Dom Bläslesmacher

zum Weltbetrieb

Künstausend Trojstnger bauen Instrumente sür die ganze Welt

Dreilaujend Meter hoch auf einsamer T k i- Hütte: Eins der braungebrannten Mädel holt plötzlich die kleineZiehorgel" aus dem Spind, greift in di« Tasten, und in volle» Akkorden rauscht Musik und Fröhlichkeit aus.

Abends im Tanzlokal der Großstadt: Der Mann am Klavier klappt den Deckel zu, hängt sich den mit Silber und Perlmutter be­schlagenen Kasten an zwei Riemen über die Schulter, ein langsamer Walzer erklingt und das Mädel an deiner Seite seufzt:Wie wun­dervoll, das Akkordeon!"

Fern aus dem Ozean: Ein Matrose zaubert auf der Handharmonika mit Heimatliedern die Heimat herbei.

Das Instrument aber, das das Skihaserl auf der Zugspitze, der Konzertmusiker in London und der Matrose im Hafen von Schanghai benutzen es trägt fast i m me r d e n g le i- chen Namen:Hohner", und es wurde bergestellt in unserem kleinen württembergi- schen Städtchen Tros singen, das vor 100 Jahren noch ein Bauerndorf war und durch den Klang seiner Harmonikas heute zu einem Weltbegriff geworden ist.

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Wir besuchten die Harmonika-Stadt die­ser Tage, um unseren Lesern einen Einblick zu

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geben in diese einzigartigeWerkstatt für die Welt", die heute mit rund 5000 Arbeitern nicht nur die größte Harmonika-Fabrik der Erde, sondern der größte Betrieb der Mujik- in st rumenten-Industrie über­haupt ist.

Schon wenn man in eines der schmucken Lokale des zwischen Neckar und Donau, auf der Hochfläche der württembergischen Baai ge­legenen Städtchens tritt, merkt man, daß man in einerMusikstadt" ist. Bilder von Harmo­nika-Komponisten, von dem Musikclown Grock der hier eine zweite Heimat hat, von den ein­heimischen Harmonika-Künstlern hängen an den Wänden. Musikfreunde und Geschäftsleute aus der Musikbranche aus aller Herren Länder sind täglich Gäste, ihre Gespräche drehen sich um die Volksmusik' Und wenn man dann durch die Straßen geht, klingt und summt es fast aus jedem Hause. In der Stadtmitte ist dieses Klingen und Summen am stärksten, denn hier erheben sich oie stattlichen Bauten eines riesigen Fabrik-Komplexes, des Harmo- nika-Wcrks.

Ein Portier meldet uns der Betriebsleitung, die gern bereit ist, uns den Herstellungsprozeß einer Harmonika zu zeigen und uns durch sämtliche Fabrikräume zu führen. In einem übersichtlichen A usstellungsraum wer. den uns zunächst die verschiedenen Jiistru- mente gezeigt, die von der Hohner-Werks- gemeinschaft hergestellt werden: vom großen, teuren Piano-Akkordeon mit 164 Baßtasten und fünf Registern (für unsere Meisterspieler) bis zur kleinstenMundharfe" (für unsere Abc-Schützen). Daneben sehen wir die ältesten Harmonikas der Welt und erfahren über die Entwicklung der Tros- singer Harmonika-Industrie folgende inter- essante Einzelheiten:

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Der ehrwürdige Herr Matthias Hoh- ner, der Gründer des Betriebes, war, ehe er darauf verfiel,Bläsles" zu machen, ein Uhr­macher. Und zwar fabrizierte er sein Sach bis zur letzten Schraube eigenhändig und begao sich mit dem Haufen der fertigen Uhren auf die Wanderschaft. Da sich in den 50er Jah­ren der Uhrenhandel wegen der amerikani- scheu Konkurrenz nicht mehr rentierte, sagte Matthias Hohner, dem das Hausieren aus mancherlei Gründen ohnehin nicht recht be- hagte, dem Uhrenhandel Valet und legte sich

aufsBläslemachen". Bedenkt man, daß da­mals fast alles Werk noch von Hand ge­schah, daß die sogenanntenKanzellen" in des Meisters Küche einzeln ausgeschnitzt wurden, daß die Stimmzungen aus Messingdraht breit gehämmert wurden, daß man von 5 oder 6 Uhr früh bis Dunkelwerden und im Winter bis 10,11 Uhr arbeitete und daß man es dabei auf die stattliche Anzahl von fast 4000 Dutzend Mundharsen im Jahre brachte, dann zeugt das für die echt schwäbische Zähigkeit und Aus­dauer Matthias Hohners.

Nun war aber auf die Dauer die reine Hand­arbeit mühsam, zeitraubend und teuer. Man lebte im Zeitalter der aufkommenden Maschi­nentechnik, aber die Finanzen langten noch nicht zur Anschaffung einer Dampfmaschine. Da griff Matthias Hohner zu dem alten Hilfs- mittel des Schleifsteins. Da es aber oben auf dem Gipfelpunkt Trossingens keine Wasserkraft gab, mußte der Stein mit Armes Gewalt (wandernde Handwerksburschen wurden für diese Arbeit stundenweise engagiert) gedreht werden. Das war die ersteKraftanlage" von Matth. Hohner.

