Das Ausland zum deutschen Volksentscheid
Wachsendes Verständnis für das neue Deutschland
Frankreich am Kreuzwege
In französischen politischen Kreisen hat man sich noch nicht zu einem einheitlichen Urteil über bas überwältigende »Ja" des deutschen Volkes durchgerungen. Entscheidend sür die Stimmung in Paris sind die aus London und Nom vorliegenden Nachrichten. Die Einsicht, das; die Großmächte sür eine bedingungslose Einheitsfront gegen Berlin nicht zu haben sind, wirkt sich heute ebenso ernüchternd ans wie seinerzeit der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Die außenpolitische Unschlüssigkeit wird durch das Fehlen der inneren Front ergänzt. Der halbamtliche „Temps" erklärt beschwörend, baß die künftige Politik Hitlers nur dann besondere Tragweite auf internationalem Gebiet haben werde, wenn die übrigen Völker nicht einmütig entschlossen sein würden, das Recht ebenso einmütig zu verteidigen, wie das deutsche Volk Forderungen erhebe, die unmöglich mit den Verträgen, die das Recht schufen (?), zu vereinbaren seien. Man solle nicht sagen, baß die einmütige Willensäußerung eines Volkes von 60 Millionen bedeutungslos wäre, aber es hänge von der Festigkeit der Mächte ab, daß der deutsche Vorstoß sich an jenem anderen Willen breche. Der »Jntransigeant" schreibt: Wir wollen nichts anderes, als uns mit Deutschland verständigen, aber nicht allein. Unsere Verbündeten sollen an den Verhandlungen teilnehmen. Der in Berlin Eilende Hanptschriftleiter des „Paris Midi" unterstreicht in seinem Bericht, daß der Nationalsozialismus in den neun Monaten seiner Herrschaft 23 Millionen Stimmen, also das Doppelte der im März erzielten Stimmen, gewonnen habe. Auch wenn man den Wunsch haben sollte, darauf Hinzumeisen, baß nicht ganz Deutschland mit der „Diktatur" Hitlers einverstanden sei, so müsse man sich doch vor Tatsachen beugen. Sie seien überwältigend. Es handle sich in der Tat um einen Triumph für die nationalsozialistische Partei. Unmittelbare Verhandlungen mit Deutschland würden jetzt gefährlich.
Der „Matin" spricht sich in einem sensationellen Artikel, der wie ein politisches Manifest aussicht, für die Einleitung direkter Verständigungsverhandlnnge« mit Deutschland aus. Frankreich stehe heute am Kreuzwege vor drei Wegen, erklärt das Blatt: 1. Der Weg der Gewalt, 2. der Weg. wo man sich, was auch immer geschehen mag, an den Arm der ehemaligen Kriegskameraden anklammcre und die Hand der etwas gebrechlichen Freundschaften der Nachkriegszeit krampfhalt fcsthalte, der Weg, wo man sich von Zeit zn Zeit im Genfer Gasthof zusammcnsetzt, ohne Rast und ohne Ruhe redet und die Wahrheit hinter einem dichten Gewebe von Formeln verbirgt, 3. endlich der Weg der direkten Aussprache mit Deutschland. Kein Dritter, kein Zwischenträger! Die beiden Völker sprechen sich gegenseitig aus, suchen die furchtbare Vergangenheit zu liquidieren und zusammen eine bessere Zukunft zu gründen. Der erste Weg, der Weg der Nuhrbesetzung, scheint dem „Matin" völlig unmöglich. Der zweite nach den Erfahrungen der letzten zwölf Jahre allzu enttäuschend. „Warum versuchen wir also nicht den dritten Weg, den der direkten Aussprache? Gewiß, dieser Weg ist nicht ohne Gefahr. Er erfordert einen festen Willen und einen klaren Blick. Aber ist es nicht besser, wenigstens den Versuch zu machen, allein alles zn retten, als sich an den Rockschöße« eines ganzen Trauerznges in den Abgrund gleiten zu lassen?" Auch bas „Oeuvre" und die radikale „Nepublique" treten klar und unbedingt für die direkte Aussprache mit Deutschland ein. In der „Victoirc" schreibt Gustav Herve: Wenn man Dentschland in Nutze lassen und so klug sein würde, mit Dentschland unmittelbar zu verhandeln, dann werde in Europa der Friede Wiederkehren. Wenn Frankreich sich nicht vom parlamentarischen Regime zu befreien verstehe, werde cs noch manch andere bittere Erfahrung machen. Der „Jour" behauptet, daß im französischen Kabinett Meinungsverschiedenheiten ausgebrochen seien. Nach der ersten Rebe des Reichskanzlers hätte Frankreich Stellung nehmen können. Heute sei es zu spät. Heute könne Frankreich nichts anderes tun, als die deutsche diplomatische Offensive abzu- wartcn.
