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NACHRICKTENBLATT
DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW
AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES ALTIORITES DE L’ARRONDISSEMENT DE CALW
CALW
20. Oktober 1945
Nr. 26
Frankreichs Staatschef Generäl de Gaulle sprach zu den deutschen Männern des Wiederaufbaus
Bei Besuchen in Freiburg i. Br. und Baden-Baden empfing der Staatschef Frankreichs, General de Gaulle, die an der Wiederaufbauarbeit beteiligten Männer aus der von Frankreich besetzten Zone Württembergs und Badens, um ihnen in persönlicher Begegnung die Grundlagen seiner Politik darzulegen und ihnen die Mitarbeit Frankreichs bei der schweren Arbeit für den Wiederaufbau in Aussicht zu stellen.
Der General wandte sich im Verlauf seiner bedeutsamen Ansprachen zunächst an die vertretenen deutschen Behörden, die in dem Bemühen um das Wohl der Bevölkerung ihrer Gebiete schwere Aufgaben übernommen haben. Er versicherte sie seiner Anerkennung wie des Verständnisses der französischen Regierung für ihre Schwierigkeiten. Sodann entwickelte der General ein Programm der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Bevölkerung der von ihm besetzten Zone in Württemberg und Baden, und zwar einer konstruktiven Zusammenarbeit im Wiederaufbau. Er bot dazu seine Hand mit dem Ausdruck der Versicherung, daß wir dabei die Hilfe der französischen Behörden, d. h. der Militärregierung und des Generals König, bekommen werden. Als hauptsächliche Aufgabe der deutschen Behörden stellte der General den Wiederaufbau heraus und beschränkte sich hierbei nicht auf den materiellem Wiederaufbau mit den Fragen der Ernährung, der Wiederherstellung der zerstörten Gebäude und von Industrie und Wirtschaft im allgemeinen, sondern fügte
f leich den Aufbau auf moralischem Geist hinzu, in Religion und Erziehung, Justiz und Verwaltung. Dieser Aufbau muß in einer ganz neuen Welt und in ganz neuem Geist vor sich gehen.
Was in Zukunft auch immer kommen mag, so fuhr der General fort, Frankreich ist dazu berufen, auf lange Sicht mit den Württembergern zusammenzuarbeiten. Es wird in diesem Lande noch viel zu leisten haben, und nur gemeinsame Arbeit kann hier zum Erfolg führen. Der General sah in diesem Zusammenhang die Beziehungen zwischen Frankreich und den von ihm besetzten südwestdeutschen Gebieten nicht bloß in ihrer augenblicklichen Gestalt. Er erinnerte an alte geschichtliche Verbindungslinien, die wieder neu erstehen und beide Teile zu engerer Zusammenarbeit führen können. In der Tat war ja Südwestdeutschland stets das Tor Deutschlands nach dem Westen, und die
Gouvernement Militaire de Calw Service PDR.
Alle jugoslawischen Staatsangehörigen, die noch im Kreis Calw wohnhaft sind, müssen sich dem Offizier PDR. beim Gouvernement Militaire de Calw vorstellen, damit sie dort einen Laissez- passer nach Friedri^hshafen erhalten, von wo aus sie zurückgeführt werden.
Die jugoslawischen Staatsangehörigen, die sich Dis zum 10. November — letzter Zeitpunkt — nicht vorgestellt haben, werden ihre Staatsangehörigkeit verlieren und werden dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt.
Offizier PDR.
beim Gouvernement Militaire de Calw Lt. G u i d o t
Zusatzverpflegung für Polizeibeamte
Die französische Militärregierung hat ihre Zustimmung dazu erteilt, daß P o 1 i - zeibeamten, die Nachtdienst zu versehen haben, die Zusatzverpflegung für Nachtarbeiter (Schwerarbeiterzulage) gewährt wird. Der Landrat.
Kreisstadt Calw
Auf Befehl der Kreiskommandantur sind sämtliche Uniformen und Ausrüstungsgegenstände der aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Soldaten abzuliefern.
Annahmeort: Polizeiwache Calw. Kehrieh tabfuhr
erfolgt künftig nur noch 14tägUch, nächst- Saalig am Donnerstag, dem 1. Nov. 1945.
Der Bür ceraeistesc
französische Kultur hat hier jederzeit verständnisvolles Interesse gefunden. Wir sind, so schloß General de Gaulle, alle Europäer — Westeuropäer, und allen guten Europäern müsse es Herzensangelegenheit sein, die schrecklichen Verwüstungen jles Krieges wiedergutzumachen. Aus dieser gemeinsamen Grundlage nahm der General die Hoffnung, daß Württemberg durch seine Arbeit und seine innere Erneuerung die Hochachtung und das Vertrauen Frankreichs wieder finden werde.
