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Macht aufgeboten wurde, die die Insurgenten zerstreute; diese seien aber bald durch dalmatinische und montenegrinische Banden verstärkt worden. Die Regierung beschloß, da sie in der Herzegowina nur eine geringe Truppenzahl unterhielt und um die Insurgenten durch Erfolge über eine kleine Truppenzahl nicht zu rrmuthigen, den Aufstand durch große Truppenentfaltung mit möglichst geringem Blutvergießen zu ersticken. Das Communiquö konstatirt, daß die Regierung bald 25 Bataillone (ungefähr 18,000 Maun) in der Herzegowina haben werde und daß Derwisch Pascha mittlerweile beordert wurde, die Offensive zu ergreifen. Die Regierung werde von morgen an die Hcrzegowinaer Nach- richten in Bulletins veröffentlichen. Betreffs der insurrektionellen Bewegung in der Umgegend von Gradiska und Banjaluka wurden die Nachrichten übertrieben. Einige Fremden versuchten, jedoch erfolglos, «inen Aufstand zu provociren. Betreffs des Schrittes der drei Kai- sermächte verlautet, daß derselbe einen vollständig freundschaftlichen Zweck verfolge. Die Mächte wünschen nemlich Erleichterungen im Verkehr mit den Insurgenten, um diese zu versichern, daß sie von den Mächten nicht« zu erwarten haben und sich den Befehlen der türkischen Regierung unterwerfen müssen. Die Pforte hat hierauf noch nicht geantwortet. — Die Blätter publiziren eine offizielle Mittheilung, wonach das Gerücht, daß die Insurgenten von Montenegro und Ser- bien Zuzüge erhalten, unbegründet ist. — Hussein Aoni Pascha wurde zum Kriegsminlstcr ernannt.
Frankreich. Paris, 19. August. Die Börse war heute der Schauplatz eines aufregenden Vorfalls. In Folge eines heftigen Wort- Wechsels feuerte der Makler Courson-Muller auf einen Ingenieur in zwei kurz auf einander folgenden Angriffen sechs Revolverschüsse ab, welche den Ingenieur schwer verwundeten. Courson-Muller wurde verhaftet.
Spanien. Madrid, 20. Aug. Der Kommandant der Ci- tadelle Rippols ist durch einen Granatschuß getödtet worden. Das Kastell von Seo d'Urgel ist vollständig niedergebrannt. Das Feuer der Belagerer ist mäßig. Zur Unterstützung von Martine; Campos ist General Estaban eingetroffen.
Madrid, 19. Aug. Ein Zug zwischen Barcelona und Zaragoza ist von Räubern angehalten worden, welche die Reisenden plünderten. Im Hafen von Barcelona ist ein Schiff! in Brand ge- rathen; eS kamen dabei mehrere Menschen um, und andere erlitten Verletzungen. — Die Fregatte „Vitoria" bombardirt Bermeo, welches fast zerstört ist. — Die Carlisten rücken vor, um den Regierungs, truppen die Verbindungen abzuschneidcn und den Proviant- und Munitionstransport zwischen Pnycerda und Seo de Urgel zu verhindern. Sie nahmen wirklich 12 Mundproviantwagen weg. Saballs ist vor Urgel angekommen, weitere Carlistenabtheilungen sind signalisirt.
Barcelona, 18. Aug. Der spanische Dampfer. „Expreß" wurde hier am Dienstag mit Kriegsmaterial befrachtet, welches ex- plodirte. Fünfzig Menschen kamen dabei um und der Dampfer sank.
Rußland. Petersburg, 19. Aug. Gestern Abend ist die Stadt Rjew (an der Wolga, Gouvernement Twer) durch eine große Feuersbrunst heimgesucht worden. Es sind 300 Häuser, darunter eine Kaserne, abgebrannt. Der Schaden ist sehr bedeutend.
