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then! . . , Man würde mich für einen aus dem Jrrenhause Entsprun­genen halten. Und doch ist die Sache weder so unmöglich, noch so unvernünftig, als Sic meinen . . . Ich meinerseits wenigstens werde noch darüber Nachdenken . . . Jetzt aber, lieber Paul, jetzt ist die Zeit zur Ruhe gekommen, sammeln Sie im Schlafe Kräfte für den großen Kampf des morgenden Tages. Lassen Sie Ihre Compagnie um drei Uhr früh unter Waffen treten; um vier Uhr muß sie im Laufgraben sein. Sie werden das Commando von jetzt ab zeitweilig Ihrem Lieutenant über­geben, da Sie um zwei Uhr beim Obergcncral sein müssen, der Ihrer unumgänglich nöthig bedarf.

WaS kann er denn von mir wollen?

Das weiß ich nicht, er hat jedoch verlangt, ich solle ihm einen entschlossenen Offizier schicken und da habe ich natürlich vor Allem an Sie gedacht. Wer weiß, ob Ihrer, der erst vor Kurzem Hauptmann geworden, nicht schon eine neue Be­förderung harrt?

Wenigstens werde ich sie dort suchen, mein Herr Oberst.

Das weiß ich, mein Freund! Umarmen Sie mich; Gott beschütze Sie.

Vermon kehrte in sein Zelt zu­rück, ertheilte dort die nöthigen Be­fehle, schrieb einige Worte an seine Mutter, schlief zwei Stunden hin­durch und eilte dann, in seinen Mantel gehüllt, in das Hauptquartier.

Die dort herrschende Regsamkeit bildete einen lebhaften Gegensatz zu der im übrigen Theile des Lagers! obwaltenden Ruhe. Während die! Soldaten, von denen Viele nur cr-^ wachen sollten, um den zeitlichen mit! dem ewigen Schlafe zu vertauschen, von den überstandenen Mühselig­keiten ausruhten, wachte General Valee für Aller Sicherheit. Die Offiziere gingen ab und zu, holten Befehle und brachten Nachricht über deren Ausführung; Andere schrieben, was der General dictirte.

Paul ließ sich melden und wurde sogleich eingelassen.

Sie sind pünktlich, Haupt­mann, rief ihm der General entgegen.

Er ließ einen Hauptmann vom Gcniewesen rufen.

Meine Herren, sagte er sodann. wir können den Sturm nicht beginnen lassen, ohne zuvor genaue Kenntniß von den Verhält­nissen der Bresche zu haben. Ich habe Sie für diese Mission gewählt. Nähern Sie sich dem Platze, so sehr Sie können, und melden Sie mir sodann das Resultat Ihrer Unter­suchungen. Sie dürfen jedoch nicht zu verwegen sein; ich verbiete Ihnen das. Seien Sie bloß eingedenk, daß ich Ihnen das Heil derjenigen an­vertraue, die binnen wenigen Stunden zu Ehren Frankreichs dem Tode Trotz bieten werden. Die beiden Offiziere verneigten sich und eilten, ihrem Aufträge nachzukommcn.

Nachdem sie die äußersten Vor­posten hinter sich hatten, schlüpften sie behutsam aus den Laufgräben heraus; die auf Ihnen ruhende Ver­antwortlichkeit erfüllte sie mit gerechtem Stolze. Wie Schlangen auf dem Bauche fortgleiten, jeden Augenblick bereit, zu den Waffen zu greifen, ganz auf sich selbst angewiesen und ohne Aussicht auf Beistand von irgend einer Seite her, rückten sie nichtsdestoweniger unablässig vor, da von ihrem Bericht das Leben der zum Sturm bestimmten Truppen und das Gelingen der Pläne des Feldherrn abhängen sollte.

Nach vielen Anstrengungen sahen sie sich endlich der Bresche gegenüber. Sie untersuchten sie mit großer Sorg­samkeit und schlugen erst nach einer sehr genauen Recognoscirung wieder den zu den Laufgräben führenden Weg ein. Die Dunkelheit aber, die sie bis jetzt geschützt, hörte plötz­lich aus, ihnen günstig zu sein. Der Mond trat hinter den Wolken her­vor; das Glück blieb jedoch den Tapfern hold, und sie erreichten unversehrt das französische Lager.

Der Sturm.

2 .

Nun? rief ihnen der Ge­neral entgegen.

Unsere Artillerie, ant­wortete Paul Vermon hat Wunder­bares geleistet; der von ihr bestrichene Wall liegt m Trümmern; die Bresche ist breit genug für eine Front von fünfundzwanzig Mann.

Sind Sie auch dieser Mei­nung? fragte General Valee den Genieoffizier.

Ja, Herr General.

Schön, meine Herren . . . Ich danke Ihnen und werde Sie nicht vergessen . . . Begeben Sie sich jetzt auf Ihre Posten.

Die Artillerie erhielt den Befehl, den Wall mit verdoppeltem Eifer zu bestreichen und alle Geschütze spielen zu lassen. Sie verdoppelte jetzt ihre Anstrengungen, um die Bresche wo möglich noch weiter zu machen. Furchtbarer und mörderischer als zu­vordonnerte die Kanonade, es folgte Schlag auf Schlag und die Geschütze präludirten in würdiger Weise zu dem blutigen Drama, das für den näch­sten Moment vorbereitet wurde. Mitt­lerweile kamen die Colvnnen herbei und stellten sich in Massen aus. Noch lebhafter spielten die Geschütze und die ungeduldigen Soldaten schie­nen mit ihren Blicken tim die Gunst, vorwärts rücken zu dürfen, zu flehen.

Um halb achtUhrMorgens, nach­dem durch vierthalb Stunden ein mörderisches Feuer unterhalten und mehrere Artilleristen während der Bedienung ihrer Stücke in unmittel­barer Nähe des commandirenden Ge­nerals getödtet worden waren, gab General Valüc endlich das ersehnte Zeichen; die Donner der Kanonen verstummten; der Commandirende ui, ellek zog seinen Degen, hob ihn empor, wendete sich an die Sturm- colonnen und ries mit dröhnender Stimme:

Vorwärts, Kinder, Vorwärts!

. . . Zum Sturm!

Das Commandowort war kauni gesprochen worben, als die erste Co- lonne bereits die Laufgräben in