dem hiesig«» Schwurgericht kam gestern die Anklage gegen Pfarrer Schleyer von Krumbach wegen öffentlicher Aufreizung zu Gcwalt- Ihätigkeitrn und KanzelmißbrauchS zur Verhandlung. Schleyer hatte in einer seiner Predigten seine Zuhörer ausgefordert, sie sollte», wenn je die Allkatholiken sich an ihre Kirche wagen wollten, die Räuber mit Sensen, Dreschflegeln und Mistgabeln empfangen und sie todt- schlagen; er selbst würde sich an ihre Spitze stellen rc. In einem späteren Kanzelvortrag bediente sich der Angeklagte des Ausdrucks: diese seien zu nichts gut als zu Pflastersteinen, um die Hölle damit zu besetzen. Schleyer wurde in gestriger Sitzung für schuldig be­funden, und zu 4 Monaten Festung und in die Kosten verurtheilt.

Wien, 27. Juni. Man schreibt derKarlSr. Zig.": Das entschiedene Uebelwollen, mit welchem die Pforte, ihren bestimmtesten Zusagen entgegen, dem Anschluß der türkischen und österreichischen Eisenbahnen immer neue Hindernisse in den Weg legt, scheint endlich die Geduld Oesterreichs erschöpft zu haben. Wiederholte freundliche Mahnungen haben nichts gefruchtet und so dürfte schon jetzt eine Note auf dem Wege nach Konstantinopel sein, die in dem dort allein ver­ständlichen ernsten Ton die Einhaltung der übernommenen Verpflich­tungen kategorisch fordert.

Eg e r, 28. Juni. Der Kaiser von Rußland ist heute Morgen hier eingetroffen und vom Kaiser Franz Joseph, der bereits heute Morgen um halb 7 Uhr zur Begrüßung des Kaisers Alexander hier angekommen war, empfangen worden. Die Monarchen umarmten und küßten sich wiederholt auf das Herzlichste. Nach Besichtigung der am Bahnhöfe ausgestellten Ehrenkompagnie und nach Vorstellung der beiderseitigen Suiten zogen sich die beiden Kaiser in den Warte- salon zurück und reisten um halb 10 Uhr zusammen in der Richtung nach Kommotau weiter.

Bodenbach, 28' Juni. Der Kaiser von Oesterreich und Rußland sind hier eingelroffen und wurden von dem Prinzen Georg von Sachsen empfangen. Nach Einnahme des Diners im russischen Hvfzuge verabschiedeten sich die beiden Majestäten auf's herzlichste von einander. Um 4 Uhr reiste der «russische Kaiser über Dresden nach Warschau weiter und dann der Kaiser von Oesterreich über Budweis nach Ischl.

Pest, 29. Juni. In Folge des am Samstag stattgehabten Wolkenbruchs werden 200 Personen vermißt, 112 Leichen sind bis jetzt aufgefunden. 110 Häuser sind geräumt, viele drohen dem Ein­sturz. Allseitig sind große Hilfeleistungen in Aussicht gestellt.

Müller Ezabo, rin 34jähriger Mann in Bafarhely in Ungarn, war vor einigen Jahren zu der Sekte der schwärmerischen Nazarener übergetreten und machte sich viel Gedanken, wie er seine früheren Sün­den abbüßen könne. Er bat Leute um Verzeihung, die er früher be­leidigt, gab denen Mehl, die er früher darum betrogen, aber das war ihm nicht genug und er setzte sich in den Kopf, er müsse sich selbst oder sein Liebstes auf Erden dem lieben Gott zum Opfer bringen. Dem lieben Gott, sagte er, wird ein schuldloses, unbeflecktes Opfer das liebste sein, und er beschloß sein 18monatliches Töchterlein Gott zu Ehren zu schlachten wie Abraham seinen Sohn. Wenn Gott kei­nen Gefallen daran findet, so wird er mir Einhalt thun, erklärte er seiner Frau, seiner Mutter und Schwester. Damit beruhigte er diese, die anfangs Einsprache thaten, aber dabei sein wollten sie nicht. Er schliff sein Zimmermannsbeil, legte das arme Kind und das Beil aus den Tisch, kniete nieder und betete, und als das Kind stöhnte, hielt er dieß für ein Zeichen und hieb seinem Kinde mit zwei Strei­chen den Kopf vom Rumpfe. In diesem Augenblicke kamen die Frauen mit Nachbarn zur HW, aber zu spät. Vor Gericht gestand er, seine Thal sei zwar ein Opfer, jedoch zugleich ciu Mord. Ec wurde wegeiH vorsätzlichen Todtschlags, begangen ans religiöser Schwär­merei, zu 10 Jahr Kerker verurtheilt, steine Frau wegen Mitwissen, schüft zu 1 Jahr.

Frankreich. Paris, 26. Juni. (DieUeberschwemmungen im Süden Frankreichs.) Die vom 24. bis gestern dauernde Ueberschwem- mung der südwestlichen Departements durch die Garonne und ihre Zuflüsse Lot, Tarn, Gers und Arisge, sowie durch den Adonr, war die fürchterlichste des ganzen Jahrhunderts. Die Garonne stand an manchen Orten, namentlich in Toulouse und Aqen nicht weniger als 12 m. (42I über ihrem mittleren Stand. Die Vorstadt St. Cy­prian ist gänzlich verloren, nahe an 300 Häuser sind ei, gestürzt, 215 Leichen wurden bis jetzt aufgefunden und im Lauf des 25. bestattet, nachdem man von sämmtlichen die Photographie genommen hatte. Der abscheuliche Geruch, der aus den untergegangenen Häusern auf­steigt. zeigt das Vorhandensein weiterer Leichname, die noch unter den Trümmern begraben sind. Die Eisenbahnen waren zwei Tage unterbrochen. In Moiffac (etwas weiter unten an der Gaionue, zwischen Toulouse und Agen) fielen 70 Häuser ein, in La Magistöre 50, das Dorf Golfech ist fast ganz zerstört, nur 4 Hauser sind er-

