NACHRICHTENBLATT

DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW

AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUTORITES DE L'ARRONDISSEMENT DE CALW

CALW 14. November 1945 Nr. 35

Wiederherstellung des Gewerkschaftsrechtes

Verordnung Nr. 6; Wiederherstellung im französischen Besetzungsgebiet

nur vorläufig geregelt

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Der Commandant en Chef Frangais en 'Allemagne erläßt auf Vorschlag des Ad-

S inistrateur General, Adjoint pour le ouvernement Militaire de la Zone Fran­chise dOccupation unter Bezugnahme auf: Erlaß vom 15. Juli 1945 über die Er-

3chtung einesCommandement en lief Frangais en Allemagne, Verordnung Nr. 1 des Commandant en Qhef Frangais en Allemagne vom 28. Juli W45 betreffend Inkraftbleiben der von jtflfer unter dem Kommando des alliierten Oberbefehlshabers erlassenen Verord­nungen,

Gesetz Nr. 5 des alliierten Oberkom­mandos betreffend die Auflösung der na­tionalsozialistischen Arbeiter-Partei fol­gende

Verordnung

Artikel 1: Das Gewerkschaftsrecht wird für den gesamten Bereich des französi­schen Besetzungsgebietes wiederher- gestellt.

.Artikel 2: Die Ausübung des Gewerk­schaftsrechtes wird von dem Gouverne­

ment Militaire werden.

Artikel 3: Die Gründung von Gewerk­schaften unterliegt der Genehmigung des Gouvernement Militaire. Jedes Gesuch um Genehmigung zur Gründung einer Ge­werkschaft ist beim Bürgermeister des in Aussicht genommenen Sitzes der Gewerk­schaft einzureichen.

Artikel 4: Der Zweck der Gewerkschaf­ten besteht in der Wahrnehmung der Be­rufsinteressen ihrer Mitglieder. Jede son­stige Betätigung ist ihnen untersagt.

Artikel 5: Diese Verordnung ist' im Amtsblatt de§ französischen Oberkom­mandos in Deutschland zu veröffentlichen. LAdministrateur General, Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la zone frangaise doccupation ist mit ihrer Durch­führung beauftragt. *

Baden-Baden, den 10. September 1945.

Le Conimamlant

en Chef Frangais en Allemagne P. K o e u i g

Verfügung Nr. 6 des Administrateur General betr. Durchführung der Verordnung Nr. 6 vom 10. September 1945

Der Administrateur göneral, adjoint pour le Gouvernement militaire de la zone frangaise doccupation erläßt unter Be­zugnahme auf Verordnung Nr. 6 betref­fend Wiederherstellung des Gewerk- Schaftsrechtes im französischen Beset­zungsgebiet folgende

Verfügung :

Abschnitt I

Hauptpunkte der Verfassung und Zweck der Gewerkschaften

Artikel 1: Die Gewerkschaften müssen hinsichtlich ihrer Grundlage, Verfassung und Betätigung demokratischen Charak­ter tragen.

Ihr alleiniges Ziel darf nur die Wahr­nehmung der benfflichen Interessen ihrer Mitglieder sein. _

Artikel 2: Mitglieder der Gewerkschaf­ten dürfen nur Personen des gleichen, eines ähnlichen oder eines mit ihrem Be­rufe zusammenhängenden Faches sein.

Jedoch können diejenigen, die, sei es auf Grund einer Anordnung, sei es in­folge der Tätigkeit der nationalsozialisti­schen Partei, ihren Beruf haben aufgeben müssen, der Gewerkschaft ihres Faches beitreten, auch wenn sie zur Zeit beschäf­tigungslos sind.

Der Zusammenschluß von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist verboten.

Artikel 3: Jede berufstätige Person im Alter von mindestens 18 Jahren hat das freie Recht des Beitritts zu einer Gewerk­schaft.

Jedes Mitglied hat das freie Recht jeder­zeitigen Austritts aus der Gewerkschaft, d<3r er angehört.

