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irrleben ist eine FcuerSbrunst auSgebicchen; von 40 Arbeitern find r,ur 13 gerettet worden, die übrigen erlitten den Erstickungstod. Bis- her find nur 8 Leichen zu Tage gefördert; die Rettungsarbeiten find wegen starker Gasentwicklung und rascher Wasserzuvahme mit Schwierigkeiten verbunden.
— In Bremen wurden in amerikanischen Reissäcken, die aus New- Aork gekommen waren, lebende Colorado- oder Kartoffelkäfer entdeckt und der Behörde übergeben. Sie waren j trotz mehr als 20tägiger Hungerkur ganz munter.
— Wien, 2. Juli. Die Offiziere, auch der Reserve und Landwehr, haben ihre volle Feldausrüstung zu beschaffen, ein Theil der Reservetruppen wird aus den Stand der Feldtruppen gebracht, die GrenzbkwachungStruppen sind verstärkt und die Eisenbahnen angewiesen, sich für größere Transporte vorzusehen; die FriedenSmanöver sind Iheilweise abbestellt, die Dvnaupanzrrschiffe sind in Bewegung und die Landwehr ist für den Mvbilisirungsfall vorbereitet und organifirt.
— Wien, 4. Juli. Ein Telegramm der „Wiener Zeitung" aus Venedig meldet: Die Schanzen bei Zojicar (am Timok im östlichen Serbien) wurden von den Türken eingenommen und die Serben mit einem Verlust von 2000 Mann in die Flucht geschlagen.
Eine Wiener Depesche des „Standart" behauptet die Anwesenheit »on 120 russischen und 30 ehemaligen deutschen Offizieren im serbi. scheu Lager. Eine Belgrader Depesche der „Hour" meldet den lieber- gang von mehreren tausend Südslaren aus Oesterreich nach Serbien.
Frankreich. Paris, 1. Juli. Die Nachrichten aus dem Norden Spaniens laulen beunruhigend. Trotz der rücksichtsvollen Behandlung, welche die Sonderrechte der Basken in Madrid gefunden haben, ist die Erbitterung groß. In dem Baztanthale sollen sich wieder mehrere Banden gebildet und eine derselben schon einen Angriff auf Gendarmen gemocht und deren zwei gelödtet haben. Tie französische Regierung scheint einige Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen; wenigstens ist ein Spanier verhaftet worden, der auf französischem Grund und Boden Leute zum Kampfe gegen König Alphons anwarb, mit Geld versehen war und einen Sold von zwei Franken täglich ver- sprach. Die Madrider Regierung ist übrigens nach wie vor wenig zufrieden mit dem Verhalten der französischen Behörden.
Rußland. Petersburg, 29. Juni. Der von der Gesell» schaft zur Verwundetevpflege unter dem Protektorate der Kaiserin ausgerüstete Separatzug mit Aerzten, Krankenpflegern und Lozareth- Material ist in Cettinje eingetroffen. — Der sei bisch-montenegrinische Nllianzvertrag, an dessen Existenz nach den neuesten Telegrammen nicht mehr gezweifelt werden kann, besteht nach einer Mitteilung der „Polit. Corr." aus Cettinje seit ungefähr 3 Wochen. Serbien und Montenegro haben sich gegenüber der Pforte solidarisch erklärt. Keine der beiden Regierungen darf Separatverhandlungen mit der Pforte rinleiten, noch durch einseitige Zugeständnisse sich zum Friedensschlüsse veranlaßt finden.
Türkei. Belgrad, 1. Juli. (Allgem. Ztg.) Die serbische Armee hat an drei Punkten, an der Drina, bei Gazewatz (am Timok) und bei Alexinatz heute Nachmittag die Grenze überschritten. Die Montenegriner haben als Bundesgenossen d. Grenze ebenfalls überschritten.
Belgrad, 2. Juli. Heute wurde die Kriegsproklamation des Fürsten publizirt.
