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Hie Gemeinde daher geuSthigt, sich selbst zu helfen. Gestern Rachmit- ag zog die Feuerwehr mit der Spritze an Ort und Stelle» u« die Vutvrität der Gemeinde aufrecht zu erhalten. Al» auf eine Aufforderung die Zigeuner keine Miene machten, abzuzieheu, wurde die Spritze in Bewegung gesetzt, aber kaum hatte da» der Bande so verhaßte Element die schmutzigen Gestalten der Zigeuner benetzt, als diese schleunigst ihr Lager abbrachen und in wilder Flucht davoneilten. Das Hurrah der Feuerwehr folgte ihnen auf dem Fuße.
— Mainz, 9. Nov. Der um 6 Uhr 55 Minuten von Frankfurt nach Mainz abgehende Persontuzug stieß mit dem gegen 7^ Uhr aus Mainz abfahrenden Persaneuzug zusammen. Beide Maschinen wurden beschädigt, ein Personenwagen zweiter Klaffe und zwei Gepäckwagen de» Frankfurter Zuge» zertrümmert. Drei Menschenleben find za beklagen. Fünf oder sieben Schwerverwuodete liegen im Wartesaal zu Bischossheim, wo ihnen die nöthigste ärztliche Hilfe zu Theil wurde; sämmtliche Verunglückte gehören dem au» Frankfurt abgefahrenen Zuge an. Die Strecke, wo sich der Unfall ereignete, ist gegenwärtig noch unbenutzbar, soll aber noch Sonntag Morgen frei werden. Die von beiden Richtungen kommenden Passagiere müssen deßhalb auSstetgen und'ein Stück Wege» zu Fuß gehen, um weiterbefördert zu werden. Als Ursache des Unglücks wird falsche Weichenfielluug angegeben.
— Augsburg, 9. No». Gegen die vom Magistrat beschlossene Einführung einer koufesfionell gemischten Schule in der Wertachvor- stadt dahier war von verschiedenen Eltern Protest erhoben und als derselbe fruchtlos war, Beschwerde bei der k. Regierung erhoben worden, worauf aber abweisender Entscheid erfolgte. Run wurde Seitens einer größere« Anzahl von Eltern, dann Seitens des bischöflichen Ordinariate«, der kath. St. GeorgSpfarrei und des Protestant. Konsistoriums in Antbach eine Rekursbeschwerde zum Ministerium ergriffe». Wie a»S einer iu jüngster Magistrat»fitzuug verlesenen Entschließung des Ministeriums de» Jnuern hervorgeht, erfolgte aber auch von dieser hohen Stelle und zwar in bestimmter Weise ein abschlägiger Bescheid. Es ist daraus ersichtlich, daß unser Ministerium keineswegs prinzipiell gegen die Simultanschulen gesinnt ist.
— Aus der bayrischen Rheinpfalz, 8. Nov. Als ein Zeichen, daß wieder etwa» «ehr Leben in Gewerbe und Industrie kommt» darf es betrachtet werden, daß in Fronkrnthal zur Zeit wieder 305 fremde GewerbSgehilfen in Arbeit stehen. Bor einem Jahre war deren Zahl auf 240 bis 250 herabgesunken, «ährend noch vor 3 bis 4 Jahren dort 350 bis 360 fremde GewerbSgehilfen arbeiteten. — In einem Dorfe des Westrich kam diiser Tage ein Dienstknecht einer durch Wasserkraft getriebenen Futterschneidmaschine zu nahe und es wurde ihm die Hand bis zur Handwurzel buchstäblich gehäkselt d. h. in sechs Theilen abgeschnitten.
— Aus der Rheinprovinz, 7. Nov. Die Strafkammer zu Aachen verhandelte dieser Tage gegen den Pfarrer Dietz au» Nettersheim wegen Hausfriedensbruchs, verübt durch Ertheilung des Religion«. Unterrichtes in dem Schullvkale. Der Pfarrer hatte im Einverständnisse mit dem Lehrer im Winter in dem Schullokale Religionsunter, richt ertheilt, weil er die Kinder de» Gefahren für ihre Gesundheit, die da» stundenlange Derweilen in einer kalten Kirche leicht mit sich bringen, nicht aussetzen wollte. Er wurde vor Gericht gestellt, und dasselbe verurtheilte ihn «egen widerrechtlichen Eindringen» in das Schullokal zu einer Geldbuße von 25 Gegen dieses Urtheil hatte er Berufung eingelegt, und die Strafkammer sprach ihn von Strafe und Kosten frei.
