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Fmanzmin. v. Renner noch mitgcthcilt, daß eine Summe von 900 Millionen an Gold geprägt worden sei, was doch weit mehr betrage, als was eingezogen oder außer Kurs gesetzt wurde, wird der Gegenstand verlassen. Zur Bestrei­tung des Aufwands für die Vollziehung des Gesetzes, betr. die Grund- und Gewerbesteuer, werden von 187370 jährlich exigirt 100,000 fl. Dieser Po­sten wird vorerst ausgesetzt Damit ist dieser Etat erledigt.

Stuttgart, ZI.Okt. In der heutigen Sitzung der Abgeordne­tenkammer interpellirte E r a t h das Ministerium der Vcrkehrsanstalten, was an dem durch die Blätter gehenden Gerüchte sei, daß die K. Re­gierung wegen UebergangS der K. württ. Post an die Reichspostver­waltung in Unterhandlung stehe oder gestanden sei? Justizmin. v. Mitrnacht als Jnterimsieiter des Auswärtigen und der Verkehrs­anstalten erwiederk, daß die bezüglichen Zeitungsnachrichten vollständig erfunden seien.

Die Baiern vermissen immer noch 1046 Monn aus dem Krieg, darunter 46 Ehemänner. Da ihre Rückkehr schwerlich mehr zu erwarten, so wird dem Landtag ein Verschollenheits-Gesetz vorgelegt.

München, 30. Okt. Die baierischen Bischöfe haben an den König eine Adresse gerichtet, worin sie denselben bitten, er möge sämmtliche noch bestehenden geistlichen Orden und religiösen Kongre­gationen durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel entschieden vor der Gefahr einer noch weiteren Ausdehnung des Iesuckengesetzes schützen.

Dresden, 29. Okt. DasDr. I." veröffentlicht die An­trittsproklamation des Königs Albert. Derselbe versichert seine auf Handhabung von Recht und Gerechtigkeit und auf Beförderung der Wohlfahrt und des Besten des Landes unausgesetzt gerichtete landes­väterliche Fürsorge, und will die Landesverfassung in allen ihren Be­stimmungen während seiner Regierung beobachten, aufrechterhalten und schützen. Sämmtliche Behörden fungiren bis auf weiteres fort. Die Staatsminister und die Kammerpräsidenten sind heute Vormittag von dem Könige empfangen und bestätigt worden. Den beiden Kam­mern wurde durch die Präsidenten der Regierungsantritt König Alberts und dessen Gelöbniß zur Aufrcchthallung der Verfassung mitgetheilt und eine Urkunde darüber in dem Ständearchiv niedergelegt. Nach einem 3maligcn Hoch auf König Albert vertagten sich die Kammern bis Montag.

Berlin, 31. Okt. Der Kaiser hat die beabsichtigte Dresdener Reise wegen einer leichten Erkältung aufgegebcn und mit seiner Stellver­tretung den Kronprinzen beauftragt, welcher sich nach Dresden begeben wird.

Berlin, 30. Okt. Die Reichsregierung beabsichtigt beim Reichstag die Verlegung des Etatsjahrs vom 1. Januar auf den 1. April zu beantragen.

Gegen die Redaktion derGermania" sind 7 Preßklagen auf einmal von der Stäatsanwaltschaft augestrengt worden. Sämmtliche beziehen sich auf eie Artikel, die im laufenden Monat erschienen sind.

Posen, 30. Okt. Die Pferde und dir Equipage des Erzbi­schofs Lcdochowski, die am 23. d. wegen einer Geldstrafe von zwei­hundert Thälern vorläufig nur mit gerichtlichem Arrest belegt worden waren, sind demselben heute exekutorisch abgepfandct worden.

Wien, 31. Okt. DieNeue freie Presse" meldet, Graf Cham- bord habe in Folge ungünstiger Nachrichten über die Restaurationsan- gelegenheit die Reise nach der französischen Grenze vertagt; Graf Chambord sei nicht zn bewegen gewesen, ein von dem fnsionistischen Unterhändler Falloux ausgestelltes Manifest zn erlassen.