Als ein Mann, der auf das Große sieht und auf das Kommende mehr als auf das Vergangene achtet, hat General de Gaulle es vermieden, von Besiegten zu sprechen oder auf die Verantwortlichkeiten näher einzugehen, die ja jeder kenne, oder auch nur auf die Ausscheidung des Nationalsozialismus als Detailfrage anzuspielen. Es ist unsere Bache, mit der Austilgung des Nationalsozialismus einen neuen Geist, eine neue Weltanschauung im deutschen Volk zu wecken und zu pflegen, einen Geist des Friedens und der Versöhnung. Wir sind dem General dafür dankbar, daß er schon wenige Monate nach der Besetzung in seiner Eigenschaft als Staatschef in unser Land gekommen ist. und in so vornehmer und versöhnlicher Weise zu den verantwortlichen Männern gesprochen hat. General de Gaulle hat als Staatsmann und Offizier immer richtig voraus- [esejjen. Er war der erste, der im Jahre
1934 die Motorisierung der Armeen und die hierdurch hervorgerufene Umwälzung innerhalb der modernen Kriegführung in ihrer vollen Bedeutung erkannte und hat 1940 in Frankreichs schwerster Stunde die Niederlage des Nationalsozialismus und die Wiederauferstehung seines Landes vorausgesagt.
Die Worte des Generals in Freiburg und in Baden-Baden haben die Aussicht auf Arbeit und Lebensfreude eröffnet und uns mit der Hoffnung auf ein Deutschland erfüllt, das sich die Wiederaufnahme in den Kreis der Kulturnationen verdienen wird. Unser Volk ist bereit, sich das Vertrauen Frankreichs zu erwerben. Es weiß, daß die Zerstörungen des Krieges sich über ganz Europa erstrecken, daß es dem französischen Volke in dieser Hinsicht nicht besser geht als uns selbst. Es begrüßt eine Annäherung zwischen den Französisch besetzten Teilen Südwestdeutschlands und Frankreich, die für beide Seiten nur nützlich sein kann. Die Geschichte beider Länder spricht dafür, und die restlose Austilgung des Nationalsozialismus wird sie ermöglichen. Die Hand zu einem neuen Anfang ist uns geboten. Es ist unsere Sache, darauf in offener Gesinnung einzugehen. Wir haben die Gewißheit: Das Deutschland der Zukunft, das auf demokratischem Geist gegründet und von nationalsozialistischen Ansprüchen frei sein wird, wird sich' die Achtung der Welt durch Werke des Friedens, durch seinen Fleiß, seine reichen Gaben und die Anständigkeit seine« Volkes wieder erringen.
Die Schulen öffneten wieder ihre Pforten
Am 15. Oktober, ein halbes Jahr nach der Besetzung durch die französische Armee, sind im Kreis Calw die Schulen wie- dereröffnet worden. Mit der Oeffnüng der Schulsäle ist unsere Jugend aus den Leiden des Krieges heraus in einen neuen Lebensabschnitt und in eine neue Zukunft eingetreten. Der Wiedereröffnung der Schulen in Calw gingen schlichte Feiern auf den Schulhöfen voraus, die der Gouverneur der Militärregierung, Comman- dant Frenot, Landrat W ag.ner und Bürgermeister Göhner zur Freude der Teilnehmenden mit ihrem Besuch beehrten. Unter den Gästen sah man ferner Vertreter der Kirche, des Kreisvertrauensrates und der Gewerkschaften.
Bei der Eröffnungsfeier der Oberschule, die mit 14 Klassen und über 400 Schülern ihre Arbeit wiederaufnimmt, hielt Studienrat Dr. Gaupp eine Ansprache, in welcher er zunächst Gott für die Erhaltung der Stadt und des Schulhauses in den Gefahren des Krieges und für die Gnade des mit Freude erfüllenden neuen Anfangs dankte. Sein Dank galt sodann dem Herrn Gouverneur, durch dessen Wohlwollen und Tatkraft die Eröffnung der Schulen im Kreis möglich war, für seine Hilfe wie für seine persönliche Anteilnahme, die Schule wie Elternschaft mit Dank und Freude bewege. Die große französische Kulturnation, so führte er u. a. aus, hat im Verlauf ihrer Geschichte auf allen Gebieten der Kultur Großes für das Abendland geleistet und im Lauf der Jahrhunderte Deutschland reich befruchtet. Aber auch unser Volk hat Europa und der Welt immer wieder schöpferisch gespendet und ihren Besitz an Kulturgütern vermehren helfen. Dr. Gaupp umriß sodann die Erziehungsaufgabe der Schule. Er faßte sie in folgende Forderungen zusammen: Erziehung der Jugend im Geiste des Friedens, des Willens zu friedlichem Aufbau wie der über Haß und Machtwahn siegenden Liebe. Sie findet ihren Ausdruck in einem neuen Heldenideal, das im Kampf mit den Schwierigkeiten des Alltags und gegen das Böse und Triebhafte im eigenen Herzen den Weg weist zu* einem neuen, freien, sittlichen Menschentum.
