Die Geikchiefer-Leago-je
Das Mitteilungsblatt des Amtes für Technik, „Die Technik', veröffentlicht in seiner Ausgabe Nr. 2/1937 eine bemerkenswerte Abhandlung über die wenig erfreulichen Vor- gänge, die sich in den Jahren vor der Macht- Übernahme bei einem Privatunternehmen, das mit der Bearbeitung des Oelschiesers in Wärt- temberg beauftragt war. zugetragen haben.
Neben den Wirtschaftlern, Technikern und Erfindern macht es der Führer im Vicr- jahresplan den Geologen zur Pflicht, den Boden nach brauchbaren Stoffen zu durchforschen uird deren Verwertung zusammen mit Chemikern und Ingenieuren zu fördern. Der w ü r t t e m b e r g i sch e Oelschie- fer, auch Posidonienschiefer genannt, rückt damit in den Vordergrund des Interesses. Sein Gehalt an Oelen, an Kohlenstoff und anderen wertvollen Rohstoffen macht seine Verwertung zu einer unaufschiebbaren Pflicht. Unsere Chemiker, Ingenieure und Wirtschaftler haben sich an diese Aufgabe herangemacht, um aus eigenen Forschungen und aus auswärtigen Erfahrungen das nach unserer Lage geeignete Verfahren herauszubilden und zu entwickeln. Dem Bestreben dieser Männer steht nun eine auffallend schlechte öffentliche Meinung über den Oelschiefer gegenüber. Mit dem Schlagwort „Oelschieferschwindel" werden oft die im Jahre 1917 mangelhaft begonnenen und 1930 rühmlos beendeten Versuche bezeichnet, den württembergischen Oelschiefer zu verwerten. Bei unseren Untersuchungen dieser Vorgänge haben wir festgestellt, daß sie geradezu ein Schulbeispiel liberalistischer Wirtschaftsplanung und staatlicher Mißwirtschaft m der Systemzeit sind.
Im Kriegsjahr 1917, als ein großer Mangel an Oelen und Fetten sich bemerkbar machte, trat der damalige Finanzminister mit einer Privatfirma in Verhandlung wegen der Verwertung des württembergischen Oel- schiefers. Die Firma gab an, die nötigen Erfahrungen zu besitzen, die sich dann in der Praxis allerdings als ziemlich mangelhaft erwiesen. Der Wunsch, ein lohnendes Kriegs- oe schüft aufzuziehen, war Wohl der Vater des Gedankens. Die Finanzverwaltung gab das Geld mit dem inneren Vorbehalt, in der Zusammenarbeit mit der Firma selbst technische Erfahrungen zu sammeln um, wenn möglich, später ein eigenes Unternehmen aufzumachen. Wie man sieht, schon zu Beginn keine ganz aufrichtige Ehe. Mit Verwunderung muß man feststellen, mit welch unzulänglichen technischen Mitteln, wie naiv, um nicht zu sagen, leichtfertig, die Beteiligten sich an die Arbeit machten. Das Fabnkationsverfahren der Oel- gewinnung gründete sich auf einen halbfertigen Laboratoriumsversuch, den in einem Großbetrieb zu übertragen erfahrene Fachleute gewarnt haben. Die Oelausbeute war qualitativ minderwertig.
Nach Beendigung des Krieges wurde nun dieser typische Kriegsbetrleb nicht etwa infolg" seiner Ertraglosigkeit liquidiert oder, was tüchtig gewesen wäre, in kleinerem Umfang als Versuchs- und Entwicklungsbetrieb wettergeführt. Im Gegenteil: es wurden neue Gelder investiert und als besonderes Aktivum wurde ein kaufmännischer Direktor mit hohem Gehalt und zweifelhaften Fähigkeiten eingesetzt, der dann — besonders während der Inflationszeit — auf seine Art Geschäfte machte. Seine Wechselreitereien, Begünstigungen, Veruntreuungen und Schiebungen halten jeden Vergleich mit ähnlichen Vorkomm, nisten der Shstemzeit aus. Ein schwacher, nachgiebiger Aufsichtsrat aus Nichtfachleuten run- bete das Bild ab. Aufsichtsratsvorsihender war
So fing der Bolschewismus auch in Spanien an
Französische Kommunisten
gl. Paris, 4. Februar.
