Edens Rede vor der Reichskonferenz
Unbefriedigende Undeutlichkeit - Zusammenstöße mit Dominienoertretern?
X London, 20. Mai
Obwohl der Inhalt der Rede des britischen Außenministers Eden vor der Reichskonfe-
renz am Mittwoch-er wird sie übrigens
heute fortsehen — offiziell geheimgehalten wird, sind doch mehrere Londoner Blätter in der Lage, die hauptsächlichsten Richtlinien seiner Ausführungen anzugeben. Aus den Mitteilungen des Eden nahestehenden „Daily Telegraph" geht hervor, daß auch Ministerpräsident Baldwin Edens Erklärungen unterstrichen hat. daß die britische Regierung einem entschiedenen Programm für die Verstärk u n g der W e l t'r e i ch s- Verteidigung an jedem Punkte die allergrößte Bedeutung beimißt.
Ausführlicher wird die „Morningpost": Nach ihr hat Eden sich „trotzdem es gegenwärtig nicht allgemein annehmbar ist", zur kollektiven Sicherheit als einer lebenswichtigen Notwendigkeit für das britische Weltreich bekannt. Zu Meinungsverschiedenheiten wird es nach dem Blatte vor allein deshalb kommen, weil Eden keinen klaren Bescheid über die Stellung Englands zu mittel- und osteuropäischen Fragen gegeben hat; Eden war nicht in der Lage, der Konferenz mitzuteilen, daß England unter keinen Umständen an einem Kriege in einem Teil Europas ieilnehmen wird, in dem es keine über die Völkerbundsverpflichtungen hinausgehenden Bindungen hat, sondern er hat erklärt, daß eine etwaige englische Intervention der Verteidigung eines lebenswichtigen Interesses Großbritanniens und damit des ganzen britischen Weltreiches dienen würde. Das bedeutet, daß eine Beteiligung Englands an einem europäischen Kriege eine Maßnahme der Selbsterhaltung wäre, in die die D o m i n i e n automatisch einbezogen werden. Diese Erklärung scheint den Widerspruch vor allem Kanadas und Südafrikas hervorgerufen zu haben.
Me Ostfrage
Neben der ReichSkonserenz hatte Eden aus- jährliche Besprechungen mit dem polnischen Außenminister Beck, die sowohl mit dem Westpakt, als auch mit nah- und fernöstlichen Fragen im Zusammenhang standen. Die polnische Presse spricht diesen Unterredungen große Bedeutung zu und hebt die Parallelität der britischen und Polnischen Politik hinsichtlich der grundsätzlichen Methoden der internationalen Zusammenarbeit bervor.
Pariser
Ligenberickt äer K8-press«
gl. Paris, 20. Mai.
Nur mühsam kann die Pariser Presse ihre Enttäuschung über den mit so großen Hoffnungen begleiteten Besuch des österreichischen Staatssekretärs Dr. Schmidt verbergen, da es nicht gelungen ist, Oesterreich in das franzö- sisch-tschechoslowakisch-sowjetrussische Fahrwasser zu bringen. In der amtlichen „Wiener Zeitung" erklärte Staatssekretär Dr. Schmidt ausdrücklich, daß es sich in Paris nur darum gehandelt hat, die österreichische Staatspolitik, die ja immer im Kreuzfeuer der verschiedensten Gerüchte und der irrigsten Anschauungen steht, zu erleichtern. Die römischen Protokolle und das Abkommen vom 11. Juli bleiben unverrückbare Grundsteine der österreichischen Außenpolitik. Auch im „Paris Soir" unterstrich Staatssekretär Dr. Schmidt, daß die politische Linie Oesterreichs durch seine Kultur und geographisckie Lage festgelegt sind. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich, soweit sie noch bestehen, bemüht man sich auf allen Gebieten auszumerzen. Auf alle Fälle beklagt die Pariser Presse, daß Schmidt „zu zurückhaltend" gewesen sei.
Die größte Alottenparade der Welt
Riesige Krönungsfiottenschau auf der Reede von Spithead
X Portsmouth, 20. Mai.
Unter Beteiligung von 16 ausländischen Kriegsschiffen fand Donnerstagnachmittag in der Meeresstraße zwischen Englands Südküste und der Insel Wight die bisher, größte Flottenschau in der Geschichte der Seefahrt statt. Schon seit Tagen sind Portsmouth und Southampton von Gästen überfüllt, die an diesem eindrucksvollen Schauspiel teilnehmcn wollen. Dazu gaben sich Seeleute aus allen Teilen der Welt hier ein Stelldichein: das Marineblau beherrschte denn auch die Straßen der beiden Städte.
