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Türkei
Wie der „Pol. Corr." aus Salonichi in Ergänzung früherer Nachrichten gemeldet wird, hat der Räuberhauptmann Niko in einem dorthin gerichteten Schreiben als Lösegeld für den englischen Obersten Synq« . 1500 L. und 12 goldene Uhren sammt Ketten verlangt; sollte nach 10 Tagen kein» Antwort erfolgen, so werde er seinem Gefangenen die Nase, drei Tage daraus die Ohren und noch drei Tage später den Kopf abschneiden.
^ Tages-Iteuigkeiten.
— Calmbach. 24. Febr. Die ieierltche Amtseinsetzung unseres Schult- ^ heißen Häberlen brachte unserer Gemeinde heute einen freudig bewegten, festlichen Tag. In ansehnlichem Wagcnzug begaben sich Vormittag« Kollegien, Militärvereine und eine Anzahl Bürger Calmbachs nach dem nahen Wildbad. um ihrem neuen Orlsoorstand, seither NolarialS-Assiftent dort, das Geleite hietzer zu geben. Unter Vorantritt des Veteranenverein« und Liederkranze« bewegte sich der Zug durch den fest.ich geschmückten Oct auf Las Rathhaus, wo durch Herr Oberamtmann Mahle von Neuenbürg die feierliche Beeidig uug stattfand. Ein Festessen von über 100 Gedecken vereinigte NachmittazS im Gasthaus zur Sonne Beamte, Kollegien, Vereine und Bürger Calmbach», sowie Wildbader Freunde des neuen Oltsvorstands.
— Stuttgart, 28. Febr. Im Laden des Herrn Neidhart in der Catwer- straße wurde in vergangener Nacht ein Einbruch verübt und die Summe von 8o0o Mk.. in Papiergeld, Gold und verschiedenen Münzsorten bestehend, ge stöhlen. Der Dieb hatte den Pull erbrochen, in welchem der Schlüssel für den feuerfesten Geldjchrank ausdewahrt lag.
— Stuttgart, 2. März Gestern erschienen bei den Verhandlungen im k. Landgerichte die Richter erstmals in der neuen AmtSkleidung : im schwarzen Laiar mit breitem Sammlkragen und im Barett. Dir Bekleidung macht einen würdigen, feierlichen Eindruck Bezüglich der Kopfbedeckung ist es den Richtern anheimgestellt, dieselbe während der Verhandlung zu tragen »der «bzunehmen. Es ist die Einführung dieser einfachen Amtstracht als ein Schritt zu bezeichnen, der. im Interesse einer würdigen äußeren Erscheinung des Richteramles, nur als ein glücklicher bezeichnet werden kann. Der ver- drängte Frack hat als Festkleid eine seiner gewichtigsten Provinzen verloren.
— Cannstatt. 27. Frbr. In der heutigen gemeinschaftlichen Sitzung der hiesigen bürgerlichen Kollegien wurde die Trinkwasseroersorgungsfrage dahin entschieden, daß der vorliegende technische Plan iu Angriff zu nehmen sei.
— Bondorf, O.A. Herrenberg, 24 Febr. Heute früh wurde unsere Gemeinde mit der Schreckensbotschaft allarmirt, daß ein ledige», verwögliche» Frauenzimmer. Marie Mast, in der Nähe des Waldes ermordet aufgefunden worden sei. Die angestellle Untersuchung ergab leider die Richtigkeit dieser Nachricht, und bezeichnet die Volk«stimme als Thäter einen in bedrängten Lermögenrverhältmssen stehenden, von feiner Frau getrennt lebenden Bruder der Ermordeten, welchrr Abends zwischen Seebroun und Rottenburg verhaftet wurde. Der Abscheu und tiefe Trauer über diese ruchlose Frevelthat ist allgemein.
— Herrenberg, 27. Febr. Der de« Mordes seiner eigenen Schwester verdächtige Bruder Jakob Most au« Bondorf wurde gestern gefesselt an da» Amtrgerichtsgesängmß in Herrenberg eingeliefert; e« wurde auch dessen Bruder verhaftet, da Verdacht vorliegk, derselbe sei Mitwisser an dem entsetzliche« Verbrechen. Der Mord scheint auf der Stelle vollbracht worden zu sein, wo die Leiche gefunden wurde, es wollen nämlich am Ende de» Ort« wohnende Leute zu jener Zeit ein Geschrei vernommen haben. Der Thäter läugnet, allein es liegen derart gravirende Anzeichen vor, daß dessen Schuld »nzweiielhast erscheint.