Einlenke« in England
In einem Leitaufsatz stellt die „Times" fest, daß Hitler jetzt mehr denn je der bevollmächtigte Vertreter der Deutschen vor der Welt sei. Früher oder später müsse Hitler versuchen, die Nüstungsgleichberechtigung und einen neuen Frieden, der an Stelle des Diktatsfricdens von Versailles tritt, durchznsetzen. Es bestehe kein Grund dazu, anzunehmen, daß die Aeußerungen über friedliche Verhandlungen unehrlich gewesen seien. Aber offensichtlich bestehe bei den Nationalsozialisten auch der grimmige Entschluß, daß militärische Mittel angewandt werben sollen, wenn die die deutschen Forderungen kein diplomatisches Gehör fänden <?). Es sei natürlich, daß diese Aussichten die friedlichen Nationen Europas erschrecken müßten. Diese Staaten müßten sich über die Frage schlüssig werden, inwieweit sich die gegenwärtige Lage Deutschlands — 18 Jahre nach dem Kriege — mit der Würde einer großen Nation vereinbare« lasse. Sie sollten der Wiederherstellung der gebührend«« Stellung Deutschlands keine Hindernisse in den Weg legen. Es könne keine Ruhe und keinen Ausgleich in Europa geben, solange ein Gefühl der Minderwertigkeit einen der wichtigsten Staaten in Erregung halte.
Italienischer Appell an die Vernunft der Mächte
Gayda betrachtet in einem Leitaufsatz des halbamtlichen „Giornale d'Jtalia" die international» Wirkung der deutschen Volksabstimmung und stellt fest, daß durch sie keine neuen Tatsachen geschaffen, werden. Alles, was mit „Ja" der 40 Millionen gesagt werde, sei von der Negierung Hitler schon in Genf und den Hauptstädten Europas gesagt worden. Es gebe deshalb — „wir sprechen «icht zum faschistischen Italien, sondern zu anderen Ländern
und politischen Kreisen" — keinen neuen Grund zum Alarm. Dagegen müsse man mit dieser lebendigen und organisierten Wirklichkeit der deutschen Nation und ihren auf einen Frieden mit Ehre und Gleichberechtigung gerichteten Willen rechnen. Man müsse sich auch vollkommen klarmacheu, daß es hinfort unmöglich sei, von Dentschland ein Zurückweiche«
Der 12. November im Bilde
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Der Führer im Wahlloral in Siemensstadt, wohin er sich ganz überraschend begeben hatte, um an derselben Stelle seiner Wahlpflacht zu genügen, von der aus er letzte Woche seine große Kundgebung an das deutsche Volk gerichtet hatte.
Erschütternde Treue zur Nation
Ein Sterbender stimmt mit Ja
Im Stimmbezirk Berlin-Hermsdorf ereignete sich am Sonntag eine erschütternde Episode. Ein Schwerkranker, seit langem erwerbslos und Wohlfahrtsempfänger, der im Sterben liegt, wollte auf Grund seines Stimmschci- nes durch seine Frau seine Stimme für Adolf Hitler ab- gebcn. Als diesem Wunsche nicht entsprochen werden konnte, ließ er sich auf einer Bahre ins Wahllokal tragen. Das Erscheinen des Sterbenden wirkte erschütternd. Unter Totenstille gab er seine Stimme ab. Als die Bahre wieder hinausgetragen wurde, erhoben sich alle Anwesenden und ehrten den Sterbenden mit dem Hitlergruß.
