Die W anderversammlung des landlo. Bezirksverei'ns in Althengstett am 2. Februar.
(Fortsetzung und Schluß.)
Von etwa 400 Kühen waren 63 zur Besichtigung aufgestellt, von denen wohl ein. guter Thcil annehmbar schöne Formen zeigte, einzelne Stücke sogar das Prädikat „ausgezeichnet" verdienten, in Beziehung auf Milchergiebigkeit aber, aus die sie von einem in diesem Fache mit seltener Erfahrung und mit einem sichern Blicke ausgestat- teten Manne, Herrn Fabrikant G. Zöppritz in Stuttgart, unter Beachtung des MilchfpiegelS, der Haut, Haare, Baues des Hinter« theils und Euters und sonstiger Zeichen untersucht wurden, konnte nur etwa dem fünften Theile ein wirklich gutes Zeugniß ausgestellt werden, und ist es wünschcnswerth, daß zunächst von diesen als milchreich erkennbar gewesenen Kühen und Kalbeln die Stierkälber aufgezogen werden, um weiterhin eine milchreiche Nachkommenschaft zu erzeugen. Die Farrenschau-Commission wird im nächsten Jahre auch diese Mut- terthiere mit ihren etwaigen Stierkälbern ins Auge fassen, von denen der Verein die schönsten prämiiren wird, und ob Atthcngstetts Ruf als Fundort von jungen Fairen, die nicht nnr den Ansprüchen an die Körperformen, sondern auch an die Milchergiebigkeit der von ihnen zu erwartenden Nachkommen entsprechen, steigen oder fallen wird, hängt einzig und allein von dem Grade der sorgfältigen Aufmerksamkeit ab, die die dortigen Viehzüchter ihrer Viehzucht in Beziehung aufsdie Auswahl der Zucktthicre widmen werden.
Die Wahl der weiblichen Zuchtthiere, mit denen der Einzelne Nachzucht treiben will, liegt selbstverständlich nur in dessen eigener Hand, bei der Wahl der Znchtstiere dagegen sprechen andere Faktoren mit, und um in dieser Beziehung auch in Althengstett den besten Modus anzubahnen, war die Frage von der Farrenhal- kung, sowie von der rationellen Aufzucht des Jungviehs auf die Tagesordnung gesetzt. Nachdem der Vereinsvorstand, Herr Oberamtmann Doll die Verhandlungen mit einem allgemeinen Hinweis auf die Wichtigkeit der Frage von der Farrenhaltung, insbesondere für Althengstett, das eine so lebhafte Viehzucht treibe, eröffnet hatte, wies sodann Sccr. Horlacher an dem Ergebniß der Vieh ausstellung nach, daß gerade in Althengstett die Frage, ob nicht in der Art der Farrenhaltung eine Aenderung zu treffen sei, von brennender Wichtigkeit fei. Es seien zwar manche sehr schöne Thiere vorgeführt worden, allein es werde doch Niemand behaupten wollen, daß das Resultat nicht hätte »noch ein viel günstigeres sein können. Der Vich- stand sei also im Allgemeinen einer Verbesserung bedürftig, und das einzige Mittel dazu sei die Farrenhaltung. Seit überhaupt die bäuerlichen Verhältnisse gegen früher ganz andere geworden, seit der Bauer den Nutzen aus seinem Gewerbe fast einzig und allein aus dem Viehstalle 'herauszuziehen angewiesen sei, weil die gänzlich veränderten Arbeiterverhältnisse den Reinertrag aus den Feldern herabgedrückt haben, sei er auch genöthigt, der Viehzucht in ganz anderem Maße, als früher, seine Aufmerksamkeit zu widmen. Dadurch rechtfertige es sich auch, daß die Farrenhaltung, dieses Hauptfundament einer guten Viehzucht, jetzt mehr als früher Gegenstand einer sorgfältigen Beobachtung und auch manch- facher Besprechungen sei. Die Nachbargemeinde Gechingen habe dem langjährigen Drängen des landwiithsch. Vereins endlich Folge gegeben und di: Farrenhaltung in eigene Verwaltung genommen; dort seien jetzt auch die entschiedensten Gegner dieser Einrichtung bekehrt, der Nutzen aber werde schon in wenigen Jahren fühlbar sein. Es gebe überhaupt vier verschiedene Arten der Farrenhaltung: 1) entweder werden die Farren von den