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hat erst neulich wieder rin Meßfremder, welcher sich durch Abreißen von Hollunderblvthen im Rosenthale eine Güte zu thun hoffte, nicht nur allein mit Kastenarrest, sondern auch mit Abführung an das königl. Bezirks- gericht behufs Bestrafung wegen „Diebstahls" erfahren müssen.
In Berlin wird ein Papierhaus nach amerikanischer Art in nächster Zeit auf dem Platz hinter dem Exerzierhause in der Karl» straße aus Anlaß der im Juli dort stattfindenden Papier-AuSstellung errichtet werden. Die Wände dieses Hauses sollen aus Baupappe ausgeführt, daS Dach mit Dachpappe gedeckt werden. Die Fußböden werden mit Papier-Trppichen, die Wände mit Papier-Tapeten behängt und die Decken mit Papier Stickarbeit versehen. Die Fenster zieren Papier-Borhänge, die Wände Papier-Druckbilder in Rahmen aus Pappmasse, und selbst die Gestelle der Möbel gedenkt man aus Papp- mafse herzustellen.
— Berlin, 20. Mai. Nach einer Privatnachricht von sicherer Seite kann die Schles. Pr. mittheilen, daß die englische Regierung die Ausfuhr von 100,000 Tons (---20,000 Waggon) Newcastle- Kohle, welche von Rußland bestellt waren, verboten hat. Dies nicht unbeträchtliche Quantum Kohlen wird daher in Belgien und Deutschland bestellt werden.
— Berlin, 21. Mai. Von den drei Kugeln, welche Hödel bei dem Attentat aus dem Revolver abgefeuert hat, ist, wie wir bereits mttgetheilt, eine aufgefunden worden. Ueber die näheren Umstände der Auffindung hat man nunmehr folgendes Nähere erfahren: Der in der Markgrasenstraße wohnhafte Grundetgenthümer Z. stieß am 14. d. M.. also drei Tage nach der Thal, beim Spazierengehen in dem Mittelwege Unter den Linden, unmittelbar vor dem russischen Botschaftshotel, mit dem Fuße gegen eine bereits in den Sand festgetre- tene Kugel, die er aufhob. Er hat merkwürdigerweise erst vier Tage später, am 18., der Behö.de von diesem Funde Mitteilung gemacht. Sie entspricht im Kaliber den noch im Revolver Vorgefundenen Kugeln, ist aber breitgedrvckt. Sie ist einer Kommission von Sachverständigen zur Beurtheilung übergeben worden.
— Berlin» 21. Mai. Der Wirth der Villa Colonna in Berlin, der sein Lokal den Sozialdemokraten für politische Versammlungen überhaupt nicht mehr hergeben wollte, wurde vor wenigen Tagen von zwei anständig gekleideten Herren ersucht, dasselbe behufs einer Versammlung, welche Wohlthätigkeitszwecke verfolge, Sonntags 10 Uhr herzugeben. Erstaunt war er daher, als ihm nun die Nachricht wurde, daß am Sonntag bei ihm eine sozialdemokratische Volksversammlung gehalten werde, und ihm die Polizei das Verbot derselben mittheilte. Er ließ in Folge dessen die Thüren seines Lokals, wie die seines Gartens fest verschließen, so daß Niemand Zutritt finden konnte. Die zur Versammlung Kommendm fanden zu ihrem Verdruß die Thüren seines Lokals geschlossen und einen mächtigen Zettel mit den Worten darauf angeheftet: „Heute keine Versammlung". Starke Schutzmannspatrouillrn verhinderten jede etwaige Ansammlung vor der Thüre des Lokals.
— Berlin, 21. Mai. Ueber die Stellung der verschiedenen Par« teien im Reichstag zu dem Antisozialistengesetz weiß man, daß die Deutschkonservativen und die Freikonservativen (deutsche Reichspartei) einstimmig für dasselbe sein werden; die Fortschrittspartei, die Volkspartei die Sozialdemokraten und das Centrum werden dagegen stimmen (ob letztere» einstimmig, ist noch die Frage). Die nationalliberale Partei hat sich »och nicht schlüssig gemacht; es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Partei in dieser Frage nicht geschlossen sein wird, obwohl anzunehmen ist, daß sich die Mehrheit gegen das Gesetz erklärt. (DaS Gef. wurde mit 251 gegen 7 St. abgelehnt.)
Die „Natztg." schreibt ausSchleSwig-Holstein: Der erste v. Tönning aus gemachte Versuch, lebendes Vieh (Ochsen, Pferde u. s. w.) di» rrkt aus Amerika zu importirev, hat so vortrefflich proSperirt, daß der Dampfer „Schleswig" zum zweiten Mal zum gleichen Zwecke seine Fahrt, dieses Mal von Hamburg aus, angetreten hat und bereits i« Juli zurückerwartet wird. Eine möglichst rasche Reise ist nothwendig, um da» Magervieh (Ochsen) noch in dieser Saison auf die Weide der Marschen treiben zu können.
— Wien, 25. Mai. Die heutigen Blätter verzeichnen sämmtlich die günstigen Aussichten des Kongresses. Die Presse sagt: den Erfolg, daß der Kongreß gesichert, keineswegs unterschätzend, darf man sich doch nicht verhehlen, daß der Kongreß noch nicht der Friede ist und daß, wenn je, jetzt dringende Vorsorge zu treffen ist, damit der Friede sich den Interessen unserer Monarchie entsprechend gestalte. — Die N. Fr. Pr. meint gleichfalls, der Friede sei noch keineswegs gesichert, eher der Kongreß. Aber selbst dieser sei noch nicht über jeden Zweifel erhaben, da bisher die Bestätigung fehle, daß Rußland die englisch: Forderung angenommen und die Diskussion aller FriedenSartikrl zugegeben habe. — Die Deutsche Zeitung schreibt: die größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß, wenn rS gelingm sollte, den Kongreß
zusammrnzubringen, dieser erfolgreich sein und den Frieden wahren würde.