Aus Pfullingen wird berichtet: Die im 74. Lebensjahr stehende, ledige Maria Seybold, die vor etwa 14 Tagen den Arm gebrochen hatte, wurde in einem Kraftwagen in Begleitung eines Sanitätsmannes zur Wahl von ihrer Wohnung abgeholt. Während der Fahrt überfiel sie ein Unwohlsein und ein vor dem Wahllokal herbeigerufencr Arzt ver- anlaßte die sofortige Rückfahrt. Nach Ankunft in ihrer Wohnung verschied sie. Ein Schlaganfall hatte ihrem Leben ein Ende gesetzt.
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Grenzland-Polen für Ja «nd Hitler. Während in Wcst- preußen die Polen fast durchweg mit Nein gestimmt haben, hat die polnische Minderheit in der mittleren Grenzmark Posen-Westpreußen mit geringen Ausnahmen sich bei der Volksabstimmung mit Ja eingesetzt und bei Ser Ncichstags- wahl für die NSDAP.,.in einigen Dörfern sogar hundertprozentig, gestimmt.
Das Reich
Es steigt auf
Aus heiligem Blute der Toten,
Wie Licht aus morgenrotem Mantel der Nacht,
Erhebt sich aus Kraft des einzigen, der es getragen Mit gottreinem HerzenI Fühle, es steigt Aus unvererbten Tiefen Artreinen Blutes.
Wie beglückendes Lied «
Der ewig unsterblichen Mutter,
Die uns geboren hat.
Es zu erfüllen-
Tief in der Seele Mahnen die Stimmen Es zu vollenden.
Es zu beschirmen Mit gottstarken Händen Bis ans des Lebens Letzten verströmenden Zugl Bruder. Bruder.
Wer du auch seist.
Wo du auch warst.
Wo du auch standest.
Als unser Glaube es trug Und Sehnsucht die Fundamente gebaut — Bruder, jetzt, wo aus Jahrtausende Alten Träumen Ersüllnng sich reckt.
Wie göttlicher Sonne flammendes An-
gesicht
Aus der Sterne kreisendem Strom — Bruder, komm und trage mit Aus den Händen den Dom!
Earl Maria Holzapfel.
j ans dieser Stellung zu erwarten. Deutschland werde tn seinem durch die nationale Einigung noch gesteigerten Verantwortungsgefühl seinen Standpunkt sicher nicht bis zun, äußersten übcrspannen. Aber kein Land Europas werde die Bedeutung des deutschen Standpunkts übersehe« oder cut- ivertcu dürfe». Ein neuer entscheidender Augenblick in der Geschichte Europas zeichnet sich heute ab. Er lasse sich dahin zusammenfassen: Entweder Versöhnung oder schwerer endgültiger Bruch der europäischen Eintracht. Zum Schluß wendet sich Gayda ganz deutlich an die Vernunft der andern europäischen Mächte.
Eine neutrale Stimme zur Lage
Der schwedische Gelehrte und Schriftsteller Frcörik Böük erstattet in einem Buch „H i t l c r S D c u t sch l a n d" Bericht über seine Eindrücke, die er in diesem Frühjahr bei einer Reise durch Deutschland gewonnen hat. Es seien nur einige Urteile aus diesem Buche angeführt, die allgemein interessieren dürften:
„Die westlich: Demokratie sbamit meint er England, Frankreich und Nordamerika, Italien nicht ausgenommen) führte auf abscheuliche Weise Krieg (materielle Zerstörung, physische Grausamkeit, Lügenpropaganda und brutale Hetze). Die westliche Demokratie schloß auf ab scheu» liche Weise Frieden, kurzsichtiger, ungerechter, unhaltbarer, als jemals ein Fricdcnsschluß gewesen war (geschichtliche Fälschungen und wirtschaftliche Unsinnigkciten im Friedensvertrag). Endlich hat die westliche Demokratie all die Fragen, die durch die Unüurchführbarkeit des Weltfriedens entstanden, auf ein: abscheuliche Weise behandelt, es war unmöglich, zu Vernunft und Zusammenarbeit zurück- zukchren. (Wir würden statt „abscheulich" gemein sagen.) Der Völkerbund war ein großer Gedanke mit einem idealen Kern, der der Gestaltung sehr wert gewesen wäre. Aber wie ist er verfälscht und verpfuscht