Aus Stadl und Land
Calw, den 18. Februar 1933.
, Zum Sonntag
Wenn das Lebe« vom Menschen Opser fordert und Verricht, wenn Schicksalsschläge auf ihn herniedersausen, dann zeigt sich, was der Mensch an Kraft znn, Widerstand oder zum Tragen besitzt. Und man macht dabei oft die seltsame Erfahrung, daß die äußere Kürperkrast in einem nur losen Zusammenhang mit der seelische» Widerstandskraft steht. Jedenfalls kann man erleben, wie körperlich zarte Menschen unter den Schicksalsschlägen zu Helden erstarken, während ansehnliche Kraftmenschen oft überraschend schnell zusammen- fallen, wenn das Leben ihnen den Dornenkranz flicht.
Wir leben in einer Zeit, die eine wohl ausgebildete Ernährungswissenschaft hervorgebracht hat. Was wird heutzutage nicht alles getan, »in den menschlichen Körper vor Ueber- und Unterernährung zu schützen. Die Speisen werden nach ihrem Vitamingehalt ausgesucht, Diätkuren werden verordnet, Rohkost wird etngeführt und vieles andere mehr. Und das alles nur, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen und den Ansprüchen des Berufes anzupasscn.
Dieser starken Betonung der rechten Ernährungsweise des Körpers acht nun aber in unserer Zeit eine ebenso auffallende Vernachlässigung der seelischen Ernährungsweise zur Seite. Neben körperliche Höchst- und Krastlcistungen stellen sich seelische Minderleistungen von beunruhigendem Tiefstand, verbreitet sich eine seelische Verweichlichung und Wehleidigkeit, Sie erschrecken muß. Wir sehen oft Menschen verzagen und zusammenbrechen, auch wenn das Leben nur die geringsten Opfer von ihnen verlangt-
Ist bas ein Wunder, wenn man jahrelang, jahrzehntelang sich nur um die rechte Diät des körperlichen Lebens, aber nicht um die rechte Nahrung der Seele bekümmert hat? Was erwarten wir an innerer Seelenkraft, wenn wir nie für ihre Pflege gesorgt haben?
Zu allen Zeiten haben die religiösen Kraftguellcn immer als die beste Scelenncvhrung gegolten. Eine Menschheit, die glaubt, leichtfertig und stolz dieser Kräfte entraten zu können, soll sich nicht wundern, wenn sie keine Kraft mehr zu Opfer und Selbstverleugnung, zum Widerstand und zum Tragen harten Schicksals ausbringen kann, und sie mag sehen, woher sie bessere Scclenkrüfte bezieht. Für den Christen ist es keine Frage, baß die ernste Betrachtung und das innerste Ergrisfensein von dem Leben, Kümpfen, Leiden und Sterben Christi die beste Wappnung für unser inneres Leben bedeutet und die Menschen auch dort befähigt, zu tragen und zu meistern, wo das Leben in den dunkelsten Schatten gerät. Dieses Betrachten aber ist mehr als nur ein sich Interessieren oder sich Jnteresfierenlassen für Christus. Christus ist nicht dazu in di« Welt gekommen, daß die Menschen sich für ihn interessieren, sondern daß sie von seinem Wort und seiner Erlösungstat leben können. Das ist der tiefe Sinn seines Wortes: „Ich bin das Brot des Lebens." Wahres Christentum ist zu allen Zeiten et» kraftspenbenöer, nicht ein kraftnshmcndcr Glaube gewesen und ist eS heute noch. Achten wir besser auf unsere Seelennahrungl Das Leben ist hart geworden «nd braucht viel Kraft, auch viel innere Kraft.
Jubiläum
Schneidermeister Johannes Ganser, Simmozheim, kann dieser Tage aus eine 25jährige Tätigkeit als Vertreter der Württ. Landcssparkasse zurückblickcn. Aus diesem Anlaß ist ihm von der Sparkasse ein Ehrcnbccher mit Diplom überreicht worden.
Erfindung
Dem Kunstmaler P fe i f s e r-Calw »vuröe für die Erfindung eines Vibrationsapparatcs in Verbindung mit Sauglustantrieb das Deutsche Reichs-Patent erteilt.
