Niederschrift über die 23. Sitzung des Kreistags am 25.10.1993
Meine Damen und Herren, glauben Sie mir, daß auch wir uns diese Frage gestellt haben. Die Antwort ist relativ einfach. Es ist dasselbe Klagelied, das wir schon in den letzten Jahren gesungen haben: Die Ausgaben für die soziale Sicherung steigen rasant. Sie alle haben in den letzten Tagen sicherlich mit Interesse die Berichte über die Sondersitzung des Deutschen Städtetages verfolgt, in der das Abwälzen von Zahlungsverpflichtungen aus der Arbeitsförderung in die Sozialhilfe vehement beklagt wurde. Was für die Städte gilt, gilt für die Landkreise in noch sehr viel größerem Maße, da der Sozialhilfeetat bei den Landkreisen einen wesentlich größeren Anteil am Gesamtvolumen beansprucht als bei den Städten. Wir haben in dem Ihnen nun vorgelegten Haushaltsentwurf die Folgen dieser vom Bund vorgesehenen Rechtsänderung bereits eingeplant. Sie wird den Landkreis Calw im Jahr 1994 mindestens 2,5 Mio DM zusätzliche Belastungen bringen. Die Tendenz für die folgenden Jahre ist steigend. Die einzige nennenswerte Entlastung im Sozialbereich, auf die die Stadt- und Landkreise schon seit langer Zeit warten, wäre die Pflegeversicherung. Leider muß man davon ausgehen, daß nach dem gegenwärtigen Stand des Gesetzgebungsversuches zumindest im Jahr 1994 wiederum nicht mit diesem Gesetzeswerk gerechnet werden kann. Das nüchterne Ergebnis für den Landkreis Calw: Wir rechnen im Jahr 1994 mit einer Brutto-Steigerung der Ausgaben für die soziale Sicherung, also des Einzelplanes 4 und der Landeswohlfahrtsumlage um 12,5 Mio DM. Die Gesamtsumme von fast 73,5 Mio DM, die wir für die direkte soziale Sicherung ausgeben müssen, nimmt 56,3 % des Verwaltungshaushalts in Anspruch.
Selbstverständlich muß der Landkreis nicht diese gesamten Kosten alleine tragen. Berücksichtigt man die Einnahmen, die uns in diesen Aufgabenbereichen zufließen, so verbleibt ein Zuschußbedarf von 49 Mio DM. Dies ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 10 Mio DM oder 24,3 %.
Meine Damen und Herren, um diese Zahlen etwas zu relativieren: Das Aufkommen an Kreisumlage im Jahr 1993 beträgt 34 Mio DM. Zum Haushaltsausgleich brauchen wir 1994 eine Kreisumlage von 46 Mio DM . Dies bedeutet, daß auch eine wesentlich erhöhte Kreisumlage noch nicht einmal ausreichen wird, um den Zuschußbedarf im Bereich soziale Sicherung zu finanzieren.
Man mag diese Entwicklung beklagen. Tatsächlich sind die Einflußmöglichkeiten eines Landkreises auf diesen gewaltigen Ausgabeposten äußerst gering. Die Ansprüche, die hinter diesen Ausgaben stehen, sind größtenteils bundesrechtlich festgelegt. Ein immer größerer Personenkreis ist auf diese Leistungen angewiesen. Wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen. Wo immer es uns möglich ist, versuchen wir den uns vorgegebenen Handlungsrahmen so auszufüllen, daß zwar berechtigte Ansprüche erfüllt, unberechtigte aber auch abgewiesen werden. Deshalb ist auch die Pro-Kopf-Belastung bei uns immer noch weit unter dem Landesdurchschnitt. Dennoch verbleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts einer solchen Entwicklung. Ohne eine Kurskorrektur bluten die Landkreise und mit ihnen unsere Gemeinden finanziell aus.
Ein weiterer finanzieller Schwerpunkt, der erhebliche Haushaltsmittel bindet, ist in den letzten Jahren auch der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs geworden. Wir stellen einerseits mit Befriedigung fest, daß wir die in der KE- Studie über den ÖPNV im Landkreis Calw erarbeitete Sollkonzeption nahezu vollständig erfüllt haben. Wir müssen aber auch feststellen, daß dieses Service-Angebot für die Einwohner dieses Landkreises mit einem Zuschußbedarf von 2,8 Mio DM erkauft werden muß.
In dem von uns immer gemeinsam mit dem ÖPNV betrachteten Aufgabenbereich Schülerbeförderung ist die Entwicklung ähnlich negativ verlaufen. Während wir in den letzten Jahren weitgehend kostendeckend gearbeitet haben, ist für 1994 erstmals ein ausgewiesender Zuschußbedarf von über 1 Mio DM zu erwarten. Dies ist deswegen besonders bedenklich, weil wir ja erst 1993 die Erstattungsbeträge deutlich angehoben haben.