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Schneiders, welchem bei seiner Ausweisung protokollarisch eröffnet worden war, daß er, falls er wieder hier betroffen würde, neben den weiteren Folgen eine Executivhaft von 4 Wochen zu gewärtigen habe, soll trotzdem schon einige Tage später in der Kirche zu St. Laurentius wieder Messe gelesen und Darauf, wie schon öfter, sich heimlicherweise der ihm drohenden Verhaftung entzogen haben. Dazu trat noch, wie der „Germania" aus Trier unterm 22. v. Mts. geschrieben wird, die öffentlich gegen das Gesetz ausgesprochene Renitenz, daß der größte Theil der aus der Diöcese Trier externirten Geistlichen in einer Besprechung einstimmig den Beschluß gefaßt hat, nach jeder Hinaustrans- Pvrtirung wieder auf ihre Stellen zurückzukehren und ihre Amtspflichten zu erfüllen. (Diese Mittheilung berichtigte der Berichterstatter dahin, daß die Geistlichen sich geäußert hätten, sie seien entschlossen, zurückzukehren, also ein förmlicher gemeinsamer Beschluß nicht vorliege.) Unter diesen Umständet sah sich die Polizeibehörde, um der Autorität des Staates und den Gesetzen Achtung zu verschaffen, in die absolute Nothwendigkeit versetzt, in strengster Weise auf den renitenten Caplan Schneiders zu vigiliren. Als nun die Polizei gestern erfuhr, daß Herr Schneiders sogar das Hochamt celebrirte, so mußte sie selbstverständlich gegen ein: solche Uebertretung des Gesetzes unverzüglich und möglichst energisch cinschreiten. Die beiden Herren Polizeicommissäre begaben sich daher mit 3 Gendarmen und 2 Polizeiagenten nach der Kirche. Die beiden Commissäre blieben vor der Kirche stehen und gaben ihrer vorerwähnten Mannschaft den Auftrag, hinein zu gehen und nach beendigtem Hochamt den Caplan Schneiders zu verhaften. Die sehr zahlreich anwesenden Pfarrgenossen merkten aber gleich, um was es sich handelte. Man rückte von allen Seiten dem Altäre näher und schloß denselben in so dichtem Halbkreise ein, daß .sich die Gens- d'armen und Polizisten dem zu verhaftenden Caplan nicht nähern konnten. Jetzt erst, nachdem dieß den beiden Commissaren gemeldet wurde, kamen auch diese hinzu, und während Herr Commissar Schneider die Menge auffvrderte, sich zu entfernen, suchte sich Herr Weirauch nach dem am Hochaltäre befindlichen Caplan Schneiders Bahn zu brechen. Inzwischen hatten die 3 Geistlichen, nämlich außer dem Cäplan! Schneiders auch die beiden, welche bei der Messe administrirten, ihre, Meßgewänder abgelegt. In der Nähe des Altars trat dem Commis, sar Weirauch der Bäckermeister Streng entgegen, drückte ihn mit beiden Händen und mit den Worten: „hier kommt Niemand herauf", zurück. Hr. Weirauch schob aber den Hrn. Streng bei Seite, worauf Herr Commissar Schneider denselben wegen Widerstandsleistung für verhaftet erklärte; q. Weirauch trat sodann an den Caplan Schneiders heran und verhaftete denselben. Als nun der Verhaftete abge- sührt werden sollte, entwickelte sich die oben erwähnte tragische Hauptscene. Es erfolgte ein so gewaltiger Andrang der Menge, daß die . marmorne Communivnbank, welche erst kürzlich neu beschafft war und über tausend Thaler gekostet hatte, niedergeschmettert und zertrümmert wurde. Die Polizeimannschaft wurde derart bedrängt, daß man da« Schlimmste befürchten mußte. Als endlich' Herr Commissar Weirauch rücklings ins Kniegelenk gestoßen wurde und weitere Mißhandlungen befürchten mußte, zog er seinen Degen, welchem Beispiel dann auch die gesammte Polizeimannschaft folgte. Auf die laute und wiederholte Drohung, daß man bei weiterer Wioerstandsleistung von der blanken Waffe Gebrauch machen werde, zog sich erst die Menge allmälig zurück, und der Verhaftete wurde durch die in und vor der Kirche befindliche, aus vielen Tausenden bestehende Menschenmenge nach dem Jnstiz-Arrestlokal abgeführt. Außer einigen Steinwürfen sind andere Excesse auf diesem Wege nicht vorgekommen. Daß es bei dem furchtbaren Aufruhr in der Kirche nicht ohne verschiedene Verletzungen herging, ist selbstredend. Herr Streng wurde gestern Nachmittag in seiner Wohnung verhaftet und ebenfalls nach dem Justiz-Arrestlokal abgeführt. Ferner wurden heute früh noch weitere 3 Personen wegen Widerstand in Hast genommen.