Schon vor der Parade bot der Hafen einen imposanten Anblick. In vier Reihen, deren längste sieben und deren kürzeste fünf Meilen lang war, ankerten die britischen Kriegsschisse. Ein kaum übersehbares Gewimmel herrschte im Hafen; eine Reihe von Schiffen waren den Zehntausenden von Zuschauern zur Besichtigung freigegeben worden. Am Donnerstagmorgen war bereits die ganze Uferstrecke vom Paradepier bis zu den Forts Monckton und Gilkicker meilenlang von Schaulustigen in dichten Reihen besetzt. Nur von den Kriegsschiffsdocks wurde die Menge durch eine strenge Absperrung ferngehalten.
Alle Schiffe auf der Reede von Spithead hatten über die Toppen geflaggt und schon
am Vormittag die befohlene Paradeaufstellung eingenommen. Ein beträchtlicher Teil der britischen Seestreitkräfte Ivar hier ver- einigt: 9 Schlachtschiffe, 2 Schlachtkreuzer,
15 Kreuzer, 5 Flugzeugmutterschiffe, 56Flot- tillenführerboote und Zerstörer, 22 U-Boote, Hilfs-, Vermessungs-, Fischereischutz-, Begleit-, Tank, und Schulschiffe, dazu zwei Zerstörer der kanadischen Marine, ein Kreuzer Neuseelands und eine Schaluppe der indischen Marine. Hinter diesen Reihen liegen die
16 Kriegsschiffe der ausländischen Seemächte, dahinter die Schiffe der Handelsmarine, die Fischereifahrzeuge, die Jachten, die Werft- und die Küstenboote.
Um 10 Uhr vormittag wurden die Admiralität, die Oberbefehlshaber der Heimat- und Mittelmeerflotte, der Kommandierende Vizeadmiral der Reserveflotte und die Kommandanten der an der Parade beteiligten ausländischen Kriegsschiffe sowie der Handels- und Fischereiflotte Von König Georg VI. an Bord der Königsjacht „Victoria and Albert" empfangen. Diese 1899 vom Stapel gelaufene schmucke Dreimasterjacht hat alle bisher in Spithead durchgeführten Flottenparaden mitgemacht. Nach der Parade wird sie abgewrackt und durch ein modernes Schiff ersetzt. Die eigentliche Krönungsjacht, in ihrer äußeren Form von vollendeter Schönheit, hat sich infolge statischer
hlberechnungen als ivenig seetüchtig erwie-
k.
Um 13 Uhr signalisierten alle Schiffe die Bereitschaft zur Parade. Kurz nach 15 Uhr legte die königliche Jacht, geleitet vom Schiff „Par- ticia" der ältesten englischen Gesellschaft zur Förderung der Seeschiffahrt des zu Beginn des 17. Jahrhunderts gegründeten „Trinity-Hau- ses" ab und näherte sich der Paradeaufstellung, gefolgt von der Admiralsjacht „Enchantreß". In diesem Augenblick ging auf dem Flottenflaggschiff der Heimatflotte „Nelson" ein Signal bech: Die Salutbatterien aller 161 Kriegsschiffe schossen den Königssalut von 21 Schuß. Tosender Jubel begleitete die Königsjacht, auf deren Kommandobrücke der König in Admiralsuniform mit den Oberbefehlshabern, dem Ersten Lord der Admiralität, der Königin und den Mitgliedern der königlichen Familie stand.
Der königlichen Jacht folgten die Jacht der Admiralität und die Begleitschiffe mit den Gästen des königlichen Hofes, der Negierung, der Admiralität, des Oberbefehlshabers des Flottenstützpunktes Portsmouth und des Admiralitütsstabes. Die Vertreter der ausländischen Staatsoberhäupter nahmen auf der „Strathmore" an der Vorbeifahrt teil, unter ihnen der Vertreter des Führers und Reichskanzlers, Generalfeldmarschall von Blomberg, mit der deutschen Abordnung. In dem Augenblick, als die Königsjacht auf die gleiche Höhe mit den Flaggschiffen „London" des ersten Kreuzergeschwaders der Mittelmeerflotte und des Flaggschiffes „Queen Elizabeth" des Oberbefehlshabers der Mittel, meerflotte kam. Präsentierten die Ehrenwachen und die Musikkapellen intonierten die Königshymne.
