423

und der großen Mehrheit seiner Vertreter anerkannte Selbst­bestimmungsrecht der Herzogthümer verstoßt;

2) die gleiche Gefahr der Vergewaltigung und der Theilung droht auch dem übrigen Deutschland, wenn es nicht in dem klaren Rechte der Herzogchümer sein eigenes Recht und seine eigene Existenz mir allen ihm zu Gebot stehenden Mitteln

schützt;

3) das einzige wirt>ame Schutzmittel gegen diese uns drohende Schmach ist die Vereinigung aller Mittel- und Kleinstaaten unter einem vom Volk gewählten Parlament mit einer von diesem einzusetzenden Centralgewalt, der die ganze Wehrkraft des Volkes zur Verfügung stehen muß. Es ergeht daher

4) an unsere Regierung die dringende Aufforderung', in richti­ger Auffassung der auch ihr drohenden Gefahr der Einberu­fung des Parlaments allen möglichen Vorschub zu leisten, und mit den übrigen Regierungen der Mittel und Klein­staaten sich dicserhalb alsbald ins Einvernehmen zu setzen;

5) aber erwarten wir von dem Abgeordnetentage, der am 1. Oktober in Frankfurt zusammentritt, daß er selbstständig auf ungesäumte Einberufung des Parlaments gerichtete Beschlüsse fassen, zn deren Ausführung einen Ausschuß bestellen, thigensalls aber sich als Vorparlament constituiren werde;

6) spricht die Versammlung gegen den Abgeordneten des Bezirks die Erwartung aus, daß er sich an dem Abgeordnetentage betheiligen und für Ausführung obiger Beschlüsse thätig sein werde.

Diese Erklärung sott sowohl durch die Presse weitere Der- breitu.lg finden, als auch dem Abgeordneten des hiesigen Bezirks, sowi dem Ausschuß des Abgevrdnetentagcs (zum geeigneten Ge­brauch beim Zusammentritt des Abgeordnetentages am l. Okt.) zugestellt werden. Nachdem noch Hr. E Georgii seine ihm während der Verhandlung gekommenen.Gedanken entwickelt hatte, nament­lich der von den Nationalvereinsmitgüevern vertretenen Ansicht, daß es am Besten wäre und wir am Schnellsten zur deutschen Einig­keit gelangen würden, wenn die deutschen Großmächte die Mittel­und Kleinstaaten einsacken würden, eutgegengetreten war, indem er weder von dem preußischen Junkerstaate, der neuerdings eine so eigenthümliche Rechtssphäre betreten, noch von dem jesuitischen und zerrütteten Oesterreich eingesackt werden möchte schloß Hr. E. Horlacher die Versammlung, dankend für den zahlreichen Be­such uno mit der Bitte an die Anwesenden, daß Jeder in seinem Kreise dafür wirke, daß das Interesse am politischen Leben immer lebhafter und derartige Versammlungen wo möglich immer noch zahlreicher besucht werden.

Calw, 15, Sept. Gestern Mittag verunglückte hier durch das Schießen bei einer Hochzeit ein braver junger Mann, der durch seine Umsicht im Geschäfte des Vaters, eines Wagners, eine wesentliche Stütze desselben war. So viel man hört, war das Gewehr hohl geladen, wodurch der Schuß von der zwischen dem Pulver und dem Psripsen eingepreßten Luft nach hinten getrie­ben wurde, derselbe Las Gewehr zersprengte, und dem Unglückli­chen einen Theil der linken Hand (Daumen und Ballen- total, den Zeigfinger bis aus eine Sehne abriß, so daß derselbe auch vollends abgeschmiten werden mußte, der übrige Theil der Hand aber so zusammengerissen wurde, daß es noch'zweifelhaft ist, ob die gemachten Versuche, denselben zu erhalten, von Erfolg sein werden. Der Verunglückte war Soldat. Möchte dieser und ähn­liche traurige Fälle unsere Jugend doch immer mehr von dem leidigen Schießen bei terartigen Gelegenheiten abhalten, denn ge­wöhnlich trägt bei solchen Unglückssällen die Hast, womit in der gebotenen kurzen Zeit möglichst viele Schüsse abgefeuert werden wollen, die größte Schuld!

Der provisorische Cbes des Finanzdeparlemcnls, Staatsrath

v. Renner, wurde von Sr. König!. Majestät znm Finanzminister ernannt. (St A)

Stuttgart, tO. Sept. Dem Vernehmen nach hat Herr v. Reinhardt, schon seit längerer Zeit leidend, um seine Enthebung vo» der Stelle eines Bundestagsgesaudten angesucht und seine Versetzung in den Ruhestand erhalten. Herr v. Linden ist, wie verlautet, zu dessen Nachfolger ernannt.

