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Machtverhältnifse bloß mit Rücksicht auf die Leistung für den Bund stellt sich mithin ein Uebergewicht von 2 Dritttheilen für erstere heraus. Nach den Territorien gerechnet sind etwas über 6000 Quadratmeilen durch die Majoritätsregierungen, nach der Einwohnerzahl durch erstere etwas über 9,000,000 dnrch letztere etwas über 2,000,000 vertreten. In jedem Sinne ist daher das Votum der Majorität über die Mehrheit von 3 Glimmen hinaus den Ausschlag gebend, und das um so mehr, als ja auch d-^imt „Nein" stimmenden Staaten, wie wir fest überzeugt sind, keinen Anstand nehmen werden, den Bundesbeschluß zu vollziehen. Denn ein anderes ist es, gegen einen Antrag stimmen, und ein anderes, ihn nicht anerkennen, wenn er zum Beschlüsse erhoben ist
— Einer Deputation seiner Wiener antwortete Kaiser Franz Joseph: „Ich habe alles gethan, um den Frieden und die Freiheit Deutschlands zu erhalten, aber es ist mir von allen Seiten unmöglich gemacht worden. Es ist dieß der schwerste Augenblick seit meinem Regierungsantritr. Ich greife nun zum Schwerte."
— Wien, 17. Juni. Die russischen Eisenbahnen siud auf den Transport großer Truppenmassen und Geschütztrains vorbereitet. Längs der rusfisch-galizischen Grenze sind Verpflegungsmagazine eingerichtet.
— Wien, 16 Juni. Die von den preußischen Offiziösen verbreitete Nachricht, daß General Manteusfel den General Gablenz zur Bildung einer gemeinschaftlichen Regierung aufgefordert, ist unbegründet General Manteusfel hat die Regierungsgewalt einfach an sich genommen.
— Köln, 16. Juni Ein Extrazug mit Eisenbahnschienen ist nach Hannover abgegangen, um die zerstörten Eisenbahnen wieder herzustellen. Die Preußen sn >.n dem bei Stade koncentrirt gewesenen hannöver'schen Korps den Rückzug abzuschneiden.
— Berlin, 16. Juni. Preußen hat gestern den Regierungen Sachsens, Hannovers, Kurhefsens und Nassaus ein Friedensbünd- niß unter folgenden Bedingungen angeboren: 1) Die betreffenden Regierungen setzen ihre Truppen auf den Friedensstand vom 1. März; 2) die Regierungen stimmen der Parlamentsberusung zu und schreiben gieickzeitig mit Preußen die Wahlen aus; 3) Preußen gewährleistet den Kontrahenten ihre Gebiete und Souveräne - tätsrechte gemäß den Reformvorschlägen vom 10. Juni. Dieser Antrag wurde von allen obengenannten Regierungen abgelehnt.
— Berlin, 16. Juni. Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Zwischen mehreren Regierungen der Bnndesminorität und Preußen bildet sich bereits ein Einverständniß über Begründung einer neuen Union und die Parlamentsberufung.
— Berlin, 16. Juni. Im „Staats-Anzeiger" wird gesagt: „Die Zeitungen enthalten die Nachricht, der Herzog von Coburg nehme unter Len deutschen Fürsten, welche für die Rechte Preußens einzutreten Willens sind, eine hervorragende Stelle ein. Wir folgen unserer Pflicht, wenn wir Ließ konstatiren und bemerken, daß der Herzog von Coburg sich mir großer Entschiedenheit und Festigkeit gegen den österreichischen Mobilifirungsantrag ausgesprochen." — Ferner sagt dasselbe Staatsorgan: Kurheffen und Hannover ließen dem Vernehmen nach Eisenbahnen und Te- legraphen-Linien in ihren Staaten unterbrechen Dieß allein zeigt, wie unmöglich es für Preußen war, gegenwärtig Liese Länder, welche die einzelnen Theile der Monarchie trennen, als zweifelhafte und auf Beschluß des Bundes rüstende Nachbarn im Rücken zu behalten. Nachdem Hannover für die Mobilisirung des Bundes gestimmt, war cs Preußen unmöglich, anders zu handeln als geschehen. Die Regierung von Hannover hat dem Lande gegenüber die Verantwortlichkeit zu tragen, daß sie einen Neutralitätsvertrag mit Preußen zurückzewiesen und die österreichische Bundesginosscnschaft vorgezogcn hat.
