NACHRICKTENBLATT

DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW

AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUIORITES DE LARRONDISSEMENT DE CALW

CALW -5. Oktober 1945 Nr. 22

Militärregierung Deutschland

Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers

Gesetz Nr. 52

Sperre und. Beaufsichtigung von V er mögen Artikel I Arten von Vermögen

1. Vermögen, das direkt oder indirekt, ganz oder teilweise im Eigentum oder un­ter der Kontrolle der folgenden Personen steht, unterliegt hinsichtlich Besitz und Eigentumsrecht der Beschlagnahme sowie der Weisung, der Verwaltung, der Auf­sicht oder sonstigen Kontrolle der Militär­regierung:

a) Das Deutsche Reich oder eines seiner Länder. Gaue oder Provinzen oder eine andere gleichartige politische Unter­abteilung, Amtsstelle, Behörde oder Verwaltung, gemeinwirtschaftliche Nutzungsbetriebe, Unternehmungen, öf­fentliche Körperschaften oder Mono­pole, die durch das Reich, Länder, Gaue oder eine der sonstigÖD Verwaltungen oder Behörden der vorgenannten Art kontrolliert werden;

b) Regierungen und Staatsangehörige so­wie Einwohner von Staaten, die mit einem Mitglied der Vereinigten Natio­nen zu irgend einem Zeitpunkt seit dem 1. September 1989 im Kriegszustände sich befanden, einschließlich Regierun­gen und Staatsangehörige sowie Ein-

Jwohner von Staaten, deren Gebiete von einem Staate der erstgenannten Art be­setzt sind;

c) die NSDAP., deren Aemter, Abteilun­gen, Stellen oder Organisationen, die zur NSDAP, gehören, der NSDAP, an­geschlossen sind oder von ihr betreut werden; deren Beamte sowie die leiten­den Mitglieder oder Gönner der NS­DAP., deren Namen von der Militär­regierung bekannt gemacht werden;

d) alle Personen, die von der Militärregie­rung in Haft genommen sind oder sonstwie in Verwahrung gehalten werden;

e) alle Organisationen, Klubig oder andere Vereinigungen, die von der Militär­regierung verboten oder aufgelöst sind;

f) abwesende Eigentümer einschließlich der Regierungen der Vereinigten Na­tionen und deren Staatsangehörige;

g) alle anderen Personen, deren Namen in von der Militärregierung veröffentlich­ten Listen oder auf andere Weise be­zeichnet worden sind.

2. Der Beschlagnahme, Weisung, Ver­waltung und Aufsicht oder sonstigen Kon­trolle der Militärregierung ist auch Ver­mögen unterworfen, über 'das durch Aus­übung von Zwang verfügt worden ist, oder das dem berechtigten Eigentümer oder Be­sitzer unrechtmäßig, wenn auch unter dem Vorwand eines Rechtssatzes, einer gesetz­lichen Verfahrensnorm oder aus einem sonstigen Grunde entzogen worden ist, .oder das in Gebieten außerhalb Deutsch­lands geplündert oder erbeutet worden ist.

Artikel II Verbotene Handlungen

3. Niemand darf im Widerspruch mit den Bestimmungen dieses Gesetzes oder ohne Erlaubnis oder Anweisung der Militär-, regierung Vermögen der nachbezeichne- ten Art einführen, erwerben, in Empfang nehmen, kaufen, verkaufen, vermieten, verpachten, übertragen, ausführen, ver­pfänden, belasten, oder sonstwie darüber verfügen, oder zerstören oder den Besitz oder die Kontrolle über derartiges Vermö­gen aufgeben:

a) Vermögen der in Artikel I bezeichneten Art;

b) Vermögen im Eigentum oder unter Kontrolle eines Kreises, einer Ge­meinde oder einer sonstigen gleich­artigen politischen Unterabteilung;

c) Vermögen im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Institution, die der re­ligiösen Verehrung, der Wohlfahrt, der Erziehung, der Kunst oder den Wissenschaften gewidmet ist;

d) ohne Rücksicht auf Eigentum oder Kontrolle, wertvolle oder bedeutende Kunst- oder Kulturgegenstände.

