NACHRICHTENBLATT
DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW
AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUTORITES DE L’ARRONDISSEMENT DE CALW
CALW
6. September 1945
Ausweispflidit und Verkehrsbestimmungen
I. Ausweise für die Deutschen
Alle deutschen Zivilisten vom 16. Lebens-
1 'ahr an müssen ein Ausweispapier mit Licht- )ild bei sich tragen, entweder
die Kennkarte, ausgestellt durch das Bürgermeisteramt (entspricht der „carte d’identit£) oder
den Wehrpaß, ausgestellt durch die Militärbehörden (entspricht dem „livret mi- litaire“).
Nur die n a c h der Errichtung der Militärregierung ausgestellten Kennkarten werden als gültig anerkannt. Die verantwortlichen deutschen Behörden müssen innerhalb 8 Tagen, das ist bis 15. September, alle Einwohner des Kreises mit der einheitlichen Kennkarte versehen. (Diese Kennkarte muß den Ort des Wohnsitzes angeben.)
II. Verkehrsbestimmungen (Note 2149/C.C.C. vom 2. Juli 1945)
A. Fußgänger: Jeder deutsche Zivilist kann sich im Kreise seines Wohnsitzes zu Fuß, mit Pferdefuhrwerk und Fahrrad frei bewegen. Wer sich außerhalb des Kreises begeben will, muß ein von der örtlichen Militärregierung ausgestelltes Laissez-Passer besitzen, sofern der Bestimmungsort sich in Württemberg befindet (französische oder amerikanische Zone und für die Kreise Karlsruhe und Pforzheim). Wenn der Bestimmungsort außerhalb Württembergs liegt {französische Besatzungszone und alliierte Zonen) muß die betreffende Urkunde vom Oouvernement militaire regional ausgestellt sein.
Der Verkehr mit Auto oder Motorrad ist untersagt, jedoch werden eine gewisse Anzahl von Fahrgenehmigungen durch die Militärregierung erteilt. Die Laissez-Passer für die Autos bestehen aus einer Bescheinigung, die der Chauffeur zurückbehält, und einer Karte, die am Fenster des Autos angebracht werden muß. Zivilisten, die Autos benützen, müssen einen persönlichen Laissez-Passer besitzen, der unter den gleichen Gesichtspunkten ausgestellt sein muß wie für Fußgänger.
B. Mit Eisenbahn: Die Benützung ist jsdem Besitzer eines Laissez-Passer in sehr begrenztem Umfang erlaubt, wenn die Erlaubnis ausdrücklich im Laissez-Passer enthalten ist. Im übrigen gelten dieselben Bedingungen wie für Straßenbenützer. (Note 259/5 AF GM des 5. Büro der 1. franz. Armee.)
Für den Eisenbahnverkehr. Die Fahrkarten dürfen nur an Personen mit gültigen Laissez-Passer ausgehändigt werden, wenn die Reise die Grenzen des Kreises überschreitet.
HI. Zwangsmaßnahmen:
Atte deutschen Zivilisten, die gegen die obigen Bestimmungen verstoßen, werden angehalten und dem nächsten Gendarmerieposten übergeben. Dieser überweist sie an aas Gericht der Militärregierung. In keinem Fall dürfen den Delinquenten Geldstrafen durch die Kontrollorgane auferlegt werden.
Die etwaige Beschlagnahme von Fahrrädern und Wagen kann nur durch den Kommandanten der Militärregierung ausgesprochen werden.
Diese Anordnung ist in der Zeitung bekanntzugeben und an allen Rathäusern des Kreises anzuschlagen.
Le Commandant F r € n o t
Gommandant le Detachement de G.M. de Calw.
Deutsche Kriegsgefangene in französischer Gefangenschaft
Im Auftrag der Militärregierung gebe ich bekannt:
Ueber die Befreiung von Kriegsgefangenen kann nicht durch die Militärregierung in Calw entschieden werden. Die Gesuche sind über die Bürgermeister beim Landrat einzureichen, der sie jeden Montagnach- mittag an das Gouvernement übergibt, yon wo aus sie an die betreffenden Stellen t* Frankreich weitergeleitet werden. Die Oe&ache um Befreiung von Kriegsgefangenen alliierter Armeen können nicht weitergeleitet werden.