Bauern eines Ortes ,i m Umgang gehalten; dieß komme zum Glück nur in den kleinen Gemeinden des Schwarzwaldes vor und sei entschieden verwerflich, weil die Farrenhaltung dabei dem Einzelnen nur eine Last sei. Oder werde dieselbe 2) im Ab st reich vergeben; je geringer hiebei die Entschädigung des Farrenhalters sei, um so mangelhafter werde auch seine Farren» Haltung sein. Etwas besser sei es schon, wenn 3) die Farren von der Gemeinde angcschafft und im Abstreich in Fütterung gegeben werden; hiebei werden doch in der Regel gute Thiere angeschafft, die Pflege aber werde immer noch etwas zu wünschen übrig lasten. iDas Beste und einzig Richtige sei deßhalb 4) daß die Gemeinde die Farrenhaltung in eigene Verwaltung übernehme; nur hierin liege die nöthige Garantie dafür, daß nicht nur gute und schöne Thiere ange- schafft, sondern daß dieselben auch richtig gepflegt, insbesondere so ernährt werden, daß sie gute Resultate liefern können. Um aber diese Einrichtung durchznführen, sei das erste Erforderniß, daß in sder Gemeinde Uebereinstimmung geschaffen, daß namentlich der Bürgerausschuß dafür gewonnen werde, der die Mittel dazu zu ver- willigen habe und dabei nichts weniger als knauserig sein dürfe. Plan dürfe nicht bloS an den für den ersten Anfang nöthigen Aufwand Hinsehen, sondern müsse auch an die guten Folgen denken. Der Aufwand mache sich in wenigen Jahren bezahlt, freilich fließe das Geld nicht
mehr in den Gemeindebeutel zurück, allein in dem überraschend gesteigertere Capitalwerth, den der Viehstand in etwa 5 Jahren rcpräsentiren werde, und in dem damit allgemein wachsenden Wohlstände trete der große Werth und Nutzen der besseren Einrichtung vor die Augen.
Habe man nun die ersten Schwierigkeiten überwunden» die Gegner überzeugt und einen Beschluß durchzesetzt, so sei das Nächste, dast man an die Einrichtung des Stalles gehe, lei es mittelst: Neubaus, oder mittelst Verwendung eines der Gemeinde gehörigem tauglichen Hauses, z. B. des Gcmeindescbashauses, wie in Gechingen und wie es auch in Althengstett möglich wäre. Der Stall müsst hell und geräumig sein, das Licht dürfe aber den Lhieren nicht in die Augen fallen, es müsse ein bequemer Futtergang und gehöriger Mistgang da sein, die Thiere dürfen nicht zu enge stehen, auch müsse für eine rationelle Dungstätte mit Jancheeinrichtung Sorge getragen werden. Selbstverständlich dürfe es an dem nölhigen Platze für Futter und Stroh und einer passenden Wärterwohnung nicht fehlen.
Wenn es sodann an den Einkauf gehe, so seien nur die schön^ sten Und besten Thiere anzuschaffen, die alle ihre guten Eigenschaften auf ihre Nachkommen vererben. Als die geeignetste Race empfehle sich die Simmenthaler oder eine gute Kreuzung. Nie aber lasse man sich verleiten, ein Farrenkalb einzustellen, weil an einem solchen seine künftigen guten oder schlechten Eigenschaften nie mit Sicherheit erkannt werden können, sondern man kaufe stets nur Thiere von wenigstens 3/4 Jahren, stelle auch wo möglich einen Farren mehr auf, als nach der Zahl der weiblichen Thiere eigentlich nöthig wäre, keinenfalls aber dürfen auf einen Farren mehr als 80 Kühe kommen. Welch hohen Wdrth ein ausgezeichneter Farren haben könne, gehe aus dem vor 2 Jahren von dem leider verstorbenen Obrramtsthierarzt Kalt schmiß auf der Versammlung in Gechingen erzählten Beispiel hervor, daß in England ein Farren 8 Monate lang für fl. 1000. per Monat ver- miethet worden sei. In Amerika seien in neuerer Zeit Racenthiere für 20—40,000 Dollars verkauft worden; wenn auch an solche Preise bei uns nicht zu denken sei, so liege darin doch ein Beweis, was man mit rationeller Viehzucht erreichen könne.
