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«in, die sich jetzt für eine Lehrerstochter aus Baiern auSgibt, scheint eine von München und Genf aus steckbrieflich verfolgte Hochstaplerin zu stecken. Ihr Bräutigam wurde als selbst von ihr übertölpelt aus der Haft entlasten.
— Stuttgart, I.Juli. Gestern wurde ein Dienstmädchen ver- haftet, das an verschiedenen Orten hier und auswärts das Haftgeld «innahm, ohne in den Dienst einzutreten.
— In Eßlingen wird ein 25 Jahre alter Schneider vermißt, von dem man vermuthet. daß er seinen Tod in den Fluthen des Neckars gesucht und gefunden habe Der Grund soll verschmähte Liebe sein, indem seine Geliebte chm die geschenkte Uhr wieder zurückschickte. Hut und Stock des LiebeSkranken fand man oberhalb des Wasserhauses am Ufer.
— Am 27. Juni ist aus der Brenzbahn zwischen den Stationen Oberkochen und Königsbronn durch den gemischten Zug 112 Abends nach 9 Uhr ein Mann überfahren und getödtet worden, welcher, wie es scheint, ohne Billet auf einen der im Zug befindlichen Güterwagen aufgestiegen und während der Fahrt heruntergefallen ist.
' — Gmünd, 30. Juni. Unser Feuerwehrfest darf.in allen Theilen als wohlgelungen bezeichnet werden. Die Stadt war reich geschmückt, die Gäste würdig zu empfangen und lebhafter Zuruf lohnte den Ein- wohnern ihre viele Mühe. Am 26. Abends schon zeigte sich allenthalben beim Empfang der fremden Gäste reges Leben, das sich Sonntags schon früh wieder entwickelte und im Laufe des Vormittags in riesiger Potenz steigerte. Man schätzt die Anzahl der Theilnehmer am Ausmarsche auf 4000, an Zuschauern mag wohl die Zahl 40- bis 45,000 Menschen nicht zu hoch gegriffen sein. Der um 10 Uhr beginnende Festzug brauchte, trotzdem er ohne Stockung verlief, eine volle Stunde, um nach dem Festplatz zu gelangen. Sofort nach dem Eintreffen des Ministers v. Sick begannen die Hebungen, die mit einer solchen Raschheit und Genauigkeit ausgeführt wurden, dag das Publikum wiederholt in lebhafte Beifallsrufe ausbrach. Nach den Uebungen fand die mit Versuchen verbundene Parade über 22 Spritzen verschiedenen Systems auf dem Marktplätze statt. Um 3 Uhr bewegte sich der eigentliche Festzug nach jdem Festplatz, wo sich bald daS rege Treiben jeineS Volksfestes entfaltete. Trotzdem am Abend viele Vereine der Heimath zueilten, war das Abendbanket doch noch stark besucht und wurde durch die Musik des 3. Jnf.-Regiments, durch manche schöne Toaste und eine fröhliche, heitere Unterhaltung gewürzt, so daß es nicht zu verwundern war, daß die Tagesdämmerung für Manche viel zu früh erschien und an die Trennung mahnte. Für alle Theilnehmer wird dieser Tag unvergeßlich bleiben. Auch der zweite Festtag, an dem die Prüfung der Geräthe stattfand, hatte noch eine sehr lebhafte Betheiligung aufzuweisen. (Pf B )
— Friedrichshafen, 29. Juni. I. Maj. die Königin wurde heute bei Ihrer Ankunft auf demßBahnhof von Sr. Maj. dem König und sämmtlichen Herren Seiner Umgebung empfangen.
— In Heilbronn waren der dortigen „Neckar-Zeitung" zufolge am Peter- und Paul-Feiertage an der Kamerz des Fabrikanten Aug. Fr. Cloß gefärbte Trauben zu sehen.
— In Obersontheim, OA. Gaildorf, ereignete sich am Sonntag bei der Fahnenweihe des Kriegervereins daS Unglück, daß eine Kanone wegen Ueberladung zerplatzte und einen in der Nähe stehenden Knecht derartig am Auge verletzte, daß der Verlust desselben zu beklagen ist.