Als vor acht Monaten das Kabinett Blum in Frankreich gebildet wurde, erfanden die Kommunisten das Wort von der Nebenregierung der Massen, die kontrollieren wird, ob das neue Kabinett das „Volksfront-Programm auch erfüllt. In gewissen Gegenden Frankreichs ist es heute tatsächlich soweit ge- kommen, daß diese „Nebenregierung der Massen", d. h. die Kammunistische Partei Frankreichs, über die gesetzmäßige Regierung in Paris hinweg die unumschränkte Macht ausübt, sich den Teufel,um Gesetz und Recht kümmert und mit genau den gleichen Gewaltakten vorgeht, wie es die „Volksfront" in Spanien getan hat. Die Berichte der deutschen Presse über die Zustände in der südfranzösi- schen Stadt Perpignan haben in einem Teil der ausländischen, insbesondere der französischen Zeitungen lärmende Entrüstung her- vorgernfen; mit allen Mitteln journalistischer Verdrehungskunst hat man versucht, diese Mitteilungen als unwahr und erfunden darzustellen. Nun sind wir in der Lage, völlig unverdächtige Zeugen — nämlich französische Zei- tungen selbst, die keineswegs deutsch- oder gar nazifreundlicher Einstellung verdächtigt werden können — heranzuziehen, die bestätigen, daß in gewissen Gebieten Frankreichs die Kommunisten die tatsächliche Macht an sich gerissen haben, und daß die örtlichen Behörden ent- weder nicht imstande oder nicht willens sind, die Ordnung wiederherzustellen.
Bürgermeister als „Dikkakor"
Die kommunistische Ortsverwaltung des westlich von Gens gelegenen Dörfchens Oyonnax hat, wie der Straßburger „Elsässer" meldet, die Ordensschwestern aus dem dortigen Krankenhaus vertrieben: als sich die Krankenhai',sverwaltung wider-
vertreiben Ordensschwestern
setzte, wurde sie vom kommunistischen Bür- germeister kurzerhand aufgelöst Am Sockel eines Kreuzes zerstörten ^ie Kommunisten Wappenschilde und brachten dafür die Svw- jetzeichen — Sichel und Hammer — an; gegen die Besudelung von Kruzifixen, Kapellen und Kirchen durch die Kommunisten rühren die dortigen Behörden keinen Finger. Um so eifriger sind die Polizeibehörden in Bordeaux, die schon in zwei Kirchen Waffensuchen veranstaltet haben trotz der feierlichen Erklärung des Bischofs, daß in keiner Kirche Waffen aufgehoben wurden.
„Antifaschistische Zentralstelle Perpignan"
Ein Sonderberichterstatter der „Neuen Züricher Zeitung" hat sich in Per» Pignan umgeschen. Als er zum Präfekten — einem Marxisten — ging, wurde er von einem jungen Mann mit der vielsagenden Erklärung empfangen: „Ich hoffe. Sie werden sich friedlich genug benehmen, damit Sie nicht unsere Autorität zu spüren bekommen." Niemand macht ein Hehl daraus, daß selbst die Behörden Valencia helfen. Mit Wissen des Chefs der Grenzwache gehen täglich Nie- sentransporte mit Gaben und Geschenken nach Spanien. Alle aus Spanien kommenden Flüchtlinge werden in das Zentralbüro der Organisation „zur Verteidigung der anti- faschistischen Revolution" geleitet, das von der Stadtverwaltung im ehemaligen Spital untergebracht wurde. Milizsoldaten in voller Uniform spazieren in der Stadt herum: ohne jede Schwierigkeit kommen sie über die Grenze. Das Generalsekretariat der spani- schen Anarcho-Kommunisten ist im Cas6 „Continental" untergebracht, das der Anarchisten im ehemaligen Militärhospital.
Im Büro „zur Verteidigung der spanischen Revolution" befindet sich eine Bestie in Menschengestalt: Der Katalane Antonio
der jeweilige württembergische Finanzminister der Shstemzeit. In der Folgezeit trat dann die Fabrikation von Oel, da die technischen Schwierigkeiten nicht gemeistert wurden, immer mehr in den Hintergrund und die Herstellung von Zement, ursprünglich ein Nebenprodukt, wurde immer mehr ausgebaut. Das technische Ergeb- nis dieser Entwicklung war zufriedenstellend. Das Produkt ,^Juramen t", ein Misch- ement aus Schieferasche (Roman-) und Port-- andzement, war ein Spezialprodukt, das ch für Straßen-- und Unterwasserbauarbeiten recht gut verwenden ließ. Auf dieser veränderten Grundlage hätte der Betrieb wirtschaftlich ge- sunden können, denn nun wurde im Zement ein gutes Produkt von sehr großer technischer Entwicklungsfähigkeit hergestellt. Das Oel erschien als ein immer lästiger werdendes Nebenprodukt. Die qualitative Verbesserung der Oel- ausbeute, die in einer kleineren Versuchsanlage hätte weiterbetrieben werden können, hat aber zu dieser Zeit wenig Beteiligten mehr Sorge bereitet. Wenn der Betrieb auch jetzt noch nicht gesundete, sondern jämmerlich zugrunde gerichtet und schließlich gesprengt wurde, so lag das an dem verantwortungslosen kaufmännischen Direktor und seinem väterlichen Beschützer, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates.