Artikel 4: Die Verwaltungs- und Vor­standsmitglieder jeder Gewerkschaft müs­sen deutscher Staatsangehörigkeit und mindestens 30 Jahre alt sein.

Sie werden von der Generalversamm­lung gewählt:

Sämtliche Beschlüsse werden im Wege der Abstimmung gefaßt und bedürfen einer Mehrheit von über der Hälfte der abgegebenen Stimmen.

Artikel 5: Keine Gewerkschaft darf in einem Bezirk errichtet werden, solange in diesem der Wirtschaftszweig, dem ihre Mitglieder arigehören, seine .Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat.

Abschnitt II Gründung von Gewerkschaften

Artikel 6: Wer die Gründung einer Ge­werkschaft beabsichtigt, muß ein Gesuch um Genehmigung zur Einberufung einer Gründungsversammlung beim Bürgermei­ster des Sitzes der zukünftigen Gewerk­schaft einreichen.

Die Gesuehsteller müssen den in Ab­satz 1 Artikel 4 dieser Verfügung fest­gesetzten Bedingungen entsprechen.

Artikel 7.- Der Bürgermeister hat die bei ihm eingereichten Gesuche nebst den Fragebogen der Gesuchsteller, versehen mit einer begründeten Stellungnahme, bin-, nen 3 Tagen an die Militärregierung wei­terzuleiten.

Artikel 8: Die Gründungsversammlung "darf erst nach der Bekanntgabe der schriftlichen Genehmigung der Militär­regierung durch die Bürgermeister an die Gesuchsteller zusammentreten.

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Mit-

Artikel 9: Die Gründungsversammlung wählt ihren Vorstand, bestehend aus einem Präsidenten und zwei Beisitzern. Sie schreitet sodann zur- Prülung und An­nahme der Statuten. Diese haben die Be­stimmungen für die Tätigkeit der Ge­werkschaft, insbesondere die Zusammen­setzung ihres Vorstandes festzulegen.

Die Gründungsversammlung wählt die Mitglieder des vorläufigen Vorstandes der Gewerkschaft.

Nach Schluß der Versammlung hat der Präsident der Gründungsversammlung beim Bürgermeister einzureichen:

1. fünf Exemplare des Berichtes die Gründungsversammlung,

2. fünf Exemplare der Statuten,

3. fünf Exemplare der Liste der glieder des vorläufigen Vorstandes der Gewerkschaft,

4. die Fragebogen eines jeden Mitglie­des des vorläufigen Vorstandes der Gewerkschaft.

Diese Schriftstücke sind vom Bürgr- meister unverzüglich der Militärregie­rung zu übermitteln.

Artikel 10:- Die endgültige Gründung der Gewerkschaften kommt erst nach der Billigung der Statuten und der Liste der Vorstandsmitglieder durch die Militär­regierung zustande. Diese Billigung wird den.Beteiligten schriftlich durch Vermitt­lung des Bürgermeisters bekanntgegeben werden-.

Abschnitt III Vorschriften für die Tätigkeit der Gewerkschaften

Artikel 11: Jede Aenderung in der Zu­sammensetzung des Vorstandes oder in. den Statuten muß dem Bürgermeister in |

Soziales Hilfswerk des Kreises Calw

Mitbürger!

»Der Winter steht vor der Türe. Zahlreiche Volksgenossen in Stadt und Land sind in bitterster Not und sehen mit Verzweiflung den kommenden schweren Monaten entgegen. Der verlorene Krieg bringt es mit sich, daß Reich, Land und Gemeinden nur in geringem Maß^ imstande sind, in Notfällen einzu­springen. Daher ist es Ehrenpflicht für alle, denen es besser geht, zu helfen. Jetzt ist nicht die Zeit dazu, neue große Organisationen ins Leben zu rufen, es gilt vielmehr, ohne Rücksicht auf Vergangenes schnell und tatkräftig zu handeln. Wir rufen daher alle Hilfsbereiten .auf, zur Linderung der Not das Mögliche mit offener Hand aus freiem Herzen beizutragen.

