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Ein anderer Teil.
Ci» Bild aus dcui WHdreckebcn.
(ste'lvetzuii.i.)
Eine lange wunderliche Pause felgte. Eine unheimliche Stille Wat ein. Endlich war es wie das dumpfe Durcheinander von streitenden Stimmen — Uli glaubte ein und das andere Mal tae Rufen seines Paters zu vernehmen — ja cs schien zuletzt, als ob der Pater deutlich: „Uli, rette Dich!" riese
In rtsoluter Sckützenstellung Pcstirle sich daher der Knabe hinter einen Baum und legte das Gewehr an; da ihm aber der Pater immer noch und schon viel zu lange ausblieb, und die Abenddämmerung rasch überhand zu nehmen begann — nat er kurz ent schlossen, mit gespanntem Hahn hervor und ging spähenden Auges und Schritt für Schritt den Büschen näher
deicht ein Laut ließ sich mehr Horen. Selbst kein Pogel in den Zweigen flatterte. Uli hörte nur seine eigenen Schrille, und wenn er anhielt, die Pulse seiner Schläfe
Jetzt hatte er die Stelle erreicht, wo das dichte Gebüsch am Fuße des Grauhorn begann, und wo der Vater vorhin verschwunden war. Uli hielt mit gesenkten, Gewehrr hier einen Angcnbick an, um zu horchen, ob sich nicht wieder ein Ruf des Vaters hören lasse; allein nichts, kein Laut Jetzt erhob Uli seine Stimme und mit dem durchdringenden Ton eines Alpenjodters gab er dem Vater ein Jägerzeichen fliuer Rahe . . . Aber es bli b ohne Er wiederung — dieselbe Stille wie vorher trat ein — und Uli. von Sorgen ergriffen und unerschrocken, wie es Volkh's Söhnlein ziemte, wollte eben tiefer ins Gebüsck treten and forschen, als aus einmal zu
wider zu viel Geräusch entstand, zwei Männer rechts und links aus! den Gebüschen sprangan und mit dem Rufe „Komm zu Deinem Vater!" mit Blitzesschnelle den Knaben packten, cntwafsneteu und zu Boden rissen Und obwohl er sich tarfcr wehrte, biß und schrie, war er doch bald gebunden und hilflos aufgehoben, um tiefer in das Gebüsch getragen zu werden. Hilfe rufen konnte er nicht mevr, da ihm ein Knebel im Munde befestigt war — aber hören konnte tr, was die zwei Wilderer während des Marsches sich mit grimmiger Schadenfreude zuriesen „Wir haben den Jungen und den Allen," sagten sie, „jetzt werden wir die ganze Brut los, sie hat es schon zu lange getrieben!"
Nun wußte Uli auf einmal, was auch des Vaters sei. Auch er war offenbar im Gebüsch überfallen, entwaffn geknebelt worden; sein letzter Ruf war: „Mein Uli, rette Dich!
— und jetzt lag er wahrscheinlich mit geschloßenem Munde ia einer instern Höhle — nm gemeinsam mit seinem Knaben eines qualvollen Todes zu sterben . . .
Tie Augen des Knaben schlossen sich einen Augenblick, als schiene er dem furchtbaren Schicksal nicht ins Angesicht schauen zu können, schlaff wie bei Tobten wurden seine Glieder und die bärtigen Träger mußten den schlanken Leib besier fassen, um ihn rasch weiter bringen zu können . . .
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Wer je Gelegenheit hatte, den aus bewaldetem Hügelland von drei Seiten allmälig und gegen Westen hin schroff ansstcigenden Grauhorn zu besteigen, der wird sich einer Stelle erinnern, welche ihn wie jeden Reisenden plötzlich überraschte und mit unauslöschlichem Entsetzen erfüllte. Man gelangt zu dieser Stelle von Osten her ohne sonderliche Anstrengung und aus dem angenehmsten Wege. Der Grauhorn bildet nämlich gleich der Arckitektonik eines gothi- scheu,Thurmcs nach umfangreichem Unterbau einen Absatz und führt dann seine Erhöhung aus engere Basis weiter aus. Mann hat diesen Theil des Berges auch den „Thurmgang" oder die „Galerie" genannt, weil er dem Reisenden, der hier eine sehr schöne Aussicht genießt, einen bequemen Rundgan- bcinabe um den ganzen Berg gestattet. Ter Weg des „Thurmganges" ist von ansehnlicher Breite und wie durch Kunst geebnet; die natürliche Randeinsassung besteht aus Felsenzecken und Gebüsch. Im August macht der Reisende diesen Ru»dgang um den größten Theil des Grauhorn wie auf einen Wiesenteppjch von Alpcnkräutcrn und Blumen. Hundert Stel- . kcn laden den Wanderer zu Ruhe im Schatten ein, um die Fern sickten mit Behage» zu genießen, und die vielen Fenerstcllen am geschwärzten Felsen »ebst zerschlagenen Flaschen und Geschirren erinnern an muntere Tafelgenüsse einige lausend Fuß üb>r der Mer-
