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— Leon brrS, 10. Febr. Die K. Lanbgestötskommission hat die Wiederbesetzung der Beschälstation in Weilderstadt im Jahre 1875 von der Uebernahme der Garantie jder Amtskorporation für eine Be- schälgrldeinnahme von 350 fl. abhängig gemacht. Diese Garantie hat die Amtsversammlung übernommen, um die bei den hohen Pferde- preisen rentabler gewordene Pferdezucht im Oberamtsbezirke zu fördern.
— Dürrmenz-Mühlacker, 10. Febr. Seit einiger Zeit ist hier ein Ingenieur mit Vermessungen und andern Vorarbeiten an den beiden Bahnhöfen beschäftigt, welche darauf schließen lassen, daß es endlich mit der Uebernahme der Strecke Mühlacker-Pforzheim seitens der württembergischen Eisenbahnverwaltung Erust wird. Ob die Strecke Mühlacker-Bruchsal an Baden übergeht, darüber verlautet noch nichts.
— Im ob erbaierrsjchen Gebirge liegt der Schnee haushoch und die Hirsche sind übel daran, weil isie nirgends Nahrung finden. Wenn ein Schlitten durchs Gebirge fährt, so laufen sie wie Bettel, buben neben dem Schlitten her und sind dankbar, wenn sie etwas zu fressen bekommen. Man fürchtet, daß bei dem strengen Winter viele vor Hunger eingehen, weil kür Wildfütterung nicht ausgiebig gesorgt ist.
— In der Rhön ist der kleine Ort Waldberg fast ganz abgebrannt. Bei der ohnedieß großen Armuth der Rhönbewohuer wird der Nothstand der Abgebrannten als gräßlich geschildert.
— Zum Versammlungsort für die nächste allgemeine deutsche Lehrer- ve-sammlung ist Darmstadt ausersehen. Der deutsche Iuristentag wird in Nürnberg sich versammeln.
— Berlin 11. Febr. Am 1. April d. I. vollendet Fürst Bismarck sein 60. Lebensjahr (geb. am 1. April 1815). Das schon längere Zeit hier umlaufende Gerücht, derselbe gedenke an diesem Tage aus seiner Amtsstellung zurückzutreten, erhält sich noch immer, wird aber nur an wenigen Stellen als glaubwürdig betrachtet.
— Berlin, 10. Febr. Das Reichskanzleramt schlägt dem Bundes, rathals Benennungen der Reichsgoldmünzen vor: „Krone" und „Doppelkrone".— Die Verhandlungen wegen der Brigg „Gustav" schweben noch. Der Abschluß ist bis zum AuStrag der spanischen Untersuchung vertagt.
— Berlin, 11. Febr. Die „Germania". veröffentlicht eine von 23 deutschen Bischöfen erlassene Kollektiverklärung des deutschen Episkopats in Betreff der Cirkular-Depesche des Reichskanzlers über die künftige Papstwahl, worin sie behaupten, daß die Cirkulardepesche einen Angriff auf die volle Freiheit und Unabhängigkeit bei der Wahl des katholischen Kirchenoberhauptes enthalte, gegen welchen sie Protest erheben, da über die Giltigkeit einer Papstwahl nur die Autorität der Kirche entscheide. Der Bischof von Straßburg hat die Erklärung mitunterzeichnet, der Bischof von Metz nicht.
— In der Saale, Unstrut und Elbe haben sich die Fischottern auffallend vermehrt. Es werden Maßregeln gegen diese Nußpiraten ergriffen.
— Die schärfste Strafe für Metzger, die ungesund'« Fleisch oder schlechte Wurst verkaufen, ist die Veröffentlichung ihrer Namen. So geschah es zwei Metzgern in Görlitz: ihre Läden sind seit Wochen verödet und kein Inserat bringt die Kundschaft zurück.