— Im Großh. Baden wird von der Kais. Postverwaltung vom 1. Juli d. I. ab für das Ueberbringen der Briefe an Einwohner im Ortsbestellbezirk der Aufgabs-Postanstalt eine Gebühr erhoben, welche bei frankirten Briefen und unfrankirten Dienstbriefen 5 Pfg., bei unfrankirten Briefen 10 Pfg. beträgt.
— München, 1. Juli. Ein Hirtenbrief des hiesigen Erzbischofs, betreffend die bevorstehenden Landtagswahlen, ermahnt, nur solche Männer zu wählen, welche ihren Glauben durch Wort und Thal bewährten und starken Mulh und unerschütterliche Treue besitzen, um unter allen Wechselfällen für Thron und Vaterland, Religion und Kirche, Gesetz und öffentliche Ordnung einzutretcn. Der Hirtenbrief schließt mit der Anordnung, daß derselbe beim Pfarrgottesdienst von allen Kanzeln der Erzdiöeese ohne Zusätze oder'Erläuterungen vorzulesen sei.
— Als bei der neulichen Anwesenheit des Cultusministers Falk in Coblenz, der im Gasthof zum Riesen Absteigquartier genommen hatte, ein Angestellter des Hauses von einem bekannten Ultramontanen ermahnt wurde, vie Tauben in Sicherheit zu bringen', gab jener zur Antwort: „DaS ist ein besonderer Falk, der stößt nicht auf Tauben, sondern nur auf Raben", und der Fragesteller, der sich nach dieser Auskunft nicht ganz sicher fühlen mochte, machte sich schleunigst aus dem Staube. So erzählt wenigstens die „Cobl. Ztg."
Es wird Ernst mit der Heranbildung der friedlichen Tauben zum Kriegs dienst. In rheinischen und Elsäsßischen Festungen sind Tauben-
Redigirt. gedruckt und ->«kleg
Posten bereits eingerichtet und an dem nordwestlichen Thurme der Festung Marienberg bei Würzburg ist ein mächtiger Käfig für di« königl. baierische Kriegs-Tauben-Post angebracht.
— BreSlau, 1. Juli. Die „Schlesische Volkszeitung" bestätigt, der Fürstbischof habe dem Oberpräsidenten einen Kandidaten zum Weihbischof vorgeschlagcn, nämlich den Kanonikus Gleich.
— In Wien hat ein altberühmtes Zucker-Geschäft mit-.-rtwa 3 Millionen Gulden Bankerott gemacht. Das ist freilich kvin Zucker für die Gläubiger. — Im Fulda-, Luder- und Haun-Grunde habe« wolkenbruchartige Regengüsse auf Wiesen, Feldern und Wegen große Verheerungen angerichtet.
— Prag, 29. Juni. Kaiser Ferdinand ist heute Nachmittag 3»/< Uhr an einer Lungenlähmung verschieden. Der hohe Verewigte war am 19. April 1793 geboren; succcdirte seinem Vater, Franz I. Joseph Karl, am 2. März 1835 und entsagte dem österreichischen Kaiserthrone zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph durch Manifest vom 2. Dezember 1848.
Italien. Rom. 28. Juni. Im Senate begann die Bera» thung des sicilischen Sicherheitsgesetzes. Der Justizminister wies! die Nothwendigkeit der Maßregel nach; die Verwerfung des Gesetzentwurfes würde die Kühnheit der Räuber erhöhen; dagegen würde die Handhabung des Gesetzes di: Behörden und die Bevölkerung einander nähern.
Rom, 30. Juni. Der Senat hat das Sicherheitsgesetz, nachdem ein Antrag auf Suspendirung gefallen war, in geheimer Abstimmung mit 66 gegen 29 Stimmen angenommen.
