Thomas Bäder · Ein Mord, zwei Opfer Kurz nach seinem 17. Geburtstag wird er auf Antrag seiner Eltern in die Fürsorgeanstalt Schönbühl im Remstal eingeliefert. Ein Jahr später, 1925, ist er bereits zum fünften Mal von dort ausgebrochen. Er habe einfach die strenge Zucht nicht ertragen, weil er die Freiheit liebe, heißt es in den Akten. Maier nutzt den Ausbruch, um eine Feldscheune auf Nagolder Gemarkung anzuzünden. Motiv: Nicht mehr zurück ins Fürsorgeheim zu müssen. Er wollte lieber im Gefängnis einsitzen, als in die Anstalt zurück, sagt er bei seiner Vernehmung. Als die einein­halbjährige Haftstrafe wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung fünf Monate vor Ablauf zur Bewährung ausgesetzt wird, macht sich Maier erneut strafbar, landet wegen Bettelns und Land­streicherei wieder im Gefängnis und danach bis zu seiner Volljährigkeit im Jahr 1928 in der geschlossenen Abteilung der Anstalt Schönbühl. Eineinhalb Monate nach seiner Entlassung ge­schieht der Mord an der Seifensiederwitwe Friederike Steiner. In seinem ersten Geständnis, das er später widerruft, schiebt er die Schuld auf seine Eltern, die ihn schlecht behandelt hätten was sein Vater gegenüber dem Gutachter abstrei­tet: der Sohn habe sich gegen alle Erziehungsver­suche gesträubt. Aber gefühlskalt und roh sei er dennoch nicht gewesen. Als Karl Maier im KZ Gusen stirbt, ist er 36 Jahre alt. Zur Person: Friederike Steiner Das Mordopfer Friederike Steiner (65) erleidet in ihrem Leben viele Schicksalsmomente. Von ihren insgesamt acht Kindern Karl, Pauline, Her­mann, Friedrich, Frida, eine weitere Pauline, Emil und Adolf sterben vier im frühen Kindesalter. Die Söhne Hermann und Friedrich fallen 1915 im Ersten Weltkrieg. Nur Sohn Wilhelm und Tochter Frida leben noch, als die Mutter 1928 ermordet wird. Der Vater der Kinder und Ehe­mann von Friederike Steiner, Johann Friederich Steiner, ist zur Tatzeit bereits seit acht Jahren tot. Sein Vater, so mutmaßt Sohn Wilhelm in einem offenen Brief an den Staatspräsidenten Eugen Bolz, sei gestorben, da er den Verlust der beiden Söhne nicht verschmerzen konnte. Die Schwarz­wälder Tageszeitung Aus den Tannen veröffent­licht den Brief zum ersten Jahrestag des Mordes. Wilhelm Steiner äußert darin Unverständnis über die Begnadigung des Mörders. Er beschreibt seine Mutter als eine geistig hochstehende, edelge­sinnte, in allen Kreisen beliebte Frau und Duld­nerin. Vater Steiner war laut Ortssippenbuch der Stadt Altensteig Seifensieder und Stadtrat. Quellen und Literatur Staatsarchiv Sigmaringen, 28/3 T 14 Nr. 350. Staatsarchiv Ludwigsburg, Gefangenenpersonal­akte der Landesstrafanstalt Ludwigsburg, E 356d III . 919; Gefangenenhauptbuch der Lan­desstrafanstalt Ludwigsburg, E 356d II Bd. 5 Nr. 5023. Kreisarchiv Calw, Nagolder Tagblatt Der Gesell­schafter, Ausgabe Nr. 64 vom 16. März 1928. Kreisarchiv Calw, Schwarzwälder Tageszeitung Aus den Tannen, 15. März 1929. Hans Maršálek, Konzentrationslager Gusen. Ein Nebenlager des KZ Mauthausen, Dokumentation, 2. Auflage, Wien 1987. Mauthausen 8.8.1938/5.5.1945, Besucherbro­schüre, Herausgeber: Österreichische Lagergemein­schaft Mauthausen, verantwortlich: Hans Maršálek. Öffentliches Denkmal und Museum Mauthausen, Archiv: Gusener Totenbuch und Nationalitätenliste verstorbener Häftlinge. Homepage der Eugen-Bolz-Stiftung (www.eugen­bolz-stiftung.de). Homepage der Eugen-Bolz-Förderschule Kornwest­heim (www.ebs.lb.schule-bw.de). Ortssippenbuch der Stadt Altensteig, Kreis Calw in Württemberg, 1660–1910, von Prof. Dr. Burkhart Oertel, Selbstverlag des Verfassers, Neubiberg, 1987. Bildnachweis Alle Abbildungen: Staatsarchiv Sigmaringen, 28/3 T 14, Nr. 350. 57