Der Schulleiter bat um das Vertrauen des Herrn Gouverneurs und dankte ihm nochmals namens der Eltern, Lehrer und Schüler für das der Schule gezeigte Wohlwollen. Ferner dankte er dem Landrat des Kreises wie dem Bürgermeister der Kreisstadt für die der Schule von ihrer Seite zuteil gewordene Förderung, und nicht zuletzt auch 15 Schülern der Oberklasse, die in 12 Tagen in vorbildlicher Arbeit 120 Raummeter Holz aufberelteten und damit den Winterbedarf der Sohule an Brennholz sichez&tellten.
Zu den Schülern gewendet, fuhr Dr. Gaupp fort: Unsere Schule wird in erster Linie wieder eine Lernschule werden, wie es die alte schwäbische Schule war, deren Namen überall einen guten Klang hatte. Sie wird denken und arbeiten lehren und die Grundlagen geben zur Selbst- und Welterkenntnis im Dienste der Wohlfahrt des Ganzen, sie wird als Charakterschule hinwirken auf eine Entwicklung zur freien, persönlichen Sittlichkeit, zu einer Freiheit, die durch den Ausbau zur Persönlichkeit und den Einbau in die althergebrachten Gemeinschaftsformen von Familie, Staat und. Völkerfamilie erreicht wird. Wir wollen aber auch eine Schule der Ehrfurcht sein, der Ehrfurcht vor Gott und vor allen sittlichen Werten des Lebens. Ehrfurcht wird Euch gelehrt werden in Form der Wahrheit, denn sie macht den Menschen wahrhaft frei. Wir werden Euch die Ehrfurcht lehren vor Euren Mitmenschen. Ihr sollt sozial sein und vor allem in jedem Menschen drei Werte achten und ehren, die niemand verletzen darf: Mutter, Vaterland und Religion. Wenn es der Schule gelingt, die Ehrfurcht wieder zu wecken, wird sie ihre Erziehungsaufgabe ' erfüllt haben, denn, wer Ehrfurcht hat, wird die Leistungen und die Art anderer Völker achten und frotzdem das eigene Vaterland lieben. Unsere Aufgabe wird ein großes Dienen sein. An der von Richard Wagner gestalteten Parzival- Legende den Erlösungsweg unseres Volkes aufzeigend, schloß der Schulleiter in diesem Zusammenhang seine Ansprache mit dem Ruf der Kundry: Dienen! Dienen! Dienen!
Die Eröffnungsfeier der Volks- und Mittelschule Calw
Der Feier in der Oberschule schloß sich ein Schuleröffnungsakt in der Volks- und Mittelschule an. Herr Gouverneur F r 6 n o t besichtigte in Begleitung des Landrats die Schulrftume und nahm sich angelegentlich um die Beheizungsfrage an. Vor den im Schulhof versammelten Lehrern und Schülern, vor Freunden der Jugend und den Vertretern der Stadt sprach dann der neu ernannte Schulleiter Esslinger zu den Versammelten.
Er dankte dem Herrn Gouverneur für das hochherzige Geschenk, das er der Calwer Jugend machte, indem er ihr die Pforten der Schule wieder eröffnete. Einen Rückblick auf die unselige Zeit des „Dritten Reiches“ werfend, das, eine Lüge in sich, dem Despotismus und zuletzt einem blutrünstigen Dämonismus anheimflel, bezeichnte er jene idealen Männer, die in der dunkelsten Ecke einer dunklen Weltanschauung ein kümmerliches Dasein fri-
Herr Lundrat , bitte zwei Minuten!
