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Höhe Zurückbleiben. Richtig sei die Umwandlung des Eisenbahnbataillons in ein Regiment. Außerdem seien Mehrforderungen vcran- laßt durch die Neubewaffnung der Kavallerie mit Mauser-Karabinern aus den erbeuteten ChassepotS, sowie durch die gesetzlich erhöh! cn Vorspany- und Transportkosten. Die beabsichtigte Gehaltserhöhung der Aerzte und Zahlmeister habe der Kriegsminister sofort bei Aufstellung des Etat« gestrichen. Eine abermalige Erhöhung der Gehälter der Unteroffiziere sei vorläufig nicht beabsichtigt worden.
— Hannover, 30. Aug. Der Hann. C- veröffentlicht folgendes: ,AuS Anlaß der Feier der Einweihung des Armin-Denkmals (1k d. M.) sind mir so zahlreiche Beweise ehrender Anerkennung in Telegrammen und Briefen, sowie durch die Presse nicht nur aus allen Theilen unseres deutschen Vaterlandes, sondern auch aus andern europäischen Staaten, sowie aus Nordamerika zugegangen, daß ich mich außer Stande sehe, dieselben einzeln zu beantworten. Die Gefühle des wärmsten Dankes für so viele auf meine Person übertragene Theilnahme an dem mit Gottes und des deutschen Volkes Hilfe nun glücklich vollendeten Werke erlaube ich mir daher auf diesem Wege zum Ausdruck zu bringen, indem ich die geehrten Redaktionen der Zeitungen bitte, diesen Zeilen in ihren Blättern Raum gewähren zu wollen. Am Armin-Denkmal, im August 1875. Ernst v. Bändel."
Die Wallfahrt deutscher Katholiken unter Führung eines Grafen Stolberg in Sachsen nach Lourdes in Frankreich ist die dreisteste Herausforderung des deutschen Volkes durch Deutsche, die unerhörteste Beschimpfung des Vaterlandes durch .Söhne desselben, welche die Gegenwart erlebt hat. Jedermann weiß, daß die Jungfrau ven Lourdes die Schutzheilige der französischen Rache ist. Ihre Wundererscheinung und rhre Verehrung begann nach dem Frieden von Frankfurt; mit Gesängen, in denen die Wiederaufrichtung Frankreichs zu seinem alten Ruhme und die Zurückeroberung des Elsaß erfleht wird, ziehen die französischen Pilger nach Lourdes. Wenn auch aus anderen Ländern, namentlich aus England, Prozessionen dahin geführt wurden, so geschah es durch die Vermittler der jesuitischen Ränke gegen Deutschland, und so stark ist in Frankreich das Gefühl, daß die Jungfrau von Lourdes nur eine Heilige für die Franzosen ist, daß die englischen Pilger in Paris verspottet wurden. Die Jungfrau von Lourdes hat keinerlei allgemeine religiöse Bedeutung für dm Kaiholizismus. sic ist ausschließlich die Schutzputronin des Rachekriegs Frankreichs gegen Deutschland, und der Deutsche, welcher zu ihr wallfahrtet., betet für die Niederwerfung seines Vaterlandes.
— Kiel, 27. Aug. Die in England neuerbaute Panzerfregatte „Deutschland" ist unter Kommando des Kapitän z. S. Mac Lean nach Wilhelmshafen übergeführt, wo das stattliche Schwcsterschiff des „Kaiser" Anfang dieser Woche eingetroffen ist. Tie Fregatte „Deutschland", welche zu den Schiffen der eisten Rangklasse gehört, hat eine Besatzung von 600 Mann und läuft 14 Knoten in der Stunde; sie wird von Kennern als eines der vorzüglichsten Schiffe der deutschen Marine gerühmt.