Vorträge Rektor Trappmann über die Geschlechterfrage
Die vom Evang. Jugendring Calw veranstalteten Vorträge über die Gcschlcchtersrage am Ist. und 11. Februar im Weitzschen Saal waren sehr stark besucht — ein Zeichen, daß in der jungen Generation auch unserer Stadt, und zwar in den verschiedenartigsten Gruppen Verlangen ist nach klarer Führung in dieser für die persönliche Lebensführung wie für das Volksschicksal gleich wichtigen Frage. Der Redner, Rektor Trapp mann aus Bonn, der seit 40 Jahren Im Geiamtgcbict des Reiches über diese Frage vor jungen Menschen spricht, hat aus seinen ungezählten Aussprachen eine Fülle von Anschauung über die wirkliche Lage in der deutschen Jugend, und er sieht die Wirklichkeit mit scharfen und doch Hellem Auge. So kommt bei aller Offenheit der Darstellung nie das Gefühl einer peinlichen Angelegenheit aus. Dieser Kämpfer im weißen Haar spricht durchaus im Sinn
eines aussichtsreichen Kampfes, so ernst in dieser Zeit der vfjeutlichen, von der Gewinnsucht vor aller Augen gezerrten Schamlosigkeit die Situation für den jungen Menschen geworden ist. Er redet freilich auch ganz offen davon, Satz ihm nicht allerlei ethische Ratschläge, sondern nur die innere Verbindung mit Christus den Kampf um die Reinheit hoffnungsvoll machen. Man möchte wünschen, daß die Erwachsenen in diesem Ringen um ein« gereinigte moralische Zukunft des deutschen Volkes Seite an Seit« stünden mit der Jugend, iu der viel redlicher entschlossener Wille wäre, in diesem Stück einen deutlichen Schritt nach vorwärts zu tun.
Wenn der „Stahlhelm" ansmarschlert
Das Wehrsportkorps IV des „Stahlhelm" lCaliv, Hirsau, Bad Liebenzell) hat das verflossene Wochenende zur Durchführung einer großen wehrsportlichen Geländeübung auf dem oberen Wald benützt. Es waren rund 90 Mann, die am Samstag abend 8.15 Uhr, feldmarschmäßig ausgerüstet, Nachrichten-, Pionier- und sonstiges wehrsporliches Uebungs- gcrät mit sich führend, von der Stahlhelm-Kaserne abrückten. Das Wetter war denkbar schlecht, besserte sich aber während des Nachtmarsches, dessen erste Etappe Neubulach war, zusehends. Nachdem der Anstieg zur Höhe rasch genommen war, ging's in strammem Schritt und Tritt, der Spielmannszug voraus, ins Städtchen herein. Cportkorps- sührer Reichmann ordnete hier eine Rast von 25 Min. an, und mancher alte Soldat benützte diese Gelegenheit, mit den jungen Kameraden tm grauen Nock tn Fühlung zu treten. Die Truppe und ihre Ausrüstung machten allgemein einen vorzüglichen Eindruck. Biel Interesse erweckte u. a. ein Tragtier, das zur Beförderung der schweren Wehrsportgeräte mitgeführt wurde. Der Weitermarsch des Sportkorps führt« Uber Oberhaugstett und Martinsmoos nach Neumeiler. Kurz nach 12.30 Uhr war oer Ort erreicht. Dieser Marsch, in einer Zeit von wenig über 3 >4 Stunden von Ealw nach Ncu- weil?« dulchgesührt, ist eine sehr beachtliche Leistung. In Neumeiler wurde die Truppe von einem vorausgesanöten Kommando empfangen, und von der Küche sogleich Kaffee auSgcgeben. Dann wurde für die Nacht OrtSbimak bezogen, wobei die Mannschaften aus drei Stellen, im alten Schulhaus, in Scheuern und Kammern, verteilt wurden. Es gab Urlaub biS zum Wecken. Ein frohes und kameradschaftliches Zusammensein mit der Einwohnerschaft Neuweilers war also eine Selbstverständlichkeit. Jung und alt beteiligte sich yreran und nur ungern trennte man sich zu stark vorgerückter Stunde. Trotz der kurzen Nacht hieß es um 7 Uhr früh wieder antrcten. Ein Dauerlauf durch den Ort mit anschließender Morgenwäsche am eisig-klaren Laufbrunnen trieben den Schlaf