Amerika. New-Dark, 18. Au;. Das Schiff „Bremen", in Fahrt von Liverpool nach San Francisco, ist an letzterem Orte mit von Mundfäule heimgesuchter, ganz hilfloser Mannschaft einge- troffen. 16 Personen waren unterwegs gestorben.
Vermischtes.
Im Monat Juni sino auf säwmtlichen Eisenbahnen Deutschlands nach der im Reichseisenbahnamt ausgestellten Nachmessung im Ganzen 153 Personen, darunter 9 Passagiere, verunglückt. Getödtet wurden 13 Personen. Von den getödteten Reisenden kommt je eine Tödtung auf 7,992,500 beförderte Passagiere und auf 59,720 Züge. Von den verletzten Passagieren kommt je eine Verletzung auf 2,283,571 Reisende und 17,063 Züge. Es kamen 24 Entgleisungen und 11 Zusammenstöße fahrender Züge vor. Im Durchschnitt hat bei 13,271 Zügen eine Entgleisung, bei 119,439 Zügen ein Zusammenstoß stattgefun- den. Die meisten Entgleisungen und Zusammenstöße kamen bei der Hannoverschen Staatsbahn, Ostbahn und Württembergischen Bahn vor. — Mü hlhausen, im August. Die „N. M. Z." erzählt folgende« Beispiel von Zerstreutheit, das am 13. d. zw« Frauen gaben, die auf dem Gänsemarkt ihre Einkäufe machten. Ohne sich gegenseitig zu kennen, ließen sich die Frauen in ein lebhaftes Gespräch mit einander ein. Dir eine derselben hatte bereit» ringrkauft und sie fand für gut, den schwer beladenen Armkorb auf den Boden zu stellen, um sich die Arme zum Gestikuliren frei zu halten, auch die andere, deren Korb noch leer war, folgte diesem Beispiel. Die Konversation spann sich dann so lange fort, bis die Frau, welche noch nicht eingekaust hatte, für nöthig fand, ihr Geschäft zu
besorgen. In der Zerstreuung griff sie nach dem vollen Korb, entfernte sich damit und überließ der Zurückbleibcnden den leeren. Letz- tere, noch mehr zerstreut, bemerkte die Verwechslung nicht und setzte die Unterhaltung mit andern Frauen fort. Als sie endlich nach dem Korb griff, um ihn nach Hause zu tragen, fand sie, daß eS der leere Korb sei, der ihr nicht angehörte. Umsonst suchte sie nach ihrem Eigenthum und nach der Frau, welche es davon getragen hatte. Niemand wußte ihr darüber Auskunft zu geben. Zum Schaden gesellte sich dann der Spott und ein gutmeinender Nachbar gab ihr den Rath,, ihrem Korb künftig eine Schelle anzuhäugen, damit er nicht unbemerkt davon laufen könne.
Niemand steht höher in der Gunst der Gaftwirlhe in den großen Bädern als die Russen. Sie machen große Ansprüche, brausen auf,, aber zahlen gut und haben dadurch die Engländer, die ebenso anspruchsvoll sind, aber geizen, aus dem Felde geschlagen. Ein Gastgeber im Ostende erzählt folgendes : Eines Tags kehrte ein russischer Graf im meinem Gasthof ein, als ich nicht daheim war. Bei meiner Heimkehr finde ich meine Frau in größter Aufregung. Geh' doch, sagte, sie, hinein zu dem Rüssen, er prügelt alle Kellner und ist furchtbar zornig, weil ihm Niemand die Stiefeln ausziehen will. — Ich ging, zu dem Grafen hinein, stellte mich ihm vor und fragte: was wünschen Sie? — Herr, sagte er, ich werde Ihnen dankbar sein, wenn. Sie mir die Stiefeln ausziehen! — Warten Sie nur zwei Minuten, antwortete ich, ich habe einen Befehl zu geben. — Ich ziehe meinen Frack an, meine perlgrauen Handschuhe, weiße Weste, schwär» zen Hosen, gehe zurück und sage: Nur in Gala kann der Eigen- thümer des Gasthofes Ihnen die Stiefel au«ziehen — und eins, zwei, drei waren sie ausgezogen. Der Graf erhob sich und verneigte sich und dankte höflich. In drei Wochen verlangte er seine RechmM. Ich schrieb sie und setzte extra darauf: Der Eigenthümer in Frack und perlgrauen Handschuhen dem Herrn Grafen die Stiefel ausgezogen 100 Franks. — Er zog seine Augenbrauen etwas zusammen, als er das las', sagte aber kein Wort und bezahlte die Rechnung vollständig. Aber er verlangte nie wieder, daß ich ihm als Stiefelzieher diene. Drei Jahre lang kam er regelmäßig wieder und immer sagte er: Monsieur, Sie sind ein ganzer Mann!
