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Öffentliche Kreistagssitzung am 13.3.1972

Die Fraktion der Freien Wählervereinigung wolle sich jedoch, wie bereits von ihr bei der Kreis­tagswahl zum Ausdruck gebracht, nicht um die Verantwortung drücken. Schweren Herzens werde sie daher der Haushaltssatzung in der vorliegenden Form zustimmen. Sie sei der Meinung, daß die Belastung der Gemeinden mit einem Hebesatz der Kreisumlage von 23,5 % noch vertretbar sei, weil dadurch wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllt werden. Seine Fraktion bitte jedoch darum, die jährlichen Investitionsraten künftig in etwa auf gleicher Höhe zu halten.

Zu Beginn seiner Ausführungen stellte KV Krautter namens der SPD-Fraktion fest, daß die Vorbe­ratung des Haushaltsplans 1972 erstmals unter der neuen, und wie sich erwiesen habe, besseren Landkreisverfassung erfolgt sei. Er zollte der Verwaltung Lob für die wie in den Vorjahren exakt ausgearbeiteten Unterlagen für den Haushaltsplan 1972. Weiter dankte er den beiden Fraktionen für die sach- und fachgerechte Mitarbeit in den Ausschüssen.

Zurückgreifend auf das vom Präsidenten des Baden-Württembergischen Landkreistags, Landrat Berthau, geprögte Wort von den Landkreisen im Umbruch sagte KV Krautter, daß es für die Land­kreise darum gehe, aus der "Florians-Methode", nömlich der Weitergabe der Belastungen von Landkreis auf die kreisangehörigen Gemeinden, herauszukommen. Der Verdacht, daß diese Methode im gesamtpolitischen Konzept des Landes zum Nachteil der Kommunen einkalkuliert sei, lasse sich nicht von der Hand weisen. Bezugnehmend auf die vom Kreisverordneten und Landtags­abgeordneten Gross im Landtag eingebrachte Anfrage bezüglich der Entwicklung der Sozialhilfe­tasten forderte KV Krautter, dies zum Anlaß zu nehmen, um die Forderungen der Kommunen an das Land zu effektivieren. Leider müsse festgestellt werden, daß in den letzten Jahren eine sehr starke Aufgabenverlagerung vom Bund auf Länder und Gemeinden erfolgt sei, ohne daß der Finanz­ausgleich dieser Entwicklung angepaßt worden sei. Es gelte zu überlegen, was der Landkreis bzw. der Landkreistag als Vertreter der Landkreise tun könne, um den bereits eingefahrenen Weg wieder zu verlassen. Er forderte daher die Verwaltung auf, unter Anbietung der Mitarbeit seiner Fraktion, auf den Landkreistag einzuwirken, daß die kommunalen Landesverbände einen eigenen Diskussions­vorschlag für die Weiterentwicklung des Finanzausgleichs gegenüber dem Vorschlag des Landes entwickeln. Weiter forderte KV Krautter, durch ein unabhängiges und objektives Wissenschaftler­team die Entwicklungstendenzen des Finanzausgleichs in den letzten Jahren untersuchen zu lassen, um genügend Material für die Verhandlungen mit dem Land an der Hand zu haben. Von dem Gut­achten verspreche sich seine Fraktion eine Objektivinierung des Finanzausgleichs und die Ver­meidung der alljährlichen Feilscherei zwischen Finanzministerium und den kommunalen Landesver­bänden .

Zu den laufend steigenden Kosten für die Sozialhilfe sagte KV Krautter, daß diese Tatsache unter 2 Aspekten zu betrachten sei:

1. Die Qualität der Gesellschaft sei daran zu messen, wie sie für ihre wirtschaftlich Schwachen sorge.

2. Unter dem finanziellen Aspekt sei es unmöglich, weitere Aufgaben vom Bund an die Landkreise weiterzugeben, ohne daß die Belastung finanziell abgesichert sei. Es sei daher erforderlich, daß die Kommunen allgemein mehr Einfluß auf die parlamentarische Beratungen nehmen müßten.

Als weitere Belastung sei auf die Landkreise seit dem 1.3.1972 die Maßnahmen auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung (Deponien und Müllverbrennungsanlagen) gesetzlich übergegangen. Im Interesse des Umweltschutzes sei zu begrüßen, daß durch die Trägerschaft des Landkreises großräumige Lösungen getroffen werden können. Für dünn besiedelte Gebiete, ähnlich dem Landkreis Calw, werde jedoch die finanzielle Belastung größer sein, als in Ballungsräumen, weshalb er hierin eine neue Ausgleichsfunktion des Landkreises erblicke.