— Was die Handlungsweise des Caplan Schneiders betrifft, so kann man an derselben keine schärfere Kritik üben, als es die Berliner „Germania" — freilich ganz ohne Absicht — thut. Sie berichtet nämlich in derselben Nummer, in welcher sie den Trierer 'Vorfall mittheilt, über die Verhaftung des Pfarrers Heftrich j,i Dipperz wie folgt: „Derselbe hatte sich - der: in seine Pfarrkirche begeben und zwecks Darbringung des h. Meßopfers ang-ftngen, die Paramente anzulegen, als mau ihn meldete, daß vor der KirtheaDÜre zwei landarmen mit Leistung-besetjl sich -ungesunden hätten. Zur Vermeidung eines stören:.., ' .uflriu im Hause des Herrn begab sich Helferich., nachdem ei dir heiligen Gewänder miede- a'-gelegt. vo die K:rch: und wurde sofort in Hast genommen."
In Tionv in Posen ist der heilige Petrus erschienen und. hat die Kirchenschlüssel mitgenommen. -Die Bauern Wissens ganz gewiß und fügen hinzu, er werde die Schlüssel erst dann herausgeben, wenn der (von der Regierung eingesetzte) Probst Kubeczak nicht mehr Pfarrer sei.
Nedchirt, gedruckt und verlegt
— Wien, 4. Nov. Großes Entsetzen erregt die Nachricht von einem gestern Nachts in einem Eisenbahncoupö zweiter Classe auf der Strecke der mährisch-schlesischen Nordbahn verübten Morde. Als nämlich der Condukteur des Eisenbahnzuges in Chrepin in das Coups blickte, sah er einen Passagier mit durchschnittenem Halse liegen. Ein anderer Fahrgast, der noch auf der vorhergegangenen Station Nezamislitz bei dem Ermordeten gewesen, war verschwunden. Zs stellte sich alsbald heraus, daß hier ein Raubmord vorlag. Ter Ermordete war der Brauerei-Besitzer Ernst Kätscher aus Brimeck und stand im Alter von 68 Jahren. Der Mörder wurde in Prißnitz verhaftet; derselbe heißt Freund und ist ans Trentschin gebürtig.
Frankreich. Paris, 6. Nov. „Ropublique franyaise meldet: Die Antwort des Ministers des Auswärtigen, Herzog von Decazes auf die letzte spanische Beschwerdenole wird dem spanischen Gesandten Veja de Armijo am Montag oder Dienstag zugestellt werden. Die Antwort erörtert jeden Punkt der Beschwerde einzeln und widerlegt dieselbe mit Beweisstücken. Die Ueberwachung der französischen Grenze durch, die bewaffnete Macht wird abgelehnt, ebenso die Forderung, wegen Abberufung sranzösicher Beamter in Verhandlungen einzutreten, da diese Fragen rein interne französische Angelegenheiten seien. Die Erwiderung wird den übrigen Mächten nicht mitgetheilt werden, da bekanntlich Spanien aus diesem Schritte der Vorwurf gemacht wird, seiner Beschwerde einen internationalen Charakter gegeben zu haben. Dasselbe Journal vernimmt, der französische Gesandte v. Chaudordh hätte den Inhalt der Erwiderung in Madrid bereits mündlich mitgetheilt.
