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unterdrückt werden würde, so ist es darum nicht minder wahr, daß der Klerus der Städte und Ortschaften in seinen baskischen Predigten und bei jeder sonstigen Gelegenheit offen die Sache des Don Carlos vertritt, welchen er als die wahre Stüze der Religion hinstellt.

Türkei.

Nagusa, 3. Sept. Es heißt, Riza Pascha habe die Verhand­lungen mit der Albanesenliga abgebrochen und wäre entschlossen, den Kampf zu beginnen; er bereite eine Truppenbewegung gegen das Albanesenlager vor.

Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 4. Sept. Das Geschäft des verstorbenen Herrn Ed. v. Hallberger wird in unveränderter Weise unter der bisherigen Firma fortgeiührt werden und hat Herr Karl Hallberger, seit Jahren Theiihaber und Mitleiter desselben, nunmehr die alleinige Leitung desselben im Namen der Hinterbliebenen übernommen.

Feuerbach, 31. Aug. Entgegen den vielen Klagen über GeschäftS- lvsigkeit konstatiren wir hier auch in diesem Jahre eine sehr große Bau- thätigkeit. Neu entstanden sind: eine Brechweinsteinsabrik. eine Fabrik für Theerpräparate und eine Druckfarbensabrik; bedeutende Erweiterungen er­fuhren die Jndigo-Carminfabrik, zwei chemische Fabriken, sowie eine Pa- pierwaarenfabrik u. s. w.

Ein eklatantes Zeichen des"Aufblühens unseres Fabcikoctr ist unsere Post. Dieselbe wurde vor 12 Jahren noch durch einen Landpostboten von Stuttgart aus versehen und heute haben wir einen eigenen Postbeamten und zwei Briefträger. Mit welcher Umsicht unsere wücrt. Postverwaltung die Interessen der Geschäftswelt wahrt, geht daraus hervor, daß wir be­reits um 6 Uhr in der Frühe Korrespondenzen zugestellt bekommen.

Fellbach, 31. Aug Wie an andern Orten wird auch hier die von Professor Klinkersues gestellte Witterungsprognose desN. Tagblatts' jeden Vormittag an 3 Stellen des Orts ausgehängt und von der Bevölkerung fleißig beachtet. (Von den 27 Wetter-Prognosen des Hrn. Prof. Klinker- ffies in diesem Monat sind 18 ganz, 1 gar nicht und 7 nur zum Theil eingetroffen.)

Marbach, 1. Sept. Ein Einwohner von Pleidelsheim machte laut St.-A " in den letzten Tagen die Wahrnehmung, daß sich in seiner Wohnung zunehmend ein sehr übler Geruch verbreite. Er stellte deshalb Nachforsch­ungen an und entdeckte nun, daß sein Hausherr, den er schon seit sechs Tagen nicht mehr gesehen hatte, in der Schlaskammer in flinern Bette todt liege und zwar in einem Zustande starker Verwesung. « Da der Be­treffende dem Schnapstrinken sehr ergeben war, so wird vermuthet, daß er sich hiedurch den Tod zugezogen haben werde. Die gerichtliche Untersuchung wird hierüber Näheres fesistsllen.

Leutkirch, 2. Sept. Welch schweres Unglück das Gewitter vom 13. Juli über die 3 Theilgemeindsn 'Eagerazhosen, Merazhosen und Geb- razhofen gebracht hat, geht aus der oberamtlichen Schadenserhebung her­vor, welche auf 380 Ira einen Schaden von rund 103,000 »1L berechnet. Von den Betroffenen sind nur fünf zum-Theil versichert, die Uebrigen stehen mit feuchten Augen vor dem Greuel der Verwüstung. Es hat sich zur Empfangnahme von Gaben in Geld und Naturalien ein Komitö ge­bildet. das sich an die bewährte Opferwilligkeit des schwäbischen Stammes wendet und dem ein guter Erfolg zu wünschen ist.

Friedrichshafen, 3. Sept. Gestern Abend fiel laut .Seeblatt" ein Arrestant, der von einem C vilkondukteur an das Oberamt begleitet werden sollte, unterwegs diesen an, packte ihn am Hals und rang wohl 10 Minuten mit ihm, wie er selbst sagte, auf Leben und Tod, bis endlich auf den Hilferuf des Gefährdeten Leule vom Feld herbeikamen und den wüthenden Angreifer überwältigten. Dem Ctvilkondukteur waren die Klei­der derart zerrissen, daß nur noch Lappen an ihm hingen.