Belgrad. 2. Juli. (Allg. Ztg.) Vor der heute erfolgten Ue berschreitung der Grenze wurde ein Kanonenschuß als Zeichen der Kriegserklärung auf ein türkisches Blockhaus abgefeuert. Die Feindseligkeiten haben auf der ganzen Linie begonnen. Zwischen Nisch und Sofia, im Rücken der türkischen Armee, ist ein Ausstand ausgebrochen.
— Belgrad, 3. Juli. Gestern hat die serbische Armee eine Re. koznoszirung längs der südöstlichen Grenze unternommen; hierbei fanden Scharmützel ohne Bedeutung statt. doch sollen einige wichtige strategische Positionen aus türkischem Gebiete eingenommen worden sein.
— Bezüglich der Allarmnechrichten aus Süd-Ungarn wird emsig obgewiegelt. Dem „Pester Lloyd" telegraphirt man aus Kikinda, 29. Juni: „Die umlaufenden Nachrichten über Ruhestörungen u. s. w. find falsch. Es herrscht hier vollkommene Ruhe. Ober-Staatsanwalt Kozma, dessen Substitut Dr. Löw, sowie unser Obergespan Hertelendy sind nach gepflogenen Erhebungen und Berathungen beruhigt abgereist. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde das ohne die Behörde veranlaßt- Requiriren von Militär als überflüssig bezeichnet."
Cettinje, 2. Juli. Nach einem heute vor der fürstlichen Re- sidenz abgehaltenen Gottesdienst wurde dem versammelten Volke verkündet, daß der Krieg an die Türkei erklärt sei. Hieraus erfolgte eine Ansprache und die Uebergabe an das in Schlachtordnung aufge- stellte Heer durch den Fürsten, welcher sodann mit dem Heere gegen dir Herzegowina abmarschirte.
Pera, 20. Juni. Ueber die Vorbereitungen der serbischen und türkischen Armee wird dem „Pesti Naplo" berichtet: „An der östlichen Grenze Serbiens werden längs des Timok zur Vertheidigung der
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wichtigsten UebergangSpunkte Schanzen aufgeworfen. Das Lager von Deligrad ist in einer Länge vou 6>/o Kilometer verschanzt und die Befestigungen mit 88 Gußstahlkanonen im Kaliber von 16—24 versehen. Im vbern Laufe der Morawa werden Brücken geschlagen, um das Verrücken oder den eventuellen Rückzug der serbischen Armee leichter bewerkstelligen zu können. An der Grenze wurden zwölf Spi- tälcr und mehrere Mahlmühlen errichtet — die gegenseitigen Vorposten befinden sich aus Schußweite; die beiden Hauptquartiere sind auf vier Meilen von einander entfernt. Die Türken erhalten in Risch fortwährend Verstärkungen; in den letzten Tagen wurde der Berg Ljuc, welcher das befestigte Lager dvminirt, in den Festungsrayon durch Anlage von Verschanzungen einkezogen. Das FestungSgcschütz der Türken ist vortrefflich, das Feldgeschütz minder und aus verschiedenen Systemen bestehend."
— Drohobycz, 30. Juni. In Borislaw (Galizien) ist ein fürchterlicher Grubenbrand ausgcbrochen; fünfzig Erdwachsschächte wurden ruinirt, zwei Menschen grtödtet. Der Schaden ist enorm.
Ueber die haarsträubenden Gräuelthaten, welche sich die Tscher- kesscn gv Schulden kommen lassen, herrscht allenthalben großer Jammer. Die bulgarischen Blätter klagen trotz türkischer Ccnsur über diese Unholde bitterlich. Tic schmerzlichste Sensation erregte in Rust- schuk die Nachricht, daß die Tscherkessen in der Klissura 180 Schulkinder über die Klinge springen ließen. Den Generalkonsuln gegenüber äußerte sich der Va!i von Rrstschuk, daß er solche Vorfälle tief be- daure, aber nicht im Stande sei, die durch die Schuld bulgarischer Agitatoren entfesselten Leidenschaften zu bändigen. Die Behörden haben in der That keine Macht über die Tscherkessen, die die eigentlichen Herren in Bulgarien jetzt sind.