— Wien, 11. Febr. Ein schwerer Eisenbahunnfall fand gestern auf der Lemberg.Lzernowitzer Linie bei Ruda statt, welcher Wagenzertrümmerung und Verletzung mehrerer Personen zur Folge hatte.;
— (Treue Liebe.) In Ofen lebt ein Brautpaar, das seit dem Jahre 1840 verlobt ist. Das Paar konnte sich nicht heirathen, weil der Bräutigam, ein Lehrer, ein gar zu knappes Einkommen hatte. Nun fügte es sich, daß er in diesen Wochen eine gute Erbschaft machte. Die Trauung sollte noch vor Eintritt der Fastenzeit geschehen.
Frankreich. Versailles, 11. Febr. Die Nationalversamm- lung nahm mit 322 gegen 310 Stimmen ein Amendement Pascal Duprats an, besagend: Der Senat wird gewählt ;und zwar durch dieselben Wähler wie die Deputirtenkammer. Batbie, Präsident der 30er-Kommission sagt: Es bleibe wenig von dem Kommissionsentwurfe übrig; er verlangt daher Vertagung, damit die Kommission über die neuen Beschlüsse berathschlagen könne. — Die Sitzung wird aufgehoben. — Das Amendement Duprat wurde, unterstützt durch die Linke, bekämpft durch das rechte Centrums, in Folge der Zustimmung von 30 Bonapartisten und Stimmenthaltung von 50 Legilimisten angenommen.
In der Seuatsfrage waren die zwei entgegengesetzten Meinnngen folgende: ans der Linken hält man'darauf, daß das allgemeine Stimmrecht den Senat wähle; im rechten Centrum dagegen ist man für die Wahl durch die Generalräthe und will dem Präsidenten der Republik das Recht geben, ein Drittel der Senatoren zu ernennen. Wie man sieht, hat die erste Meinung den Sieg davon getragen, und zwar durch direkte Beihilfe der Bonapartisten und indirekte Hilfe der Legi- timisten.
Versailles, 12. Febr. (Assemblöe-Tchluß.) Brisson (republ. Linke) beantragt Auflösung der Nationalversammlung und fordert für
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seinen Antrag die Dringlichkeit, welche mit 407 gegen 266 Stimmen verworfen wird, worauf sich die Versammlung bis Montag vertagt.
— Von Waddington (linkes Centrnm) und Vautrain waren zwei neue Gesetzentwürfe über Errichtung eines Senates eingebracht und an die konstitutionelle Kommission verwiesen worden.
kl«Am 11. erwartete in Versailles Jedermann, daß Pascal Duprat's Amendement, nach welchem die Senatoren gerade so gewählt werden sollen wie die Deputirten, verworfen werden würde. Die Annahme desselben mit 12 Stimmen Mehrheit, erregte daher ungeheures Aufsehen. Da aber nunmehr das ganze Gesetz über den Senat verworfen worden ist, so hat die Abstimmung über den Duprat'schen Antrag weiter keinen Werth. Die Legitimisten und Bonapartisten haben nunmehr erreicht, was sie erstrebten — das Nichtzustandekom- men des VersaffungSgesetzes. Konsequent war eS, daß die Linke sofort den Antrag auf Auflösung der National-Versammlung stellte, weicht letztere durch ihr Votum den sprechendsten Beweisjf ihrer Ohnmacht gegeben hatte.
Die Franzosen machen bekannt, daß sie sich jetzt im Besitz einer ganz neuen Art von Torpedos befänden, womit sie ihren Feinden ungeheueren Schaden zufügen könnten, lieber einen am 2. Febr. damit angestellten Versuch aus der Rhede von Toulon liefern sie folgende Beschreibung: „Diese fürchterliche Waffe bewegt sich mittelst zusammengepreßter Luft ganz allein in der Richtung, die man ihr gibt. Ihr Lauf beträgt 10 Knoten in der Stunde; sie schwimmt auf und unter dem Wasser, je nachdem sie gestellt ist. Trifft sie mit einem harten Körper zusammen, so erfolgt eine so fürchterliche Entladung, daß selbst die stärkste» Panzerfregatten zerstört werden. Die Kosten eines solchen Torpedos, der 3 Meter lang ist und einer riesigen Cigarre gleicht, belaufen sich auf 10,000 Fr." Wenn dieß kein französischer Schwindel ist, so wird sich die deutsche Marine beizeiten Anzelruthen anschaffen. womit solche feuerspeiende Cigarren gefangen werden.