Mit Rücksicht auf die zahlreichen Kriegsgescfiädigten im Kreis, die viel­fach Hab und Gut verloren haben, erbitten Vir auch Sachspenden jeder Art. So manches auf der Bühne unbenutzt liegende Stück Hausrat kann hier dank­bare Abnehmer finden. -Reute muß man sich von Dingen trennen, die man in Jaht und Tag nicht mehr braucht.

Geholfen werden soll in erster Linie solchen, die nach dem Urteil der örtlich zu bildenden Ausschüsse besonders notleidend sind.

Gebt Eure Geldspenden rasch und reichlich unter dem Kennwort

Soziales Hilfswerk

an alle Banken, Darlehenskassen, Bürgermeister und Pfarrer des Kreises.

Sachspenden sind an die von den Bürgermeistern zu bezeichnenden Stellen abzugeben.

Landrat Wagner

und der von ihm berufene vorläufige Ausschuß:

Hans Ballmann, für die Handwerkerschaft; Dekan Brecht, für die evgl. Kirche; Franz Dagne, für,die Gewerkschaften; Bürgermstr. Göhner, für die Bürgermeister; Bruno May, für das Deutsche Rote Kreuz; Krefsamtmann Rebmann, für die Beamten; Hermann Schmid, für die Industrie; Kurt Weinhold und Frau Wolf, Nagold, für den Kreisvertrauensrat; Stadtpfarrer W i n t e r für die kath. Kirche.

J

drei Exemplaren . spätestens drei Tage nach der Versammlung, die. sie beschlos­sen hat, angezeigt werden. Dieser Anzeige .sind die Fragebogen der ueugewählten Mitglieder beizufügen.

Gleiches gilt hinsichtlich aller Gewerk­schaftsmitglieder, die zur Ausübung einer verantwortlichen Tätigkeit außerhalb des Vorstandes bestellt werden.

Artikel 12: Die Bürgermeister haben die Meldungen und alle sonstigen Schrift­stücke, die sie von den Gewerkschaften erhalten, unverzüglich der Militärregie­rung zu übermitteln.

Artikel 13: Die Gewerkschaften haben das Recht, die zur Führung ihres Betrie­bes notwendigen beweglichen und unbe­weglichen Sachen entgeltlich oder unent­geltlich zu eiwerbeu.

Artikel" 14: Die Gewerkschaften sind berechtigt, einen Teil ihrer Geldmittel zum Erwerb von Gelände für Arbeiter­gärten, körperliche Ertüchtigung, Sport oder Gesundheitspflege zu verwenden.

Sie können nach ihrem Ermessen ge­werbliche Stiftungen oder Stiftungen für soziale Erziehung unterhalten oder un­

Bekanntmachungen

Kreis Calw

Unterrichtskurs mit Dienstprüfung für An­wärter des gehobenen Verwaltungsdienstes

Es ist beabsichtigt, in Bälde für Anwärter des gehobenen Verwaltungsdienstes bis ein­schließlich zum Zulassuugsjahrgang 1940, die - einen Vorbereitungsdienst von mindestens 3 Jahren tatsächlich abgeleistet haben, einen abgekürzten und vereinfachten Unterrichtskurs mit anschließender Dienstprüfung abzuhalten. Dieser Unterrichtskurs wird Voraussichtlich in- Stuttgart abgebalteu und 23 Monate dauern. Nähere Auskünfte hierüber, insbeson­dere auch über "die einzureielienden Zulassungs- gosuche und die vorzulegenden Belege, erteilt das Landratsamt.

Die in Betracht kommenden Anwärter wer­den in ihrem eigenen Interesse auf gef ordert, sich unverzüglich zu melden.

Die Herren Bürgermeister werden ersucht, die ihnen bekannten Anwärter noch besonders auf diese Bekanntmachung hinzuweisen.

Der Lanrirat.

