Mitztrauensanträge als Folge des Weißbuches
Scharfe Angriffe der englischen Opposition gegen die Regierung Maedonald
08 . London, s. März.
Da Macdonald erkrankt ist. wurde der übliche Kabinettsrat am Mittwoch von Bald» win geleitet: Hauptgegenstand der Beratungen soll die Verschiebung der Berliner Reise Sir Simons und Edens gewesen sein. Man bedauert allgemein sehr die Erkrankung des Führers und Reichskanzlers und hofft, daß sich Adolf Hitler bald erholen werde. Tiefer Wunsch wurde auch durch den britischen Botschafter m Berlin in die Reichskanzlei übermittelt. Ueber die Erkältung des Reichskanzlers ist man aber nicht verwundert, da gerade die englische Presse ganz besonders hrr- vorgehoben hat, wie der Führer in Saarbrücken stundenlang bei strömendem Regen ohne Mantel und Kopfbedeckung ausgeharrt hat.
Die englische Oeffentlichkeit befaßt sich mehr mit dem Weißbuch und feinen politischen Folgewirkungen. In weiten Kreisen hat dies« politische Unklugheil geradezu Empärungs- stiirme ausgelöst und sowohl die Liberalen der Gruppe deS Sir Herbert Samuel als auch die Arbeiterpartei haben für nächsten Montag Mißtrauensanträge gegen das Kabinett angemeldet. Bei der Arbeiterpartei wird daS Weißbuch außerdem noch als eine unmittelbare Kränkung des Vorsitzenden der Abrüstungskonferenz aufgefaßt und Gerücht« behaupten, daß Henderson diese Stelle nieder- legrn wolle. In manchen Kreisen wird daS Weißbuch auch als der Prügel betrachtet, den Macdpnald feinem Außenminister vor dir Füße werfen wollte.
Simon über die ^Verschiebung seiner Berliner Reise
Am Mittwoch nachmittag fragte der Führer der Opposition Lansbury. in> Unterhaus den Staatssekretär des Aenßeren ob er eine Erklärung über die Verschiebung seines Besuches nach Berlin abzugeben habe. Simon erwiderte: .Das deutsche Auswärtige Amt hat dem britischen Botschafter in Berlin mitgeteilt daß der deutsche Kanzler. da er sich während seines Besuches im Saarge- biei eine Erkältung zugezogen hat unter großer Heiserkeit leidet und daß daher aul Anordnung seiner Aerzte die Besprechungen die diese Woche mit den britischen Ministern «n Berlin siattsinden sollten, zum großen Bedauern der deutschen Regierung aut einer späteren Zeitpunkt verschoben werden müßten.' Lansbury fragte hieraus: Ist irgendwie bekannt wann die Zusammenkunst statt- linden wird?' Simon erwiderte: Er stell, iiiii oer oeuiiapt, Negierung uoer viele
Frage in Verbindung.' Hieraus fragte Land- bury weiter: .Dark ich fragen, ob Simon seinen Kollegen anraten wird, das Weißbuch bis nach Abhaltung der Besprechungen zurückzuziehen?' «Beifall bei den Arbeiter-Ab- geordneten). Simon antwortete unter dem Beifall der Regierungsanhänger: .Nein, bestimmt nicht. Ich kann mir kaum vorstellen, daß irgendjemand den Vorschlag ernst nehmen würde eine Erklärung die man abru- geben hat. zurückzuhalten bis die vorgesehe- neu Besprechungen stattgefunden haben.' Lansbury fragte hierauf weiter: ..Glaubt Simon wirklich, daß es für freundschaftliche Verhandlungen förderlich ist. ein so unfreundliche? Dokument zu veröffentlichen, wie das das der Premierminister ausgegeben hat?' Simon antwortete: .Dies ist eine Frage die wie ich glaube am Montag zur
«rvrierung gelangen wird.' Ern Opposi- tionS-Arbeiter-Abgeordneter kragte hierauf, ob Simon die Gelegenheit ergreifen werde. Moskau zu besuchen. Auk diese Fraae aab Simon keine Antwort. — Der
Rückfall in di« alten Methoden
hat selbst einen großen Teil der oppositionellen und durchaus nicht deutschfreundlich eingestellten Presse überrascht. Wenn auch .Daily Mail' in Verfolg ihres Feldzuges >ür die Verstärkung der Luftstreitkrüfte dem Weißbuch übrigens mit Vorbehalten — zustimuit und die ..Times' sich am Mittwoch überhaupt ausschweigen, so sind die übrigen Blätter um so deutlicher in ihrer Kritik. «Daily Erpreß' spricht von einem diplomatischen Fehler. ..News Chronicle' sagt, daß die Regierung mir ihrer >m falschen Augenblick erfolgten und von falschen Beweggründen ausgehenden Veröffentlichung Trachenzähne gesät habe. Ten französischen Schwerindustriellen müsse das Dokument doppelt willkommen sein. Innerhalb von 24 Stunden habe die britische Regierung die ganze internationale Lage unermeßlich verschlimmert. ..Daily Herold' bezeichnet daS Weißbuch als von grotesker Plumpheit und wirft ihm Mangel an Takt vor.