England. London. 29. Juni. Die vom Handelsamt rin» geleitete Untersuchung vor dem Greenwicher Polizeigcricht über dm Untergang des Hamburger Postdampfers „Schiller" ist nunmehr beendet. Nach der Ansicht des Gerichts ist die gänzlichcVernach- lässigung aller Vorsichtsmaßregeln der alleinige Grund des Unglücks.
Der bezügliche Bericht des PolizeigerichtS zn Greenwich über den Untergang des „Schiller" enthält über die Ursache des Untergangs des Schiffes folgendes: „Der „Schiller" verließ mit 118 Manu Bemannung und 254 Passagieren unter der Führung des Kapitäns Thomas, eines tüchtigen, erfahrenen Offiziers, am 27. April, d. I. New-Iork. Am 4. Mai wurde die letzte Beobachtung (über dm Ort, wo sich das Schiff befand) angestellt, nachher wurde cs wegen trüben Wetters unmöglich. Am 7. kam ein Nebel, der gegen Abend, als sich das Schiff dem Lande näherte, dichter wurde. Zu Mittag jenes Tages befand sich das Schiss, nach den Berechnungen auf Grund der letzten Beobachtung unter 49 50" n. Br. und 10.23" w. 8. Wäre diese Berechnung richtig gewesen, so würde der „Schiller" m der Breite der Scilly-Jnscln 152 Meilen westlich von ihnen gewesen sein. Es wurde daraufhin ein Kurs Ungeschlagen, der das Schiff 8 Meilen südlich der Bischofsklippen vorbeiführen sollte, und mit einer Geschwindigkeit von 14 Knoten bis halb 10 Uhr Abends angehalten, dann aber mit verringerter Geschwindigkeit südsüdwestlich gesteuert. Um 10 Uhr stieß dann das Schiff, nachdem es die Bischofsklippeo passirt hatte, ohne den Leuchtthurm gesehen und die Nebelglocke gehört zw haben, aus die Retarrierklippen. Die Zahl der Ertrunkenen betrug. 331, die 8 Boote, darunter 6 Rettungsboote, konnten mit Ausnahme eines einzigen nicht flott gemacht werden, die Schwimmgürtel, deren sich 800 an Bord befanden, und mit denen die ans Land geschwemmten Körper versehen waren, erwiesen sich als nutzlos oder wurden nicht richtig gehandhabt. Das Schiff war in Folge der falschen Berechnung seit Mittag viel zu weit nach dem Laibe zu gefahren. Hätte man um 8 Uhr oder selbst noch um 9 Uhr vor Aenderung des Kurses die Tiefe und Bodenbeschaffenheit untersucht, so würde man den Jrr- thum noch rechtzeitig erkannt haben. Die Anweisung für die Schiffe, die sich dem englischen Kanal nähern, und die Instruktion der Adlergesellschaft, welche beide den häufigen Gebrauch des Senkbleies bei trübem Wetter und die Benutzung aller sonstigen Vorsichtsmaßregeln empfehlen, waren an Bord, wurden aber nicht beachtet. Die vollkommene Vernachlässigung derselben ist nach der Meinung des Gerichtshofes die einzige Ursache dieses schrecklichen, von einem so großen Ve» lust an Leben und Eigentum begleiteten Unglücks. Ueber die Wahl von Nebelhörnern oder Nebelglocken hat sich der Hof nicht aussprecheu zu sollen geglaubt, va eingehende Untersuchungen darüber vor Kurzem stattgefnnden haben Da es angedeutet worden ist, daß es nicht un» gewöhnlich gewesen ist, daß Schfffe beim Vorüberfahren an dm Scilly- Inseln Nolhsignale abgeben, bloß um ihre Ankunft zu melden, so wünscht der Gerichtshof, um dem Kapitän Thomas und den Eigen- thümern der Adlergesellschast gerecht zu werden, seine Meinung dahirr auszudrücken, daß für eine derartige Beschuldigung wider dieselbe» kein Grund vorliegt"_
t von A. OelschlLger. ( Hiezu Nr«. 26 de« Unterhaltungsblatt«).