— Brackenheim, 29. Febr. Es besteht da und dort die Gewohnheit, Angriffen (Futterrüben) , zu deren Aufbewahrung zu Hau» der Raum.mangelt, im Freien unterzubringen, zu welchem Zweck Gruben gegraben werden. Ein Bauer in Nordheim verlegte eine solche an die Straßenseite iu eine Böschung. Bon der Seite nachgrabend, um die Anaerfen der Fütterung halber jetzt zu
holen, kroch er gestern in die gemachte Oeffnung, als plötzlich die obere Erd» schichte nachgab und den Mann so verletzte, daß er sofort tobt war.
— Heilbronn, 1. März. Der hiesige Gemeinderath hat sich bezüglich des Plans der Erbauung einer Straßenersenbahn durch da» Bottwartbal da- hin ausgesprochen, daß er nur für ein Projekt Heilbronn-Beilstein-Marbach eintreten könne; was du Frage wegen Abtretung bezw. Anschaffung des zur Straß- nöthigen Grunde« und Bodens betreffe, so könne der Gemeindcrath erst eme Aeußerung abgeben, wenn über die Richtung der Bahn, namentlich in der Umgebung der Stadt, ein Plan vorliege, da erst dann die angesonnenen Opfer annähernd beurtheilt werden können.
— Mannheim, 28. Febr. lieber »ine aufregende Szene, die sich in der Nacht von Mittwoch aus Donnerstag in einem Hause des Quadrate« 4 4 zutrug, wird dem .M- Tgbl." Folgendes berichtet: Der betreffende Haus- eigenthümsr nahm Veranlassung, unter Mitwirkung seiner Ehehälfte und einer zweiten Dame, bei versch ossener Hausihüre einen Herrn derartig durchzu- bläuen, daß dessen vor dem Hause stehender Freund zur Rettung des Geprügelten die Hauschüre am untern Ende sprengen mußte, um den übel Zu- gerichteten herauSzuziehen.
— Aus Bayern. 27. Febr. Aus dem Steigerwalde, 22. Febr., wird -ilem „Fr. K." ge-chrieben: Wie roh die Gesinnungen einzelner Schichten der Bevölkerung sind, mag die Thatsache beweisen, daß ein Part junger Bursche in B. dem dortigen Lehrer mit der schmählichen Drohung unter die Augen getrelen sind, ihm, insofern er wieder den Stock in der Schule benützen würde, nächst cherweile aufzulauern und einen Finger abzubeißen.
Ja Neuburg, a. D. wurde am 19 d. M. der Gutsbesitzer und Landrath Schilk begraben. Statt des erkrankten Pfarrers nahm ern blutjunger, au» Preußen eingewanderter Kaplan die Einsegnung der Leiche vor, wobei derselbe folgende Grabrede hielt: „Von dem Verstorbenen weiß ich nicht« Weiteres zu sagen, als daß er zwei Stunden vor seinem Tooe die heil. Sterbsakramente begehrte und empfing. Ob sie aber noch eiwas genützt haben, weiß ich nichr." Entrüste! hörten die Leidtragenden diese lieblosen Worte. Der Magistrat, welcher der Beerdigung beiwohnte, hielt sofort Sitzung, und begab sich eine Deputation, Beschwerde führend» zum kranken Stadtpsarrer; diesem erklärte ebenfalls der Oberst des in Nenburg garni- sonirenden 15 Jnfamerie Regiments, daß ec wie das gesammle Osfizierkorp» sich durch das Betragen de» Kaplan» sehr verletzt gefühlt habe, und endlich hat auch der k. Regierungspräsident sein entschiedenes Mißfallen ausgedrückt.
— Aus Hessen. Roth wehr emes Blinden führte kürzlich zur Tödtung eiues Räubers. Der frühere Bremser Lindeman», von der Hrnan-Bedraer Bahndirektion entlassen, schlich mit einem von Hause mitgebrachten schweren Kartoffelstößer in dis einsam gelegene Wohnung de« erblinderen Renkner» Nord an der Wilhelmsbader Allee bei Hanau. Ein verdächtiges Geräusch in seinem Schlafzimmer veranlaßt« den HauSeizenthüm er, in dasselbe einzu- treten. Beim Eintritt erhielt der Blinde einen heftigen Schlag auf den Kopf, welcher glücklicherweise den Angegriffenen nicht betäubte. In dem nun entstandenen hartnäckigen Ringkampfe gelang es dem Blinden, den Einbrecher auf das Bett zu werfen, seinen Revolver unter dem Kissen hervorzuziehen und zwei Schüsse abzufeuern, welche den sofortigen Tod de« Ränder« zur Folge halten. Während sonst nur zur Nachtzeit eine solche Vertheidtgung mit tödtlicher Schußwaffe unbedingt zulässig wäre, war der Blinde, welchen leider ununterbrochene Nacht umgibt, nach dem lebensgefährlichen Angriff des Räubers auch am Tage zweifellos berechtigt, weiirre Angriffe durch Tödtung de» Angreifers abzuwehren.
