Die Untersuchung der Ursachen des Ausstandes in Wien

Die Zahl der bei den Kämpfen um das Sendegeoäude um das Leben gekommenen Per­sonen wird mit zwei angegeben. Die Regierung hat eine Untersuchung über die Ursachen des Aufstandes eingeleitet.

Der Verlauf der Ereignisse im Bundes­kanzleramt war nach den amtlichen öfter- reichischen Mitteilungen folgender:

Um 11 Uhr vormittags trat im Bundeskanz­leramt ein Ministerrat zusammen, während dessen dem Minister Fey von einigen Heim­wehrleuten mitgeteilt wurde, daß sich in der Siebensterngasse Leute in Uniformen von Wachbeamten und Heeresangehörigen sammel­ten, die angeblich eine Aktion vor hätten. Fey unterrichtete sofort den Bundeskanzler Dr. Dollfuß, der den Ministerrat unterbrach, um die notwendigen Erhebungen anzustellen. Der Bundeskanzler berief Minister Fey, den Staatssekretär für die Landesverteidigung und den Staatssekretär für das Sicherheitswesen in seine Kanzlei zu einer Beratung. Der Staats­sekretär für die Landesverteidigung wurde be­auftragt, im Landesverteidigungsministerium die nötigen Vorbereitungen zu treffen,, wäh­rend sich Staatssekretär Karmin sky mit dem Polizeipräsidium in Verbindung setzte, um ebenfalls Maßnahmen zu treffen und festzu­stellen, was an den Mitteilungen richtig sei. Minister Fey veranlaßte die Alarmierung des Heimatschutzes.

Während noch beraten wurde, erschienen plötzlich einige Automobile mit bewaffneten uniformierten Leuten im Hof des Bundeskanz­leramtes. Sie drangen sofort in alle Räume des Hauses ein, überwältigten die Wache und schlossen die im Bundeskanzleramt befindlichen Regierungsmitgl-eder und Beamten in ihren Kanzleien ein. Unter den Eingefchlossenen be­fanden sich Bundeskanzler Dollfuß, Mini­ster Fey und Staatssekretär Karwinsky. Einer der Eindringlinge gab auf den Bundes­kanzler zwei Revolverschü^e ab, die diesen

tödlich verletzten. Ein sofortiges energisches Vorgehen gegen das Bundeskanzleramt, wie es gegen das gleichfalls von Uniformierten be­setzte Gebäude der Ravag stattgefunden hatte, war nicht möglich, weil die Eingedrungenen zahlreiche Personen festaenommen hatten. Es wurden daher Verhandlungen ausgenommen, die aber zunächst zu keinem Ergebnis führten.

Schließlich wuroe gegen 18 Uhr den Ein­dringlingen vom Minister Neustädter- Stürmerim Auftrag der Bundesregierung, die mittlerweile vom Bundespräsidenten tele­phonische Vollmachten erhalten hatte, mitge­teilt, daß sie bis 19.30 Uhr das Bundeskanzler­amt zu räumen hätten. Gleichzeitig wurden starke militärische Kräfte bereitgestellt, um nach Ablauf des Ultimatums mit Waffenge­walt einzugreifen. Den Eingedrungenen wurde freies Geleit zur Ausreise aus Oesterreich in Aussicht gestellt, falls von den im Bundesamt Festgenommenen niemand ums Leben gekom­men sei. Daraufhin ergab sich die Besatzung des Bundeskanzleramts gegen 20 Uhr. Bun­deskanzler Dr. Dollfuß war vor der Uebergabe seinen schweren Verletzungen erlegen. Die Führung des Kabinetts hatte bis zum Ein­treffen des Vizekanzlers StarhemberH aus Venedig der Minister Schuschnigg über­nommen.

Bei den Personen, die den Anschlag auf das Bundeskanzleramt und das Gebäude der Ra- vag unternahmen, handelt es sich anscheinend meist umehemaligeAngehörigedes Bundesheer's, die wegen politi­scher Betätigung aus dem Heere entlassen w >rden sind.

Das Ravaghaus hat durch den Kampf, der um das Gebäude tobte, sehr stark gelitten. In den einzelnen Stockwerken sieht man an Türen, Büromöbeln und Wänden die Spuren zahlreicher Geschoßeinschläge. Auch Fenster­scheiben und Rahmen'sind völlig zerschossen.

^efiryn weroen. Aucy vas Blinvessarslperso- rial sei sofort zu vereiden und der Gendarme­rie zu unterstellen. Auf Antrag der Landes- leitung der Vaterländischen Front müsse die Bewaffnung der Wehrverbände und des Ortsschutzes durchgeführt werden.