Die französische Presse zeigt sich nicht überrasch! vom Weißbuch. Au« manchen Aeußerungcn könnte man sogar den Eindruck gewinnen, daß man über den Inhalt schon vorher unterrichtet gewesen ist. Selbstverständlich steht die sranzösischePresse durchaus aus Seite MacdonaldS und eS fehlt nicht an hämischen Vergleichen und direkten Angriffen aus Deutschland.
In der schweizerischen Press« glaubt man an eine neueZielrichtung der britischen Politik, die dahin geht, daß man Deutschland einmal..dieZähnezeigen' müsse.
InMoskau verhält man sich abwartcnd und glaubt nicht, daß sich die Gesamtlage durch die Verzögerung der deutsch-britischen Aussprache geändert hätte.
Amerikanische Mihstimmung
Das Weißbuch hat in Washingtoner amtlichen Kreisen Peinlichst berührt. Man lehnt eine amtliche Stellungnahme zu dem Schriftstück bisher ab und weist darauf hin. daß die britische Regierung regelmäßig Anfang März den Rüstungshaushalt dem Parlament vorlege. Wie verlautet, hält man je- doch die Hineinziehung der Vereinigten Staaten wie auch die Wahl deS Zeitpunkte? der Veröffentlichung kurz vor der Berliner Reise des englischen Außenministers hier für alles andere als alücklich und förderlich.
3.5 Millionen Pfund Sterling '
mehr Flottenausgaben
Die Mehrausgaben für die Flotte sind im neuen britischen Haushaltplan mit 3.5 Millionen Pfund Sterling vorgesehen. Der Personalbestand der Flotte wird um 2000 Mann, der Schisfsbestand um drei Kreuzer, ein Zer- störer-Ftthrerschiff und drei Zerstörer, drei Unterseeboote und ein U - Boot - Mutterschiff und zwölf kleinere Fahrzeuge erhöht.
Frankreich
baut einen 35 vvv Tonnen-Kreuzer
Am Mittwoch hat die französische Regierung den Gesetzentwurf über den Bau eines Panzerkreuzers von SS 000 Tonnen in der Kammer einaebracht.
Winter erschwert die Kümpfe in Griechenland
rr. -vetgrao. v. Marz.
Die Lage in Griechenland ist noch immer ungeklärt. In Athen selbst herrscht Ruhe. Die Bevölkerung veranstaltet Kundgebungen gegen die Aufständischen. Etwa lOOO Personen sind in Haft genommen worden. Das Vermögen von V>ni- zelos und seiner Freunde ist beschlagnahmt worden. Ebenso wurden alle nicht regierungstreuen Offiziere abgesetzt.
Auch auf der Halbinsel herrscht Ruhe. Die Truppen erweisen sich als regierungstreu. Ebenso ist in Saloniki die Ruhe hergestellt. Tort hat Kriegsminister Kondylis sein Hauptquartier aufgeschlagen.
Alle Häsen sind gesperrt. Kein griechisches Schiss darf aussahren, ausländische Schisse nur mit besonderer Bewilligung.
Die Schlacht am Strymon
Am Strymon hat Mittwoch der Großangriff aus die Stellungen der Aufständischen begonnen. Tie Neberlegenheit der Negierungstruppen ist durch die schwere Artillerie und die Luftstreitkräste gesichert. Während von den Regieruugstruppen Siegeszuversicht zur Schau getragen wird und Siegesberichte nach Athen gefunkt werden behaupten andere Nachrichtenquellen, daß die Aufständischen die Strymonlinie im großen und ganzen mit Erfolg behaupten. Kavalla ist nach wie vor im Besitz der Aufständischen^ Das
plötzlich etnsetzende Winterwet- ter hat übrigens zur einstweiligen Unterbrechung der Operationen geführt.
Auf der Insel Kreta ist die Lage unverändert. Tie Luftangriffe auf die meuternde Flotte sind eingestellt worden. Nachrichten aus Athen wollen wissen, daß sich die Meu- tererschisfe nach Alexandrien flüchten wollen.