Von der hohenzollernffchen Grenze, 31. Aug. Anläßlich des Firmungsfestes in Klosterwaid am 22. ds. Mts. hatten verschiedene Knaben bei dem Schmiede, welcher das Böllerschießen zu besorgen hatte, Pulver entwendet und aus Schlüsselbüchsen geschossen. Einer derselben hatte Pul­

ver in seiner Tasche versteckt und kam damit in die Schmiede, als der Schmied eben auf ein glühendes Eisen loshämmerte» daß die Funken um­herstoben. Wie es scheint, fuhr ein Funken dem Knaben in die Tasche und entzündete das dort, befindliche Pulver, so daß seine Kleider brannten und derselbe unter schrecklichem Geschrei zur Schmiede hinausstürzte, wo die Leute herbeikamen. ihm die Kleider herunterrissen und mit Wasser endlich das Feuer löschen konnten. Der Knabe, Sohn einer Gerichtrbeamten, W., ist am ganzen Körper verbrannt und leidet gräßliche Schmerzen. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.

Pforzheim. Der hiesige Gartenbau-Verein wird am 11.. 12. und 13. September in der großen Turnhalle hier eine Ausstellung von Pflanzen, Blumen. Früchten, Gemüsen und Garten-Geräthschasten veran­stalten. wozu die Vorbereitungen in vollem Gange sind und die wohl das Schönste zu werden verspricht, was dieser Verein in seiner seitherigen er­folgreichen Thätigkeit zu leisten verstand. Er ist in Fachkreisen anerkannt, daß Pforzheim auf dem Gebiete der Gärtnerei Hervorragendes bietet, darum wird zu der bevorstehenden großen Ausstellung auch ein zahlreicher Besuch von auswärtigen Blumen- und Gartenfreunden erwartet.

Heidelberg, 31. Aug. Gestern Abend wurden die Lokalitäten der Heidelberger Bank. Henrici u. Co., zufolge gerichtlicher Weisung und wie man sagt» auf Ansuchen eines mit 500/ 00 bei dieser Bank komman- ditirten Heidelberger Kapitalisten geschlossen. Das Bankinstitut vermittelte hauptsächlich den Verkehr mit kleineren Geschäfts- und Privatleuten. Wie derHeid. Ztg." mitgetheilt wird, sollen keinerlei finanzielle Bedrängnisse die Veranlassung zu diesem Schluffe gegeben haben, sondern lediglich auf gütlichem Weg nicht auszutragende Meinungsverschiedenheiten.

Mainz, 3. September. Das einer Mannheimer Gesellschaft ge­hörende DampffrachtschiffPfalz Nr. 2", das unter Anderem außer 800 Centnern Oel ein größeres Quantum Vitriol in Ladung hatte, ist

! gestern Nachmittag bei einer Thalfahrt in der Gegend von Rheindürkheim I vollständig verbrannt. Ueber die Entstehung des Feuers ist bis jetzt noch nichts bekannt, doch wird als wahrscheinlich bezeichnet, daß ein Feuerfunken aus dem Schornstein auf die leicht brennbare Ladung gefallen fein müsse. Nach den hierher gelangten Nachrichten sind von der Mannschaft des Schiffes der Maschinist mikverbronnt, dagegen das übrige Personal durch Hilfe von dem Ufer aus gerettet worden. Labung und Schiff sind ver­sichert, letzteres, wie dieFr. Ztg." angibt, ^ür 35,000 fl.

Frankfurt a. M., 31. Aug. Die Regierung des Staates Chili soll, wie dasJnt.-Bl." vernimmt, bereit sein, die Gebrüder Sachs von Santiago aus an die Justizbehörden des deutschen Reiches auSzuliefern und soll die Auslieserung in den nächsten Tagen beantragt werden.

Frankfurt. 1. Sept. Der erste Kassier der Reichsbank, Schuster, ist wegen Betrugs verhaftet worden. Während einer Erholungsreise des Defraudanten in der Schweiz wurde unverhofft eine Revision der Kaffe vorgenommen und er ergab sich ein Defekt von 64,000 Schon vor längerer Zeit soll man auf Schuster's flotten Lebenswandel aufmerksam geworden sein: aber man glaubte, daß er dis Ausgaben dazu recht gut aus eigenen Mitteln bestreiten könne, da er aus reicher Familie (in Leipzig) stammt. Während der Zeit seiner Abwesenheit erhielt das Haus Roth­schild von der Reichsbank eine größere Summe in Bankscheinen und zwar in Packetchen ä 10,000 Mark. In einem dieser Packetchen wurde nun ein Manko von einigen Tausend Mark entdeckt. Auf die hierauf bei der Reichsbank erfolgte Anzeige wurde sofort eine Revision der Kaffe vorge­nommen und fand man nun noch mehrere Packetchen, in denen zwei-, drei- und viertausend M. fehlten, im Ganzen 64.000 Mark. Da der Kassier eine Kaution von 50,000 Mark stellen mußte, so ist der Verlust nicht sehr groß.