Im Hoftheater in Gera wurde Mozarts Oper „Die Entführung* auf- geführt. Ein Herr, d»r auf den ersten Plätzen saß. »achte später Kommenden durchaus nicht Platz, auch dann nicht, als ihn eine Dame sehr freundlich und dringend bat, er faß wie der steinerne Gast tm Ton Juan. Man wurde aufmerksam und fand, daß er todt war; der Schlag hatte ihn gerührt.
— Hamburg, 27. Febr. Wie dem „Hann. Kurier" geschrieben wird, kam bei den jüngsten Wahlen zur Bürgerschaft ein Fall zur Sprache, der unser Steuersystem in eklatanter Weste charakterisicte. Et stellte sich nämlrch
„Und die Marquise will ihn rasch geliefert haben?"
.Ja. aber ich habe einen dritten, der soeben austaprziert wird."
.Und wann wirb er fertig sein?"
.In achtundvierzig Stunde»."
.Und vollkommen glrrch den anderen?"
.Vollkommen gleich. Doch wenn Sie irgend welche Aenderungeu ȟnschen."
.Nein, ich wünsche keine."
Bertrand zog sein Portefeuille hervor uud übergab dem Fabrikanten ei» Tausend-Franc»-Bill»t. Dann bestieg er wieder sein Pferd und ritt fort, ohne seine« Namen angegeben zu haben.
Von Bender begab er sich zu den Gebrüder» May, Pferdehändlern in her Avenue Montaigne.
.Guten Tag, Herr May," sagte er, indem er in den Stall trat.
.Ihr Diener, Herr Baron," erwiederte May. »Sie wollen wohl den Pony sehen, nicht wahr?"
.Gewiß. Ich bringe Ihnen »ein Ultimatum. 8000 Franc«, keine« Psennig mehr!"
.Sie komme« leider z» spät!"
.Wieso?"
.Der Pony ist heute Morgen verkauft wordeih"
Ln wen?"
.An den Vicomte von B."
Bertrand warf einen Blick durch de» Stall.
.»h l" rief er, »haben Sie diese« Paar tmmrr noch?"
Er wies auf ein Paar Pferd», die iu der Nähe standen.
.Herr de Valbonne wollte sie kaufen," sagt« der Pferdehändler. .Er -nt schon vier ganz gleiche Pferde, da aber dies« eine« kleinen weißen Fleck «ns der Stirn habe», «ahm er fi« nicht."
.Die Pferde de« Bavquirr» sind vollständig schwarz?"
.Ja"
»Ich kann Ihnen vielleicht diese hier an eine mir bekannte Dame verkaufen helfen."
.Sie sind sehr gütig. Sie kosten aber 14,500 Franc»." §
.Gut! Ich werde morge» wieder tommen."
Im Fortgehen sagte er noch:
.Der weiße Fleck läßt sich ja schwarz färben."
Von dem Pferdehändler fuhr Bertrand zu seiner Wohnung zurück.
Er begab sich in sei» Schlafcabinet.
Dort öffnete er eine kleine Büchse, welche in blauem Wach» den Abdruck eine» Siegel« enthielt, den er sorgfältig untersuchte.
Der Leser wird sich erinner«, daß der Brief. welche« Olivier Bertrand überbracht hatte, verbrannt worden war. Olivier hatte die Enveloppe liege« gelassen und sie nicht weiter beachtet, da sie keine Adresse trug. Al« er fort- gegangen war. hob aber Bertrand die Envrlopp« auf. schnitt da« Siegel heraus uud legte e« in die Büchse, in welcher er es jetzt in der Hand hielt.
Er nahm ein Blatt Papier und eine« Bleistift, und zeichnete ei« Wappen, l welche» dem der Lalbonette de Valbonne so täuschend ähnlich sah, daß man j e« auf den ersten »lick nicht «nterscheiden konnte. Die Zeichnung legte er in ein Couvert, adressirte es an den Wagensabrikante« Bender «nd schrieb.da- rauf die Wort,: »Für den blaue« Wagen."
Sr befahl seinem Kammerbiener. einen Miethwagen holen zu lassen «nb ihn für de« ganzen Tag zu mirthe». ^ ^
»Wie? sagte der Kammerdiener. »Sie wünschen nicht, daß Ihr Eorrpt oder Ihr Phaöton Vorfahre."
»Ich will «einen Pferden Ruh« gönnen," gab Bertrand knrz zur Antwort.
Al« der Sagen kam, stieg er ein »nd hieß den Kutscher, in die Rue d« la Vietoire z« fahre«. (Forts, folgt.)