Das Haupterforderniß aber bei der Einrichtung eines Gemeinde' farrenstalls, ja eigentlich die Vorbedingung desselben sei: ein tüchti" ger Wärter, der mit Vorliebe und Hingebung seines Amtes warten werde. Nur bei der sorgfältigsten Pflege und aufmerksamsten Füt terung können die Thiere gedeihen und Gutes leisten. Ein solcher Wärter müsse anständig bezahlt werden, denn es sei ihm ein namhaftes Kapital anvertraut. Zu seinen Obliegenheiten gehöre auch «die Aufsicht über die Futtergewinnung, und liege sehr viel daran, daß nur gutes Futter eingebracht werde. Um die Farren gesund und lei. stungsfähig zu erhalten, müsse ihnen das allerbeste Futter vorgelcgt werden.
Endlich gehöre zur Vollendung der ganzen Einrichtung eine gute Farrenschau, damit keine unpassenden Thiere mehr zwischen-hin- eingeschoben werden. Eine solche sei übrigens im Bezirke eingeführt, hieran fehle es also nicht. Ob es aber auch nicht an dem guten Willen überhaupt fehlen werde? die Zukunft werde cS lehren. Nur bitte er, meinte der Redner, sich nicht hinter den Kostenpunkt zu verschanzen; es sei viel besser zu sagen, man wolle nicht, als man könne nicht, weil der Aufwand für den Anfang zn groß sei. Er für seine Person habe die beste Hoffnung, daß Althengstett in seinem wohlverstandenen eigenen Interesse nicht hinter den Nachbargemeindcn werde Zurückbleiben, einzelne vielleicht sogar werde überflügeln wollen und dem landwirthsch. -Verein könnte keine größere Freude bereitet werden, als wenn er im kommenden Herbste den Preis von fl. 70. an dieses alte Hengstett vergeben könnte.
— Calw, 15. Febr. Dem Vernehmen nach soll nächsten S 0 nn- tag Nachmittag gegen 3 Uhr ein Lokalzug von 'hier nach Liebenzell abgchen. So sehr es schon lange vielseitiger Wunsch war, die lange Zwischenzeit von 112 » Vorm, bis 6'« Abends, zumal an Sonntage», durch einen Lokalzug nach Liebenzell oder Untcrreichenbach unterbrochen zu sehen, so freudig wird man diese Nachricht begrüßen, um so mehr, als Hr. Bürkle z. unt. Bad, wie im nächsten Blatt angezeigt werden wird, auf diesen Sonntag Metzelsuppe u. gesellige Unterhaltung veranstaltet, wo- durch für Manche eine weitere Anregung zu einem Ausflug gegeben wird.
— Freudenstadt, 10. Febr. Die rochen Flecken, das Scharlach - fieber und die Halsbräune, welche schon so manches Opfer in unserer Stadt gefordert haben, wüthen leider auch in den Bezirks gemeinden und zwar der Art, daß in manchen Orten die Schulen geschlossen werden mußten. Es kam z. B. in dem benachbarten Dorfe D. vor, daß von 165 Schulkindern noch 5 in die Schule kamen. Der dortige Schulmeister schloß deßhalb dieselbe und ging berathend und helfend in den Häusern seiner kranken Schüler umher. Es ist manchmal ein erschütternder Anblick, wenn in einer armen Hütte aus einem Strohsack 4—5 in der Fiebergluth sich wälzende Kinder angetroffen werden.