Streiflichter zur Lage
Sie merken wohl schon? Richtig, hier gelit es etwas eilig zu, hier ist Tempo, ja zuweilen webt scharfer Wind. In der Tat, der Landrat eines Kreises muß heute allgegenwärtig, d. li. überall sein, muß alle 3 wissen, alles können, ein guter Verwalter und noch besserer Verliandler sein und auch in der heikelsten Lage rasch und sicher entscheiden und helfen. So ist es zu begreifen, daß sieh unse.r Landrat keine geruhigen Empfänge in seiner Amtsstube — an der Tür liest man bezeichnenderweise „Rauchen nicht erwünscht“ — erlaubt. daß man sich nicht mit ihm zu einem „Viertele“ beim „Regierungsbäck“ verabreden oder eine Stunde privat am häuslichen Kamin verplaudern kann. Verantwortung tragen, heißt für ihn, der in seinem Amt in erster Linie die große soziale und helfende Aufgabe sieht: allem gewachsen sein, Arbeitskraft und Wissen des erfahrenen Industriellen stehen voll int Dienst des Kreises, und jeder, der diesen Manu mit dem unbeirrbaren Vertrauen in den schwäbischen Fleiß, die schwäbische Beharrlichkeit und Genügsamkeit kennt, weiß, daß er den ernsten Willen hat, das harte Los der notleidenden Heimat nach besten Kräften zu mildern.
Der Zeitungsmann schickt dies einleitend voraus. Er hat sich damit abgefunden, daß der Herr Landrat bei aller Zuvorkommenheit für „Nichtamtliches“ fast nur zwischen Tür und Angel zu sprechen ist, weil er die Gründe respektiert. Während der Vielbeschäftigte flugs den Mantel umwirft und seiner Sekretärin die letzten Sätze ‘ins Stenogramm gibt, fällt das Stichwort „Herr Landrat, bitte zwei Minuten“. Und dann — auf dem Wege zum Militärgouvernement oder zu einer Dienstbesprechung au anderer Stelle — werden die eiligen Gespräche geführt, die künftig als „Streiflichter zur Lage“ au dieser Stelle wiedergegeben werden sollen. Hier ist das erste, es standen dafür nur wenige Minuten zur Verfügung.
Der Zeitungsmann: „W a r u m, Herr Landrat, geht es uns, e r - nährungsmäßig gesehen, weniger gut ale anderen Kreisen des Landes?“
Die Antwort: „Unser Kreis zählt zu den Notkreisen Württembergs. Er besitzt mit nahezu 100 000 Einwohnern, davon 13000 Evakuierten, die stärkste Bevölkerungszahl aller französisch besetzten Kreise und ist infolge seiner ungünstigen Boden- beachaffenheit nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft zu ernähren. Wir sind auf Zuschüsse aus anderen Kreisen angewiesen. Die Versorgung mit Eraährungs- gütern ist deshalb für uns vorwiegend ein Transportproblem.
Da bis auf die wirtschaftlich kaum bedeutende Enzbahn sämtliche Eisenbahn- Strecken des Kreises unterbrochen sind, d. h. nirgends ein Anschluß an das große Verkehrsnetz der Reichsbahn besteht, müssen die Transporte mit wenigen überalterten, während des Krieges m unvorstellbarem Maß abgebrauchten Lastkraftwagen durchgeftthrt werden. Die Folgen sind Verkehrsüberlastung und zahlreiche.
steten, als die wahren Führer und geistigen Waffenträger des deutschen Volkes« seine klassischen Dichter.
An dem Gedicht Friedrich Schillerst „Die Worte des Glaubens“, von eine# Schülerin der Mittelschule warm vorgetra-
t en, bezeichnete der Redner die drei For- erungen: Freiheit, Tugend, Gott als *das sittliche Dreigestirn, das der Jugend- und Volkserziehung voranzuleuchten habe. Friedfertigkeit, Duldsamkeit und Güte seien die Mächte, die über aller Gewalt stehen. Zu ihnen dürfe sich auch die Vaterlandsliebe gesellen, nicht aber der Nationalstolz, der, wie die neueste Geschichte lehrte, durch seine Selbstüberschätzung und Selbstbewunderung Schaden anstiftete, Mißstimmung hervor- rufe und Kriege entfessele. Das deutsche Volk, statt auf seine eigene Kraft zu bauen, müsse wieder zu Gott zurückfinden. Denn ob auch Menschen und Welten einem Formenwandel unterworfen seien, so schloß der Redner, so bleibe doch Gott das Unwandelbare und Beharrende, dem wir uns ehrfürchtig beugen und anvertrauen sollen. Das Lied „Befiehl du deine Wege“ schleft die würdige Feier.