Der Landrat.
Fabrikant Emil Wagner, Calw zum Landrat des Kreises ernannt
Landrat Dr. H a e g e I e ist mit seinem Einverständnis der Landesverwaltung bei der französischen Militärregierung in Tübingen zur Verfügung gestellt worden. Als Landrat habe ich Herrn Fabrikant Emil Wagner in Calw bestellt.
Le Commandant F r e n o t Commandant Ie Detachement de GM. de Calw
*
Der neue Landrat, Herr Emil Wagner, steht im 54. Lebensjahr und ist Textilindustrieller.. Er entstammt einer Calwer Familie, die seit 350 Jahren der Stadt Calw und dem Lande Württemberg Ratsherrn, Bürgermeister, Abgeordnete und Präsidenten gestellt hat.
Aufruf
an die Bevölkerung des Kreises!
Durch Entschließung des Herrn Gouverneur F r e n o t, Commandant le Detachement de Gouvernement Militaire de Calw, bin ich zum Landrat des Kreises Calw ernannt worden. In einer Zeit unbeschreiblicher Not des Vaterlandes und seiner Bewohner trete ich mein Amt an. Schwer lösbar sind im Augenblick die Probleme der Ernährung, der Bekleidung, der Behausung und des Verkehrs. Bang und schwer steht vor uns der Winter. Allein auf uns sind wir gestellt. Geblieben sind uns der schwäbische Fleiß, die schwäbische Beharrlichkeit und Genügsamkeit. Darum, Mitbürger, verliert den Mut und das Vertrauen in die Zukunft nicht. Kämpft alle gegen die begreifliche Arbeits- unlust, ergreift wann und wo immer es mög
lich ist, Pflug und Schraubstock. Bringt Handel und Produktion, wenn auch auf bescheidener Basis, wieder in Gang, denn ohne Güterproduktion wird der Schleich- und Tauschhandel kein Ende nehmen. Helft den Kriegsversehrten, den Ausgebombten, den von Haus und Hof vertriebenen Flüchtlingen und Heimgeholten. Würdigt den Mut und die Standhaftigkeit der KZ.-Häftlinge. Bedenket, daß unsre Jugend ( ein unabdingbares Recht auf Lebensfreude hat; verhelft ihr wieder zu freudigerem Dasein. Haltet Disziplin, befolgt gewissenhaft die Anordnungen der Militärregierung, begegnet den Angehörigen der Besatzungsmacht höflich, hilfsbereit und mit Würde, verhindert mit allen Kräften Unbesonnenheiten verantwortungsloser Elemente, leiht nicht jedem sinnlosen Gerücht Euer Ohr!
Ich selbst sehe in meinem hohen Amt in erster Linie die große soziale und helfende Aufgabe. Ich habe meine Verwaltung und meine Bürgermeister angewiesen, ihre Anstrengungen im Dienste der Bevölkerung, insbesondere aber der unglücklichen Opfer des Krieges, zu erhöhen, ein leuchtendes Beispiel unverdrossener und stetiger Hilfsbereitschaft zu geben und ihre Aufgabe nicht nur im unumgänglich notwendigen Verwalten mit seinen zeitbedingten Härten zu sehen, sondern in allererster Linie in warmer und menschlicher sozialer Betreuung.
Ich beginne meine Arbeit mit Mut und Vertrauen, helft alle mit, auf daß sie mir gelingen möge.
