263
Rödinger, Schott und Streich gestellte Antrag: „Die K. Staatsregierung zu bitten, dahin zu wirken, daß eine engere Verbindung der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, gestützt auf eine gemeinschaftliche Vertretung, zu Stande komme", mit 51 gegen 32 Stimmen (unter- letzteren, also für den Antrag, die unseres Abg. Hrn. Schuldt) abgelehnt. Föderalist Becher weist nach, daß die Trias entweder zur Drei- oder zur Zweitheilung Deutschlands führe. Zur Dreitheilung, wenn die Triasstaaten für sich bleiben, zur Zweitheilung, wenn, was man durchaus nicht hindeni könne, Oesterreich sich am Rumpfparlament betheilige. In gleichem Sinn spricht Fetzer, wohingegen Rödinger für die dritte Gruppe schwärmt. Auch Schott, den man sonst nicht auf dieser Seite sah, zieht für die Triasidee zu Felde und erinnert an den Zollverein, der eine Segnung für Deutschland sei, der sich auch ursprünglich auf Württemberg und Baiern beschränkt habe, und jetzt noch nicht ganz Deutschland umfassen rc. Ein weiterer Antrag Oesterlen's und Gen. lautet: die Kammer wolle das dringende Ansinnen an die Regierung richten, „die Organisation unserer Wehrkraft im Sinne des Volkswehrsystems neben vorläufiger Beibehaltung der stehenden Truppenkörper cinzuleiten". Hiezu stellt Schott das Amendement: „die Regierung zu bitten, sie wolle die Umgestaltung des Heerwesens im Sinne des Volkswehrsystems zum Gegenstand umfassender und gründlicher Prüfung machen, und das Ergebniß derselben, womöglich mit einem Gesetzesentwurs dem nächsten Landtage vorlegen." Dieses Amendement wird von der Kammer nach längerer Berathung angenommen und fällt dadurch Oesterlens Antrag. Streich stellt mit Rücksicht auf den Vorgang der badischen Kammer den Antrag, unsere Regierung möge mit denen der Nachbarstaaten über gleichmäßige Behandlung des Gegenstandes in Verbindung treten. Später zieht er jedoch diesen Antrag wieder zurück. Mohl sucht zu beweisen, daß das ganze Gerede von Volkswehr lauter Unsinn ist und verschwommenen Vorstellungen entspringt. Er weiß gewiß, daß wenn mau dem Volk diese Geisel aufbinden wollte, ein Aufstand (!) unausbleiblich wäre. Probst gibt zu, daß im Frieden das Konskriptioussystem kein Unrecht sei, aber von dem Augenblicke des Ausmarsches an sei dieses System ein abscheuliches Unrecht. Uebrigens könne er sich weder für das preußische noch für das schweizerische System entscheiden. Cs sei denkbar, daß es ein drittes für unsere Verhältnisse passenderes gebe. Doch sei der jetzige Augenblick nicht geeignet rc. Kriegsminister v. Ha,rdegg sagt u. A. Das württembergische Heer stehe nicht im Gegensatz zum Volk, es fühle sich im Gegentheil eins mit diesem, und würde sich nicht zu verfassungsfeindlichen Absichten, die übrigens nirgends vorliegen, gebrauchen lassen. Auch sei es keine Waffe des Despotismus, wie Fetzer behaupte, weil wir keinen Despotismus haben. Ein bewaffneter Nimm sei noch lange kein Soldat nnd ein Zusammenlaufen von ein paar bewaffneten Haufen noch lange kein Heer. Es bestehen große Jrrthümer betreffend die Wohlfeilheit des Volksheeres. Diese Jrrthü- mer seien hervorgerufen durch Kolbs Statistik, deren Angaben ungenau und mangelhaft seien, nnd namentlich die außerordentlichen und individuellen Kosten nicht in Berechnung ziehe. Er sei der Ueberzeu- gung, daß das reine Milizsystem für unsere politischen, socialen und geographischen Verhältnisse nicht tauge. Allerdings lasse sich ein stärkeres Heer auch auf anderem Weg erreichen, durch große Kadres rc. Hiezu gehöre aber vor Allem die militärische Erziehung der Jugend fern von aller Kadettenspielerei und eine Milstärsteuer für alle, welche ihre Dienstpflicht nicht persönlich leisten. Er würde gern Alle in's Heer stecken, aber Deni stehen sociale und finanzielle Bedenken entgegen. Er werde sich jedoch mit dieser wichtigen Frage gründlich beschäftigen und ernstlich den Versuch machen, auf rationellem Wege ihre Lösung in einer das Wohl des Landes mit den militärischen Interessen versöhnenden Weise herbeizuführen. — In Verbindung mit Oesterlens Antrag, der Regierung dringend anzusinnen, die längst geforderte Reform der Verfassung ohne Verzug in Ausführung zu bringen, kommt zur Berathung der Bericht der staatsrechtlichen Kommission über Fe- tzers Antrags betreffend die Wiederherstellung der Grundrechte. Der Antrag der staatsrechtlichen Konimission (Berichterstatter Hölder) lautet: Hohe Kammer wolle die A. Staatsregieruug um beschleunigte Einleitung der wiederholt erbetenen zeitgemäßen Revision der Verfassung und um baldige Einberufung des nächsten ordentlichen Landtags zu Entgegennahme und Berathung der hierauf bezüglichen Vorlagen dringend ersuchen. Dieser Antrag wird nach kurzer Berathung mit 71 gegen 9 Stimmen (Ritterschaft und Geistlichkeit) angenommen.