— Die neue deutsch-österreichisch-russische Dreieinigkeit wird in der orientalischen Frage sehr gespürt und respektirt. Der Sultan war vollständig verblüfft, als er Rußland und Oesterreich zum erstenmal ein und dieselbe Sprache führen hörte und hinter Beiden den großen „deutschen Padischa" stehen sah. Dir Bosnier, Herzegowiner, Serben und Montenegriner müssen die neue Dreieinigkeit, die entschlossen ist, keinen allgemeinen Brand ausbrechen zu lassen, ebenfalls respektiren. Die drei Kaiser, von Frankreich und England unterstützt, haben sich die Aufgabe gestellt, zuerst Waffenruhe auf beiden Seiten herzustellen und dann der türkischen Willkür und Quälerei ein Ende zu machen. Wie weit die christlichen Völker aus den türkis.üen Fesseln zu befreien sind, ohne selbstständige Staaten aus ihnen zu machen, darüber wird soeben verhandelt. England ist entschlossen, die Türkei mit Geld zu unterstützen, um sich nöthigenfalls kriegssähig zu macken. Es sieht ganz danach aus, als würden wir noch manche Ueberra- schungen erleben.
— Wien, 31. Aug. Heute Vormittag wurde der ungarische
Reichstag von dem Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn, Franz Josef I. persönlich eröffnet. Die Thronrede besprach die legislatorische Thätigkeit des neuen Reichstages und hob besonders die finanzielle Regelung und Ordnung des Komwunikationswesens hervor, betonte sodann die recht- und zweckmäßige Lösung der Bankfrage, be. rührte ferner die Regelung der kirchlich politischen Fragen und schloß mit folgendem Passus über die orientalische Frage: „Unsere herzlichen Beziehungen zu den auswärtigen Mächten berechtigen Uns zu der Hoffnung, daß der Friede trotz der in neuester Zeit aufgetauchten Ereignisse aufrecht erhalten wird und Sie daher Ihrem legislatorischen Berufe ungestört obliegen können." So allgemein gehalten auch die Ausdrücke in diesem Satze sind, so konstatirrn dieselben dennoch den Ernst der Situation. _
— Wien, 31. Aug. Die „Politische Carrespondenz" erfährt, in Jnsurgentenkreisen herrsche wegen der über montenegrinisches Gebiet erfolgten Verproviantirung der türkischen Festung Rikschic große Verstimmung. Montenegro entschuldigt sein Vorgehen mit «bestehenden Verträgen und sagt, es habe deu von der Pforte nachgesuchtcn Trup- pendurchzug verweigert. Dieselbe Korrespondenz konstatirt, die Zahl der auf austro-ungarisches Gebiet im GradiSkaner und Banat-Distrikte übergetretenen Flüchtlinge betrage 18,203 Personen. Dieselben haben theilweise ihre sehr beträchtlichen Heerde» mit sich.
— Wien, 30. Aug. Die Pforte hat dem Vernehmen nach bereit
erklärt, daß sie sich an der serbischen Grenze zunächst, wenn auch aufmerksam beobachtend, streng in der Defensive halten werde, daß sie aber, sobald sie die Ueberzeugung gewinnen müsse, daß die serbische Regierung, weß Namens sie auch sein möge, den Aufstand thätig unterstütze, keinen Augenblick zögern dürfe und werde, ihre Interessen und Rechte in jeder ihr geeignet erscheinenden Weise zn wahren. (Karlsr. Ztg.)
— Der amtlichen Zeitung in Wien widerfuhr neulich Las Unglück, die angekommenen Fremden unter der Rubrik „Verstorbene" mitzuthci- len. In der Provinz entstand Heulen und Zähneklappern; Frauen, Brüder, Schwestern, Kinder bestürmten den Telegraphen und auS einzelnen Theilen de« Reichs kamen sogar Verwandte an, um die theuern Verstorbenen heimzuführen. Hier löste sich das Mißverftändniß alsbald, aber viele verlangen Schadenersatz von der kaiserlichen Wiener Zeitung und es wird zu einem interessanten Prozeß kommen.