Redigirt. gedruckt und verleg

halten; 40 Personen sind dort ertrunken. In Tarbes war die Ucber» schwemmung etwas weniger stark; indeß sind die Verwüstungen i» allen Thalgegenden der Pyrenäendepartements gräßlich, die Ernte ist vernichtet. Die hauptsächlichsten Departements, welche gelitten haben, sind: Haute Garonne (Toulouse), Ariöge (Foix), Aude (Carcassonne, Tarn (Albi), Tarn-et-Garonne (Montauban), Gers (Auch), Haute-- Pyrenöes (Tarbes), Basses-Pyrenöes, (Pau). Landes (Mont de Mar­fan), Lot-et-Garonne (Agen). In Toulouse nahm das Wasser zuerst die Brücke St. Pierre fort, dann die Hängebrücke St. Michel und die Brücke Muret. Die Szenen in der Nacht vom 23. auf den 24. waren gräßlich; man mußte die Hospitäler räumen, und aus den über­schwemmten Quartieren hörte man die ganze Nacht Schreie der Ver» zweiflung. Das Militär benahm sich ausgezeichnet; leider sollen auch viele Soldaten von der Artillerie bei dem Rettungswerke umgekommen sein. Am 24., nachdem auch die Klöster Sacrö coeur und Refugium, geräumt worden, begab sich eine Prozession von St. Nicolas zur Kirche Daurade, um zur hl. Jungfrau um Hilfe zu flehen. Prozes­sion folgte auf Prozession. Erst am 26. fiel das Wasser witder. Was die Garonne mit sich führte, war unbeschreiblich: Balken, Bäume, Fässer, Kirchhofkreuze rc. rc. In den Nachbardörfern von Toulouse « wurden viele Personen, die sich bis auf den Gipfel der Bäume geflüch­tet hatten, von dort weggeschwemmt. Man erzählt erschütternde Detail».

Mac Mahon traf mit seinem Gefolge am 26. um 2 Uhr Nachmittags in Toulouse ein und wurde gut empfangen. Die Menge schien freudig erregt zu sein, daß man ernstlich daran denke, zu Hilfe zu kommen. Der Präsident begab sich nach der Präfektur, nachdem er vorher in der Kathedrale von der Geistlichkeit empfangen worden war, und besuchte dann das Viertel Saint Chprien (wo der Schaden in den Fabriken sehr groß ist), und die übrigen Theile der Stadt, die am meisten gelitten haben. Er dankte dem Gemeinderath für den Eifer, mit welchem derselbe den Ueberschwemmten zu Hilfe­kam. Er erinnerte daran, daß die Nationalversammlung ihren Ent­schluß ausgedrückt, so große Unglücksfällc zu lindern» indem sie einen Kredit votirt habe, dessen Ziffer vermehrt werden solle, sobald man die Größe des Unglücks besser kenne. Er sagte, daß ungeachtet aller Anstrengungen der Regierung es nothwendig sei, einen dringenden Aufruf an den öffentlichen Edelmuth zu erlassen, der sich durch dir Errichtung eines mit der Sammlung aller Gaben betrauten Komite's kundgegeben habe. Eine von der Marschallin Mac Mahon eröffnete- , Subskription hat bis jetzt 64,182 Fr. eingcbracht. Auf derselbe» stehen ein jeder der neun Minister mit 1000 Fr., der Gemeinderath von Bordeaux mit 10,000 Fr., die Gebrüdr Rothschild mit 30,000 Fr. und die Baronin James de Rothschild mit 10,000 Fr. Die bis jetzt von der Kammer votirtcn und von der Privatmild- thätigkeit gelieferten Gelder stehen in keinem Verhältniß zu dem Schaden, den die Wasser angerichtet haben. In Toulouse, wo mit Ausnahme einer einzigen alle Brücken hinweggerissen, 600 Häuser zerstört und eine Masse anderes Eigenthum zu Grunde gerichtet wurde, wird der von dem Wasser angerichtete Schaden allein auf 100 Millionen geschätzt. Die große Zahl der Verunglückten ist dem Umstande zuzuschreiben, daß die Wasser plötzlich mit aller Gewalt einbrachen und eine Masse Häuser sofort nicderrissen.

In den Pyrenäen siel am 22. so viel Schnee, daß er sogar die Thäler bis auf eine Höhe von 80 cm. bedeckte. Das Schmelze» desselben trug zur Ueberichwcmmung viel bei.

Vers arlles, 28. Juni. Die Nationalversammlnng beschließt, eine Subscription unter den Deputirten zu Gunsten der durch dir Ueberschwemmung Beschädigten und einen Trauergottesdienst für die Umgekommcnen. Sodann wird auf Befürwortung des Justizmini- sters Dusaure ein Antrag Depeyre's, welcher einen Kredit von 2 Mill. Franken für die Beschädigten fordert, einstimmig angenommen.

Posttaxen vom 1 . Juli I87S an.

Vrrsendungsgegenstände.

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Pf.

Pf.

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frankirte Briefe bis 15 Gramm ..

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über 15 Gramm bis 250 Gramm

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unfrankirte Briefe bis i b Gramm ....

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über 15 bis 250 Gramm .

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Postkarten.

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Drucksachen bis 50 Gramm.

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über 50 » bis 250 Gramm

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. 500 , , 1000

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Waarenproben bis zum Meistgewicht von 250 Gr.

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Postanweisungen: bis 100 Mark .....

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über 100-200 Mark . .

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. 200-300 , . .

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von A. Oelschläger.