Frankreich. Paris. 30. Okt., Nachts. Die meisten Mit- glieder der Neunerkommission, welche heute zu einer Sitzung zusam­mentrat, hofften bis zum letzten Aug-nblick, eine Depesche aus Frohs- dorf werde der Veröffentlichung des Chambord'schen Briefes (s. u.) Vorbeugen. Im rechten Crntrum scheint der Brief einen sehr pein­lichen Eindruck gemacht zu haben. Das linke Eentrum bat sich heute Abend in Paris versammelt und mit Einstimmigkeit eine Resolution angenommen des Inhalts, daß der Augenblick gekommen sei, aus dem Provisorium hcrauezuUelen und die konservative Republik zu organisiren.

Paris, 30. Okt. DieUnion" veröffentlicht ein Schreiben Chambord'S an Ehesnelong, dalirt von Sal burg, den 27. Oktober. Dasselbe lautet:Ich habe von Ihrem Besuche zu Salzburg so gute Erinnerungen bewahrt und bin von so tiefer Achtung vor Ihrem edlen Charakter ergriffen worden, dap ich nicht zögere, mich in lvya ler Weise gegen Sie auszusprechen, wie Sie als Ehrenmann zu mir gekommen sind. Sie heben viele Stunden hindurch mit mir über die Geschicke unseres lieben und theuren Vaterlandes gesprochen, und ich weiß, daß Sie bei der Rückkehr in der Mitte ihrer Kollegen Wv'.te ausgesprochen haben, die mich Ihnen z» ewigem Danke v rpflichten. Ich danke Ihnen, daß Sie die Beängstigungen meiner Seele so gut ver­standen haben, und daß Sie kein Hehl aus der unerschütterlichen Festig- keit meiner Entschlüsse gemacht haben. Darum war ich auch nicht erschrocken, als d:e öffcntlick e Meinung, ron einer Strömung, die ich beklage, hingerissen, behauptete, ich sei endlick einverstanden, der legi.