Artikel ITI

Verantwortlichkeit für Vermögen

4. Alle Verwalter, Pfleger, Amtsperso­nen oder andere Personen, die Vermögen der in Artikel I oder II bezeichneten Art in Besitz, in Verwaltung oder unter Kon­trolle haben,' unterliegn den folgenden Ver­pflichtungen:

a) (i) Sie müssen das Vermögen nach den

Weisungen der Militärregierung verwalten und dürfen ohne be­stimmte Anweisung derartiges Ver­mögen weder übertragen noch aus­händigen noch anderweitig dar­über verfügen;

(ii) sie müssen das Vermögen verwah­ren und erhalten und beschützen und dürfen nichts unternehmen, das

~ den Wert oder die Brauchbarkeit derartigen Vermögens beeinträch­tigt noch derartige Handlungen durch Dritte zulassen;

(iii) sie müssen hinsichtlich des Vermö­gens und dessen Einnahmen ge-

-naue Bücher führen und Abrech­nungen aufstellen.

b) Sie müssen nach Maßgabe der Weisun­gen der Militärregierung:

(i) Berichte einreichen und darin die hinsichtlich dieses Vermögens ver­langten Angaben machen, sowie alle Einnahmen und Ausgaben auf­führen, die in Verbindung mit dejn Vermögen erzielt oder gemacht' worden sind;

(ii) den Besitz, die Verwaltung oder die Kontrolle solchen Vermögens und sämtliche Bücher. Urkunden

_ und Abrechnungen, die darauf Be- . zug nehmen, übertragen und aus­händigen und

(iii) über das Vermögen, das gesamte Einkommen und die daraus erziel­ten Früchte Rechenschaft ablegen.

5. Niemand soll eine Handlung oder Un­terlassung begehen, verursachen, noch durch Dritte zulassen, sofern hierdurch Vermögen, das den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt, beschädigt oder ver­heimlicht wird. >

Artikel IV

Verwaltung von geschäftlichen Unter­nehmungen und behördlichen Vermögen Vorbehaltlich anderweitiger Anordnun­gen und vorbehaltlich weiterer Beschrän­kungen, die von der Militärregierung auf­erlegt werden, wird folgendes bestimmt:

a) Jedes geschäftliche Unternehmen, das der Kontrolle dieses Gesetzes unter­liegt, kann alle Rechtsgeschäfte ein- gehen, die normalerweise mit der or- dentlichen Geschäftstätigkeit innerhalb des besetzten Gebietes Deutschlands in. Beziehung stehen, vorausgesetzt, daß das Unternehmen nicht Rechtsgeschäfte eingeht, die direkt oder indirekt die W'erte des Unternehmens vermindern oder gefährden oder sonst dessen finan­zielle Lage nachteilig beeinflussen. Diese Bestimmung ermächtigt nicht zur Eingehung von Rechtsgeschäften, die aus nicht' auf diesem Gesetz beruhen­den Gründen verboten sind;

b) Vermögen der in Artikel I, 1 (a) be­zeichneten Art soll für seinen norma­len Gebrauchszweck benutzt werden.

Fortsetzung auf Seite 2

Die Versorgung mit Winterobst

Betrachtung über die Obsternte 1945 Lagerobst sorgfältig überprüfen I

Das Jahr 1945 hat uns bezüglich der Ol)3taussichlen eine sein große Enttäu­schung bereitet. Der reiche Blütenansatz im Frühjahr hatte zu den besten Hoffnun­gen auf ein gutes Obstjahr Anlaß gegeben. Es trat, durch sonniges Vorfrühlingswet­ter begünstigt, eine ungewöhnlich frühe Obstblüte ein, welche auch in den wärme­ren Gebieten des Kreises einen günstigen Verlauf nahm. Dagegen waren die Höhen­lagen äußerst gefährdet, und der so ge­fürchtete Spätfrost wirkte sich hier leider verheerend aus. Eine Kältewelle in den er­sten Maitagen brachte bis zu 7 Grad unter Null und traf den ganzen Blülenflor ver­nichtend, nur die als sehr froslwiderstands- fähigen Sorten zeigten später noch einen bescheidenen Fruchtansatz.

Nur in einem Teil des Kreisabschnitts Neuenbürg war der Fruchtansatz bei allen Obstarten so reich, daß mit einer sehr gu­ten Ernte gerechnet werden konnte. In­folge der lang anhaltenden Trockenheit im Vorsommer, stockte jedoch die Ausbildung der Früchte sehr, dazu kam ein überaus starker Befall durch den Apfelwickler (Obstmade). Dieser Schädling fand die günstigsten Lebensbedingungen vor und trat somit in mehreren Generationen auf, so daß der größte Teil der heranreifenden Früchte Von ihm befallen wurde.