In Eis ende rg wurde bei einem Feuerwerk einem jungen Mann das rechte Auge dadurch gänzlich zerstört, daß demselben eine herabfallende Leuchtkugel in das geöffnete Auge fiel.

Norderney. 31. Aug. Seine Königliche Hoheit der Prinz Wil­helm von Württemberg ist zum Gebrauche der Bäder hier eingetroffen.

rend größerer Reisen des Vaters, mit der Mutter in der schönen Bretagne bei den Großeltern, als diese noch lebten, auf Besuch gewesen. Nach dem Tode ihres Vaters, den sie vor einem Jahre betrauert hatte, war die Mutter lange zweifelhaft gewesen, ob sie nach Frankreich zurückkehren oder dableiben solle; dann hatte sie sich entschlossen, sich nicht vom Grabe des Vaters zu trennen, und mit einem Theil des nicht gerade bedeutenden Vermögens, welches Jener ihnen hinlerlaffen, hatte die Mutter das kleine Haus gekauft, während sie von den Zinsen des Uebrigen eine zwar be­schränkte und zurückgezogene, aber sorgenfreie Existenz führten.

Alles dieses erzählte sie mir mit treuherziger Offenheit, indem sie hinzufügte, sie habe mich gerufen, weil die deutschen Aerzte für geschickter und klüger gehalten würden, als ihre dänischen Collegen, und nun möge ich ihre Mama ja recht bald gesund machen.

Dazu war freilich vorerst keine tröstliche Aussicht. Der Zustand der Mutter halte sich eher verschlimmert als gebessert. Eine heftige Er­kältung, vielleicht auch die Aufregung über dis nahen kriegerischen Ereig­nisse hatten die an und für sich schwachen Kräfte der alten Dame aufge­rieben, und nun lag sie bedenklich krank darnieder. Drei Wochen dauerte dieser Zustand, der mir selbst große Besorgniß machte. Kein Patient hatte mir bisher ein solches Interesse eingeflößt. Jede freie Stunde, die mir mein in jener Zeit recht anstrengender Dienst übrig ließ, verbrachte ich im Krankenzimmer; ich versäumte oft mein Mittagsmahl, ich wachte, als ich die Krisis herannahen sah, die Nächte durch. Auch Angelika ver­ließ das Krankenbett nur, um auf mein dringendes Verlangen in ihrem Zimmer nebenan einige Stunden der ihr so nothwendigen Ruhe sich zu gönnen. Es war natürlich, daß wir bei dem täglichen Verkehr uns näher traten. Gar zu gern hörte ich dem leisen Geplauder zu, wenn sie, neben

mir sitzend, von dem schönen Frankreich sprach, oder wenn sie, damals noch eifrige Dänin, von den Thalen ihrer Landsleute, von dem alten Ruhm des Danebrog erzählte.

Wie dankbar drückte sie mir die Hand, als ich, nachdem ich den Zustand der Kranken geprüft, ihr sagen konnte, daß nun dis Gefahr vor­über, daß ihre Mutter gerettet sei. Obgleich nun nach dem Verschwinden des Fiebers, welches nur noch eine große Schwäche und Mattigkeit zurück- gelaffen. eigentlich meine Besuche überflüssig wurden, so stellte ich dieselben doch nicht ein. Ich hatte mich schon zu sehr an den lieben Umgang ge­wöhnt.

Allmählig mit dem Beflerbefinden der Mutter kehrte auch Angelika's von Natur muntere, schalkhafte, ja ich möchte sagen, übermülhige Laune, die sie mit dem französischen Blut von der Mutter geerbt, wieder. Auch in der Mutter, welche nach und nach an unfern Gesprächen rheilzunehmen anfing, lernte ich eine feingebildete, liebenswürdige Dame kennen. Fast Abend für Abend brachte ich in der mir liebgewordenen Familie, welche sonst ganz eingezogen ur.d für sich lebte, zu. Wir lasen unsere Klassiker zusammen, die sie nur zum geringsten Theil kennen gelernt; allmählig ge­stand sie mir ein, daß ihr Haß gegen uns Deutsche eigentlich recht thöricht gewesen; daß wir nicht so schlimm und böse seien, wie sie aus den dä­nischen Zeitungen mir immer vorhielt, glaubte ich ihr bewiesen zu haben. Auch ein neues Talent entdeckte ich in ihr: sie liebte leidenschaftlich, wie ich. die Musik, hatte eine reizende Stimme, welche sie meisterhaft aus dem Klavier, und namentlich auf der Harfe, auf welchem Instrumente sie Virtuosin war, begleitete.

(Fortsetzung folgt.)