Dann fuhr die Königsjacht zwischen die 6. und 7. Reihe ein. Steuerbords lagen die Kriegsschiffe der ausländischen Mächte: das U.-Boot „Kalew" (600 Tonnen) Estlands, der Polnische Zerstörer „Burza". der schnelle türkische Zerstörer „Kocatepe", der rumä- Nische Zerstörer „Regina Maria", die portu- giesische Schaluppe „Bartolomeo Diaz". das finnische Küstenwachschiff „Väinämöinen", das dänische Schiff „Niels Juel", das schwedische Küstenwachschiff „Drottning Viktoria", der japanische 10 OOO-Tounen-Kreuzer „Ashi- gara", der holländische schnelle kleine Kreuzer „Java", der griechische Kreuzer „Georgivs Averoff". Auf dem deutschen Panzerschiff „Admiral Graf Spee" waren die Offiziere in Galauniform, die Mannschaften in Blau angetreten. Auf dem Achterschiff Präsentierte die Ehrenwache, während die Kapelle den Präsentiermarsch, die Lieder der deutschen Nation und anschließend die englische Hymne spielte. Mustergültig auSgerichtet stand die gesamte Besatzung an der Reeling, die Offiziere bei ihren Divisionen, die nicht eingetcil- ten Offiziere in einer gemeinsamen Gruppe. Den Schluß der ausländschen Schiffe bildeten das argentinische Schlachtschiff „Moreno", das französische Schlachtschiff „Dunkerque" und das amerikanische Schlachtschiff „Neuyork".
Volle anderthalb Stunden hatte die Vorbeifahrt gedauert. Während die Königsjacht an der Spitze der 5. Linie vor der „Queen Elizabeth" ankerte, brausten Marineflugzeuge in Staffeln über die Flotte. Dann kündete ein Kanonenschuß das Ende des Schauspiels
König Georg — Herr der City
Tags zuvor hatte König Georg VI. in der traditionellen Form auch die Herrschaft über die Londoner City übernommen, indem er vom Lord-Oberbürgermeister das Stadtschwert übernahm.
Rom, 20. Mai.
Mussolini hat dem Korporativen Haupt- ausschuß die grundsätzlichen Richtlinien zur Herbeiführung der größtmöglichen Wirtschaftsautarkie erteilt. Dieser Hauptaüsschuß stellt demnach eine Art „Generalstab der Autarkie" dar für die Schlacht zur Erlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Nation.
Politische Absprache i« Budapest
Budapest, 20. Mai.
In der ungarischen Hauptstadt fand zu Ehren des italienischen Königspaares aus dem Mussolini-Platz ein« große Parade von Truppen aller Waffengattungen bei strahlendem Wetter statt. Die italienischen Gäste wurden von der Bevölkerung dabei immer wieder stürmisch umjubelt. Der Vorbeimarsch dauerte über eine Stunde.
Nach der Parade fand in Gödöllö in althergebrachter Form eine Falkenjagd statt. Indessen begannen in Budapest die ersten politischen Besprechungen zwischen dem ita- linischen Außenminister Grafen Ciano und dem ungarischen Ministerpräsidenten Dara- n Y i in Anwesenheit des ungarischen Außenministers von Kanya. Abends fand in der Hofburg zu Ehren des italienischen Herrscherpaares ein Galaessen und ein Ball statt.
Rücktritt Baldwins nächste Woche
London, 20. Mai.
Aller Voraussicht nach wird Baldwin am Donnerstag oder Freitag nächster Woche dem König in aller Form sein Rücktritts- gefuch einrcichen. Anschließend wird Neville Ehamberlain zur Ucbernahme des Ministerpräsidiums vom König berufen.
Energische deutsche Boxstellungen
gegen die
Unflätigkeiten des Kardinals Mundelein X Washington. 20. Mai
Die deutsche Botschaft hat wegen der törich. ten und geschmacklosen Beleidigungen des Führers und Reichskanzlers durch den Ehika- goer Kardinal Mundelein beim Staats- departement in Washington energische Vor- stellungen erhoben.