Ein Anfang August 2 Tage dauernder, orkanartiger Sturm, verbunden mit star­ken Niederschlägen, minderte die Obst­ernte weiter sehr stark und leider zu einer Zeit, wo das heruntergerissene Obst einer zweckmäßigen Verwertung im Haushalt noch nicht zugeführt werden konnte. In der Folge trat durch die feuchtwarme Wit­terung sehr begünstigt die Fruchtfäule stark in Erscheinung.

Der Monilia-Pilz verbreitete sich in einer Form, wie dies in den vergangenen Jahrzehnten «nicht festgestellt werden konnte. Durch die Oeffnungen der ange­stochenen und vom Sturm angeschlagenen Früchte trat der Pilz ein und vernichtete so einen großen Teil unserer- Obsternte. Da auch auf dem Lager noch viele Früchte der Fäulnis anheim fallen werden, ist dringend zu raten, das für den Winter­bedarf . vorgesehene Obst genau zu überprüfen und nur die wirklich ge­sunden Früchte einzulegen.

In den nächsten Tagen beginnt nun die Ernte der Spätsorten. Es sei wiederholt darauf hingewiesen, dieselben vorsorglich zu pflücken und zu transportieren, damit aus der inzwischen stark geschmälerten Obsternte 1945 eine wirkliche Versorgung unserer Bevölkerung mit Frischobst für den Winter gewährleistet werden kann.

Kreisbaumwart Scheerer, Neuenbürg.

Bildung einer Schlichtungskammer für Streitigkeiten aus der Lösung von Dienstverträgen

Anordnung des Landesarbeitsamts Württemberg vom 3. August 1945

Die Richtlinien des Landesarbeitsamts Württemberg für die Lösung von Dienst­verträgen vom 21. Juni 1945 haben für die französisch besetzte Zone des Landes Württemberg sowie für die neu besetzten amerikanischen Gebiete (Kreis Eßlingen, Stuttgart, Böblingen, Leonberg, Vaihin­gen) Gesetzeskraft, während die Richt­linien für die übrige amerikanische Zone des Landes Württemberg nicht bindend sind, sondern nur zur Information dienen.

Unabhägnig von der Frage der Anwen­dung der Richtlinien vom 21. Juni 1945 können sich Streitigkeiten bei der Entlas­sung von Angestellten und Arbeitern dar­aus ergeben, daß zwischen dem Unter­nehmer u,nd der Betriebsvertretung über die Auswahl der zu entlassenden Ange­stellten und. Arbeiter Streit besteht oder daß die Betriebsvertretung vom Unterneh­mer die Entlassung eines Angestellten oder Arbeiters, etwa wegen politischer Be­lastung, fordert, ohne daß der Unterneh­mer dem Antrag der Betriebsvertretung Folge leisten will. Endlich kann sich ein Streit daraus ergeben, daß ein zur Ent­lassung gelangter Angestellter oder Ar­beiter der Auffassung ist, ihm sei zu Un­

recht gekündigt worden oder an seiner Stelle hätte ein anderer entlassen werden müssen. Zu bemerken ist, daß für die Ent­lassung die politischen Leitsätze, die so­zialen Belange und die Dauer der Be­triebszugehörigkeit maßgebend sind.

Zu der Entlassung ist in jedem Falle die Zustimmung des Arbeitsamts erforderlich, also nicht nur nach Maßgabe der Richt­linien des Landesarbeitsamts Württem­berg, sondern nach Maßgabe der darüber hinaus geltenden Gesetze. Außerdem sind bei der Entlassung die Kündigungsfristen einzuhalten, soweit sie nicht zufolge dei Richtlinien des Landesarbeitsamts Würt­temberg im Hinblick auf die Beschränkung der Zahlungspflicht des Unternehmers un­erheblich sind. Die bei der Zustimmung zur Entlassung erfolgende Nachprüfung des Arbeitsamts erstreckt sich aber in der Regel nur auf die Frage der Belastung des Arbeitsmarkts, nicht aber auf dio mate­rielle Prüfung der zur Entlassung des Betreffenden führenden Gründe.