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resfläcbe. Wie mancher tafelfrohe Gast hat wohl schon lachend und scherzend den „Tburmgaug" nach Westen hin vcr,olgt, schwelgend in körperlichem Behagen und im Anblick des zauberhaften Land- schastsbildes; der gemächliche breite Weg, von schützender Brüstung aus Fels und Busch eingefaßt, hat ihm eine aus solcher Höhe seine Sicherheit cingeflößt; so ist er iongewanden, de» Hui"ausn»i Stock, ein Bild des Glückes und der Sorglosigkeit — vis er jählings erinnert wurde, wi lna.p »eben den feisensistcii Boden — der Abgrund, neben d,e Freude — das Entsetzen, neben das Leben - ßcher Tod g-sillt ist. Tenn hat der Wanderer die w.nig lohnende nordwestliche Aussicht erreicht und wendet sich, verwiihnt durch die früheren Panoramen, ungeduldig ganz nach Mesten, da wird er unwillkürlich wie von nie gestähltem Zauber erfaßt und sortge- rissen, ein Ruf des Entzückens entringt sich seiner Brust, er beschleunigt seine schritte, um die Fernsicht, welche unübersehbar, malerisch und wechselvoll zu seinen Füssen liegt mit Einem Blicke zu umfasse» und zu genießen; —und so eilt er weiter, vertrauend aus die sichere Brüstqng von Fels und Bujch am Saunte des Weges, bks er jählings, von gräßlichem Entsetzen ersaßt — kaum drei Schuh von einem senkrecht abfallende» bodenlosen Abgrund steht . . . Manu erzählt von einer Reisenden, gaß sie, an diese Stelle gekommen, und durch dar Spiel des Windes in ihrem Kleide verwirrt, der Gefahr, hiiial'znslürzen, zuvor kommon wollte und lieber freiwillig und lautlos, nach langem Falle, sah man sie auch, wie zum Federball verkleinert, in der bodenlosen. finsteren, entsetzlichen Tiefe verschwinden . . . Rufe des lödtlichsten Schreck.ns, jähes Zm sammensiürzen, um nicht von der Tiese hinabgezogrn zu werden, ^Ohnmächten und langes Rachzülern all.r Glieder sind die gewöhn
lichen Folgen der furchtbaren Ueberrasck ung an dieser Stelle
' ' mvuai zu prophezeien. eus lm Bcriaus des verstoßenen wo 8 ^lür die Heirath festgesetzte Zeit herannahte, übersandte der wieini,-t „nk ijungen Braut die auch in Amerika unrrtäßlich g „st . .„ dene corbeillo mil den Hochzeitsgeschenken, in der sich unter
Eine iliiailgeilchme ttclwrnrschung.
Die elegante Gefellsckaft von Philadelphia beschäftigt sich viel mit einem Abenteuer, dessen Held der Sohn eines sehr reichen Banqulers in dieser Statt ist. Er war mil einem jungen Mädchen aus der dortigen Imutovolew verlobt nnd alles trug dazu bei, dieser Verbindung ;ür die Zukunft einen ununterbrochenen Honigmonat zu prophezeien. Als im Verlaus des verflossenen MonalS
junge gewoc- er hundert anderen schönen Dingen ein pcachtvcller Brillantschmuck im Werthe von 50—60,060 Thalern befand. Ta er begierig war, die Freude und Ueberraschung der Braut selbst mit anzusehen, folgte er seinem Geschenke aus dem Fuß und versteckte sich, da ec Niemanden im Salon fand, hinter einem schweren seidenen Vorhang , der ihn vollständig verbarg Einige Augenblicke nachher stürmte eine ganze Schaar junger Mädchen in das Zimmer und begann mit jener Zungengelänsigkeit zu schwatzen, wie sic fast nur den Amerikanerinnen eigen ist. Tie Eine von ihnen sagte:
„Saht Ihr schon jemals eine so prachtvolle coilwillv? Wie glücklich Louise sein wird, sie bekommt einen wirklichen Gentleman» zum Man,ne." — „Ja, sie sollte sich in der That glünlich schätzen," ^ erwiederte eine Andere, „aber wißt Ihr, was sie ebeu zu mir ge : sagt hat?" — Der versteckte Bräutigam, welcher sich bis daher. vergnüglich und selbstgefällig die Hände gerieben hatte, begann jetzt die Ohren bedeutend zu spitzen.
„Nun, was bat sie denn gesagt?" — „Sic zöge vor, wenn es ihr freistände, die Hochzeitsgcschcnke ohne den Geber zu habe» Und wenn Ihr mir nicht glauben wellt, so fragt sie selber, hsir kommt sie eben. Louise, hast Tu nicht zu mir gesagt, Du möchtest lieber die eorbeillc ohne Herrn N. haben?"
„Gewiß habe ich das gesagt," cntgcgncte die zärtliche Braut, „aber das bleibt natürlich nur unter uns."
Hier hielt cs der junge Mann für angemessen, auf der Bühne zu erscheinen. „Ich bin ihnen sehr verpflichtet, mein Fräulein," sagte er zu der ganz versteinerten Braut, „aber Sie sollen weder eines noch das andere bekommen."
Indem er dieß sprach, nahm er die Hochzcilsgeschcnke und verließ ruhig das Zimmer, ohne daß er sich den Anschein gab, als
bemerke er die Verwirrung der Schuldigen, dieß die Lacher auf seiner Seite.
tegl von A. Geischlägk».
Er behielt noch über-