Bubenstreich in Neuenbürg

Die drei Jungen

Helmut Rothfuß. geb. 1931 Helmut Hinger, geb. 1931 Friedrich Fritz, geb. 1933 haben unüberlegt am Samstag, 3. Novem­ber 1945, mit Einbruch der Dunkelheit ein

aufreizendes Plakat mit Bezug auf die Führung des Dritten Reiches an der Rat­hausstaffel angeschlagen.

Die drei Jungen sind verhaftet und wer­den in ein Straflager nach Frankreich überführt.

*Der Vater des Helmut R o t li f u ß~wurde mit sofortiger Wirkung von seinem Amte suspendieri. Die Mutter des Friedr. Fritz kommt wegen Anstiftung zu d,er Tat vor das Militärgericht. Die Mädchen Margot S t o 11 und Lore Nagel haben das Plakat gelesen, den Inhalt weiterverbreitet, an­statt die Behörden zu verständigen, und kommen wegen Nichtbeachtung der Ge­setze ebenfalls vor das Militärgericht.

Ein Junge bekam eine Belohnung, weil er die Wahrheit sagte.

Nur dem Umstand, daß die Täter sofort festgestelit werden konnten, ist es zu ver­danken, daß der Stadt schwere Strafmaß- nahruen erspart geblieben sind.

Alle erwachsenen Einwohner, alle Er­zieher und alle Kinder mögen sich das Schicksal der Täter und Verbreiter des Anschlags als warnendes Beispiel dienen lassen. '

Den 8. 11. 1945.

Der Bürgermeister der Stadt Neuenbürg (Württ.)

T i t e 1 i u s

terstützen. Sie sind auch berechtigt, Pro­duktions- und Konsumvereine zu unter­stützen.

Artikel 15: Die Gewerkschaften müs­sen sich jeglicher Kontrolle unterwerfen, die von der Militärregierung für notwen­dig gehalten wird.

Abschnitt IV

Vereinigung von Gewerkschaften ""

Artikel 16: Die Vereinigung von Ge­werkschaften bleibt einer späteren Rege­lung Vorbehalten.

Abschnitt V Strafen

Artikel 17: Die Nichtbefolgung der ge­setzlichen Vorschriften kann die Auf­lösung der Gewerkschaft zur Folge haben.

Artikel 18: Die Teilnehmer an einer die gesetzlichen Vorschriften überschrei­tenden gewerkschaftlichen Betätigung setzen sich der Bestrafung nach den Ge­setzen der Militärregierung aus.

Artikel 19: Der Directeur Gönöral de lEconomie et des Finances und der Direc­teur Göneral des Affaires Administratives sind, jeder für sein Bereich, mit Durch­führung dieser Verordnung beauftragt, die im Amtsblatt des französischen Ober­kommandos in Deutschland zu veröffent­lichen ist.

Baden-Baden, den 10. September 1945.

Der Administrateur General E. L a f f o n

Herr Landrat, bitte zwei Minuten!

Streiflichter zur Lage

Das Barometer stand auf Sturm. Es gab drängende Arbeit, Aerger, Verdruß über menschlichen Unverstand. Die geplagte Sekretärin jagte mit dem Stenogramm­block die Treppe des hohen Hauses mit hinunter, um die letzten Anweisungen zu notieren. Kurz, die Situation für ein er­sprießliches Gespräch schien denkbar un­günstig, als der Zeitungsmann zur Lin­ken des eiligen Herrn Landrat den Markt herniedertrabte. Da geschah es, daß eine Schlange von Hausfrauen vor einem Geschäftshaus döu Schritt, hemmte, und schon fiel die erste Frage:

Herr Landrat! Steht Ihr Haushalt auch Schlange? Müs­sen sich die Hausfrauen das Leben wirklich selbst so er­schweren?

Der Herr Landrat ist über diese den eigenen familiären Bezirk berührende Frage keineswegs schekiert. Er erwidert rasch:An allen Ecken und Enden ist