Spanien. Burgos, 10. Febr. König Alfons ist hier ein- getroffe». Der königliche Zug wurde zwischen Miranda und Haro von Carlistcn beschossen. An der Bahn stehende königliche Truppen erwiederten das Feuer, das die Carlisten daun ein stellten. Mehrere vordere Wagen wurden durchlöchert, aber Niemand verwundet.
Burgos, 1 l. Febr. Ein Eisenbahnzug mit einer Deputation aus Logrono wurde an derselben Stelle von;den Carlisten beschossen, wo auf den königlichen Zug gefeuert worden war. Wegen des hefti- gen Feuers mußte der Zug zurückgehen und in einem Tunnel Zuflucht suchen. Erst unter dem Schutze einer Bcdeckungsmannschaft von 6 Compagnien konnte die Fahrt fortgesetzt werden.
Vermischtes.
— Ein äußerst naives Schreiben, das in diesen Tagen dem Standesbeamten eines Kreises zuging, gibt einen originellen Beweis dafür, welche Anforderungen an diesen gestellt werden. „Mein lieber Herr Standesbeamte! Sie werden sich wohl erinnern, das wir vor einigen Wochen die Ehe mit Ihnen geschlossen, und daß Sie dabei in ihrer kurzen Ansprache gesagt haben, wir sollten immer des Wortes, das Sie uns gegeben haben, eingedenk sein und es in trüben wie in guten Stunden halten, wie es echten Deutschen geziemt; das war nun sehr hübsch, aber leider thut es mein Mann nicht so, als wenn Sie das gesagt hätten, denn in den trüben Stunden, die ich allein zu Hause zubringen muß, ist er nicht zu Hause, sondern geht saufen und spielen, und das darf ich als Frau doch nicht leiden, und so bitte ich Sie denn, meinen Mann oorzuladen und ihm nochmal» Alles zu sagen, was Sie uns dazumal gesagt haben und wenn es sein muß, komme ich mit. Ich denke, dann wird er doch zuletzt anders werden. Ich bin der Hoffnung, daß Sie meine Bitte thun werden und verbleibe ihre Christine N.» Ripdorf 19. Dezember." Nachschrift (wörtlich): „Sie können ihm auch öfters rufen, das er mit ihn sprechen kan, da ich glaube, daß er in ihrer Gesellschaft deun noch vil mehr sich bessert, un er jetzt in eine zu schlechte is." Die obige Christine N.
Ein junger Mann hatte mit einem Gefährten gewettet, daß er um 12 Uhr Nachts auf den Friedhof geh« und auS dem dortigen Beinhaus einen Schädel nach Hause bringe. Zehn Eimer Wein betrug die Wette. Unser Held machte sich auf den Weg, der andere eilte ihm aber vor und versteckte sich in dem Beinhause. Bald langte auch fein Gefährte an, und mit kühner Hand griff er nach einem Schädel. „Berühre nicht mein Haupt!" ertönt; plötzlich eine hohle Stimme aus einem Winkel. Der junge Mann fiel nicht ohnmächtig zusammen, und lief auch nicht davon, er setzte den Schädel ruhig auf die Erde und nahm einen andern zur Hand. Und wieder klang es mit hohler Stimme: „Berühre nicht mein Haupt!" — „Aber entschuldige doch lieber Geist", „du kannst doch nicht zwei Köpfe haben!" Er forschte der Geistesstimme nach und — hatte die zehn Eimer Wein gewonnen, t von A. Oelschläger.