Peter Schlang, OttenbronnHirsau und Thalbürgel:gemeinsame Klostergeschichte als Bindegliedvor und nach dem MauerfallWenn ich hier meine Gedanken zu Hintergründen undErfahrungen im Zusammenhang der deutsch-deutschenWiedervereinigung aus katholischer Sicht darlegen soll,die den Kreis Calw und seinen am 3. Oktober 1986gegründeten Kreisgeschichtsverein tangieren, kann, jamuss ich mich ausschließlich der Achse HirsauThalbürgel widmen. Neben der Partnerschaft desevangelischen Kirchenbezirks Calw mit dem ebenfalls inThüringen gelegenen Dekanat Weida dürfte sie maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Wiedervereinigung und die Umstände, die zu dieser führten,von nicht wenigen Menschen im Kreis Calw ganz besonders wahrgenommen und begleitet wurden.war hoch erfreut, endlich wieder einmal einen Trabi zusehen, und erzählte, dass er in den 50er Jahren nochAutorennen auf der Rennstrecke bei Schleiz gefahrensei. In liebevoller Handarbeit feilte er die Zündkontaktefrei, an neue war ja am Daimler-dominierten Schwarzwaldrand nicht zu denken, so dass unsere Besucher amTag darauf wieder problemlos die Heimreise antretenkonnten.Welche Schritte, Ereignisse, ja kleine Wunder warendieser denkwürdigen Wiedervereinigungs- bzw. Mauerfall-Begegnung im Schatten des Klosters Hirsaus vorausgegangen?Erlauben Sie, dass ich Sie in die Geschichte dieserBeziehungen mit einer ganz persönlich gefärbten Szeneeinführe, die sich am 24. November 1989, also zweiWochen nach dem Fall der Mauer, ereignete. Meine Frauund ich saßen an diesem Freitagabend gegen 20 Uhr inunserer Wohnung in Monakam beim Abendessen, als esplötzlich an der Wohnungstür läutete. Als wir dieseöffneten, glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen,standen doch unsere Freunde aus Thalbürgel bei Jenavor uns, Christine und Dietmar Tonndorf mit ihrendamals 5 und 8 Jahre alten Söhnen Paul und Matthias.Sie erklärten uns ungläubig Staunenden, dass sie sichpersönlich davon hätten überzeugen wollen, dass dieMauer und die Grenzanlagen tatsächlich gefallen und dieReisefreiheit auch für Menschen im bisher anderen TeilDeutschlands Realität geworden seien. Deshalb hattensie sich am Vormittag in ihrem Trabi auf den Weg in denNordschwarzwald, vor allem nach Hirsau, gemacht.Die vier hatten die Reise viel besser überstanden als ihrFahrzeug, das völlig heiß gelaufen und rauchend inunserem Hof stand, weil seine Zündkontakte durch dieungewohnt lange Reise völlig verrußt und verklebtwaren. Ganz zu schweigen, dass die vier nicht nur ziemlich verfroren ankamen und sich auf den letzten Kilometern kaum noch hatten unterhalten können – ganz nachdem Trabi-Witz, der bald darauf auch im Westen dieRunde machen sollte: Warum werden immer mehr Trabisin„Citroen“ umgetauft? Ganz einfach, weil’s vorne ziehtund hinten dr oe hnt!Dazu möchte ich mit Ihnen zunächst einen kurzen Blickin die Geschichte des Klosters Hirsau und seinerunzähligen Klostergründungen werfen: Um das Jahr1103 beschließt Pauline, Nichte des Bischofs Werner vonMerseburg und Tochter des Truchsessen Moricho, dereinige Jahre zuvor als Mönch in das Kloster Hirsaueingetreten war, im thüringischen Längwitzgau östlichvon Ilmenau ein Doppelkloster zu gründen. Mit seinemBau wird einige Jahre später begonnen, und es wird nachseiner adeligen Gründerin Paulinzella genannt. Diesestirbt leider bereits 1107 auf einer Reise nach Hirsau imebenfalls hirsauischen Kloster Münsterschwarzach undwird bei der feierlichen Weihe der KlosterkirchePaulinzellas im Jahr 1124 dort bestattet. Selbstverständlich kamen die Gründungsmönche und die erstenbeiden Äbte, Gerung und Udalrich, aus dem HirsauerMutterkloster.18 Jahre nach der Weihe Paulinzellas, im Jahr 1142,begannen dessen Mönche im etwa 50 Kilometerentfernten, etwas östlich von Jena gelegenen Bürgel mitdem Bau eines Klosters, das nach der im Tympanonsichtbaren Jahreszahl schließlich im Jahre 1199 fertiggestellt wurde und dessen dreischiffige Kirche nochheute bis zur Vierung fast original erhalten ist.Vermutlich haben einige unter Ihnen dieses eindrucksvolle Bauwerk in lieblicher Landschaft schon besucht,den anderen sei eine Reise nach Thüringen und damitin die früheste Hirsauer Geschichte dringend ans Herzgelegt.Nun, der Missstand konnte am nächsten Morgen auf ganzunkonventionelle Weise behoben werden, indem ich denTrabi zur damaligen Autowerkstatt Schöttle nach Hirsauschleppte. Dort gab es die zweite nette deutsch-deutscheBegegnung dieses Wochenendes, denn Herr Schöttle,sonst eher brummig und nicht so spontan freundlich,Von dieser Beziehung zwischen Hirsau und Bürgel wussteauch der damalige Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde Bad Liebenzell-Hirsau, Karl Müller, den ich andieser Stelle ins Spiel bringe. Er war der Gemeinde von1973 bis 1985 nicht nur ein offener, spirituell vielseitigerund äußerst umtriebiger Seelsorger, sondern auch stets31