voll aus. Nach dem Kaffeeholcn wurde zum Dienst angetrcten. Ein kurzer Augenblick stillen Gedenkens vor dem Kriegerchrcnmal der Gemeinde, während die Spielleute den Präsentiermarsch schlagen, dann rückte das Sportkorps pünktlich um 8.45 Uhr mit sämtlichem Gerät tn Richtung Oberkollwangen ab. Auf Höhe 568 nördlich dieser Ortschaft wurde Halt gemacht und von hier aus eine wehrsportliche Geländeübung durch daS Lautenbachtal hindurch, über die steilen Hänge Schmieh zu durchgeführt. Mit klingendem Spiel ging's durch Schmieh und über Tal und Höhen Emberg zu. Nach kurzer Rast wurde 12.45 Uhr mittags Nötenbach erreicht, wo das Vorkommando schon eine kräftige Feldküchenmahlzcit bereitet hatte. Die folgende zweistündige Mittagspause war wohlverdient. Der Rückmarsch nach Calw erfolgte schließlich über Weltenschwann, Altburg und Oberrted. Zweck der Uebung war, die Marschleistungen der Truppe zu prüfen. Grundlagen zu ihrem weiteren Ausbau zu schassen und gleichzeitig mit der Bevölkerung Neuwcilers Fühlung zu nehmen, da ab 1. März daselbst von Calw aus ein Arbeitslager zwecks Einrichtung eines freiw. Arbeitsdienstes ausgemacht wird. Der Führung war daran gelegen, der alten Mannschaft zu zeigen, daß rer „Stahlhelm" dabei ist, eine Truppe zu schaffen, die auf dem besten Wege ist, die Tradition der alten Armee in sich auk- znnehmen. Und die gute Ausnahme der jungen Kamerasen seitens der Bevölkerung war wohl der beste Beweis dafür, daß dieses hohe Ziel des „Stahlhelm" erkannt und mit dankbarer Begeisterung begrüßt wird.
Vortrag Schulte
Auf den Sonntagnachmittag im Saal Marktplatz 30 tn Calw stattsindrnden Vortrag „WaS wird kommen — 1000 Jahre Frieden oder der letzte Nassenkrieg und die gelbe Gefahr?" sei nochmals Hingeiviesen. Wie verhält es sich mit dem sogenannten Millennium, dem 1000jährigen Frlcdens- reich auf Erden? Diese Zeitperiode wird sechsmal in der Bibel erwähnt und zwar nur Offenbarung 20. — Was sagen Jesus und namhafte Bibelauslcger hierüber? Was bedeutet das Wetterleuchten im Osten, wird Japan die Führung der gelben Nasse übernehmen? Die vielgclesene Monatszeit-
schrift „Die Auslese" schrieb kürzlich „Amerika lehrt, Japan lernt,' der Völkerbund redet, Japan handelt." — Jedermann ist eingeladen. (Näheres im Anzeigenteil.)
Wetter für Sonntag und Montag
Süddeutschland kommt immer mehr in den Bereich maritimer Luftzufuhr. Infolgedessen ist für Sonntag und Montag veränderliches und auch zu Schneesällen geneigtes Wetter zu erwarten.
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Altensteig, 17. Febr. Als das Postauto nach Simmersfeld, bas um 7 Uhr abends hier abgeht, zwischen Hescl- bronn und Ettmannswciler fuhr, begegnete ihm mit seinem Fahrrad der verheiratete 32 Jahre alte Fritz Klacß, Schreiner, von Altensteig-Dorf, der in Ettmannsivetlcr in Arbeit stand und mit einem Kollegen nach Hause fuhr. Durch irgend einem Umstand, offenbar kam er nicht aus dem gefrorenen Wagengeleise der Straße heraus, stürzte er vom Rad uni wurde gegen bas Auto geworfen, wobei er, ohne überfahren zu werden, sich so schwere innere Verletzungen zuzog, daß er alsbald starb.
SCB. Leoubcrg, 17. Febr. Am Sonntag, 10. Februar, darf Pfarrer a. D. Richard Edenbcnz seinen 75. Geburtstag begehen. In Untcrheimbach bei Oehringen geboren, Hai er die Laufbahn eines schwüb. Geistlichen durch Semlnai und Stift durchgemacht und als Pfarrer in Erispenhoscn, Dek. Künzelsau, Döffingen, Drk. Böblingen, Altburg, Dek. Calw, und Münchingen, Dek. Lconberg, im Segen gewirkt. 1025 trat er in den Ruhestand, den er in Lconberg verbringt.