— Großes Aufsehen erregt in Pest die Entdeckung kolossaler Zolldefraudationen, deren sich mehrere dortige hervorragende Spediteure seit vielen Jahren schuldig gemacht haben sollen. Das ungarische Finanzministerium hat eine strenge Untersuchung gegen die Schuldigen einleiten lassen. Im Zusammenhänge mit dieser Assam dürfte die am 25. d. M. erfolgte Verhaftung des dortigen Spediteurs Eduard Abeles sichen. Andere Mitschuldige wurden vorläufig auf freiem Fuße belassen. Die Höhe des dem ungarischen Aerar zugcfügten Schadens kann jetzt nicht annähernd angegeben werden, zumal diese Manipulationen in die Jahre 1867 und 1868 zurückreichen sollen.
Italien. Rom, 31. Aug. Die „Voce de la verita" theilt mit. daß die Ernennung folgender Geistlichen: Antici, MatthieS, Tacca, Ramli, Simeoni, Vitelleschi, Prossay und des Erzbischofs v. ReuneS, Saint Marc, zu Cardinälen bcvorstehe. Das Blatt bespricht ferner die Lage des CarlismuS in Spanien und meint, nach dem Falle von Seo d'Urgel sei es nicht unmöglich, daß Don Carlos seine Truppen entlasse, um zu gelegener Zeit den Kampf wieder aufzunehmen. Angesichts der allgemeinen europäischen Lage wäre ein solcher Entschluß mit großer Befriedigung aufzunehmen, derselbe würde indessen nur einen Waffenstillstand bedeuten. Der CarlismuS sei keine lediglich dynastische spanische Frage. Es handle sich vielmehr um einen Kampf zwischen dem Kotholicismus und der Revolution.
Spanien. Barcelona. 29. August. Martinez CampoS gestaltete dem Carlistensührer Lizzaraga, sich nach Barcelona zu begeben, verweigerte aber die gleiche Vergünstigung dem Bischof von Se» d'Urgel (welcher beschuldigt wird, einen Priester ermordet zu haben.) Er wurde mit den übrigen Gefangenen nach Alicante dirigirt. (Die Zahl der Gefangenen bei der Uebergabe Seo d'Urgcls beträgt 800, darunter befinden sich gegen 100 Offiziere. Zwei Krupv'sche und 20 ältere Geschütze wurden vorgefunden, aber nur wenig Proviant und Munition. Die Capitulation wurde hauptsächlich durch Wassermangel herbeig-führt,)
San Sebastian, 31. Aug. Die Carlisten konzentriren sämmtliche Streitkräfte in Guipuzcoa. In Navarra sind alle waffenfähigen verheiratheten und unverheiratheten Männer von 17—50 Jahren unter die Waffen gerufen. In Folge dessen finden zahlreiche Uebertrilte nach Frankreich statt.
England. In London bildet sich ein Comite zur Sammlung von Beiliägen für „die christlichen Opfer türkischer Mißwirthschaft in Bosnien und der Herzegowina."
Ein fürchterliches Unglück hat sich um Mitternacht am Sonnabend aufMitland - Eisenbahn ereignet. Ein von Morncambe-Bay nach Bradford zurückkehrender stark besetzter ExcursionSzug machte auf der Station Kildwick, 16 Meilen nördlich von Bradford, Halt, damit seine Hinterlampen, deren Licht ansgegangen war, wieder ange- zündet werden konnten. Wägrenddem rannte der aus Schottland kommende Eilzug mit aller Heftigkeit gegen den stehenden Zug an. In einem Nu waren zwei od-r drei der Hinteren Waggons des Ex» cursionSzuges zertrümmert und von den darin befindlichen Personen wurden fünf auf der Stelle gelödtet und sieben oder acht schwer verletzt, während ca. dreißig mehr oder weniger erhebliche Beschädigungen davontrugen. Die Passagiere des EilzugS kamen mit dem Schrecken davon.
Redigirt, gedruckt und verlegt von A. Oelschläger.
(Hiezu Nro. 35 des UnterhaltungSblatlS )