— Kassel, 7. Nov. Zwischen den Stationen Helsa und Kauf- uugeu auf der noch im Bau begriffenen Sekundärbahn Kassel-Waldkappel Hot sich gestern früh ein beklagenswerther Unglücksfall ereignet. Der „Wests. Ztg." schreibt mau diesbezüglich: Mehrere Eisenbahn- arbeiter wollten sich mit ihrem Schachtmeister an der Spitze mittelst eines ArbeitSwageos von einer abschüssigen Stelle aus zum Arbeitsplätze begeben. Als dieser improvisirte Zug die Anhöhe hinunter raSte, rannte er bei einem Straßenübergange mit furchtbarer Heftigkeit gegen ein des Weges kommendes Fuhrwerk. Die meisten Insassen de« Arbeitswagens wurden hinausgeschleudert und erlitten mehr oder minder gefährliche Verletzungen, der Schachtmeister, Vater einer zahl- reichen, unversorgten Familie, blieb sofort tobt auf dem Platze, während noch sieben andere Arbeiter schwere Verletzungen erhielten. Das Fuhrwerk wurde selbstverständlich zermalmt, eines der Pferde ging verloren, doch soll der Fuhrmann selbst mit Schrecken und dem für ihn allerdings sehr empfindlichen Verlust davongekommen sein. Wie ich nachträglich erfahre, sollen noch zwei der schwer Verletzten ebenfalls ihren Wunden erlegen sein. Die Unglücklichen find Opfer ihrer eigenen Fahrlässigkeit geworden.
— Leipzig, 9. Nov. Das Reichsgericht hat in der Mehrheit seiner Senate beschlossen, für die Zulassung der Rechtsanwälte beim Reichsgericht in den vor dem 1. Oktober d. I. anhängig gewordenen
Rechtssachen nicht die Bestimmungen der neuen Advokatenorduung zur Anwendung zn bringen, sonder» diese Frage nach den Prozeß- gesehen des einzelnen Lande», auS welchem die Rechtssache stammt und nach welchem sie gemäß dem EinsührungSgesetze zur C'vilprozeß» ordnung zur Erledigung zu bringen ist, zu beantworten. Hienach sind die «ürttembergischen Anwälte unbedingt berechtigt, iu den vor dem gedachten Zeitpunkte anhängig gewordenen württembergischen Prozeßsachen vor de« Reichsgerichte zu verhandeln und aofzutreteu.
— In Konradsdorf (Königreich Sachsen) stieg, wie sächsische Blätter erzählen, kürzlich ein Dieb Nachts iu die Oberstube de» Bauern Heede ein. Heede und seine Frau ertappten den Dieb auf der Thal, welcher sich auf die Fensterbrüstung schwang, um hinunter zu springe«. H. erfaßte ihn ober noch beim Rockkragen und der Dieb hing so zwischen Himmel und Erde. Während H. mit Hilfe seiner Fra« den Dieb zurück nach der Stube ziehen wollte, hob der Dieb plötzlich die Arme in die Höhe, fuhr durch de« Rock durch, siel herunter m den Garten und verschwand. Dem Bauern blieb als Trophäe nur der Rock, in welchem sich eine Tabakspfeife und eine Schnapsflascht mit der Devise: „Hoch leben die Maurer!" befand.
— Berlin, 8. Nov. Der Großfürst-Thronfolger von Rußland wird dem Vernehmen nach am Montag za einem zweitägiges Aufenthalt hier eintreffen und im russischen BotschaftShotel absteigeu. Gleichzeitig mit ihm wird sich der Großfürst Wladimir am Hofe befinden. Es steht zweifellos fest, daß der Großfürst geplant hatte, seine Rückreise von Paris über Wien und Gmunden direkt nach Petersburg zu nehmen. Die Aenöerung der Rcisidispositiori. der Besuch des hiesigen Hofes spricht deutlich genug dafür, daß man in Rußland wünscht, die Beziehungen wenigstens der Herrscherfamilieu von Rußland und Deutschland als völlig ungestört anzusehen.
