Öffentliche Sitzung des Kreistags am 8.3.1982
Die von den Tarifpartnern jährlich ausgehandelten Personalkostenerhöhungen haben die Krankenhausträger hinzunehmen. Eine Einflußnahme darauf ist nicht möglich, es sei denn ein Krankenhausträger reagiert mit Entlassungen zu Lasten der Patientenversorgung. Ein solches Vorgehen kann bestimmt nicht im Sinne der Krankenkassen sein.
Wir würden es deshalb begrüßen, wenn künftig das jährlich regelmäßig wiederkehrende Gerangel zwischen Kassen und Kreis über die Höhe der Pflegesätze unterbleiben könnte und die Kassen mehr Einsicht für die schwierige Position unseres Kreises hätten. Die CDU-Fraktion hält es zwar nicht für gut, wenn die Pflegesätze demnächst einmal im Wege eines Prozesses festgesetzt werden müßten, sie wird aber in der Zukunft sich einer solchen Entwicklung nicht verschließen.
Wir setzen uns im übrigen trotz aller Kostendämpfungsmaßnahmen der Bundesregierung im Gesundheitswesen und trotz aller Sparappelle der Kassen füreine Fortführung der bedarfsgerechten Patientenversorgung ein und sind entschiedener Gegner jeder Entwicklung zur Billigmedizin. Es darf schließlich im Gesundheitswesen nicht soweit kommen, daß Operations- und Behandlungsentscheidungen unter den Druck finanzieller Kassenvorgaben kommen.
Sozialausgaben
Die Verwaltung hat auf Seite 14 des Vorberichts zum Haushaltsplan eine interessante Übersicht erstellt. Demnach sind die Sozialausgaben des Kreises seit der Kreisreform 1973 um über 120 % gestiegen und nehmen mit rd. 15 Mio. DM 80 % der Kreisumlage in Anspruch. Bedingt durch die schon seit geraumer Zeit entstandene allgemeine schlechte Wirtschaftslage und die von der Bundesregierung eingeleiteten Sparmaßnahmen, ist 1982 mit einem weiteren kräftigen Anstieg zu rechnen.
Nach Angaben des statistischen Landesamts Baden-Württ. lebt von den 9,1 Mio. Einwohnern von Baden-Württ. jeder 43. mehr oder weniger von der Sozialhilfe. Für 216 000 Sozialhilfeempfänger in diesem Lande bezahlt unsere Solidargemeinschaft 1982 1,4 Milliarden DM. Das sind alarmierende
Zahlen, die jedem der politische Verantwortung trägt, zu denken geben müssen. Man muß nach- denken über den Sozialstaat, der in die Sackgasse geraten ist. Die soziale Rechtsetzung unseres Staates beruht zwar auf dem Prinzip der Hilfe, um menschenwürdige Verhältnisse für alle zu schaffen. Mitleid und Hilfsbereitschaft müssen aber von Vernunft geleitet sein und immer mehr muß der Eindruck aufkommen, daß die öffentliche Hände in den vergangenen Jahren - angespomt durch die Politik der sozialliberalen Koalition - diese Vernunft zu wenig beachtet haben.
So langsam beginnt man jetzt einzusehen, daß ein Zuviel an Sozialstaat nicht nur zu leeren Kassen (darunter fällt auch die Kasse unseres Kreises) sondern auch zur Verdrossenheit der Bürger führt. Der Mensch verkommt, wenn ihm alle Risiken und Möglichkeiten zur Selbstbewährung genommen werden. Ein Übermaß an Hilfe muß in Inhumanität Umschlagen.
Nun ist Calw nicht Bonn. Aber auch die Verantwortlichen in der Kreisverwaltung sind aufgerufen, nach ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, den Eindruck zu beseitigen, der Bürger habe nur noch Ansprüche an den Staat aber keine Pflichten mehr.
Die CDU-Fraktion hat bei den Aussprachen zu den Kreishaushalten der letzten Jahre schon mehrfach die Verwaltung aufgefordert, einen strengen Maßstab bei der Bearbeitung von Sozialhilfeanträgen jeder Art anzulegen und auch Fragen von Rückzahlungen gewährter Unterstützungen nachzugehen. Diese Aufforderung erneuern wir heute nachdrücklich. Dies gehörtauch zum sozialen Prinzip, zu dem wir im übrigen verfassungsgemäß selbstverständlich stehen.
Eine Sonderstellung in den Förderungen des Landkreises nimmt die Jugend ein. Gerade auch die Jugendhilfe als Teil des Sozialetats, ist gewaltig angeschwollen. Viele junge Leute leiden unter schwierigen sozialen Problemen, unter Arbeitslosigkeit und unter Geldmangel. Ihnen muß geholfen werden. Junge Leute äußern sich heute aber auch gelegentlich in dem Sinne, daß in einem Staat, in dem fast alles perfekt geregelt ist, ihnen ihre Lebenschancen beschnitten werden. Sie sehen keine Herausforderungen mehr durch Verhältnisse, an denen sie ihre Kräfte messen können und daran muß gedacht werden.