Aus Stine, welche nur fortwährend jammerte und heulend die Hände rang, konnte ich nur so viel berausbekommen, daß Angelika verschwunden sei. Endlich fand, ich vor dem Sopha auf dem Boden liegend einen von der Mama zer-I knitterten Zettel, der mir Licht in diese Ungewißheit brachte Er war mit den zierlichen Schriftzügen meiner Braut bedeckt:

Verzeihe mir. geliebte Mama, daß ich ohne dem Wissen diesen Schritt thue; ich habe dich eine Zeit lang getäuscht, wie ich selbst mich täuschte ... Ich glaubte Robert zu lieben, aber er versteht mich nicht; er liebt mich nicht, sonst hätte er mich nicht so plötzlich, so ohne allen Abschied verlassen. Bradwell kennt ihn und hat e» mir auch gesagt.

(Fortsetzung folgt).