— Berlin, 8. Nov. Die Ausschüsse des BundeSrathS habe» den Gesetzentwurf wegen Abänderung der ReiLSvcrfassung (Verlängerung der EtatSperiode von 1 Jahre auf 2) unverändert angenommen. Geändert werden die Art. 13, welcher die alljährliche Berufung des BundeSrathS und des Reichstags vorschreibt, 24, worin die Legislatnrperivde des Reichstags auf 3 Jahre festgesetzt wird, 69, welcher bestimmt, daß der Reichshaushaltselat in jedem Jahre vorgelegt werden muß, und welcher lautet: „lieber die Verwendung aller Einnahmen de« Reiches ist durch den Reichskanzler dem Bundes- rathe und dem Reichstage zur Entlastung jährliche Rechnung zu legen.» In diesen Punkten wird es umfassender Aenderungeu bedürfen. ES ist anzunehmen, daß die Vorlage dem Reichstage bald nach seiner Berufung wird zugehen können. Beabsichtigt ist, daß die Vorlage erst nach Ablauf der jetzigen-Legislaturperiode in Kraft treten soll.
— Berlin, 9. November. Bezüglich der Welfenfrage bereitet sich eine Wendung vor. Die Verwandten des Herzogs von Cumberland in England, Dänemark und Rußland sind unausgesetzt bemüht, denselben zu bewegen, mit Preußen Frieden zu schließen. Bisher find noch keine Vorschläge »ach Berlin ergangen, wohl aber Versuche gemacht worden, die Stimmung daselbst zu sondiren.
— In Folge der drohenden kriegerischen Verwicklungen zwischen China und Japan soll die Admiralität beschlossen haben, das dortige deutsche Geschwader durch zwei Kriegsschiffe, eine Corvette und ein Kanonenboot, zu verstärken.
Schweiz. Die ,N. Z. Z." erzählt eine für Touristen, die den Vierwaldstättersee besuchen, nickt sehr erbauliche Geschichte: Ein Reisender soll Abends spät die Nxenstraße passirt haben und plötzlich von drei Italienern überfallen, seines Portemonnaie, seiner Uhr und seines Fingerringes beraubt und dann über die Skraßenmauer hinausgeworfen worden sein. Glücklicher Weise fiel der Beraubte nicht in den See hinab, sondern auf's Land, sonst wäre er wohl spurlos verschwunden; so aber kam er mit dem Lebe» davon.
London, 7. Nov. Ein kürzlich in Sheffield eingelaufener Brief eines der Sheffielder Arbeiter, welche vor 2 oder 3 Monate» nach Amerika gegangen, um daselbst Beschäftigung zu suchen, gibt eine sehr düstere Beschreibung von der Loge dieser Leute. Schreiber beklagt sich in bitteren Worten, daß er und seine Kameraden sich einer Lohnerniedriguug von 20°/g zu fügen hatten, und meldet zugleich d»ß die Rede davon sei, eine Subskription zu eröffnen, um den Enttäuschten die Rückkehr in die Heimalh zu ermöglichen.
Hopferrpreiszettel.
— Tübingen, 7. No». Bon städt. Hopfen wurden, statt eines früheren Angebots von 210 pr. Ztr., vor einigen Tagen, da die Waare zurückging, aus ca. 30 Ztr. 180 -/»> pr. Ztr. erlöst.
— Ehingen, 10. Nov. Seit gestern wieder mehr Leben iM Hopfeuhandel. Mehrere Nürnberger Händler kauften von 140—171 «K» pr. Ztr. rasch ein. Der von den Produzenten gewünschte Aufschlag, welcher troz Abschlag» des Hopfen» stets vorausgesagt wurde, scheiat wirklich in Erfüllung zu gehen.
Redaktion Druck und Verlag von S. Oelschläger i» Salw.