— Die „Jagdzeitung" erhält aus Kuschwarda (fürstl. Schwär- zenberg'sche Herrschaft bei Strakonitz in Böhmen) nachstehendes Telegramm vom 14. Mai: „Fünfzehn Herren bisher hundert Auerhahnen erlegt." Schwarzenberg." (Ob dieß nicht Jägerlatein ist?)
Zürich, 20. Mai. Bei der gestrigen Volks-Abstimmung (Referendum) über die Nachtragssuboention für den Gotthard wurden 25 600 Nein, 21 951 Ja abgegeben. Den Ausschlag gab Winterthur mit 5100 Nein gegen 950 Ja, während Zürich 7250 Ja und 5300 Nein zu Tage förderte. Der Grund des unerwarteten Resultats soll in einem Artikel des Winterthurcr „Landboten" liegen, welcher sich nicht gescheut hat, im Momente vor der Abstimmung »och eine unwahre Sensationsnachricht unter La» Publikum zu werfen. Er behauptete, es sei bei der Abrechnung der Gotthardkommission um 13. Mill. Fr. betrogen worden. Die „N. Z. Ztg." hofft, daß die kantonalen Behörden dieser eklatanten Fälschung einer Volksabstimmung nicht mit verschränkten Armen zusehen, sondern die nöthigen Schritte thun werden, um diese für die Schweiz so wichtige Frage unter Darlegung des wirklichen Sachverhaltes noch einmal an den Entscheid des Volkes zu bringen.
London, 22. Mai. Times bestreitet, daß die britische Regierung geneigt sei, ihren bisherigen Einwand gegen dir Beschickung deS Kongresses fallen zu lassen. Der erste positive Schritt zu Gunsten des Friedens müsse die Einwilligung Rußlands sein, dem Kongresst unter der Bedingung beizutreten, welche das gemeinsame Interesse sämmttiLer europäischen Mächte an der Lösung der orientalischen Frage zulasse.
London, 25. Mai. Der gestrige KabinetSrath, welcher über die Vorschläge Schuwaloffs berieth, dauert: 3 Stunden. Heute wird die Berathung fortgesetzt. Standard schreibt, er könne mit ziemlicher Zuversicht die Mittheilung wiederholen, daß die Schwierigkeiten in der Hebung begriffen, und die Friedensausfichten günstiger seien als seit geraumer Zeit.
London» 27. Mai Heute abermals KabinetSrath zur Berathung der Schuwaloff'schen Mittheilungrn. Alle Gerüchte Uber Uneinigkeiten des Kabinets und angeblichen Rücktritt Northcote's und Smiths sind unbegründet. — Einem Timcstel. aus Wien zufolge wäre die Schwierigkeit in Betreff der Vorlegung des ganzen Stefano- vertragS überwunden, indem die Einladung zum Kongresse so formu- lirt werde, daß dieselbe Bürgschaft für freie Erörterung des ganze» StefanovertragS enthält. Der Zusammentritt des Kongresses sei von Oestretch auf den 11. Juni vorgeschlagen. Frankreich schloß sich diesem Vorschläge an. Times sagt, sie habe Grund zu glauben, vorstehende Angaben seien im Wesentlichen richtig. Die Kongreßeinladungen würden erst erlassen, wenn die Verhandlungen zwischen England und Rußland etwas weiter gediehen seien, aber es sei kein Grund vorhanden, das Scheitern derselben zu besorgen. Die Prältminarfor- derungen Englands seien auf alle Fälle im Großen und Ganzen zugestanden.
8 ondon, 28. Mai. Morningpost u. Daily Telegraph versichern, es sei zweifellos, daß über die Rußland und England ausschließlich berührenden Fragen eine Verständigung erzielt sei. Oie Regelung der übrigen Fragen sei Vorbehalten. England werde aus dem Kongreß durch den Marquis v. Salisbm, oder Lord Lyons vertreten sein. Z»m Vertreter Rußland» sei Graf Schuwaloff auscrsehrn.
Ko nstanttnopel, 26. Mai. Mahmud Damat ist zu« Seraskier (Ariegsminister) srrnnnnt. — Die Russen schoben durch die letzte militärische Bewegung ihre Truppen noch näher an Kon- stantinopel, überschritten aber nirgends türkische Linien. Viele Aerzte aus türkischen Spitälern nahmen bei den Russen Dienste.
Boston, 22. Mai. Russische Agenten knüpften mit der Bos- toner Eisengießerei Unterhandlungen wegen Fabrikation schwerer Ge- schüze an.
New Jork, 26. Mai. Ein Tornado (Drehsturm) richtete t» Wisconsin großen Schaden an Eigrnthum und Saaten an. Es heißt, viele Personen seien getödtet oder verletzt.
Vermischtes.
Ein junger Mediziner in Berlin kam spät von einem Sommers heim und legte sich ins offene Fenster, um sich abzukühlen. Bald fröstelte es ihn und er legte sich zu Bett. Morgens wacht er auf, aber es ist noch alles dunkel. Er schläft weiter, bis er von seiner HauS- wirthin geweckt wird: Herr Doctor, wollen Sie denn nicht aufstehen, es ist ja Heller lichter Tag! — Heller Tag? fragt er, e« ist ja noch alles finster! — In dem Augenblick erschrickt er und ruft: Mein Gott, ich bin doch nicht blind geworden? — Leider war e» so. Er fiel in ein heftiges Fieber und war nach drei Tagen todt.
S. 6eischl»,er in «Iw.