Die deutsche Industrie hat auf der Weltiudustrie-Ausstellung in Philadelphia eine beschämende und wahrscheinlich folgenreiche Niederlage erlitten. Das ist das übereinstimmende Urtheil aller Sachverständigen und der zesammten öffentlichen Meinung. Eine Selbsttäuschung oder Vertuschung ist v ktir wögl'ck noch zulässig, die Wahrheit ist eine bittere Arznei, Hilst aber zur Herstellung der Gesundheit. Professor Reuleaux aus Berlin, General Commissar der deutschen Jndustrieellen in Philadelphia und zugleich Mitglied der Jury, legt in einem Aufsätze, der großes Aufsehen macht, die Niederlage der Deutschen rücksichtslos und überzeugend dar. Drei Grundfehler zeigt nach ihm die deutsche Industrie (und Kunst): 1) das Grundprinzip: billig und schlecht: 2) Deutschland kennt in den gewerblichen und bildenden Künsten nur noch tendenziös-patriotische Motive; 3) Mangel an Geschmack im Kunstg ewerbliche n, Mangel an Fort schritt im rein Technischen.^ Vermischtes.
Gegen Wassersucht hilft die Wurzel vom Hollunderbaum, (8sm- duous ni§ra) getrocknet und dann gekocht, bis der Thee dunkelbraun wird, und dann zu jeder Zeit des Tages in Zwischenräumen von nicht länger als zwei Stunden getrunken. Es schadet auch nichts, wenn noch etwas Wachholderspitzen beigegeben werden.
Ein Geisteskranker, Architekt Dörr aus Frankfurt, hat großen Schaden angerichtet. Er ließ von Reistenhausen 8 Schiffe voll Quadersteine kommen, in Rödelheim 27 Millionen Backsteine brennen und in Hanau für 100,000 fl. Bauholz bestellen. In Aschaffenburg, wo er neues Unheil anzurichten im Begriff war, wurde er als Kranker erkannt und festgenommen. — Wer wird den Schaden der Getäuschten tragen? fragt das Schweinf urter Tageblatt. _
Literarisches.
Wenn bei der großen Fluth von Erscheinungen auf allen Gebieten der Literatur uns die Möglichkeit benommen ist, unsere Leser, selbst auf die bedeutendsten Werke aufmerksam zu machen, so kommen doch ab und zu wahre Perlen zum Vorschein, auf welche die Beachtung des Publikums zu lenken, die Presse geradezu für ihre Pflicht halten muß. Eine solche Perle im Büchermcer ist: „Die Erde und ihre Völker" von Friedrich von Hellwald, wovon die beiden ersten Lieferungen soeben erschienen. Der geistvolle Verfasser der Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung" und des „Ausland" gibt uns hier ein Werk, das eine längst empfindlich gefühlte Lücke in vorzüglicher Weise ausfüllt. Es wird wohl kein Gebildeter mehr im Zweifel sein über die hohe Bedeutung der geographischen Wissenschaft und deren eminenten Einfluß auf viele andere Wissenszweige, und dürfte daher Jedermann mit Freuden das Erscheinen eines Werkes begrüßen, das sich die Aufgabe gestellt, uns Land und Leute in lebendigen naturgetreuen Farben zu schildern, das — nicht ein trockenes Lehrbuch der Geograph^ —- uns unter Berücksichtigung der neuesten Reisen und Forschungen ein anziehendes lebensfrisches Bild der Erde und ihrer Bewohner bietet. In seinem rühmlichst bekannten eleganten und gefälligen Stil führt uns der Herr Verfasser durch alle Länder, mit der ihm eigenen Gewandtheit uns die Sitten und Gebräuche der Bewohner, die Schönheiten der Natur vor Augen bringend, unterstützt durch Illustrationen ersten Ranges von den bedeutendsten Künstlern. ^
>on S. Oelschläger in Calw.