Emil Wagner Landrat des Kreises Calw
Seit Montag wieder Eisenbahnverkehr
Wiederaufnahme des Bahnverkehrs Calw—Pforzheim-Weißenstein
Ab Montag, 3. September, verkehren auf der Nagöldbahnstrecke zwischen Calw und Pforzheim wieder regelmäßig Züge mit folgendem Fahrplan:
Calw ab
5.50
18.00 Uhr
Hirsau
6.56
18.06
tt
Ernstmühl
6.00
18.10
tt
Bad Liebenzeli
6.06
18.16
tt
Monbach-Neuhausen
6.13
18.23
n
Unterreichenbach
6.19
18.29
ft
(Grenze)
Grunbach-Salmbach
6.25
18.35
tt
Pf orzheim-W eißenstein
6.30
18.40
tt
Pforzheim-Weißenstein
6.45
19.00 Uhr
Grunbach-Salmbach
6.52
19.07
tt
(Grenze)
Unterreichenbach
7.00
19.15
tt
Monbach-Neuhausen
7.08
19.23
tt
Bad Liebenzeli
7.17
19.32
tt
Emstmühl
7.24
19.39
tt
Hirsau
Calw VW
7.29
19.44
tt
7.35
19.50
tt
Fahrplan Nagold—Altensteig
Ab Montag, 3. September, verkehren auf der Strecke Nagold — Altensteig montags, mittwochs und freitags Züge mit folgendem Fahrplan:
Nagold 14.05 Uhr „ Stadt 14,12 „ Rohrdorf 14.26 „ Ebhausen 14.37 „ Berneck 14.55 „ Altensteig 15.05 „
Altensteig 9.25 Uhr Berneck 9.32 „ Ebhausen 9.49 „ Rohrdorf 9.59 „ Nagold-St. 10.15 „ Nagold 10.25 „
von der Besatzungsbehörde verlangt wird — den Vermerk dieser über die Berechtigung zur Benutzung der Eisenbahn trägt.
Andere Personen sind nur zugelassen, wenn sie einen Passierschein der Militärregierung vorlegen.
2. In der französischen Besatzungszone sind Reisen innerhalb des Kreises ohne besondere Genehmigung zugelassen. Beim Ueberschreiten der Kreisgrenze ist ein Passierschein nötig, auf dem der Vermerk angebracht sein muß, daß die Berechtigung zur Benützung der Eisenbahn genehmigt ist.
3. Für Reisen von der amerikanischen in die französische Besatzungszone ist die Vorlage eines zur Benutzung der Eisenbahn berechtigenden Passierscheines erforderlich.
4. Von der französischen in die amerikanische Besatzungszone ist die Vorlage eines zur Benutzung der Eisenbahn berechtigenden Passierscheins erforderlich.
Höchstpreis für die Beförderung von Personen auf Lastkraftwagen
Für die Beförderung von Personen auf Lastkraftwagen werden vielfach Preise gefordert, geboten oder bezahlt, die weit über das der Beförderungsleistung entsprechende Maß hinausgehen. Solche überhöhten Preise verstoßen gegen das Preiserhöhungsverbot und sind deshalb unzulässig. Fuhrunternehmer oder Fahrer von Lastkraftwagen machen sich nicht nur dann strafbar, wenn sie überhöhte Beförderungspreise lordern, sonden auch dann, wenn sie sich solche Preise bezahlen lassen.
*
i
Es sind folgende Anordnungen über die Benützung der Eisenbahn zu beachten:
1. In der amerikanischen Besatzungszone ist grundsätzlich nur der Berufsverkehr zugelassen gegen Vorlage eines Betriebsausweises der — soweit es örtlich
Ais höchstzulässiger Preis für die Beförderung von Personen auf Lastkraftwagen ist von der Preisaufsichtsstelle der Landesverwaltung für Wirtschaft der Preis von 5 Rpf. für den Kilometer, für Kinder unter 10 Jahren die Hälfte dieses Preises, festgesetzt worden. In diesem Preis ist die Vergütung für kleineres Handgepäck inbegriffen. Für größeres Gepäck und für andere Gegenstände darf höchstens die Eisenbahnfracht für Frachtstückgut berechnet werden.
Nr. 15
Lieferungen und Leistungen an die Besatzungstruppe
Im Auftrag der Militärregierung gebe ich bekannt:
1. Es ist den Bürgermeistern, Landwirten, Industriellen und Kaufleuten ausdrücklich untersagt, Lebensmittel und sonstige Waren oder Material ohne vom Gouvernement Militaire oder der Verwaltung der französischen Armee Unterzeichnete Bescheinigungen (bons d’achat oder bons de prestation) zu liefern.