Aus Saloniki ging am Mittwoch abend in Athen folgender telegraphischer Bericht deS Kriegsministers Kondylis ein: Trotz des sehr strengen Winterwetters wurde der Vormarsch der Truppen zur Front ohne Unterbrechung fortgesetzt. Die Verpflegung unserer Einheiten ist nicht behindert. Am Nachmittag begann sich das Wetter zu bessern. Bombenflugzeuge unternahmen mehrere Flüge. Jeder Gefahr trotzend, gelang es ihnen, bis nach Serres zu gelangen. Sie gingen dort bis auf 20 Meter hinunter und belegten Kasernen, Truppenansammlungen und den Bahnhof sowie Kavakli-Serres mit Bomben, wodurch sie große Verwirrung hervorriefen. Meldungen aus Ostmazedonien bezeichnen die Lage der Aufständischen als hoffnungslos, was auch an der Front von Urlisko festgestellt wurde, die immer mehr jedes kriegerische Aussehen verliert. Morgen, wenn das Wetter sich bessert, werden wir vorrücken, um die Aufständischen zu zerstreuen. Die ganze An- gelegenheit ist jetzt nur noch eine einfache Frage der Zeit.
Ueber den von den Rebellen besetzten Gebieten, insbesondere über Kawalla, sind erneut von Rcgierungsflugzeugen aus Aufforderungen zur Waffen st reckung abgeworfen worden. — Wie mttgeteilt wird, meh- ren sich die Zahlen der Aufständischen, die überlaufen und sich ergeben.
Mwam'vMimbüM gegen W'.At
Blutige Zusammenstöße mit Negern in Chikago
Chikago. S. Marz.
Vor dem Frauengericht, vor dem sich neun Negerinnen wegen Beteiligung an einem Streik zu verantworten hatten, kam es am Dienstag zuwüstenAuftrit- ten, die eine Viertelstunde dauerten und dir von Angehörigen zweier Reger- Geheimbünde angezettelt worden waren. Die Polizeibeamten und Gerichtsdiener wur- den. als sie die Ruhe wiederherstellen wollten, von den Negern angegriffen und verschiedene von ihnen durch Krahwunden verletzt. Die Beamten mußten mit dem Polizeiknüppel und schließlich mit der Schußwaffe gegen die Ruhestörer Vorgehen. Ein Polizeibeamter erlitt infolge der Aufregung einen Herzschlag. Ein Gerichtsdiener und zwei Neger wurden durch die Schüsse schwer verletzt. Etwa 40 Rege« trugen Verletzungen durch Schläge mit dem Gummiknüppel davon. 48 Reger und Negerinnen wurden verhaftet. Wahrscheinlich wird gegen sie in Verbindung mit dem Tode deS Polizeibeamten Mordanklage
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Dr. SeUe iLotte'
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In 4 8tuncisn ksrlln— dlsu^Orlc >9 llomsn von W o 11 ti s r K s g s I
Dieser war zumeist von Finanzleuten, mit denen Neller in Verbindung stand, einge- laden und verbrachte die meisten Abende in Gesellschaft. Seine Hauptarbeit bestand vor. läufig darin, seinen eigentlichen Aufenthalts, grund zu verheimlichen und nach einem günstigen Terrain Ausschau zu halten.
Er war ein Mensch, den alles Neue interessieren und begeistern konnte, und so verlebte er auch die Tage bei den amerikanischen Geschäftsfreunden mit Hingabe. Ter Luxus, der ihn hier umgab, der ganz andere Gesichtswinkel. von dem aus man hier alles betrachtete, imponierte ihm teilweise. Als er endlich ein günstiges Grundstück entdeckt und durch Schmidt hatte kaufen lasten, dachte er gar nicht an sofortige Rückfahrt, sondern besprach mit dem Monteur kurz die erforderlichen Arbeiten und nahm dann die Einladung eines jungen Amerikaners an. einige Zeit in seinem Hause Wohnung zu nehmen, um Neuyork richtig kennenzulernen.
An Neller schrieb er einen längeren Bericht über die Ergebniste seiner Bemühungen und bat dann am Schluß um einen kurzen Urlaub um die amerikanischen Verhältnisse etwas zu studieren. Ebenso an Inge, der er wöchentlich zweimal schrieb.
Mister Bronthy. sein Gastgeber, hatte sein Hanplvergnügen daran. Winter in alle möglichen und unmöglichen Häuser eiuzusühren.
Nebenbei IchimicheU, es ihm auch, beu stenten des berühmten Neller als seinen Gast vorstellcn zu können.
Meistens erschienen sie nach Mitternacht in einer der vielen Bars, in denen alle Register des Luxus aufgezogen waren und in denen die Gäste Unsummen auszugeben pflegten.