„LMWgömaMer normal"
Kapitän Wittemann vor dem Lakehurster Untersuchungsausschuß
Lakehurst, 20. Mai
Vor dem „Hindenburg"-Untersuchungsaus- schuß erklärte der bei dem Unglück gerettete Wachoffizier Bauer, daß die Gaszellen des Luftschiffes nicht undicht waren. Weiter habe er weder einen Blitzschlag noch statische Entladungen wahrgenommen.
Kapitän Wittemann, der die letzte Fahrt des „Hindenburg" als Beobachter mitmachte, erklärte, daß sich in der Führergondel im ersten Augenblick niemand eine rechte Vorstellung von der Katastrophe machen konnte. Wittemann schilderte dann, wie sofort nach dem Aufprall die Kapitäne Lehmann und Pruß und der Erste Offizier Sammt die Führergondel steuerbordseits verließen und buchstäblich in den Fl am men verschwanden. Er hingegen wählte den entgegengesetzten Ausgang und wurde kaum behelligt. Im übrigen war das Landungsmanöver vollkommen normal. Aus den Heckzellen wurde das Wasserstoffgas 15 Minuten vor der Explosion zum letztenmal abgelassen, aus den Bugzellen sechs Minuten vor der Katastrophe.
Wer ist Allllt^!!!!?
Koman eines seltsamen?ranenscbiclcsals
- Von soseok llisnsr
copxriLlii d» krom-tdeiis-VerI-8, 0rSb-nrelI bei iNüncbe» 16
„Gut", sagte Philipp kopfnickend, „d besorgt meine Auskunftei. Ich werde i gleich heute schreiben. Und wenn er gefälst ist'"
„Dann müßte man vielleicht die Polizei aufmerksam machen."
„Ich weiß nicht." meinte Philipp zögernd, „solange nicht irgendein Verbrechen nach- weisbar ist, wird sich die Polizei kaum anstrengen. und die Fälschungen, die sind vielleicht schon verjährt. Aber Ihre Idee, daß diese Hilde möglicherweise die Nolle der Vol- telini spielen mußte geht, mir nicht aus dem Kopf. Vielleicht kann der letzte Ver- wandte der Voltelim einen Anhaltspunkt liefern. Er lebt in Salzburg, ich könnte ihn also auf der Rückfahrt besuchen."
Das können Sie immerhin tun. Herr Doktor. Nachdem Sie sich einmal dieser Sache so angenommen haben, werden Sie sie wohl zu Ende führen. Läßt Ihnen Ihre Praxis überhaupt so viel Zeit?"
- 7 ^^-.E>abe mir zwei Wochen Urlaub er- teckt. Sie werden es vielleicht einigermaßen verrückt finden, daß ich diesen Urlaub zu solchen Nachforschungen verwende, aber die Sache ließ mir einfach keine Ruhe."
„Ich finde das keineswegs verrückt. Höch- Pens bedauerlich für Sie."
„Bedauerlich?" fragte Philipp verwundert.
„Ja. Nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich. nachdem wir über diese ärztliche und kriminelle Seite des Falles gesprochen haben — nun auch das Gefühlsmäßige berühre. Es ist sonst unter Männern unseres Alters nicht üblich, derartige Dinge zu besprechen. Aber ich halte es für meine Pflicht Sie zu warnen. Ich möchte Ihnen empfeh- len. diese Frau zu vergessen."
„Warum. Herr Medizinalrat? Sie sagten doch selbst. ."
„Daß sie jetzt eigentlich vollkommen ge- sund ist. Ja. Aber das besagt wenig. Die Gedächtnisstörung besteht nach wie vor weiter. Und ich nehme an, daß diese durch einen in jenen Lktobertagen erlittenen Schock ver- ursacht wurde. Eine Art Schreckneurose also. Wenn Sie nun die zähe Tauer der Krankheit bedenken, so können Sie ermessen, uns unsagbar traurig oder wie unsagbar widerlich das Schreckereignis gewesen sein mutz. Das Bewußtsein. daß die Frau die Sie liebten, einmal Zuschauer eines solchen Ereignisses ge- wesen ist würde aut die Tauer Ihre Beziehungen zu ihr vergiften würde nervenschwächende Gewislenskämpfe Hervorrufen Sie zu immer neuen Ihr Gemüt und Ihre Arbeils- freude immer neu beeinflussenden Nachforschungen führen. Die Lösung des Rätsels würde zu einer Zwangsvorstellung, die Sie nicht mehr aus ihrem Bann ließe. Glauben Sie mir. dem Nervenarzt mit fast dreißigjähriger Praxis: die Vereinigung eines voll- sinnigen, normalen Menschen mit jemand, der eine derartige Krankheit als Schicksal zu tragen hat führt zu nichts Gutem."
