Thomas Bäder · Ein Mord, zwei Opfer werte Anoce im Lahrer hinkenden Boten des Kalenders gelesen und werde davon ein Gebrauch machen. Sie sagen mir, wer ich bin und was ich von meinen Freunden zu halten habe () Kön­nen Sie mir aus der Handschrift sagen, ob ich zu einer solchen Tat fähig bin, einen Selbst­oder einen vorsätzlichen Raubmord ausführen zu kön­nen? Der Brief schließt mit den Worten: Viel­leicht könnte die ganze Mordssache auf ein Justizirrtum beruhen. Der Graphologe steht auf der Seite des Verurteilten. In seinem Antwort­schreiben geht der Freiburger davon aus, daß ich Sie nicht für fähig halte, einen vorsätzlichen Raubmord kaltblütig zu begehen. Noch im selben Monat wird Karl Maier vom württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz begnadigt, die Todesstrafe im Wege der Gnade in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe umge­wandelt. Dieser Akt löst beim Sohn der Seifen­siederwitwe einen Sturm der Entrüstung aus. In einem offenen Brief an den Staatspräsidenten, der in der Schwarzwälder Tageszeitung Aus den Tannen am ersten Jahrtag des Mordes veröffent­licht wird, macht Wilhelm Steiner seinem Unmut Luft. Er schreibt: Ist es nicht ein Hohn auf die Gerechtigkeit, ein solches Scheusal, der ein edles Menschenleben vernichtete, noch wei­ter unter Menschen zu lassen? Das allgemeine Volks-Rechtsempfinden sträubt sich dagegen, ein solch minderwertiges Subjekt, einen Raubmörder aus Staatskosten weiter zu erhalten. Karl Maier stirbt am 10. September 1943 im Konzentrationslager Gusen. Knapp fünf Monate zuvor war er von der Landesstrafanstalt Ludwigs­burg an die Polizei abgegeben und in das KZ versetzt worden, wie es in einem Aktenvermerk heißt: Die Strafunterbrechung wurde vom Reichsjustizministerium angeordnet. In Lud­wigsburg verbüßte Maier nach seiner Be­gnadigung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Gusener Totenbuch ist als offizielle Todesursa­che eine eitrige Dickdarmentzündung vermerkt. Eugen Bolz, der Mann, der Karl Maier begnadigt, scheidet nach der Wahl des Nationalsozialisten Wilhelm Murr zum Staatspräsidenten im Jahr 1933 aus seinem Amt. Im Herbst 1941 nimmt der Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerdeler mit Bolz Verbindung auf, weiht ihn in die Pläne der Widerstandsbewegung ein. Von nun an Ein Hinweis auf das Schicksal Karl Maiers: Auszug aus dem Gusener Totenbuch. 55