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Weise ihr die Mittheilung von mei- ncr bevorstehenden Abreise machen sollte, wandte sie sich zu mir, deu­tete auf ein Packet, das auf dem Tische lag und sagte:Ich habe alle Bücher zusammengesucht, die Sie mir geliehen haben. Von biesem Bänd­chen Gedicht konnte ich mich nur schwer trennen, aber gestern Abend

und für mich gibt es Niemand, der die Last mit mir theilt und sie mir tragen hilft. Das Ende dieser Kette, die mich überall begleiten wird, liegt in Dänemark in einem niedrigen Stübchen, wo sich Niemand bücken wird, dasselbe anfzuheben."

Trotz des sehr verschrobenen Pa­thos, das in diesen meinen Worten

noch, nachdem ich Ihren Brief erhal-! lag, waren dieselben in diesem An­ten hatte, schrieb ich mir einige der! genbliüe doch ganz ehrlich und auf- schönsten Verse daraus ab. ^ richtig gemeint. Ich hielt mich für

Ich harte erwartet, mein Brief! sehr unglücklich, und ihre Gleichgüll müsse sie in einem Grade ergriffen j ligkcit machte mich nicht allein zornig, haben, daß sie für nichts Anderes s sondern zugleich verliebter, als lch ein Interesse haben könnte, als über es je vorher gewesen war. meine Abreise zu trauern, und jetzt!Sie irren sich, Graf Arel!" fand ich, daß derselbe sie nur dazu! sagte sie.Ich habe keineswegs ein gebracht hatte, eiligst einige Schii-! ^ schlechtes Gebächtniß, wie Sie ler'schc Verse abzuschreiben. Außer-! zu glauben scheinen. Als Beweis dem saß sie jetzt so ruhig und gefaßt! Dafür kann ich Ihnen einige leicht neben mir, daß ich bereits vor Aer-! hmgeworfene Worte nennen, die Sie ger und Ungeduld zitterte, als wenn: damals auösprachen, als Sie das wir einander durchaus fremd wären Mal hier waren, und die Sie und niemals ein zärtliches Verhält-!^ schon längst vergessen haben

werden."

Und diese Worte lauteten?" fragte ich und meine Eitelkeit belebte sich wiederum.

Sie lauteten so: bei einem so heftigen Charakter wie der Ihrige, warne ich Sie, einem lebendigen Wesen jemals ihre Zuneigung zu schenken, indem diese alle der Ver­

lust angeknüpft gehabt hätten. Wie sehr hatte ich mich also in meinen Voraussetzungen getäuscht! Wie sehr ärgerte ich mich über diese Erfah­rung !

Sie haben ganz klug und vernünftig gehandelt" versetzte ich endlich fast bitter.Nachdem Sie dem Buche entnommen haben, was

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welche Sie zu krnen wünschmi, ken- ! >md. Ich habe Ihren Rath be- nen Sie jetzt ebenso gut als ich elbst, p'gt. Graf Arel und dm heute sehr und daher nehmen Sie jetzt auch die ^ Bruder, baß ich es getyan Erinnerung an mich, Ihren bisheri- ! Sehen S.e, ich habe mir

gen Lehrmeister, und packen Sie zu- Vogel mehr angeschafft, und

gleich mit den Büchern in's Papiers" durch die,e Blumen vor meinem ein. um mir Alles zurückzugcben.! ^"ster ersetz!. Sei langer Zeit bin

Weßhalb sollten Sie auch Etwas von i ^ gekommen, daß ich

mir behalten wollen? Sie brauchen!^ "hneThranen welken sehen kann es ja nicht weiter!" ! ' ' '

Sie rückte etwas mehr zum Fen-! "Und daß Sie bei meiner

ster und arbeitete ruhig weiter. ! Abreise lachen können!" fiel ich

Wenn ich Ihre Handlungs-! ihr ungeduldig in's Wort.Aber weise zu thcilen vermöchte," fuhr ich! Sie werden mir hoffentlich erlauben, fort, 'so könnte ich leicht und frei! das Vergnügen so abzukürzen, wie in die weite Welt gehen; allein ich! es in meiner Macht steht. Leben habe in mir eine Erinnerung, die! Sie daher wohl, Mamsel Helene! wie eine Fessel meine Gedanken und! wenn wir später einmal wieder den Muth meines Lebens bedrückt, > Zusammentreffen werden, verspreche

ich Ihnen, daß ich ebenso vernünftig sein will, wie Sie es jetzt sind."

Ich stürmte aus dem Zimmer hinaus, und die Thür ist wohl nie­mals so donnernd zugeschlagen wor­den, wie durch meine zornige Hand. Als ich aber bei meiner Thür an­gelangt war, kehrte ich wieder um, denn ich wollte unbemerkt das Lä­cheln sehen, welches aus ihren Lip­pen über das tolle Benehmen des Grafen ruhen mußte, um dadurch recht gründlich von meinem Wahne kurirt zu werden.

Ich schaute zum Fenster zu ihr hinein. Sie lächelte aber nicht über mich, sondern sie lag auf dem Sv- pha ausgestreckt, und soviel ich be­merken konnte, war ihr Antlitz bleick wie der Tod. In einem Nu stand ich an ihrer Seite.

O ich Thor! Ich hatte den Glanz ihrer Augen sehen können, ohnedieun- natürlich erweiterten fieberartigen Pu­pillen zu bemerken; ich hatte die schar­fe, heiße Röthe ihrer Wangen für die Rosen einer kräftigen Gesundheit Haffen können! An ihrer Seite lag das ge­stickte Taschentuch, an welchem sie anscheinend so kaltblütig gearbeitet hatte. Es war an unzähligen Stel­len mit der Scheere durchschnitten und jetzt nur noch ein unbrauchba­rer Lappen. Sie hatte sich also ver­stellt. Das kleine einfache Mädchen hatte ihren Schmerz so heldenmüthig wie eine Römerin verborgen, und eine Komödie gespielt, wie eine fran­zösische Marquise. Die Anstrengung war zu stark gewesen und jetzt lag sie. da kalt und bleich, wie eine Todte. Das war kein Nervenzufall, wie bei irgend einer vornehmen Dame, sondern eine wirkliche, tiefe Ohn­macht.

(Forts, folgt.)

Gottesdienst am 17. Oktober: Vormittags Herr Dekan Heberle, Nachmittags Herr Pfarre^ D e ck i n- ger von Stammheim.

Redlgirt, gedruckt und verlegt von A. Oelschiäger.