binder. Bei der Durchsicht wird deutlich, dass in dem Buch nur einige Teile aus dem Jahr 1490 stammen. Es könnte sein, dass einige undatierte Teile älter sind, vielleicht um ca. 30 Jahre. Und in das Buch wurden jahrzehntelang weitere Texte geschrieben, bevor es als veraltet nicht mehr für den Amtsgebrauch taugte und 1555 durch ein neues Buch ersetzt wurde (und dieses nochmals 1601, kurz vor Ende der badischen Zeit). In einigem Umfang und für gewisse Texte muss das Buch offenkundig auch noch nach 1555 benutzt worden sein, nicht mehr, indem neue Texte hineingeschrieben wurden, sondern zum Nachschlagen nach manchen alten Texten. Durch diesen langen Gebrauch und durch Achtlosigkeit ­es wurden leider einige Seiten halb abgerissen, Titelblatt und Inhaltsver­zeichnis, die sicher einmal vorhanden waren, gingen ganz verloren ­ist das Buch in einen so desolaten Zustand geraten, dass es 1740 neu ein­gebunden werden musste. Wie beim Datum darf man auch beim Titel sich nicht auf den ersten Eindruck verlassen; man sollte außerdem hinterfragen, was eigent­lich ein Annalbuch oder ein Statutenbuch ist, sein könnte oder müsste. Annalen, von lat. annus = Jahr, verzeichnen Ereignisse in kalendarischer Reihenfolge. Annalen sind sowohl Geschichtsschreibung, als auch Grundlagenwerke für Geschichts­schreibung. Viele Kulturvölker der Antike haben ­sich dieser Form bedient, die Pharaonen oder ­für uns besonders bedeutsam die Römer, z.B. Livius. Die Methode wurde von den Karo­lingern um 800 wieder aufgegriffen (Annales regni francorum) und dann zu Beginn der Neuzeit, unter bewusstem Rückgriff auf das antike Vorbild, von den Humanisten, die dank ihrer Griechischkenntnisse einen weiteren, gleichbedeutenden Namen einführten: Chroni­ken, von griech. chronos = Zeit. Unter Statuten, von lat. status = Zustand, versteht man rechtliche Ordnungen. Das könn­ten sogar Gesetze sein. Gleichwohl bleibt man mit dem Begriff meistens eine Ebene unter den Gesetzbüchern, versteht unter Statuten eher Ordnungen, Verordnungen, Satzungen innerhalb eines gesetzlichen und örtlichen Rahmens. Ein unscharfer, verschwommener Begriff. Bei Durch­sicht wird deutlich, dass im Fall unseres Alten­steiger Buches der Titel ,,Annalbuch" falsch ist und der Titel ,,Statutenbuch" nur zum Teil zr;itrrfft. In dem Buch sind keine Annalen enthalten, wohl aber Abschriften wichtiger Urkunden v.a. der frommen Stiftungen des Wilhelm von Urbach um 1480. So wichtig sie für die Stadtgeschichte sind, mit Annalen hat das nichts zu tun. Das Buch beginnt mit einem (z.T.durch Ausriss 1ückenhaften) Grundsteuer-Register (Zins auf Martini für Häuser und Gärten), ent­hält eine badische Hofgerichts-Ordnung, ferner die auch anderwärts bekannte, berühmte Kirch­spiel-Beschreibung (die sich eigentlich auf den alten Zentralort Altensteig-Dorf bezieht) . Statuten im Sinne von Ordnungen sind ein greiterer, wesentlicher Inhalt des Buchs, (aber keineswegs der ganze restliche Inhalt), Ord­nungen für mancherlei Handwerke, aber auch für den städtischen Vollzugsbediensteten, den Büttel, oder übergreifend-allgemein z.B. die Marktordnung, die Händler, Handwerker, Käu­fer insgemein betraf. Diese Statuten sind keine Originalurkunden, sondern ebenfalls Abschriften. Den z. T. falschen, z. T. ungenauen und irre­führenden Titel «Annal­und Statutenbuch» wird sich der brave Buchbindermeister wohl kaum selbst ausgedacht, sondern ihn auf Anweisung des Auftraggebers auf den Einband geschrieben haben ­das könnte Ludwig Ernst Graf von Wittgenstein jun., Obervogt von 1732bis 1744, gewesen sein. So genau hat man es mitten in der Zeit des Rokoko mit dem Begriff wohl nicht mehr genoflrmen oder gewusst, denn er war um 1740 schon lange aus der Mode gekommen, war ein Anachronismus, altertümlich eben. Immer­hin waren die Verantwortlichen um 1740 sorg­fältiger, als man dies heute oftzu sein pflegt. Sie verwendeten nicht den Begriff ,,Stadtbuch", von t6