Schließlich wird gefordert, daß der Bun- desleiter der Vaterländischen Front zum Mi­nisterrat hinzugezogen werde und daß paral­lel dazu die Landesleitungen der Vaterländi­schen Front von den Landesregierungen hin­zugezogen werden. Weiter wird ein Befehl der Bundesleitung der Vaterländischen Front veröffentlicht, wonach die Vaterländische Front drei Monate hindurch für Dr. Dollfuß Trauer zu tragen hat.

Einberufung

des österreichischen Schuhkorps

Das Schutzkorps, das sämtliche Wehrver­bände umfaßt, ist jetzt nach Mitteilungen der Presse sowohl in Wien, als auch in den Bun- desländern wieder aufgefüllt worden. Die Stärke der einberufenen Formationen er­reichte bereits am Mittwoch abend die Zif­fern des während des FebruarausstandeS un­ter Waffen gestandenen SchuhkorpZ.

Blutige Kämpfe in Steiermark

Während von amtlichen Stellen immer wieder versichert wird, daß in ganz Oester­reich Ruhe herrsche, Verlautbart der Rund­funk, daß Aufständische in Judenburg und anderen steierischen Orten die Waffen ge­streckt hätten und nur einzelne Orte noch Widerstand leisten.

Tatsache ist, daß inSteiermarkdas Standrecht verhängt wurde. Die ober­steirische Stadt Judenburg war die ganze Nacht zum Donnerstag über im Besitz der Aufständischen, die sich erst am Morgen ergaben. Auch Jlz in der Oststeiermark und Kindberg im Mürztal konnten erst in den Morgenstunden von Truppen, die von Wien aus in Marsch gesetzt worden waren, gesäubert werden.

Hingegen tobten den ganzen Donnerstag über noch schwere Kämpfe um das Indu­striegebiet von Leoben-Donawitz, im oberen Ennstale zwischen Gröbming und Schladming und um Bad Aussee.

Auch in der Weststeiermark, beiDeutsch- landsberg und Stainz, hielten sich die Aufständischen die ganze Nacht über.

Ein klares Bild ist noch nicht zu gewinnen. Die deruytgenden Mitteilungen von amtlicher Seite lasten das Ausmaß der Unruhen im­merhin erkennen. So wird von amtlicher Seite erklärt, daß die Säuberungsaktion in Steiermark gute Fortschritte mache; in Süd­steiermark herrsche bereits völlige Ruhe. Die Orte Stainz und Liezen seien von den Truppen bereits gesäubert worden.

Auch die Bahnstrecke bei S e l z t a l fei wie- der hergestellt. In Kärnten herrsche völlige Ruhe. Es wird gemeldet, daß in Gröb- ning, Donawitz, Bad Aussee, Leoben noch Kämpfe im Gange seien. Bei den Kämpfen um Altenberg sollen auf beiden Seiten erhebliche Opfer zu verzeichnen sein. Aus Niederösterreich sind Truppen nach Steiermark in die Kampfzone entsandt wor- den. In St. Peter bei Graz versuchten die Aufständischen das Konzentrationslager, in dem sich Nationalsozialisten befanden, zu stürmen. Hierbei kam es zu Kämpfen mit den Heimwehren, wobei drei Nationalso­zialisten getötet und 26 verhaftet wur- den.

Aus Heimatschutzkreiscn erfährt man, baß insbesondere die Gefechte um Leoben äußerst blutig waren. Leoben soll erst nach Artillerie­vorbereitung eingenommen worden sein. Auf

Seiten des Heimatschutzes sollen nach dessen eigenen Darstellungen 30 Tote zu verzeich­nen sein.

Wiederaufhebung

der Sonder-Grenzsperre nach Oesterreich

Die Neichsregierung hatte, um jede Mög­lichkeit einer Beteiligung an den österreichi­schen Ereignissen von vornherein auszuschlie­ßen, bereits am 25. Juli 1934 nachmittags 4 Uhr, die völlige Ausreisesverre aeaenüber Oesterreich für alle Reichsangehörigen und in Deutschland aufhaltsamen österreichischen Flüchtlinge angeordnet. Die daraufhin vom Neichsminister des Innern zur Durchführung dieser Ausreisesperre getroffenen Maßnah­men sind Donnerstag nachmittag als durch die Verhältnisse überholt wieder aufgehoben worden. Für den Reiseverkehr mit Oesterreich gilt nach wie vor das Gesetz über die Be­schränkung der Reisen nach der Republik Oesterreich vom 29. Mai 1933.