Schon zu Beginn der 60er Jahre, nachdem die Herstellung feste und gültige Formen ge­funden hatte, knüpfte derBläslesmacher" Beziehungen nach Nordamerika an. Bon diesem Zeitpunkt an ist die Geschichte der Firma ein ständiges Anwachsen der Arbei­ter-, der Herstellungs­und der Exportzahl vor allem, als 1880 eine Dampfmaschine in den Betrieb ein­gebaut werden konnte ' mmer zahlreichere arken wurden in den Handel gebracht, immer weitere Ver- kaufszonen erschlossen bis schließlich die ganze Welt bis zum hintersten Afrika zum Absatzgebiet der Mar­keHohner" wurde. (Heute werden in einer Stunde lOmal soviel Instrumente hergestellt wie im ganzen Gründungs­lahr 1857.) 1900 ging das Geschäft vom Gründer, der auf ein stolzes Lebenswerk zurücksehen konnte, an die fünf Söhne, deren männliche Nach­kommen wiederum heute die Leitung des Betriebes inNehabeni In gleicher Weise wird die Tradition gepflegt, wird Neues unternom­men. Um die Jahrhundertwende wurde dann

auch der Bau von Handharmonikas

unternommen, spielte damals aber noch eine nebengeordnete Rolle. Erst nach dem Kriege wurde die Handharmonika zu einem ernst zu nehmenden Instrument, das sowohl gute Tanz- wie echte Volksmusik hervorzubrmgen imstande ist. Die Herstellung von Handharmonikas spielt seitdem in Trossingen die größte Rolle.

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Die Krisenjahre bis 1933 machten sich, wie uns weiter erzählt wird, natürlich auch in der Harmonika-Industrie stark bemerk­bar, bis dann parallel dem gewaltigen Wieder­aufstieg des Vaterlandes-auch die Freude an der Volksmusik wieder wuchs und die Absätze rasend stiegen. Neue Filialen in der Baar und in dem wenig ertragreichen und deshalb auf wirtschaftliche Hilfe angewiesenen Heu­berggebiet konnten eröffnet werden. Die Belegschaft wurde seit dem Jahre 1933 nicht weniger als verdoppelt. Und heute stellt die Werksgemeinschaft Hohner (die selbstver­ständlich hundertprozentig in der DAF. steht, bei der eine eigene Betriebsfürsorgerin für Gesundheit und Schönheit der Arbeit sorgt, die die Kinder der Gefvlgschaftsmitglieder an die Ostsee schickt usw.) täglich 800 bis 1000 Handharmonikas und 40 000 Mundharmonikas her.

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Diese Hahlen wurden uns erst glaubhaft und verständlich, als wir bei einem anschließenden Rundgang durch das Werk erfuhren, daß die Harmonikas hier in einer Unzahl von Ab­teilungen in serienweisen Herstel­lungsgängen angefertigt werden, die übrigens trotz aller Schnelligkeit nicht nur genaue Präzisionsarbeit, sondern auch eine wesentliche Verbilligung der Produktionskosten ermöglichen.

Ein Gang durch die unzähligen einzel­nen Fabrikräume zeigte uns den sehr

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interessanten Entstehungsprozeß der Hand« Harmonika und der Mundharmo­nika. Die Herstellung der Handharmonika interessierte uns am meisten. Wir verfolgten sie vom Trocknen und Schneiden der Hölzer, über das Fräsen und Nieten der S t i m m fe d e r n und -platten, die Herstel­lung des Balges, der Tastatur und der kompliziertenBaß-Koppel . Mecha­nik", bis zum Stimmen der Töne. Ueberall bewunderten wir wirkliche Spezial- Arbei­ter bei ihrem Schaffen.

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Mit besonders großem Interesse sahen wir» wie die bekanntenMessingzungen^ der Har­monikas, durch deren Vibrieren die Töne ent­stehen, von den musikalisch feinhörigenS t i m. mern" immer wieder und wieder auf das sorgfältigste durchgestimmt wurden.

Vor unseren Augen fetzte sich ein solcher Stimmer" in seiner schalldicht abgeschlossenen Zelle an dieStimm-Maschine", legte die ein­zelnen Plättchen auf die elektrisch angeblasene Luftklappe, schaltete die Normaltöne ein und lauschte. Eine für uns kaum merkliche Disso­nanz war zu vernehmen. Mit einer kleinen Feile schabte derStimmer" auf dem Plätt- chen. Immer geringer wurde die Dissonanz, bis man nur noch einen Ton hörte. Die Schwingungszahlen beider Zungen waren gleich, so auch ihre Tonhöhe: Hunderte sol­cher Plättchen lagen in kleinen Schubladen, alles Töne, die einmal im Zusammen­wirken zu wohlklingenden Akkor­den werden sollten.

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Nach unserem über zweistündigen Rund- gang durch die einzelnen Abteilungen des Wer­kes wurden wir noch durch die Räume der Handharmonika-Fachschule geführt, die an den Betrieb angegliedert ist. Wir erfuhren dabei» daß die Werksgemeinschaft Hohner sich nicht damit begnügt, nur Instrumente herzustellen» sie sorgt vielmehr auch dafür, daß in ganz Deutschland gründlich ausgebildete Handhar­monika-Lehrer zur Verfügung stehen. Diese Lehrer und Lehrerinnen (aber auch Söhne und Töchter von Musikalienhändlern, die später Handharmonika-Reparaturen selbst vornehmen wollen) finden hier ihre Ausbildung. Die Lei­tung der Fachschule hat der bekannte Kompo­nist Hugo Hermann, der den theoretischen Unterricht gibt, Lehrer für Praxis ist der be­rühmte Meisterspieler Schittenhelm. Ins- gesamt wird die Fachschule von sechs Lehrern geführt. Die Schüler, von denen wir mehrere in den Uebungszimmern sprachen, kommen oft von w-ither. Sogar aus Tilsit und Königsberg finden sie den Weg ins kleine Trossingen» um dort in die Geheimnisse des Harmonika-SpielS eingeweihl, zu werden.

Wir schieden von unseren freundlichen Füh­rern und von dem einzigartigen Werk mit der Versicherung, daß uns oas Gesehene die höchste

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