2. Es ist verboten, der Besatzungstruppe Lastwagen “der Fahrbereitschaft ohne Genehmigung des Gouvernement Militaire zur Verfügung zu stellen.
Der Landrat.
Ablieferungspflicht landwirtschaftlicher Erzeugnisse
Die Bauern und Landwirte werden hiermit in Kenntnis gesegt, daß Brotgetreide einschließlich Gerste, die Oelfrttchte (Raps, Rübsen und Mohn) sowie Kartoffeln nach Abzug des Selbstversorgerbedarfes und des Saatgutes restlos abgeliefert werden müssen. Den Gemeinden bzw. den Erzeuger- betrieben werden die Ablieferungskontingente im Laufe des Monats September zugehen.' Verfüttern von Brotgetreide einschließlich Gerste sowie Speisekartoffeln ist strengstens verboten. Ferner wird jede Gemeinde ein den Anbauflächen entsprechendes. Ablieferungssoll an Hafer demnächst erhalten.
Der Landrat — Abt. Versorgungswirtschaft —
Kartoffel-, Getreide- und Schlachtviehpreise im Kreis'Calw
1. Für neue Kartoffeln gelten folgende'Preise:
Erzeuger- Verbraucherhöchgt- bOrhstpreis preis bei Abgabe voa je M kg 50 kg k 8
vom 27.8.—2.9.45 5,50 RM. 7 RM. 8 Rpf. vom 3.9.—9.9.45 4,50 RM. 6 RM. 6,5 Rpf.
2. Die Getreidepreise (einschl. Zuschlägen) betragen im Monat September: Roggen 20,50 RM.,
- • Weizen 21,70 RM., Braii- u. Brotgerste 20.50 RM., Futtergerst« 16.60 RM je 100 kg.
3. Für Schlachtrinder betragen die Höchstpreis« für je 50 kg. Lebendgewicht:
für Ochsen . Bullen „ Färsen , Kühe
bei Abnahme ab Land (Landpreis)
58 RM,
56 .
57 .
56 .
bei Abnahme frei Empfangsort (Empfangsortprei*)
60 RM.
58 B
59 .
58 .
Die Höchstpreise gelten nur für Tiere höchsten Schlachtwertes (Kl. a). Für Tiere minderer Qualität (Kl. b—d) haben angemessene Abschläge zu erfolgen.
Der Höchstpreis für Kälber höchsten Schlachtwertes (KL a) beträgt 59 Pfg. je */» kg. Lebendgewicht.
Berechtigungsscheine zur Selbstversorgung mit Speiseöl
Jeder Anbauer von Ölfrüchten erhält w i • im letzten Jahr neben einer Sonderzuteilung vön Speiseöl, die sich nach der Höhe der Ölsaatenablieferung richtet, außerdem eine Zuweisung von 12 kg Speiseöl für 52 Wochen (roh oder raffiniert), wenn er für die gleiche Kopfzahl auf den Bezug von Butter oder auf den Bezug von Margarine und Schlachtfett verzichtet, vorausgesetzt, daß er eine entsprechende Ölsaatenmenge im eigenen Betrieb geerntet und abgeliefert hat.
Die Anträge für Ölsaatenanbauer auf Aufstellung eines Berechtigungsscheines zur Selbstversorgung sind beim Bürgermeisteramt — Kartenausgabestelle — zu stellen. Die Kartenausgabestellen stellen den Speiseölberechtigungsschein ' für Selbstversorger aus. Ölfrüchte dürfen hur auf Grund eines Speiseölberechtigungsscheines für Selbstversorger im Lohn verarbeitet oder getauscht werden.
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Erzeuger von Ölsaaten, die auf dem Weg zur Ölmühle oder in der Ölmühle durch Kontrollorgane ohne Speiseölberechtigungsschein angetroffen werden, mit der Beschlagnahme der Ölsaaten bzw. des Öles und mit strenger Bestrafung zu rechnen haben. Die Kontrollorgane und die Ölmühlen haben entsprechende Anweisungen erhalten.
Der Landrat
— Abt. Versorgungswirtschaft —