Die Haltung des Auslandes

Sir John Simon über die Ereignisse in Oesterreich

Der Staatssekretär des Aeußeren, Sie John Simon, gab am Donnerstag nach­mittag im Unterhaus eine ausführliche Dar­stellung der Ereignisse in Oesterreich. Er be­richtete dann über seinen Besuch beim öster­

reichischen Gesandten in London, dem er das Beileid der britischen Negierung zum Tode des österreichischen Bundeskanzlers ausge­sprochen habe. Sir John Simon fuhr dann fort: Die Haltung Englands der Unabhängig­keit und Unversehrtheit Oesterreich gegenüber bleibt in Uebereinstimmung mit den entspre­chenden Verträgen durch die Ereignisse in Oesterreich unverändert, so wie dies in der Erklärung mitgeteilt worden ist, die ich im Namen der britischen Regierung im Februar dieses Jahres abgegeben habe.

Sir Austen Chamberlain fragte hier­auf. ob Simon irgend eine Mitteilung der italienischen Negierung erhalten habe, von der er dem Unterhause Kenntnis geben könne. Chamberlain wies in diesem Zusammenhang auf Presseberichte über italienische Truppen­bewegungen in Richtung der Tiroler Grenze hin. Simon erwiderte: Nein. Ich glaube, mich nicht zu irren, wenn ich erkläre, daß wir bis- her keine Mitteilung von der italienischen Negierung erhalten haben. Wir sind in diesen Fragen sehr in Eile gewesen. Ich glaube, ich habe recht, wenn ich sage, daß Mussolini nicht in Nom ist.

Mussolini ist am Donnerstag um 14.30 Uhr wieder in Rom eingetrofsen. Ungarische Sicherheitsmaßnahmen

In Ungarn wurden nach dem Bekanntwerden der Vorgänge in Wien verschärfte Grenzschutzmaß­

nahmen und eine strenge Kontrolle an der öster­reichischen Grenze angeordnet. Die Budapester Presse stellt mit Genugtuung das Fernhalten des Reiches von der Aktion in Wien fest. ,,

Preffestimmerr zur Lage

Die Wiener Presse

ist am Donnerstag mit Trauerrändern erschienen. Die offiziöse Regierungspresse benützte die trau­rigen Ereignisse zu einer ausfälligen Hetze gegen das Deutsche Reich und den Nationalsozialismus. Im allgemeinen versichert man. daß der Regierungskurs sich nicht ändern werde, höchstens in der Richtung einer Verschärfung des Kurses gegen den National- sozialiSmus, wobei man sich -- bezeichnender­weise! aus die internationale Politik beruft.

Englische Anerkennung

für Deutschlands korrekte Haltung

In der englischen Presse sind die öster­reichischen Ereignisse groß ausgemacht. Tiefen Eindruck hat die korrekte deutsche Haltung ge­macht. Die deutschen amtlichen Verlautbarungen über die Ursachen der Abberufung des Gesandten Rieth, die Schließung der deutsch-österreichischen Grenze und die Ankündigung der Verhaftung der Aufständischen, wenn sie die deutsche Grenze überschreiten, werden im Wortlaut wiedergegeben.

Daily Telegraph" glaubt, daß der Putsch weniger auf Anstiftung als auf Nachahmung zurückzuführen sei. Wenn Schuschnigg jetzt ver­suchen würde, die Habsburger wieder einzusctzen. so würden andere Schwierigkeiten sehr gefähr­licher Art entstehen. Im Augenblick sei alles dunkel mit Ausnahme der Tatsache, daß daS europäische Pulvermagazin vom Balkan nach Wien verlegt worden ist.

News Chronicle" sagt:Der unglückliche Bundeskanzler hat in bedauer­licher Weise versagt und die Hoffnungen, hatte, unerfüllt gekästen. Sein Andenken ist un- auslöschlich befleckt durch den furchtbaren Bürger­krieg im Februar." _

Pressehehe gegen das Deutsche Reich

In der belgischen Presse wird der Versuch unternommen, den Nationalsozialismus schlecht- hin mit dem Tode Dollfuß' zu belasten.