Der König von Schweden ist in der glücklichen Lage, sich über ein Uebermaß von Loyalität auf Seiten seiner Unterthanen zu beklagen. Die Eröffnungen mehrerer Eisenbahnstrecken, welche in diesem Sommer in Gegenwart des Königs stattfanden, hatten die betreffenden Städte zu einer wahren Concurrenz in Veranstaltung von prächtigen Festivitäten zu Ehren des Königs veranlaßt, die vielfach weit über das Vermögen der meistens armen Eommunen hinausgingen, theils aber auch den Beamten, welche sich an diesen Festlichkeiten bctheiligen mußten, bei ihrer kärglichen Besoldung schwere Opfer auferlegten. Der König bat in Folge dessen den betreffenden Herren officiös eröffnen lassen, daß er „nicht ohne Kummer den guten Willen und die unverkennbare Ergebenheit durch festliche Veranstaltungen von svl- chcr Pracht und Kostbarkeit sich äußern sehe, da er befürchten müsse, daß ^iele nicht ohne empfindliche Opfer daran hätte» thnlnehmen können, welche er unter keinen Umständen verursachen wolle. Nicht mit Pracht, sondern mit Herzlichkeit wünschten der König und die Königin empfangen zu werden, und sähe der König es mit Vergnügen, wenn man sowohl bei dem jetzt in Rede stehenden, wie bei künftigen Besuchen in Uebereinstimmung mit diesen Wünschen handeln werde." Ein sehr vernünftiges Wort, das auch anderswo Beherzigung verdienen dürste.
England- London, 6. Nov. Erzbischof Manning empfing gestern eine Anzahl katholischer Würdenträger und bemerkte zu denselben: Er sei vor wenigen Stunden benachrichtigt worden, daß die katholische Welt jvon 'einem Streite bedroht sei, der die Beschlüsse des vatikanischen Konzils betreffe. Es werde deßhalb ein internationaler Katholikenkongreß in London znsammentreren, um die Jnfalli- bilität des Pabstes und sein Recht auf die geistliche und weltliche Macht zn unterstützen und es für eine Pflicht aller Christen zu erklären, zur Obedienz des Papstes zurückzukehren. Die Direktiven für den Kongreß gehen direkt vom Vatikan aus, und cs werden hohe katholische Würdenträger der Versammlung beiwohnen, — Diese auffällige Nachricht wird in einem Privattelegramm der „Köln. Ztg." bestätigt und gesagt, daß England für den Zusammentritt des, Kongresses gewählt worden sei in der Hoffnung, daß die englischen Protestanten am leichtesten zu überzeugen seien Eine Versammlung vornehmer Priester habe am 6. beim Erzbischof Manning stattgefunden. Manning deutete in sehr scharfer Rede den obigen Plan an und theilte mit, daß er vor 24 Stunden die Nachricht erhalten habe, daß auch die Katholiken Englands von Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Beschlüsse des vatikanischen Konzils bedroht seien. (Damit ist die Bildung einer allkatholischen Gemeinde in London angedeutet.) Die Katholiken, sagte er, gehen einem Streite entgegen, wie er seit 300 Jahren 'nicht dagewesen. Jede Haibherzi. keir muß vermieden und unerschütterlich aus den drei dem Kongreß .onulegenden Sätzen bestanden werden,
London, 5, Nov. Bazaine ist heute mit Frau und Kindern auf einem englischen Dampfer nach Lissabon abgernst, von wo er nach Madrid, woselbst er bereits eine Wohnung gemiethet, gehen wird- Die Nachricht, daß Bazaine ^der spanischen Regierung seine Dienste angeboten habe, entbehrt der Begründung.
vmi A. Oelschläger.