In unserem Fall knüpfte der Direktor der nunmehr aussichtsreichen Zementfabrik Beziehungen zur Konkurrenz, zum Zementsyndikat, an. Er machte einen sogenannten Ouotenvertrag. in dem das Zementsyndikat
den Verkauf des Produktes „Jurament" mit übernahm. Für diese Leistung erhielt der Direktor zu seinem bisherigen Monatsgehalt von 1750 RM. ein weiteres Monatsgehalt von 1000 NM. vom Syndikat, selbstverständlich mit Billigung des Aussichtsrates Nun ging es schnell dem Ende zu. Der Aussichtsratsvorsitzende, dem bisher die Verfehlungen des kaufmännischen Direktors merkwürdigerweise nicht ausgefallen waren, wurde von dritter Seite aufmerksam gemacht. Mit schonender Rücksichtnahme auf seinen Schützling beauftragte er zunächst dessen Privatbankier, der auch im Aufsichtsrat saß, den Inhaber eines aus späteren dunklen Affären bekannt ewordenen jüdischen Bankhauses nStut tga r t, znit der Untersuchung. Als das Material genügend „gesichtet und geordnet" war, wurde auch eine Treuhandgesellschaft zugezogen. Die Lage wurde nun immer unhaltbarer, öffentliche Anprangerungen kamen hinzu, so daß dem mit diesen Dingen am meisten beschwerten Aufsichtsratsvorsitzenden schließlich keine andere Wahl blieb, als das Unternehmen mit Schaden abzustoßen. Das gut informierte Zementsyndikat leistete diesen Liebesdienst, der ihm honoriert wurde mit einem 25jährigen Verzicht des Landes Württemberg, sich an Unternehmen zu beteiligen, welche die Erzeugung oder den Vertrieb von hydraulischen Bindemitteln zum Gegenstand haben.
— Bericht aus Perpignan
Martin, Beherrscher des spanischen Städtchens Puigcerda. Martin hat aus Grund der Tatsache, daß bei den letzten Wahlen 200 Einwohner des Städtchens gegen die „Volksfront" stimmten, im Sommer 200 Faschisten ermorden lasten. Als sich herausgestellt hatte, daß viele Unrichtige Opfer seiner Mordgier geworden waren, ließ er noch 100 „Nichtige" erschießen.
WM. ösr
X Paris, 4. Februar.
Die bisherigen Ergebnisse der „Volks- front"-Herrschaft in Frankreich, die nunmehr acht Monate dauert, begegnet immer lauterer und schärferer Kritik. So hat die sran- zösische Kammer am Donnerstag gleich zu Beginn der Beratung über die von der Negierung angefvrderten Nachtragskredite eine sehr deutliche Warnung des früheren Finanzministers Abg. Paul Reynaud anhören müssen. Es ist seltsam, erklärte er, daß Frankreich gezwungen ist, im Auslande Geld zu leihen. Die Preise in Frankreich find im Vergleich zu den Weltmarktpreisen zu hoch. Tie Negierung betreibt immer nur eine halbe Politik, denn mit der Abwertung hätte eine Einsparung der Staatsausgaben Hand in Hand gehen müssen. Für ihn. fügte Reynaud hinzu,
Eine nicht minder bemerkenswerte Feststellung der Folgen der „Volksfront-Herrschaft mußte das französische Luftfahrtministerium von Amts wegen machen, indem es Verlautbarte: „Da in der Lieferung von für das Heer und die Luftwaffe bestimmten Flugzeugen unzulässige Verzöge, rungen eingetreten sind, hat der Luftfahrtminister die Beschlagnahme der Flugzeugwerke Morane-Saul. nier beschlossen." '' - - ^ - " - - '
So war allen Beteiligten in schöner Weile geholfen worden. Das Zementsyndikat hatte den interessantesten Außenseiter aufgckaust, uw das Werk nicht nur stillzulegen, sondern vorsichtshalber gleich bis aus die Fundamente zu sprengen. Das war wichtig, wül ein dem Staate gehörendes Werk in der Hand einer weniger willfährigen Regierung (die Nazigefahr rückte schon wie e ne beängstigende Gewitterwolke am parlamentarischen Himmel herauf) einen verächtlichen Unsicherheitsfaktor hätte bilden können. Geholfen wurde auch dem Direktor des Werkes; er wurde zum zweitenmal für seine „Per- dienste" belohnt und von einem der Beteiligten in eine guthonorierte Position berufen. Geholfen wurde nicht zuletzt auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden, denn eine eingehende Behandlung des ganzen Falles hätte ihm, selbst in der Systemzeit mit ihrer laxen Auffassung, leicht zum Verhängnis werden können.