Noch ärger treibt es die französische Presse. Der auf Wunsch österreichischer Ncgie- rungsmitglieder unternommene Vermittlungs­versuch des Gesandten Rieth wird einfach als Einmischung Deutschlands" hingestellt.Paris midi" wird noch frecher und behauptet, daßdie Verantwortlichkeit Deutschlands außer Zweifel" stünde. Die Regierung scheint jedoch nicht die Absicht zu einer internationalen Aktion für die sagenhafte österreichischeUnabhängigkeit", die von einigen Blättern gefordert wurde, zu haben. Barthou hat den italienischen Botschafter zu einer Aussprache über Oesterreich empfangen, wartet jedoch den weiteren Verlauf der Ereig­nisse ab.

Ausfälle der italienischen Presse

Daß in Italien die Vorgänge in Oesterreich daS beherrschende Tagesgespräch sind, nimmt nicht wunder. Anscheinend auf eine einheitliche Weisung hin wird übereinstimmend festgestellt, daß es sich bei den Vorgängen am Ballhausplatz nicht um eine Politische Bewegung oder eine Revolution gehan­delt habe, sondern ausschließlich um einen Terror­akt, was aber die meisten Blätter nicht abhält, scharfe Angriffe gegen Deutschland zu richten. Et" Blatt geht sogar so weit. Deutschland der Schult an den Wiener Ereignissen zu bezichtigen.

Im allgemeinen aber wird der Wille betont, ge- meinsam mit Frankreich und England dieUnab­hängigkeit" Oesterreichs zu sichern. Mussolinis Popolo d'Jtalia" betitelt seinen offenbar beein­flußten LeitartikelDer Kampf um die Unab­hängigkeit Oesterreichs die Idee kann man nicht morden!"

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Herr Krupka", sagte sie,übermorgen, vielleicht schon morgen, erwarten wir Ihren Bruder hier zurück. Soll er Sie hier noch vorfinden? Ich weiß mir keinen Rat mehr. Sie erschweren es sich und mir. wenn Sie im Haus bleiben."

Er hatte sich ein wenig aufgerichtet.Wich­tiger als alles andere, Fräulein Tabbert . . Verzeihen Sie mir. aber Hillmann sagte mir. Sie seien zur Baronin von Overlach gefah­ren ... Ist das wahr?"

Sie sah ihm ins Gesicht.Ja, das ist wahr."

Und Sie haben ihr verraten, daß ich hier bin?"

Sie schüttelte den Kopf.Ich hatte Ihnen das Versprechen gegeben, über Sie zu schwei­gen. und habe es gehalten."

Ist sie bei ihrem Vater?"

Rößler soll in Wien sein."

Da versucht er noch die letzten Tänze, die letzten Wirbel, um die Fährten, die ihn und seine Schuld verraten könnten, zu verwischen. Aber ich dulde es nicht, daß er auch diesmal wieder entkommt." Nach einer kurzen Pause fragte er schluckend, stockend, gepreßt, die ge­falteten Hände dicht vor den Zähnen, die nun wieder begannen, auseinander zu schla­gen: «Lw siM sie - gus?."-

Sie ist eine schöne Frau."

Sie sei jetzt blond, hat man mir gesagt."

Blond, jung, elegant, gute Sportlerin, sie führt ein Rennboot."

Ja. Sie ist eine große Weltdame."

Aber gestern, und neulich tchou einmal, Herr Krupka. verriet sie mir gegenüber . . . Herr Krupka, Sie liegen hier elend im Fie- ber. vielen Gefahren preisgegeben. ich kann Ihnen nicht helfen. Sie dürfen es auch nicht länger von mir verlangen . . . Geben Sie mir den Auftrag, die Baronin zu benachrich­tigen . . . Vielleicht kommt sie zu Ihnen, wenn sie erfährt, wie verzweifelt Ihre Lage ist."

Poldi!" flüsterte er. Plötzlich wandte er den Kops, preßte das Gesicht ins Kissen und weinte hilflos.Vielleicht kommt sie. Ja, wenn ihr Vater nicht bei ihr ist. ihr böser Geist. Aber sobald er davon erfährt . . . Nein, es ist bester, ich gehe zu ihr. noch bevor ihr Vater aus Wien zurück ist."

Das können Sie doch nicht. Herr Krupka, in Ihrem Zustand können Sie Ihr Zimmer nicht verlosten!"

Die Aussicht. Poldi wiederzusehen, wird mir die Kraft geben." Aber er ließ sich wie­der ermattet auf de» Rücken fallen.Nein, in dieser Stunde noch nicht." Er schloß die Augen.