(Der Distanz-Velocipedist) Herr C. Nairn, der am 19. 4 Uhr frühseine Wettfahrt von Wien nach Paris antrat, unternahm am 18- in der Prater-Hauptallee eine kurze Uebungsfahrt, zu welcher sich zahlreiche Zuschauer eingefunden hatten. Man bewunderte allgemein die außerordentliche Schnelligkeit und Sicherheit, mit welcher der Engländer sein leichtes Vehikel leitete. Hr. Nairn, der die Fahrt im Reisekostüme machte, trieb sein Instrument durch kaum 'bemerkbare Bewegungen der Füße zu immer größerer Geschwindigkeit an und hatte die Strecke bis zum ersten Rondeau und retour in wenigen Minuten zurückgelegt. Er sitzt mit vollendeter Eleganz auf seinein Fahrzeuge, das er aus- schließlich mit den Füßen bewegt und lenkt, so daß er über leine Arme ganz unbehindert verfügen kann. Mitten im schnellsten Lauf macht der Engländer Toilette. Er steckt die Hände in die Taschen, zieht sein Sacktuch nnd hält Mahlzeit auf dem pfeilgeschwind sich bewegenden Velocipede, welches heute ein flinker Einspänner vergebens einzuholen sich bemühte. Alle diejenigen, welche dieser Probefahrt beiwohnten, gaben ihrer Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß dem neuesten Distanzfahrer sein Unternehmen gelingen werde. Freilich, so rasch und so angenehm wie in der Hauptallee wird sichs auf frischbeschotterten Landstraßen nicht fahren.
Ein eigenthümliches Vergnügen. Am vergangenen Sonntage verbreitete sich in Vincennes das Gerücht, daß man einen jungen Menschen im Gehölz aufgehängt gesehen, dessen Leichnam von einem, großen Hunde bewacht werde. Während ein Theil der Spaziergänger sich entsetzt schleunigst entfernte, eilten Andere an die bezeichnte Stelle. In der That erblickt man den Körper eines jungen Mannes, der an dem Hauptzweige einer Eiche hing. Einer der Parkwärter näherte sich demselben, um den Strick zu durchschneiden. Wie fuhr er aber zurück, als der Hängende ihm einen Fußtritt versetzte, während der Hund ihn gleichzeitig in's Bein biß. Als er zurückgesprungen war. blieb der Erhängte wieder unbeweglich. Einer der Zuschauer erklärte diese Erscheinung für eine unwillkürliche Muskelzusammenziehung. Bei einem neuen menschenfreundlichen Annäherungsversuche erntete der Wärter einen neuen Fußtritt als Lohn nnd vernahm zugleich ein deutliches Lachen über seinem Kopie — es war der Erhängte, der lachte! Da merkte man den Betrug. Das Band um den Hals war nur zum Scheine umgelegt und that ihm kein Weh, da ein zweiter Strick unter den Armen die Last des Körpers trug. So hatte er mit großer Geduld eine Stunde lang gehangen, um — den Spaziergängern einen kleinen Schrecken einzujagen. Zur Erholung von dieser Anstrengung des Hängens ließ man den sonderbaren Schwärmer- einige Tage sitzen.
Redigirt. gedruckt und verlegt von A. OelschlSger.