— Berlin, 16. Juni. Der Pr. Staalsanz veröffentlicht eine Proklamation, welche von den preußischen Truppen auf fremden Gebieten zur Berubigung der Bevölkerung verbreite: werden wird. Die Proklamation, in heftigster Weise sich gegen den Bund aus- sprechend rekapitnlirt die Vorgänge der letzten Tage am Bunde und sagt bezüglich des letzten Schrittes, welchen Preußen nach der vorgestrigen Abstimmung am Bunde gethan, Folgendes: „Preußen hat Len Regierungen ein neues Bündniß auf den Bedingungen des gegenseitigen Schutzes und der Theilnahme an den
illedigirr, gedruckt und vcrl
nationalen Bestrebungen angeboten. Es verlangte nichts, als die Sicherung des Friedens und zu diesem Behufe die sofortige Berufung des Parlamentes. Seine Hoffnung auf Erfüllung dieses gerechten und mäßigen Verlangens ist getäuscht worden. Das Anerbieten Preußens ist abgelehnt und letzteres damit genöthigt worden, nach der Pflicht der Selbsterhaltung zu verfahren. Feinde oder zweifelhafte Freunde kann Preußen an seiner Grenze und zwischen seinen Grenzen in einem solchen Augenblicke nicht dulden. Indem die preußischen Truppen die Grenze überschreiten, kommen sie nicht als Feinde der Bevölkerung, deren Unabhängigkeit Preußen achtet und mit deren Vertretern es in der deutschen Nationalversammlung gemeinsam die künftigen Geschicke des deutschen Vaterlandes zu berathen hofft. Möge das deutsche Volk im Hinblick auf dieses hohe Ziel Preußen mit Vertrauen entgegen- kommen und die friedliche Entwicklung des gemeinsamen Vaterlandes fördern und sichern Helsen!"
Schweiz. Bern, 16. Juni. Nachrichten aus Deutschland veranlagten den Bundesrath zur Sendung eines ferneren Bataillons aus St. Gallen und einer Scharfschützenkompagnie aus Glarus nach Graubüudten, sowie zum Erlaß einer Verordnung über Handhabung der Neutralität und zu neuer Instruktion an Oberst Salis.
Italien. Florenz, 17. Juni Abends. Der König und Lamarmora sind diesen Morgen zur Armee abgegangen. Der Marineminister Angioletti ist gleichfalls abgereist, um den Oberbefehl über seine Division zu übernehmen.
Frankreich. Paris, 19. Juni. Der Moniteur meldet die offizielle Kriegserklärung Preußens und Italiens, an Oesterreich. Das italienische Ministerium unter Ricasoli ist definitiv konstituirt.
Türkei. Bukarest, 16 Juni Fürst Karl 1. ist an der Spitze von 60,000 Rumänen nach Kalefat abgegangen, um Omer Pascha's Einmarsch in die Donaufürstenthümer, welcher mit 80,000 tückischen Soldaten an der Donau zum Einmarsch bereit steht, zu Verbindern. Der Fürst hat eine Proklamation erlassen, worin er sagt, daß er die Größe der Gefahr kenne, in die er sich begebe, Laß er aber sein Leben opfern wolle für die Fürstenthümer.
(Ein Verdammuugsurtheil über die preußische Politik.) Indem der in Paris erscheinende „Temps" darauf hinweist, daß Hr. v. Bismarck zu Werke geht, als ob er bereits alleiniger Herr in Deutschland wäre, hebt er namentlich auch hervor, daß sein offiziöses Blatt unter seinen Rubriken nicht einmal mehr das Wort Deutschland aufführt, sondern von einer „Mitteleuropäischen Staatengruppe" spricht „Das ganze System", fügt de: Temps bei, „offenbart sich durch Liese Veränderung. Es gibt kein anderes Deutschland als Preußen und das, was sich Preußen anne- xiren kann. Der ehemalige Deutsche Bund ist eine Anhäufung ohne Namen, ein unbestimmter Haufen von Bevölkerungen geworden, eine disponible Masse, eine einfache Materie zu Annexionen und Entschädigungen. Diese Staaten sind sogar nicht mehr deutsch; sie sind einfach europäisch, und diejenigen allein werden wieder ihre deutsche Nationalität erlangen, die sich von Preußen absor- biren lassen! Wenn Deutschland diese Verachtung erträgt, so bat man nichts weiier zu sagen; alsdann hat es sie verdient."
Unser Trost.
Nur nicht klagen, nicht verzagen!
Gottes Güte reichet weit,
Weiter als in diesen Tagen Aller Menschen Zwist und Streit.
Ob beschicken Krieg, ob Frieden — e
Nur was Gott will, wird gescheh'n:
Recht und Freiheit kann hienieden Mit der Menschheit nur vergeh'n.
Laßt uns leben treu ergeben Dem, was Gott uns zeigt als Ziel!
Menschenglück und Menschenleben Ist kein Krieg und Waffenspiel.
Schloß Corvey, 10. Juni 1866.
Hoffm ann v. Fallersleben.
von A Dctsch Inzer.