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Ara. 1V4.
Dienstag, den 7. September L88O
35. Jahrgang.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Berlin, 1. Sept. Die Berufung des Bunderraths wird frühestens in den letzten Tagen dieses Monats voraussichtlich aber erst im Oktober erfolgen. Dringende Arbeiten liegen nicht vor. Zudem bleibt vor allem die Frage des jetzt erledigten Vorsitzes zu ordnen, den eintretenden Falls Graf Stolberg zu übernehmen haben soll.
— Berlin, 2. September. Der östreichische Minister des Aeußern, Baron Haymerle, verläßt morgen Norderney, um auf der Rückreise in Friedrichsruh Aufenthalt zu nehmen und dem Fürsten Bismarck einen Besuch abzustatten. Dieser Besuch findet allgemein die größte Beachtung und wird als ein politisches Ereigniß von bedeutender Tragweite aufgefaßt. In offiziellen Kreisen sagt man, daß der östreichische Minister des Aeußern Deutschland nicht verlassen möchte, ohne dem ihm befreundeten Kanzler einen Besuch abzustatten. Aber dieselben Kreise leugnen auch nicht, daß diese Begegnung der leitenden Staatsmänner der beiden verbündeten Reiche gerade im Augenblick auch der Politik gelte und mit der neuerdings in Fluß geratheaen Orientfrage Zusammenhängen dürfte. Jedenfalls spiegle sich darin auch die östreichisch - deutsche Allianz ab, und wenngleich bet der diesjährigen „Zwei-Kanzlerzusammenkunft" diese Allianz nicht erst, wie im vorigen September, vereinbart zu werden brauche, so gebe doch die heutige Situation manchen Anlaß zu Erörterungen und Besprechungen, die wohl unzweifelhaft jene vollständige Uebereinstimmung der Anschauungen ergeben werden, die im September des vorigen Jahres bei der damaligen Kanzlerzusammenkunft koniiatirt werden konnte.
— Berlin, 2. September. Der französische Botschafter am hiesigen Hofs, Graf St. Vallier. kehrt in den ersten Tagen des Oktober hierher zurück. Von einem Wunsche des Grafen, den hiesigen Posten zu verlassen, ist iih keinem Augenblick die Rede gewesen. Der Präsident Grevy und Minister Freycinet sind gleichfalls für den Fortbestand des bisherigen Verhältnisses, an dessen Aenderung überhaupt nur dann zu denken ist. falls Eambetta und sein Einstuß dem Botschafter seine hiesige Stellung zu verleiden vermöchten.
Frankreich.
Paris, 2. Sept. In den französischen Arbeiterkreisen scheint sich wirklich seit einiger Zeit ein bemerkenswerther Umschwung zu vollziehen. Den Protesten, welche die unsinnigen Beschlüsse der Kollektivistenkongreffe von Paris uns Marseille hervorgerufen haben, schließen sich andere nicht minder bezeichnende Kundgebungen an. So bringen heute die Blätter von Lille ein Programm, welches dis Delegirten des nördlichen Arbeiterkongresses aufgestellt haben. Auch diese Delegirten begreifen, daß der sozialen Frage mit Anwendung der Gewalt keine Lösung zu geben ist, und daß sich nur durch Verständigkeit und Mäßigung und durch die freundschaftliche Annäherung der verschiedenen Gesellschaftsklassen etwas erreichen läßt. Die Forderungen, die sie stellen, sind meist ganz vernünftige. Sie verlangen unter Anderem das Recht, »Assoziationen* zu gründen und öffentliche Versammlungen zu halten, um über ihre Interessen zu berathen; ferner
die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches das Loos der Arbeiter gegen die bei Ausübung ihres Berufes vorkommenden.Unfälle sichern soll; sie verlangen weiter die Gründung von Darlehensbanken für die Arbeit u. dgl. m.
Paris, 3. Sept. Dem „Franyais" zufolge wäre die Erklärung der Kongregationen in Folge des Wunsches v. Freycinets verfaßt, von Kardinal Nina entworfen, von dem Pabst genehmigt und durch Kardinal Guiiert Freycinet zugestellt worden, der sie endgiltig annahrn. Die Erklärung solle den Kongregationen nicht auferlegt, sondern nur vorgeschlagen werden. Ueber 50 Obere von Kongregationen seien der Erklärung bereits beigetreien.
England.
London, 2. Sept. (Amtlich.) General Roberts empfing ein Recht- sertigungsschreiben Ajub Khans, worin derselbe anführt, er sei zum Kampfs gezwungen worden. General Roberts antwortete mit der Forderung der Herausgabe der Gefangenen und bedingungsloser Unterwerfung. Ajub Khan befestigte als Antwort sein Lager. Die Partei Musa Kyan's nöthigt denselben, weiterzukämpfen. — Der »Standard" meldet aus Khaman,»eS verlaute, Ajub habe um die Erlaubniß nachgesucht, unbehelligt vorrücken zu können. Man glaubt, er beabsichtige nach Kabul zu marschiren.
London. 3. Sept. (Offiziell.) General Roberts traf am 2. Sept. Morgens mit seinen Truppen in Kandahar ein. Der Feind ist sehr stark. Gen. Roberts machte Rekognoszirungen und fand, daß der Feind starke Positionen auf den Anhöhen besetzt hat und Vertherdigungswerke errichtet. Sobald Gen. Roberts genügend informirt ist, wird er den Angriff unternehmen. Der Gesundheitszustand der Truppen ist vorzüglich.