Da drüben ach, bitte, Fräulein Tabbert, drehen Sie den Spiegel um, der dort steht da drüben sehe ich mich, sehe mein Gesicht, meine Augen, es ist alles ent- setzlich. Aber vor ihr habe ich keine Angst. Sie wird sich erinnern, daß ich sie geliebt habe. Nein, sie wird mich nicht der Kriminal­polizei verraten ... Wo ist sie? Wo liegt das Klubhaus, in dem Sie gestern mit ihr gesprochen haben? . . . Bitte, schreiben Sie es hier uiedexs?

Effi nahm den Notizblock und schrieb. Ich weiß nicht, was ich Ihnen wünschen soll, Herr Krupka. Ein Mensch, der leidet, findet bei jeder Frau Mitgefühl und Mit­leid. Vielleicht ist es Ihnen also bestimmt, daß Sie sich mit Ihrer Frau wieder Ver­einen. Mich müssen Sie nun endlich freigeben. Herr Krupka . . ."

Von dem Augenblick an, da er den Block­zettel mit der Adresse von Frau Poldi in der Hand hielt, hatte er kaum mehr gehört, was sie sagte. Er preßte das Gesicht ins Kisten; fein Nacken, feine Schultern zitterten.

Sie öffnete die Tür und ging.

Sie hatte mehr getan, als er in seiner Not erwarten konnte.

Als Effi mittags Fräulein Liers im Wirt- schaftskeller aufsuchte, um zu hören, was für Nachrichten sie über den Professor aus dem Krankenhaus hatte, bekam sie gleich ein ganzes Bündel von Neuigkeiten: Fräulein Liers hatte Frau Nemscheidt nach Altona ge­schickt, um Boßdorf abzuholen und nach dem Amtsgericht zu begleiten; denn heute war doch sein Termin; und vom Termin aus brauchte Boßdorf gar nicht mehr nach dem Krankenhaus zurück.

Die haben ihm doch gleich nach der Arzt- Visite seinen Entlastungsschein gegeben. Wir waren ja alle so überrascht. Die Schwester aus der Station hatte angerufen. Natürlich dacht ich. Sie wüßten darum, Fräulein Tab­bert, bloß der Sicherheit halber wollte ich es noch durch den Jungen bei Ihnen melden lasten. Aber der Rolf sagte. Sie seien auf Nummer 37, arbeiteten dort, seien unab­kömmlich. Na, und da gab ich dann seiner Vizemama Urlaub. Die war ja mächtig stolz, die Frau Doktor, und so glücklich! Nein, Fräuleinchen, Sie hätten sehen müssen, wie Li abroLl Haiti, ich mußte ja an mim halten,

aber es war tatsächlich nicht zu entscheiden, sollte man lachen oder mit ihr weinen. Sie strahlte, sag ich Ihnen, und dabei hatte sie die Hellen Tränen . . ."

Nun blieb Effi nichts anderes mehr übrig, als für den Heimkehrer einen großen Blumenstrauß zu schneiden. Sie füllte einen Bauernkrug damit und stellte ihn auf den Tisch in seiner Kammer. Mit Spadoni sprach sie, mit Proschek und andern Arbeitern aus Boßdorss Kolonne. Sie hatten alle gute Worte für den Professor. Spadonis Gesühle waren vielleicht ein bißchen gemischt. Die Glashäuser boten in ihrer jetzigen Verfassung kein gutes Bild. Aber in vier Wochen wür­den sie ja doch abgerissen.Vielleicht kann er von dem Zeug, bevor der Neubau beginnt, noch dies und das zu gutem Preis verkau­fen .. . Aber helfen konnte seinen Exoten hier niemand . . ."

Als sie dem Direktor Hillmann auf den» Hof begegnete, erinnerte sie ihn an seine Zu sage, mit den Herren von der Firma darüber zu sprechen, ob sie dem Professor das Wiesen­land vor Nisten pachtweise überlasten wollten.

Ja. richtig, die Obstsiedlung!" sagte er- Nun. die Pacht der Wiesen kann M n ch teuer sein. Schwieriger rst die F^e-wieviel Zinsen die Firma berechnen muß, wenn sie ihm ein paar Tausend als Darlehen bewil- ligt. Bargeld ist jetzt sündhaft teuer. Und er selbst wird doch bald Kapitalist, nicht? Sem großes Bilderbuch! Haben Sie acht, er wird uns hier noch alle überflügeln! Eines Tages wacht er aus und ist berühmt!"

Effi nahm die Gelegenheit wahr, dem Direktor alles Gute nahezubringen, was sie über den Professor zu sagen wußte.

Voll Spannung wartete sie mit den an- dern auf die Ankunft des Postomnibusies.

NorliLhuug folgt.