Ein Einspruchsrecht, Wie es dem gekün­digten Arbeitnehmer nach dem Gesetz der nationalen Arbeit bzw. nach dem Betriebs­rätegesetz zustand, ist nicht gegeben, weil das Gesetz zur Ordnung der nationalen Ar­beit als nicht mehr in Kraft befindlich an-

Keine telefonischen Anfragen beim Gouvernement Militaire! Mitteilung an die Bevölkerung des Kreises

Im Auftrag der Militärregierung gebe ich bekannt:

Die Bevölkerung des Kreises Calw wird aufgefordert, ihre Anliegen, die von der Entscheidung des Gouvernement Militaire Detachement de Calw abhängen, dort nicht fernmündlich, sondein schrift­lich, oder in dringendsten Fällen an den festgesetzten Sprechtagen mündlich zum Vortrage zu bringen.

Aus Sprachschwierigkeiten können fernmündliche Anfragen beim Gouverne­ment Militaire nicht erledigt werden.

Der Landrat.

Straßenverkehrsordnung beachten!

Im Auftrag der Militärregierung gebe ich wiederholt bekannt, daß Fahrzeuge jeder Art unter allen Umständen die rechte Straßenseite einzuhallen haben. Bei Zu­widerhandlungen wird das Gouvernement Militaire mit scharfen Strafen Vorgehen.

Der Landrat.

Nur vormittags Publikumsverkehr auf den Aemtern des Landrats

Bei der großen Zahl dei Besucher, die jeden Tag auf den Geschäftszimmern des Landratsamtes und der ihm angeschlos­senen Behörden versprechen, ist es un­möglich, die laufenden Arbeiten ord­nungsmäßig zu erledigen. Es sind daher ab sofort die sämilehcn Kanzleien des Landratsamtes, der Kreispfiege und der Kreissparkasse nur noch vormit­tags für den Publiku'msverkehr geöffnet. Der Landrat.

Ungültige Bezugscheine

Sämtliche vor dem 25. September 1945 ausgestellten oder verlängerten und noch nicht belieferten Bezugscheine Wer­den hiermit für u n g.iil.t i g erklärt. Diese Maßnahme ist erforderlich, um einen Überblick über das Verhältnis der vor­handenen Waren zu den ausgestellten Be­zugscheinen zu erhalten.

Die Neuausgabe von Bezugscheinen kann erst dann wieder aufgenommen wer­den; wenn feststeht, welche Waren in den einzelnen Geschäften vorhanden sind.

Anträge auf Bezugscheine sind grundsätzlich beim Bürgermeister einzureichen. Die Ausstellung von Be­zugscheinen aller Art erfolgt durch das £reiswirtschaftsamt.

Der Landrat.

zusehen ist und weil das Betriebsräte­gesetz bis jetzt noch nicht wieder in Kraft gesetzt worden ist. Die Folge davon ist, daß bei den oben bezeichneten Streitigkei­ten es an einer Austragungsmöglichkeit fehlt. Es muß aber eine Möglichkeit ge­schaffen werden, daß die beteiligten Per­sonen gegebenenfalls eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit oder Nichtrechtmäßig­keit einer Entlassung durchsetzen können.

Es wird deshalb mit Zustimmung der Militärregierung für die amerikanisch be­setzte Zone des Landes Württemberg un­geordnet:

1. Zur Beilegung von Streitigkeiten aus der Lösung von Dienstverträgen wird bis zum Inkrafttreten von das Ein­spruchverfahren bei Kündigungen re­gelnden gesetzlichen Bestimmungen bei jedem Arbeitsamt eine Schlichtungskammer gebildet,die aus einem unparteiischen Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Unterneh­mer und der Arbeitnehmer besteht. Der unparteiische Vorsitzende soll die Be­fähigung zum Richteramt haben; die Vertreter der Unternehmer sowie die Vertreter der Arbeitnehmer werden von ihren örtlichen Organisationen benannt.

2. Die Schlichtungskammer ist zuständig für sämtliche Streitigkeiten aus dem Bezirk des Arbeitsamts.

3. Die Schlichtungskammer wird auf An­ruf der Beteiligten (Unternehmer, Be­triebsvertretung, zur Entlassung kom­mender Angestellter oder Arbeiter) täc_ tig. Die Streitsache ist vor der Schlich­tungskammer zu verhandeln.

Kommt vor dor Schlichtungskammer keine Einigung zustande, so fällt die Schlichtungskammer einen Schieds­spruch, der nach Bestätigung durch die Militärregierung die Wirkung eines rechtskräftigen Endurtei,ls hat.

Landesarbeitsaint Württemberg.

Der Präsident.