Mister Bronthy hatte dabei eine besondere Vorliebe für .Uncle Tom'. Es war seine Stammbar. die nicht gerade als salonfähig galt. Nur selten waren dort Herren der besseren Gesellschaft zu sehen. Sie war selbst für amerikanische Begriffe etwas zu großzügig. und die Gäste bestanden aus reichen Fremden. Tie Bar hatte eigentlich einen an- deren Namen; da aber das Personal nur aus Negern und schwarzen Tänzerinnen bestand, so war diese Bezeichnung aufgekommen, unter der sie jeder kannte.
Nebenbei hatte Mister Bronthy dort auch eine Freundin, von der er aber keinem etwas sagte: in Gegenwart anderer verleugnete er sie. Er wußte, was er sich, wenigstens nach außen hin. als Amerikaner schuldig war. Eine Freundschaft mit einer Schwarzen konnte und durfte er nicht zugeben.
Nur einmal hatte er Winter in seliger Weinlaune beteuert, daß seine Baty treuer als jede weiße Frau sei.
Winter kümmerte sich um die weiblichen
reundschaften seines Gastgebers wenig.
uch waren ihm die amerikanischen Frauen selbst ziemlich gleichgültig. Sie waren ihm teilweise zu übertrieben und zu blasiert. Ob sie nur so taten — er kümmerte sich nicht darum.
Ihn reizte nur das Leben. daS sich vor ihm ausrollte. Dabei beneidete er in keiner Weise diese Menschen, nur interessierte eS ihn. Er hatte in seinem Leben noch nie eine solche Prunkentfaltung gesehen, er lehnte sich
auch nicht danach. La sich ihm aber jetzt dieses Leben für kurze Zeit bot. wollte er es mit voller Hingabe genießen.
In den Briefen an Inge schilderte er ihr dieses Leben, erzählte einige Begebenheiten und verschwieg auch einiges, um sie nicht un- nötig zu beunruhigen.
Daß er eigentlich immer ziemlich lange auf ihre Antworten warten mußte, fiel ihm weniger aus. Er hatte zu wenig Zeit zum Nachdenken.
Eines Abends nahm die Herrlichkeit ein Ende.
Mister Bronthy war wie gewöhnlich mit seinem Gast noch vor dem Nachhausegehen in die Bar gegangen, um bei einer Flasche Sekt den neuesten Gesellschaftsklatsch durchzusprechen.
Winter hörte nur halb zu. Er sah nach der Tanzfläche und beobachtete hauptsächlich den schwarzen Kapellmeister, dessen unglaubliche Körperverrenkungen mehr an einen Schlangenmenschen als an einen ersten Musiker erinnerten. Mister Bronthy warf ab und zu verstohlene Blicke nach der Bar hinüber. wo seine Baty saß und sich mit einigen .Gentlemen' unterhielt.
Die Kapelle begann mit einem neuen Tanz, und Baty erschien mit einem jungen Kavalier auf der Tanzfläche.
Als der Tanz zu Ende war. meinte Bronthy: ..Wollen wir mal 'rüber zur Bar gehen?'
„Gehen Sie lieber allein,' sagte Winter, der aus Bronthys Stimme die verhaltene Wut heraushörte.
Winter, der Bronthy nachsah. sah plötzlich. wie dieser in den Barraum hetzte.
Schrille Frauenstimmen kreischten auf. der Eingang war auf einmal dicht mit Neugieri
gen besetzt, und ehe noch Winter richtig t greifen konnte und sich erhoben hatte, kam Bronthy schon erregt, mit schief sitzende, Krawatte, zurück.
.Gehen wir', sagte er kurz. Winter der m der ganzen Sache nicht klar sehen kvuiili folgte ihm achselzuckend. Erst als sie im Wagen saßen, machte sich Bronthys Er- regung Luft.
.Dieser Schuft...'
.Wen meinen Sie?'
.Ten Kerl, der das Mädel küssen wollte.'
.Und...?'
Winter begann langsam zu begreifen. Nur mühsam konnte er das Lachen zurückhalten.
.Ich habe ihn geohrfeigt.'
.Auch das noch.'
Soweit hatte er sich also Hinreißen lastenl
Am anderen Morgen war der Skandal bekannt. Die Zeitungen brachten den Vorfall in allen Einzelheiten.
.Zwei Herren der Gesellschaft ohrfeigen sich wegen einer Frau.
Bronthy war schlecht gelaunt.
.Ich muß verreisen. Mister Winter', meinte er nachdenklich beim Kasseetisch.
.Wird das einzig Vernünftige sein.'
.Und Sie?'
.Ich siedle morgen nach einem Hotel über.'
Am Nachmittag erreichte ihn ein Tele- gramm Nellers, das seine Pläne über den Haufen warf.
Sofort und unter allen Umständen zurück- kommen. Neller.
Zwei Tage später bestieg er den deutschen Dampfer dex Deutsch-Nordamerikanischen Linie.
(Fortsetzung folgt.)