R-digirn gedrnck: ur.o

time König der Revolution zu werden. Ich habe als Bürgen die Zeugnisse von Ehrenmännern. Ich war entschlossen, Stillschweigen zu beobachten, so lange man mich nicht zu einer Berufung an Ihre; Loyalität zwingen würde. Aber da trotz Ihrer Anstrengungen die Mißverständnisse sich häufen, um bei Hellem Himmel meine Politik zu verdunkeln, so schulde ich die volle Wahrheil diesem Lande, von dem ich sonst verkannt^werden könnte, das aber meiner Aufrichtigkeit traut, weil es weiß, daß ich es niemals betrogen habe und niemals betrü­gen werde. Man fordert heute von mir das Opfer meiner Ehre. Was soll ich antworten? Was anders, als daß Ich meine früheren Erklärungen nicht zurückziche und in nichts beschränke. Die Ansprüche am Vorabend geben mir einen Maßstab für die Forderungen des an­deren Tages, und ich kann nicht einwilligen, ein herstellendes und starkes Reich durch eine Handlung der Schwäche cinzuführeu. Es ist Mode geworden, der Festigkeit Hnnrich's v. die Gewandtheit Hein­richs IV. entgegenzuhalten. Die mächtige Liebe, die ich zu meinen Unterthanen hege, so sagte dieser oft, macht mir alles möglich und ehrenvoll. Ich will ihm in dieser Beziehung nicht nachstehen, indeß> ich möchte wohl wissen, welche Zurechtweisung sich Derjenige zngezo- gen haben würde, der unklug genug gewesen wäre, ihm zu rathen, daß er das Banner von Jvry verleugne. Sie gehören zu der Pro­vinz, mein Herr, die ihn hat auf die Welt komme» sehen; Sie wer­den, wie ich, der Ansicht sein, daß er den Rathgeber schnell entwaff­net haben würde, wenn er mit seiner bearnischen Lebendigkeit gesagt hätte:Mein Freund, nehmen Sie meine Fahne; sic wird Sic stets, auf dem Pfade der Ehre und des Sieges führen." Man beschuldigt mich, daß ich den M nth unserer Soldaten nicht hoch genug zu schätzen wisse, und das in dem Augenblicke, wo ich nichts sehnlicher verlange, als denselben das Theuerste anzuvertrauen, was ich besitze. So ver­gißt man, daß die Ehre das gemeinsame Erbgut des Hauses Bour­bon und der französischen Armee ist, und daß man auf diesem Gebiete gar nicht umhin kann, sich zu verstehen. Nein, ich verkenne keinen Ruhmestitel meines Vaterlandes, und Gott allein hat in den Tiefen - meiner Verbannung meine Thränen des Dankes fließen gesehen, so oft sich die Kinder Frankreichs in guten oder bösen Tagen ihrer Mutter würdig zeigten. Aber wir haben ein großes Werk gemeinsam zu er­füllen, und ich bin bereit, ganz bereit, es zu unternehmen, wenn man will, morgen, diesen Abend, diesen Augenblick. Deßhalb will ich ganz bleiben, was ich bin. Heute erniedrigt, werde ich morgen mächtig sein. Es handelt sich um nichts Geringeres, als die tief erschütterte Gesellschaft wieder auf ihre natürlichen Grundlagen zu stellen, die Herrschaft der Gesetze mit aller Energie wieder herzustellen, dem Laude im Innern Gedeihen und nach außen dauerhafte Allianzen zu verschaf­fen, und besonders sich nicht zu bedenken, die Gewalt im Dienste der Ordnung und Gerechtigkeit anzuwenden. Man spricht von Bedingun­gen, aber solche hat mir jener junge Prinz nicht gestellt, dessen aufrichtige Umarmung ich mit so vieler Freude entgegengenommen habe, und von dem ich hörte, daß sein Patriotismus freiwillig zu mir kam, im Na­men aller der Scinigen mir die Versicherungen des Friedens, der Verehrung uud der Versöhnung bringend. Man will Garantien, hat man solche von jenem Ritter ohne Furcht und Tadel der modernen Zeit gefordert in jener denkwürdigen Nacht vom 24. Mai. wo man seiner Bescheidenheit die ruhmreiche Mission auferlegtc, sein Land durch eines seiner Worte als Ehrenmann und als Soldat zu beruhigen, welche der Trost der Guten und der Schrecken der Bösen sind? Ich habe allerdings nicht, wie er, den Degen auf 20 Schlachtfeldern ge­schwungen, aber ich habe 43 Jahre hindurch de» heiligen Schatz un­serer Traditionen und Freiheiten unversehrt bewahrt. Ich habe daher das Recht, auf dasselbe Zutrauen zu rechnen, ich muß dasselbe Gefühl der Sicherheit einflößen. Meine Person ist nichts, mein Princip ist Mrs. Frankreich wird da« Ende seiner Prüfungen sehen, wenn e« Das begreifen wird. Ich bin der nothwrndige Lotse, der einzige der im Stande ist, das Schiff in den Hafen zu lenken, weil ich die Mis­sion und die Autorität für diese Aufgabe habe. Sie vermögen viel, mein Herr, um die Mißverständnisse zu zerstreuen, um der Fahnen­flucht in der Stunde des Kampfes Einl alt zu thun. Ihre tröstenden Worte, die Sie sprachen, als Eie von Salzburg abrcislen, treten im­mer von Neuem in meine Erinnerung: Frankreich kann nicht zu Grunde gehen, denn Christus liebt noch seine Franken, und wenn Gott beschlossen hat, ein Volk zu retten, so wacht er darüber, daß das Scepter der Gerechtigkeit nur in solche Hände gelegt wird, die stark genug sind, es zu tragen.

Versailles, 31. Okt. DieNgence HavaS" meldet: In Folge des Briefes des Grafen von Chamb-rd scheint die Absicht der Proklamirnng der Monarchie völlig aufgegebcn zu sein Brau ver­sichert, daß die konservativen Fraktionen darin einig seien, die Ver­längerung der Vollmachten Mac Mahons zu beantragen. Die Bn- reanx der Rechten werden heute Abend m Paris zusammentieten.

rerlegt von L. LelschlSger.