Die uns zur Verfügung stehenden Unterlagen haben wir nur insoweit verwertet, als es für die Flurbereinigung nötig war. Es ist sonst nicht unsere Sache, uns allzulange beim Vergangenen aufzuhalten. Der schlechte Ruf, welcher der Oelschieferverwertung durch die frühere Mißwirtschaft nachhängt, mußte jedoch durch eine aufrichtige Klarstellung der Dinge beseitigt werden, damit eine bereinigte Grundlage für den Beginn der neuen Arbeit vorhanden ist.
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Juniglut lag über Venezia. Die goldene Kugel aus dem Hafenzollamt vor der Einfahrt zum Canale Grande, die Kupferdächer von San Marco und San Giorgio schienen zu zerschmelzen unter den Strahlen der Sonne.
Es war einer jener Tage, an denen selbst der begeistertste Jtalienreisende kritisch wurde."
Tie Hochstut der Reisenden war zerstoben. Was noch Venedig besuchte, tauchte drüben am Lido in die kühlenden Fluten der Adria. Auch die vornehme Welt Venezias hatte längst ihre Sommersitze ausgesucht. Tie Nachkommen der Alinari Loredan, Calergi, Pesaro. Grimani. Spinells und all der anderen alten Patriziergeschlechter saßen cm kühlen Cortina d'Ampezzo. in Viareggio oder lm Engadin. Was zwischen Piazetta und Rialto noch im Sonnenbrand herumkroch waren fast ausschließlich die Eintagsfliegen, die auf einer möglichst billigen Jtalienreise die Lagunenstadt „Mitnahmen". Nur in den schmalen Gäßchen der engen Innenstadt pulsierte das Leben, drängten sich die Menschen um die Verkaussstände. versperrten ganze Familien, vor den Haustüren hingelagert, die Straße — das Volk Venedigs, das — nicht mehr gehetzt und in Atem gehalten von den Anforderungen der Fremdensaison mitten in der Sonnenglut seine Ferien feiert«.
An diesem heißen Junttag segelte der Kommissar Alois Teschenmacher. den Strohhut weit ins Genick geschoben, schwitzend trotz seines dünnen, weißen Leinenanzuges, am Mo- nument des.trutzigen Colleoni vorbei aus die Kirche San Giovanni zu, in deren steinerner Kühle Inge Sontag und Lorenz Schutz gesucht hatten vor dem mittäglichen Sonnenbrand.
„Klappen Sie mal Ihr Skizzenbuch zu. Fräulein Inge, und kommen Sie mit", prustete der Kommissar, als er das Paar vor einem der gewaltigen Grabdenkmäler aus der Dogenzeit fand. „Ist zwar eine schandbare Hitze, aber — wir haben den Morati!"
Morati! Das Wort fuhr wie ein elektrischer Schlag durch Inge und Lorenz. In weniger als zwei Minuten standen sie draußen in der Sonnenhitze, vor der Gondel, die den Kommissar hergebracht hatte.
„Ich sag ja: Respekt vor den italienischen Kollegen!" triumphierte Teschenmacher. alS sie durch die trägen, übelriechenden Fluten der kleinen Kanäle glitten. „Moratis gibt's hier in Italien genau so viele wie Hofers bei uns oder Lehmanns in Deutschland. Aber sie haben ihn doch erwischt."
„Wo denn? Doch nicht hier in Venedig?"