worden! Statt mit realpolitischen Mitteln einen idealen Zweck zu verwirklichen, ist der Völkerbund ein Werkzeug für realpolitische Zwecke unter idealer Verkleidung geworden — eine Anstalt für blauen Dunst, eine gewissenlose Maskerade, an der alle teilnehmcn, an die aber niemand glaubt. Wie lange soll cs dauern, bis die Einsicht erwacht, daß die Grenzen Mitteleuropas in völlig einseitigem und gehässigem Geiste festgesetzt wurden ebenso wie die Kricgstribute, baß eine Revision des Fricbensdiktats unumgänglich notwendig ist, daß die Leiden der nationalen Minderheiten aufhörcn müssen, wenn die Unruhe aufhören und ein Krieg in d r Zukunft vermieden werden soll? Was richtet hier der Bölkerbund aus, der die „zarteste Blume" des westlich-demokratischen Nechtsbcwußtscins und politischen Denkens sein sollte? — Die in erster Linie für die Entwicklung, die Europa jetzt durchmacht, Verantwortlichen sitzen nicht in Berlin, sondern in Paris und London, Warschau und Prag und in den Hauptstädten der ganzen Welt, denn Deutschland war seit 1918 viel mehr ein Objekt als ein Subjekt der Weltpolitik. — Hitlers Bewegung, die tatsächlich eine Glaubcnsbcwegung ist, hat uns zu sagen, baß es ohne lebendigen Glauben keine wahrhafte Heilung gibt."
Dies die Gedanken und Urteile eines Neutralen, die uns wohltuende Freude bereiten. Mit einer also mit offenem Blick gekennzeichneten unehrlichen Gesellschaft hätten wir Deutsche noch länger an einem Tische sitzen und ehrlich verhandeln sollen? Nie und nimmer mehr! Der Ekel darüber hat uns wahrlich lange genug beelendet. — Die einzig mögliche und richtige Antwort hat diese Gesellschaft nun am 12. November vom deutschen Volke eindeutigst bestätigt erhalten.
Die Welt
kennt Deutschlands Forderungen
Bei dem neugewählten Lordmajor von London fand daS jährliche Festessen mit den üblichen Feierlichkeiten in der Guild Hall statt. Das Hauptercignis des Abends war eine Rede des Ministerpräsidenten Macdonald über die politische Entwicklung des vergangenen Jahres, wobei er besonders auch auf die Abrüstung einging. Macdonald zählte hierbei die verschiedenen internationalen Maßnahmen vom Dawesplan bis zur Anerkennung der deutschen Gleichberechtigung im letzten Dezember auf, wobei England immer eine führende Nolle gespielt habe.
Hierzu erklärt man nun in Berliner politischen Kreisen: Macdonald brüstet sich damit, baß er der Vater des Viermächtepaktes vom 11. Dezember 1932 sei, in dem Deutschland die Gleichberechtigung zuerkannt wurde. Das ist richtig. Deutschland hat deswegen an der Abrüstungskonferenz teilgenommen. Da ihm aber auf der Konferenz die Versprechungen nicht gehalten worden sind, hat cs diese Konferenz wieder verlassen.
Sehr bezeichnend ist übrigens, daß Macdonald in seinen Ausführungen nicht auf die Genfer Simon-Nede cingcht, in der dieser erklärt hat, man könne dem jetzigen Deutschland die Gleichberechtigung nicht Anerkennen. Zu der Frage, was Deutschland wolle, kann man nur erklären: Seit einem Dreivierteljahr weiß die Welt, was die Forderungen Deutschlands sind. Zum Schluß seiner Rebe hat Macdonald erklärt, Neurath wolle neue Vorschläge machen. Das ist keine richtige Auffassung der Ausführungen Neuraths. Deutschland hat ja abgerüstet und wartet darauf, daß auch die andern Staaten abrüsten sollen. Wir haben uns bereit erklärt, eine „No Force Declaration" abzuschließen und eine Kontrolle anzunehmen. In unseren Forderungen sind wir äußerst maßvoll. Trotzdem merkt man noch nichts von der Abrüstung der anderen Staaten.