„Sie zeichnen ein sehr düsteres Bild", sagte Philipp erschüttert. ..Sie ist aber doch heil- bar! Solche Fälle find doch eher heilbar als dauernde Störungen."
„Sicherlich. Aber niemand weiß, wann die Heilung erfolgt. Und glauben Sie. daß es für die Kranke unbedingt ein Vorteil ist. wenn sie geheilt wird, bas heißt, wenn sie ihr Gedächtnis wiederfindet? Vielleicht ist der „Schwund" als wohltätig zu bezeichnen, weil sie die Vergangenheit verschleiert. Vielleicht würde die wiedererwachte Erinnerung an jenes Schreckerlebnis das Gemüt der Kranken von neuem verdüstern."
„Das ist ia möglich", räumte Philipp zögernd ein. „obwohl doch inzwifchen viele Jahre vergangen sind."
„Jedenfalls ,st es auffallend", setzte Dr. Jsel fort, „daß Hilde niemals den Wunsch geäußert hat in die Welt zurückzukehren. Man sollte doch meinen, daß eine gesunde Frau von 38 Jahren eine Sehnsucht nach Geselligkeit, Unterhaltung und nach dem anderen Geschlecht empfindet. Wir leben hier in fast klösterlicher Abgeschiedenheit, aber das genügt ihr. Wenn ich sie nicht Sonntags hie und da bei einer Autofahrt mitnehmen würde, käme sie überhaupt nicht aus dem Haus. Das beweist, daß sie unbewußt emen Fehler empfindet, der sie gewissermaßen menschenscheu macht."
„Und trotzdem möchte ich Sie bitten. Herr Medizinalrat. mir ein Zusammentreffen mit ihr zu gestatten. Ich werde Ihre Warnun- gen sicherlich beherzigen, aber »ch möchte doch nicht heimfahren, ohne sie überhaupt gesehen zu haben. Meine bisherigen Bemühungen lassen doch keinen Zweifel über die Stärke meines Gefühls zu. und ich glaube, daß ich diese Frau nicht vergessen kann, solange ich mich nicht selber überzeugt habe, daß diese Krankheit ein unüberwindliches Hindernis darstellt."
Der andere schwieg und sah Philipp prü- send an. Dann begann er langsam, zögernd »u sprechen:
„Gut. Ich will es versuchen. Ich glaube, daß Sie meine Erlaubnis nicht mißbrauchen werden. Ich werde Sie als Arzt einführen, der meine Anstalt studienhalber besucht. Dadurch kommen Sie mit Hilde ohnehin in Berührung, weil Sie Ihnen verschiedenes der Organisation zu erklären haben wird. Es steht Ihnen frei, ihr während ihrer freien Zeit Gesellschaft zu leisten, wenn sie damit einverstanden ist. Selbstverständlich dürfen Sie kein Wort davon erwähnen, daß Sie von ihrer Krankheit wissen. Für Sie darf sie nur die Sekretärin sein."
„Das verspreche ich Ihnen", erklärte Philipp.
„Gut. Sie sind mein Gast für drei Tage. Länger können Sie Ihren Aufenthalt hier nicht ausdehnen, weil dies den anderen Merzten und dem Personal auffallen würde. Für solche Studienbesuche genügen sonst ein bis zwei Tage."
„Drei Tage sind übergenug. Herr Medizi- nalrat! Ich danke Ihnen von Herzen."
„Schön. Wir machen jetzt am besten einen Rundgang durch die Anstalt. Wo haben Sie Ihr Gepäck?"
„Im Löwen."
„Dann werden wir im Vorbeigehen dem Chauffeur Bescheid sagen, damit Sie es nachmittags abholen können. Vorerst aber..."
Er nahm den Hörer vom Telephon.
„Fräulein Hilde möchte zu mir kommen."
Nach ein paar Sekunden öffnete sich die Türe. Philipp wandte sich um-
Im Türrahmen stand im weißen, hochgeschlossenen Leinenmantel die Unbekannte vo« Nordbahnhof. ^
ÜVortsetruna