„In Venedig um Mitternacht . . ." lachte Teschenmacher. „Jawoll. Herrschaften, ausgerechnet hier haben's ihn erwischt. Vater Nuocco gebührt der Löwenanteil daran. Sie misten, der alte Mann hat den Morati durchs Fenster gesehen, als er kam. um Ihnen die Botschaft auszurichten. Er hat ihm sogar die Tür geöffnet. Na. seine Beschreibung war höchst ungenau. Nach der hätten wir jeden dritten Mann auf dem Rialto verhas- ten können. Aber der Alte schwor, daß er den Kerl selber nach tausend Jahren noch wiedererkennen würde. G stern abend ist der alte Nuocco vor einer Kneipe am Rialto
einem Herrn an die Kehle gefahren, ohne jede Veranlassung. Hat natürlich so einen Auflauf gegeben. Passanten und Gondolieri haben sich eingemischt und schließlich kamen ein paar Carabinieri und brachten die beiden Streithähne zur Polizeiwache. Vater Nuocco ging willig mit. aber der andere machte unterwegs einen mißglückten Versuch, sich zu verdrücken. Das war natürlich verdächtig. Als Ruocco auf der Wache steif und fest be- hauptete. der Mann, dem er an den Hals gesprungen, sei Morati. der Mörder seines Kindes, hat man den Kriminalkommissar Valani Herbeigerusen, der den Fall bearbeitete. Tie ganze Nacht haben sie den Verdächtigen verhört. Er leugnete zwar Morati zu heißen, aber die Polizei schickte eine Streife zum Rialto und ließ bei den Gonvo- liere und den Kellnern der Kneipen nach Zeugen suchen, die den Vorgang beobachtet hatten. Es fanden sich nicht weniger alS fünf Leute, dis gesehen hatten, wie der alt? Nuocco aus den Herrn losging. Und einer derselben kannte den Herrn auch. Es sei ein gewisser Ernesto Pazzi. ein Kurpfuscher, der bei einer Familie Naimondi in der Calle Chiesa Zaccaria als Untermieter wohne.
Tie Polizei hat heute früh dort Haussuchung gehalten. Tie Raimondis scheinen nicht mehr von ihrem Mieter zu misten, als daß er Pazzi heißt, in allerlei Hellkünsten erfahren ist und seine Miete pünktlich bezablt hat. In dem Zimmer des Untermieters aber hat man außer einem ganzen Lager von Medikamenten und Trogen zwei Pässe gesunden. einen auf Ernesto Pazzi lautend und einen anderen auf — Battista Morati. Uebri- gens hat sich schon bei oberflächlicher Prü- sung herausgcstellt. daß beide Pässe ge- fälscht sind. Jetzt sollen Sie. Fräulein Inge, den Ausschlag geben und uns sagen, ob der
Mann jener Morati ist, der Ihnen die angebliche Botschaft Cassiers brachtet"
Inge erkannte den Mann sofort wieder. Morati stand ungefesselt und gut gekleidet mitten in einer Gruppe von vier ebenso unauffällig gekleideten Kriminalbeamten, von denen einer sogar eine gewisse Aehnlichkeil im Aussehen mit ihm hatte.
Aber Inge hatte kanm beim Eintritt in das Amtszimmer den Blick über die Männer fliegen lassen, als sie halblaut aufschrie und mit zitternder Hand aus den Festgenommenen wies.
„Das ist er! Das ist — Morati!"
Ter italienische Kriminalkommissar Da- lani, ein gepflegter, schlanker Herr mit einem klassischen Cäsarenkopf, verbeugte sich ritterlich und führte sie dicht vor den Mann, den einer der Beamten jetzt mit einem Ruck lo herumdrehte, daß durch das Fenster das volle Sonnenlicht auf sein Gesicht siel.
„Betrachten Sie den Herrn genau Signo- rina. Erkennen Sie ihn wirklich ohne Zweifel?"
„Ja. Es ist der Mann, der mir den Rosenstrauß und die angebliche Einladung brachte."
„Ich danke Ihnen. Signorina." Ter Kom- mistar wandte sich mit finster zusammengezogenen Jupiterbrauen an den Verhafteten.
„Nun. Herr Morati! Was sagen Sie dazu?"
„Ich heiße nicht Morati. Ernesto Pazzi ist mein Name. Tie Dame da kenne ich nicht."
„Sie haben natürlich einen Doppelgänger, nicht wahr, den sowohl Herr Ruocco wie diese Signorina hier mit Ihnen verwechselt? Also bitte — erzählen Sie mir mal wo Sie sich am 29. Mai zwischen 8 und 10 llhr abends ausgehalten haben."
(Fortsetzung folgt) .