London, 3. Sept. Oberhaus. Unterstaatssecretär Enfield verliest eine Depesche folgenden Inhalts: General Roberts hat Eyub Khan'L Streitkräfte angegriffen, zerstreut und 27 Geschütze genommen.
London, 4. Sept. Hartington empfing eine die Annexion von Kandahar nachsuchende Deputation und erklärte, die Frage erheische reifliche Erwägung. Militärische Personen halten Kandahar für eine wichtige strategische Position, allein die Annexion gegen den Wunsch der Einwohner würde die Regierung von dem Ziele, ein mächtiges und britenfreundliches Afghanistan wiederherzustellen, sehr weit enlfernen.
Italien.
Rom, 2. Sept. Die englische Schiffsdivision ist gestern von Palermo nach Ragusa abgegangen. Die i ta l ien ische Schiffsdivision geht ebenfalls nach Ragusa ab.
Spanien.
Madrid, 28. Aug. Der Ministerpräsident und der Minister des Innern haben sich zur V'lleggiatur in die daskische Provinz begeben und die dortigen Behörden konsultirt. Die empfangenen Eindrücke und vertraulichen, Miktheilungen beweisen, daß Präventivmaßnahmen gegen die karlistischen Agitationen in Biscayr, Alava, Guipuzcoa und Navarra dringend nothwendig sind. In den genannten Provinzen befinden sich wohl 30,000 Mann unter dem Kommando des tapferen und energischen Generals Quesada. Aber wenn er auch v-rsichert. daß jeoer ernste Aufstandsversuch kräftigst
Feuilleton.
Verloren.
Novelle aus dem Soldatenleben von Max Wenzel.
«^Fortsetzung.)
»Es war m den ersten Tagen nach unserem Einrücken gegen Abend eben war ich aus dem am Hafen liegenden Lazareth, in welchem uns di dänischen Kugeln hinreichende Beschäftigung zurückgelaffen hatten, müd und matt zurückgekehrt, und nachdem ich mich umgezogen, im Begriff nach dem unweit meiner Wohnung gelegenen Hotel Rasch zu gehen, ur dort mein Abendbrot, einzunehmen, als ich aus dem dunkeln Hausflur durc eine jugendliche Stimme angeredet werde. — Nachdem mich Jene gefrag! ob ich der fremde Arzt sei, und auf meine Bejahung mich bittet, ihr z folgen, eilt sie durch die nächste Querstraße, neben der katholischen Kirch vorbei, mir voran. Erst auf der Straße in dem Licht der Gasstamm Gelegenheit, meine junge Hülsesuchende zu betrachten. Eine zier uche schlanke Figur, welche das dicke Umschlagetuch nicht völlig verhülle, konnte, dichte blonde Locken, die unter dem kleinen Hütchen hervorguollen ein reizender Mund, herrliche dunkelblaue Augen, die mich ängstlich stehen! ansayen — Wir stehen vor einem kleinen einstöckigen Hause, leise trete, wir aus den Flur, wo uns eine alte, etwas schwerhörige Magd mit de r.ampe erwartet; ich werde durch ein gut eingerichtetes Zimmer in ei, lerneres geführt, wo ich die Mutter des jungen Mädchens, eine bereit, ältere Dame, bewußtlos, in heftigem Fieber im Bette liegend, finde. Dn kurze Schilderung der Tochter, der Zustand der Kranken sagen mir. das rch es mit einem, bei dem Alter der Patientin nicht unbedenklichen Nerven-
fieber zu thun hatte. Ich ordne das Nöthigste an, mit Hülfe der Magd helfe ich das Krankenbelt aus dem engen in das geräumige Vorderzimmer tragen, ich verschreibe ein beruhigendes Mittel, und nachdem ich Verhaltungsmaßregeln für die Nacht gegeben, entferne ich mich mit dem Versprechen. folgenden Tages früh wieder vorzusprechen.
»Ich glaube, es war mehr als bloß das Gefühl der ärztlichen Pflicht, welches mich schon früh am folgenden Morgen zu meiner Patientin trieb. War es die liebliche Stimme, waren es die strahlenden blauen Augen der Tochter, in die ich zu tief geblickt hatte, — ich wußte selber nicht, welchen Zauber die holde Angelika, so hatte sie wenigstens die harthörige Alte in ihrem dänischen Kauderwelsch genannt, auf mich aüsgeübt.
„Sie kam mir an der Thür in ihrem einfachen Morgenanzuge entgegen. Ihr rosiges Gesichtchen hatte durch die bei der Mutter durchwachte Nacht einen Anflug zarter Blässe erhalten, die es verschönte. Nachvem ich am Krankenbett gewesen, wo ich keine Veränderung bemerken konnte, begann sie zu plaudern. Nichts im Leben macht schneller vertraut und räumt die Schranken der Convenienz und Etikette rascher bei Seite, als gemeinsames Leid und Hoffen und Bangen am Krankenbett. — Es ist das ein eigenes Prärogativ des Arztes, daß auch der Mann von Welt vor ihm die Maske lüstet, die er sonst der Menge zu zeigen für gut befindet.
„Von der Entstehung der Krankheit der Mutter ging sie im Gespräch eingehender auf ihre Familtenverhältnisse ein. Ich erfuhr, daß ihr Atter dänischer Schiffskapitän gewesen und ihre Mutter aus Brest heimgeführt habe. Ihr Vater hatte ihr eine sorgsame Erziehung in einem Institut in Kopenhagen geben lasten. Mit der Mutter hatte sie fast nur französisch, mit dem Vater dänffch gesprochen, auch in englischer und deutscher Sprache hatte sie sich auszudrücken gelernt; öfter war sie, wäh-