Gie ngen, 12 Sept. Der gestrige Tag ^brachte durch ein höchst bedauerliches Unglück einer hiesigen bürgerlichen Familie Plötzliche Trauer. Zwei Knaben von 9 und 11 Jahren hatten sich zum Besuch von Verwandten in das benachbarte Torf Brenz begeben und ertranken dort beide beim Baden im Flusse.

Offenbach, 11. Septbr. Heute fand hier ein Aufruhr statt, der an 6 Stunden währte und Tausende von Menschen zur Theilnahme zählte. Ein Kaufmann, der, wie man sagt, einer Zuhälterin zu lieb seine junge Frau nach Amerika geschafft hatte, wurde bei seiner Rückkehr nach Offenbach mit Katzenmusik und Steinwürfen empfangen und bis in sein am Markt gelegenes Haus verfolgt, vor dem sich eine ungeheure Menge Tumultuan­ten zusammeuroitete, welche die Fenster einwarfen, seinen Tabaks­laden plünderten und Alles umherwarfen. Die Polizei war zu schwach, dem Sturm zu wehren und erst nachdem Militär mit scharfgeladenem Gewehr den Platz einschloß und der Verfolgte in Begleitung vo» mehreren Gendarmen in geschloffenem Wagen Offenbach verließ, wurde die Ruhe hcrgestellt.

Leipzig, 11. Sept. Etwa 200 Bäckergesellen aus Leipzig und Umgegend haben von ihren Arbeitgebern eine Lohnerhöhung um 25 Prozent, sowie die Abschaffung der bisher üblichen An­rede mitDu" verlangt; im Falle der Verweigerung ist eine Strile in Aussicht gestellt.

Berlin, 11, Sept. Tie Jndependance will wissen, daß das französische und englische Kabinet bei der Entgegennahme der Gastein. Salzburgischen Konvention konstatirr haben, daß die­selbe nur ein Provisorium vor Augen habe, gleichzeitig sollen beide Kabinete der Hoffnung Ausdruck gegeben haben, daß die Konvention für das Desinitivum nicht maßgebend sein würde.

Berlin, 13. Sept. Das Ministerium beschloß die strengste Verfolgung der Mitglieder des deutschen Abgeordnetentags, wenn solche eine der Gasteiner Konvention feindliche Kritik aussprechen würden. Auf Anregung Preußens beschlossen die Großmächte, keinerlei Collecten in den Herzogthümern zu dulden, was nament­lich gegen die Beschlüsse der Versammlung in Neumünster gerich­tet erscheint.

Mohrungen (Preußenl, 11. Sept. Heute früh wur­den 17 wegen Beleidigung des Ministeriums angeklagtc Abgeord­nete freigesprockcn, 7 derselben in coiwumaciam.

Wien, 10. Sept. Der hiesige Korrespondent derKarls. Ztg." schreibt: Ten eine Zeitlang in Umlauf gesetzten Mitlhei- lungen, daß die Gasteiner Convention auch geheime Artikel habe, ist von beiden betheiligten Seiten schon mehrfach der bestimmteste Widerspruch entgegcugestellt worden. Wir glauben indeß zu wis­sen, Laß neben der veröffentlichten Konvention noch ein Protokoll existirt, in welchem beide Kontrahenten die Verpflichtung überneh­men, zu einer gegebenen Zeit über das Desinitivum in den Her­zogtümern in Verhandlung zu treten, und dieses Pretokoll würde wesentlich deßhalb eine Bedeutung in Anspruch zu nehmen haben, weil es die Fortsetzungen des Wiener Friedens, und nur sie, als die Basis der künsligen Verhandlung aufstcllcn soll. Dem Vernehmen nach befindet sich die Summe (D/- Mill. Reichsbank- thaler). welche Preußen konveutionsmäßig für die Abtretung der österreichischen Rechte auf Lauenburg zu zahlen gehabt, bereits in Wien. Das Haus Rothschild hat dieselbe escomptirt.

Wien, 12. Sept. Der neue Statthalter für Holstein, Frhr, v. Gabelenz. erläßt bei seinem Amtsantritt eine in hiesiger Staatskanzlei redigirte beruhigende, den provisorischen Charakter der gegenwärtigen Verwaltung in Holstein hervorhcbende Prokla­mation.

In Wien spricht man, mach derRhein Ztg.", davon, der preußische Gesandte habe die Wiener Regierung ausgefordert, bundespolizeiliche Maßregeln gegen die Abhaltung, des Abgeord- netentages in Frankfurt zu ergreifen. Das Wiener Kabinet habe jedoch eine ausweichende Antwort ertheilt, um vielleicht Hrn. v. Bismarck die Sorge sür die Niederhaltung der Frankfurter Manifestationen gegen die Convention zu überlassen. Der Kai­ser heißt es hagegen weiterhin theilt alle jene Ansichten hochkonservativer norddeutscher Monarchen und Staatsmänner, welche den Parlamentarismus der süd- und westlichen Staaten Deutschlands, ihre Presse, Vereinswesen, Universitäten rc. als