Endlich interpelliren Mittnacht und Sarweyjden Minister von Varn- büler wegen der Einstellung der Eisenbahnbauten. Er ist sogleich zur Antwort bereit und sagt: Der Personenbahnhof in Stuttgart werde ausgebaut bis aus solche Theile, die nicht absolut nöthig seien, z. B. die eigene Gasanstalt, eine zweite Halle rc., ebenso der Güterbahnhof. Was den Bau der Eisenbahnlinien betreffe, so müsse man hier unterscheiden. Die Vorarbeiten gehen ungestört fort, Studien, Ueberschläge bis ins Detail und Grunderwerbungen werden nicht sistirt. Bezüglich der zum Ausbau bestimmten Bahnen seien die Akkorde abgeschlossen und an deren Ausführung sei die Regierung gebunden. Wo sie übrigens von Verträgen zurücktreten könne, sei dieß geschehen. Er habe bisher an die Akkordanten behufs rascherer Ausführung der Arbeiten Vorschüsse gewährt, dieß werde er nicht mehr thun, daher die Arbeiten naturgemäß auch langsamer vorschreiten werden. Folge hievon sei, daß manche Linien, z. B. Hall-Crailsheim, vielleicht '/- Jahr später eröffnet werden. Andere, weit vorgeschrittene Linien, z. B. Golds- höfe-Crailsheim, Heilbronn-Jaxtfeld und Eyach-Horb erleiden keine Verspätung. Bei den in Angriff zu nehmenden Linien seien alle Vorarbeiten fertig. Er werde an diesen auch kleinere Vorarbeiten vornehmen lassen, um zu konstatiren, daß sie begonnen feien, und um das Gesetz wenigstens theilweise auszuführcn. Wenn er unter relativ günstigen Bedingungen Geld bekomme, so werde er also im Bauen fortmacheu, weil er viel billiger bauen, eine Menge Arbeiter in schwerer Zeit beschäftigen und allzugroßer Entmuthigung steuern könne. — (7. Sitzung am 7. Juni.) — v. Neurath beantwortet die Interpellation Oesterlens wegen der Justtzsetzgegebungsreform. DieEntwürfe über die Gerichtsorganisation und die Strafprozcßordnung liegen vor dem Geheimeurath zur verfassungsmäßigen Begutachtung. Die Civilpro- zeßordnung sei noch nicht so weit vorgeschritten, weil sie von den Arbeiten in Hannover abhänge. — Der Finanzminister v. Renner beantwortet die Interpellation des Frhrn. v. GUltlingcn wegen Einstellung der Waldarbeiten. Es seien, sagt der Minister, nur die Holzfällungen beschränkt worden. Die Kulturen nnd' Wcgbauten gehen vorwärts, wenn die Voranschläge einer nochmaligen Prüfung unterworfen seien. Folgt nun die Berathung des Berichts der staatsrechtlichen Kommission über die Bitte der Amtsnotare des Landes um Gleichstellung mit den Gerichtsnotaren in Bezug auf die Staatsdienerverhältnisse. Kommissionsautrag: der K. Regierung die Bitte zur Erwägung mitzutheileu. Antrag von Hölder und Gen. lieber ang zur Tagesordnung im Hinblick auf die bevorstehende Organisation, bei welcher diese Frage ohnehin zur Sprache kommen werde. Letzterer Autrvg wird angenommen. — Folgen noch Petitionen. Die Abgeordneten Schuldt, Cavallo, Walter v. Fr. und v. Gültlingen nehmen nochmals Anlaß, die dringende Bitte anszusprecheu, daß im gegenwärtigen Augenblick die Arbeiten in den Waldungen nicht nur nicht beschränkt, sondern sogar ausgedehnt werden. Aus den Erklärungen des Abg. Cavallo geht hervor, daß die Arbeiten in den Waldungen eben doch eingestellt waren. — (Heber die 8. und letzte Sitzung, sowie über den am 8. Juni Nachmittags 3 Uhr erfolgten Schluß des Landtags werden wir im nächsten Blatt Mitthei lung machen.)
— Wenn es nur erst znm Löss chla gen käme! ruft so Mancher auch unter den Geschäftsleuten aus; der gegenwärtige Zustand der Unentschiedenheit ist unerträglich; ist der Krieg erst da, dann wird es bester! Was soll denn besser werden? Darauf fehlt jede befriedigende Antwort. Freist o wer glaubt, der Krieg werde nur von kurzer Dauer sein, der mag den baldigen Ausbruch desselben herbeiwünschen; aber wer weiß denn, daß das Kriegswetter rasch vorüberziehen, daß mit ein paar Haupticblägen Alles entschieden sein werde! Ist denn die eine der kämpfenden Parteien von vorn herein der andern so weit überlegen, daß man unbedingt auf raschen Sieg derselben rechnen kann? Weder wird Benedek so schnell nach Berlin kommen, noch werden die Preußen so leicht in das Herz Oesterreichs Vordringen oder Leu Sü- > den Deutschlands bezwingen können. Der Kampf wird jedenfalls ein sehr hartnäckiger werden. Und mit dem Kampf wird die Erbitterung wachsen und dadurch eine baldige Nückkcbr zum Frieden erschwert werden. Ertragen wir den allerdings unbehaglichen gegenwärtigen Zustand so lange wie möglich; vielleicht findet sich doch noch ein Weg zu friedlicher und billiger Ausgleichung. Tie Schrecken des Krieges kommen immer noch zeitig genug.
— Karlsruhe, 8. Juni. In der heutigen Sitzung der zwei