SCB. Stuttgart, 17. Febr. Bet der ersten Zusammen- legung der einzelnen Kapitel des Stadthaushalts hat sich ein Gesamtabmangel von 10 Miss, ergeben, der scdoch durch Eingreifen des Finanzrefercntcn auf 5 Mill. gedrückt werden konnte. Auch im vorigen Jahr lag ein Abmangel von 4,9 Millionen vor. Die Höhe des diesjährigen Nbmangcls über- rascht insofern, als der Stadt Stuttgart gegenüber dem Vor- fahr Millionenetnnnhmen ans der fünffachen Biirgcrsteuer zur Verfügung stehen.
SCB. Stuttgart, 17. Febr. Die NBD. Stuttgart teilt mit: Nus dem unbeschrankten Bahnübergang tn der Nähe des Bahnhofs Sindelfingcn ist am 17. Februar 6.44 Uhr die ledige 40 Jahre alte Elisabeth Kcppclcr von Sindelfingcn. die mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Böblingen fahren wollte, von dem von Böblingen kommenden Personcnzng 2508 angefahren und getötet worden. Die Lokomotive und die Wagen des Zuges sowie der Bahnübergang waren beleuchtet, auch hat der Lokomotivführer die vorgcschricbenen Länte- und Pscifensignale rechtzeitig abgegeben.
SCB. Lcinzell OA. Gmünd, 17. Febr. Fabrikant Julius Uhlmann, Inhaber der Korsettfabrik Julius Uhlmann u. Co^ König!. Norwegischer Konsul, und erst unlängst in der Oes» scntltchkeit anläßlich seines 60. Geburtstages vielfach genannt, hat ans Verzweiflung über den Zusammenbruch seines Unternehmens einen Selbstmordversuch begangen. Tie Kugel hat Brust und Lunge durchbohrt und ist tn der Schulter stecken geblieben. Man hofft, ihn am Leben erhalten zu können. Die Arbeiter, etiva 150 an der Zahl, hatten seii 3 Wochen keinen Lohn mehr erhalten und infolgedessen Antrag auf Konkurseröffnung gestellt. Man ist bestrebt, dal Unternehmen im Interesse der Arbeiterschaft wciterzu- führen.
SCB. Hall, 17. Febr. Den auf 21. Mat einberufenen Bundestag des Württ. Kriegerbundcs ist auf ausdrücklichen Wunsch des Krieger- und Militärvcreins Schwäb. Hall aus Sonntag, den 28. Mai 1933 verlegt worden.
Geld-, Volks- und Landwirtschaft
Börse
SCB. Stuttgart, 17. Febr. Für Aktien lag die Börse trotz großer Geschäftsunlust ziemlich fest, dagegen gab es am Rentenmarkt Kursabbröckelungen.
LC. Berliner Produktenbörse vom 17. Febr.
Weizen mark. 196—198,- Roggen märk. 155—157: Braugerste 165—175,' Futter- und Jndustriegcrste 158—164: Ha er märk. 118—121,- Weizenmehl 23—26,30: Roggen mehl 20,25 bis 22,25: Weizenkleie 8,20—8,40: Noggenkleie 8,60—8.90: Vik- toriaerbsen 20—28,- kl. Speiseerbsen 19chO—2l; Futtererbscn l2—14: Peluschken 12—13ch0,- Ackerbohne» 12—14.50.- Wicken 13,50—15,50,- Lupinen blaue 8—10,- dto. gelbe I1„50—12,75; Seradella neue 17—23,- Leinkuchen I0L0; Erdnußkuchen 10.50; Erdnußkuchcnmehl 10,70; Trockenschnitzel 8,60: Extrahiertes Sojabohnenschrot 46 Prozent ab Hamburg 9,40: dto. ab Stet- tin 10,30,- Kartoffelflocken 13-13,20. — Allgemeine Tendenz: fest.
LkU Bsrirsg
morgen Sonntag, IS. Febr., nachm. S Uhr, im Saal, Marktplatz 3V. in Calw.
Thema: „Was wird kommen-1VSV Jahre Trieben — oder die gelbe Gefahr und der Weltkrieg?"
Redner: H. Schulte. Eintritt frei!
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